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Männer mit PCa profitieren nicht in jedem Alter von einer Ektomie

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    #16
    Hallo KaiausL,
    "Aber um auf die Chancen zurückzukommen! ich habe als einer der ersten patienten die Chance, dass Dr. Abdel-Rahmene Azzouzi bei meiner Op anwesend ist. Der hat schon über 100 OPs nach dieser Methode gemacht (mit Erfolg)."
    Gibt es Daten / Studien darüber - viele Krebsheiler preisen ihre Erfolge-wie kommt man zu der Aussage .
    Gruß Skipper
    http://www.myprostate.eu/?req=user&id=244

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      #17
      skipper: hier kann man nur auf seine Intuition vertrauen. Glaubt man an den technischen Fortschritt in der Medizin? Es geht hier nicht um Wunderheiler! Es geht hier um die Beseitigung von Krebsgewebe. Es geht darum , ob man sich die Prostata komplett lahmlegen lässt, oder nur zu einem Teil. Es gibt eine gewisse Wahrscheinlichkeit bei mir, dass nur ein Lappen betroffen ist. Warum soll ich beide Lappen zerstören lassen? Meine Freundin ist 29 und hat Kinderwunsch. Ausserdem hat sie Probleme mit AS, weil ihre Eltern beide Ärzte sind. Wenn ich alleine wäre, würde ich mich für AS entscheiden und dann operieren, wenn sich etwas zum Negativen verändert. Jetzt warte ich mal das "Würfeln" bei der fokalen Studie ab. Ich kann dabei mit beiden Möglichkeiten leben.
      Und die Entscheidung lässt alle anderen Alternativen offen. ich kann mich nach wie vor auch nach der OP noch für alle anderen Alternativen entscheiden.
      Alle etablierten Kliniken in Deutschland beteiligen sich an dieser Studie. Warum wohl?

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        #18
        PIVOT-Studie

        Zitat von Harald_1933 Beitrag anzeigen
        Jeder ist seines Glückes Schmied, und wer nicht in der Lage ist oder besser war, sich mit solchen Zahlenspielereien vor einer Therapieentscheidung auseinandersetzen zu können, muss halt in Kauf nehmen, was das Schicksal ihm auferlegt. Den goldenen Schlüssel zur allein richtigen Entscheidung wird es wohl für uns auf absehbare Zeit nicht geben.
        Hallo Harald,

        du hast natürlich recht, jeder ist seines Glückes Schmied und die Entscheidung für oder gegen OP muß jeder selbst treffen und diese schwierige Entscheidung wird durch die PIVOT-Studie keinesfalls erleichtert!

        Was mich beschäftigt ist allerdings die Frage, ob der mündige Patient nicht vollständig darüber informiert sein sollte, was es da so an "Zahlenspielereien" alles gibt.

        Bei Formulierung der S3 Leitlinie müßten die vorläufigen Ergebnisse der PIVOT-Studie zumindest deutschen Urologen, die internationale Kongresse besuchen, bekannt gewesen sein. In der S3-Leitline findet sich darüber aber nichts. Oder habe ich da was übersehen?
        Auch in der Beratungspraxis der Urologen und der S3-Leitlinien-Experten hier im Forum taucht die PIVOT-Studie nicht auf, obwohl sie hier im Forum ja schon früher vorgestellt wurde.

        Die PIVOT-Studie ist eine große randomisierte Studie und besitzt damit den Evidenz Level 1 (höchster Evidenzgrad).

        Deshalb meine Frage an die S3-Leitlinien Experten: Warum wird die Studie trotzdem als anscheinend irrelevant angesehen? Besitzt sie einen gravierenden Fehler im Studiendesign, den ich übersehe, oder passt sie nicht in das verfestigte urologische Weltbild, oder stiftet sie in der Beratung nur unnötige Verwirrung und man sollte sie deshalb nicht erwähnen? Oder muß man abwarten, bis in ein paar Jahren ein endgültiges Studienergebnis publiziert wird und solange die Studie unberücksichtigt lassen?

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          #19
          PIVOT-Studie
          Zitat von gunterman Beitrag anzeigen
          PIVOT-Studie
          Oder muß man abwarten, bis in ein paar Jahren ein endgültiges Studienergebnis publiziert wird und solange die Studie unberücksichtigt lassen?
          Dies ist das am häufigsten angeführte Argument, für die derzeitige Nichtberücksichtigung der PIVOT-Studie, man muß abwarten bis die Studie publiziert wurde um sich kritisch mit ihr auseinandersetzen zu können.
          There has been a lot of media hype in Europe around the re-presentation of the PIVOT data by Dr. Wilt at the annual meeting of the European Association of Urology in Paris last week. And yet every …

          All the PIVOT trial hype from Europe
          There has been a lot of media hype in Europe around the re-presentation of the PIVOT data by Dr. Wilt at the annual meeting of the European Association of Urology in Paris last week. And yet every prostate cancer specialist attending that meeting must have already been well aware of these data.
          Die Wiederpräsentation der PIVOT-Daten auf dem EUA Kongress 2012 in Paris hat in Europa große Medienaufmerksamtkeit erfahren, obwohl eigentlich jeder Prostatakrebsspezialist diese Daten schon lange hätte kennen müssen.

          The PIVOT trial is an important study, but the Devil is in the details … and as yet the details from this trial remain unpublished.
          PIVOT ist eine sehr bedeutsame Studie, aber der Teufel steckt im Detail.... und bis jetzt sind die Details der Studie nicht veröffentlicht worden.

          Ein Beispiel für den aus amerikanischer Sicht nicht ganz verständlichen Medien-Hype den die Präsentation in Paris ausgelöst hat, da die PIVOT Daten ja schon länger bekannt sind, findet sich hier:


          Prostate cancer surgery 'has no significant survival benefit', study suggests
          Die PIVOT Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Prostatektomie zu keinem signifikanten Überlebensvorteil führt.

          One specialist, who did not want to be named, told them: “The only rational response to these results is, when presented with a patient with prostate cancer, to do nothing.”

          Dieser Satz des "Spezialisten" weist darauf hin, dass die PIVOT-Studie nicht nur die Prostatektomie in Frage stellt, sondern auch andere Prostatakrebsbehandlungsmethoden bei geringem und mittlerem Prostatakrebsrisiko. Dass keine Signifikanzen in der PIVOT-Studie für Überlebensvorteile durch RP erzielt werden konnten liegt zum großen Teil daran, dass die Sterblichkeiten in der betrachteten Grundgesamtheit relativ gering waren. Von den 731 Männern starben in 12 Jahren insgesamt 52 (7,1%), in der Niedrigrisikogruppe waren es dabei 3,4%, in der Gruppe mittleren Risikos 8,4% und in der Hochrisikogruppe 13,3%. Bei der Untergruppe der Männer, deren Tod auf den Prostatakrebs zurückgeführt werden konnte, betrug die absolute Differenz zwischen den Behandlungsformen weniger als 1%.
          Aussagekräftige Signifikanzen für "prostatakrebsspezifisches Überleben" dürften deshalb für alle Arten von Behandlungsmethoden, bei geringem und mittlerem Prostatakrebsrisiko, erst bei noch längeren Beobachtungszeiträumen als 12 Jahren feststellbar sein.
          Zuletzt geändert von RalfDm; 03.05.2012, 09:33. Grund: Änderung auf Wunsch des Verfassers

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            #20
            Zitat von guntermann
            Bei Formulierung der S3 Leitlinie müßten die vorläufigen Ergebnisse der PIVOT-Studie zumindest deutschen Urologen, die internationale Kongresse besuchen, bekannt gewesen sein. In der S3-Leitline findet sich darüber aber nichts. Oder habe ich da was übersehen?
            Auch in der Beratungspraxis der Urologen und der S3-Leitlinien-Experten hier im Forum taucht die PIVOT-Studie nicht auf, obwohl sie hier im Forum ja schon früher vorgestellt wurde.

            Die PIVOT-Studie ist eine große randomisierte Studie und besitzt damit den Evidenz Level 1 (höchster Evidenzgrad).
            Hallo guntermann,

            diese mehr als berechtigte Einblendung, oder noch besser berechtigter Vorwurf, kommt mir in einem anderem Zusammenhang irgendwie bekannt vor. Es betrifft die immer noch umstrittene Aussage einer neben dem Gleason-Score zusätzlichen Malignitätsbefundung per DNA-Ploidie. Hier liegt schon seit längerer Zeit der Oxford-Evidenzlevel bei 2B. Mit der ProKo-Studie, für die auf der Homepage des BPS für Spenden im wahrsten Sinne des Wortes geworben wird, soll nun endgültig der Status 1B festgeschrieben werden. Immerhin haben die Pathologen in ihren aktuellen Leitlinien schon diese Passage eingefügt:

            DNA-zytometrische Untersuchungen können im Einzelfall
            als Zusatzuntersuchung bei bestimmten Fragestellungen,
            z. B. Active Surveillance, neben dem Gleason-Grading
            durchgeführt werden, sind jedoch nicht als Standard anzusehen.

            Es bleibt also auch hier abzuwarten, wann es Standard werden könnte.

            Zitat von guntermann
            Deshalb meine Frage an die S3-Leitlinien Experten: Warum wird die Studie trotzdem als anscheinend irrelevant angesehen? Besitzt sie einen gravierenden Fehler im Studiendesign, den ich übersehe, oder passt sie nicht in das verfestigte urologische Weltbild, oder stiftet sie in der Beratung nur unnötige Verwirrung und man sollte sie deshalb nicht erwähnen? Oder muß man abwarten, bis in ein paar Jahren ein endgültiges Studienergebnis publiziert wird und solange die Studie unberücksichtigt lassen?
            Beim Einstellen meines bisherigen Textes zu Deinem Beitrag #18 entdecke ich eben das folgende Zitat:

            Zitat von guntermann
            Die PIVOT Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Prostatektomie zu keinem signifikanten Überlebensvorteil führt.
            Damit ist doch nunmehr endlich klar geworden, warum die Urologen die PIVOT-Studie eher ignorieren. Der DNA-Zytometrie widerfährt eine ähnliche Abkehr zur möglichen Nutzung. "Honi soit qui mal y pense".

            Hier noch im Detail die bisherigen Evidenz-Level zur DNA-Ploidie

            Ein Mensch hat dreierlei Wege, klug zu handeln:
            Erstens: Durch Nachdenken - das ist der edelste.
            Zweitens: Durch Nachahmen - das ist der leichteste.
            Drittens: Durch Erfahrung - das ist der bitterste.
            (Konfuzius)

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              #21
              PIVOT-Studie
              Hier: Kritik an der Studie und neue schwedische Kohorten-Analyse zu den Todesursachen von Männern mit Prostatakrebs.

              Nach der Vorstellung der PIVOT-Studie auf der AUA 2011 gab es selbstverständlich auch Kritik an der Studie, insbesondere von Seiten orperierender Urologen.
              Ein ausgewähltes Beispiel hierfür:

              Is This The End Of Prostatectomies? von prostatedoc, Urologe

              Ein Hauptkritikpunkt ist die geringe Sterblichkeit an Prostatakrebs in der Studie von 7,1 % im Verhältnis zur Gesamtsterblichkeit, die angeblich bereits 2010 48% betragen haben soll. Deshalb wird spekuliert, dass der allgemeine Gesundheitszustand der Männer in der Grundgesamtheit eventuell schlechter war als der der Allgemeinbevölkerung.
              Das Durchschnittsalter der in die PIVOT-Studie einbezogenen Männer lag bei 67 Jahren bei Studienbeginn. Hieraus könnte sich das Problem ergeben, dass die derzeit weitergeführte Studie (sie ist nicht nach 10 Jahren beendet worden, wie vielfach zu lesen ist und auch von dem Urologen Prostatedoc argumentiert wird) in Vergleichszeiträumen jenseits von 15 Jahren keine signifikanten Aussagen mehr machen kann, da die Subgruppen durch Sterblichkeit voraussichtlich zu klein geworden sind.

              Dass Männer mit lokal begrenztem Prostatakrebs viel häufiger an anderen Ursachen als PCa versterben, zeigt auch eine aktuelle schwedische Studie, die am 20. Mai auf dem AUA 2012 Kongress vorgestellt werden soll:

              AUA 2012 Sunday, May 20, 2012 8:00 AM-10:00 AM
              Prostate Cancer: Epidemiology and Natural History I, Moderated Poster
              Swedish Research Council 825-2010-5950 and Swedish Cancer Society 100628 .
              157: "Long-Term Outcomes According to Risk Category of Prostate Cancer in a Nation-wide, Population-Based Study"
              Jennifer Rider, Fredrik Sandin, Katja Fall, Pär Stattin

              Die zentrale Ergebnisse der Jennifer Rider et al Studie, die allerdings keine randomisierte Studie ist, sondern eine bevölkerungsbasierte Kohorten-Analyse, sind:
              At 15 years, cardiovascular disease alone accounted for the highest proportion of deaths among prostate cancer patients with low- and intermediate-risk disease.
              Im 15 Jahres Beobachtungszeitraum starben die meisten Prostatakrebspatienten mit niedrigem und mittlerem PCa-Risiko an kardiovaskulären Erkrankungen.

              ...,the cumulative risk of death from PCa and other causes, respectively, at 15 years following diagnosis ranged from 7.2% (95% CI: 5.9-8.6%) and 38.6% (36.0-41.3%) for men with low-risk disease, to 68.9% (67.7-70.1%) and 28.1% (95% CI: 26.9-29.2%) for men presenting with distant metastases.
              In der Niedrigrisikogruppe starben 7,2% der Männer an Prostatakrebs und 38,6% an anderen Todesursachen.
              Die Sterblichkeit an Prostatakrebs liegt also in dieser Studie (allerdings 15 Jahre Betrachtungszeitraum) im Niedrigrisikobereich höher als in der PIVOT-Studie mit 3,4%. Die Gesamtsterblichkeit über alle Risiko-Gruppen hinweg, scheint dagegen nicht extrem unterschiedlich zur PIVOT-Studie zu sein. In der PIVOT-Studie sind Männer mit niedrigem PCa-Risiko zu 43%, mittlerem Risiko zu 36 % und Hochrisiko zu 20 % vertreten (http://prostatecancerinfolink.net/20...e-pivot-study/ )
              Die Argumentation, dass die in die Grundgesamtheit der PIVOT-Studie einbezogenen Männer eine ungewöhnlich hohe Morbidität aufweisen, und dadurch das für die Prostatektomie ungünstige Ergebnis erzeugt wird, scheint nicht gut belegbar zu sein.

              In der Gruppe von Männern, die metastasierten Prostatakrebs mit Fernmetastasen hatten, starben im 15 Jahre Betrachtungszeitraum 68,9 % an Prostatakrebs und 28,1% an anderen Todesursachen.
              Bereits metastasierter Prostatakrebs wurde in die PIVOT Studie nicht mit einbezogen, da sie sich auf lokal begrenztes PCa bei Ausgangsdiagnose beschränkt. Eine Prostatektomie oder abwartendes Beobachten ist hier nicht angezeigt.

              Risk of excess mortality increased steadily with longer follow-up among men with localized intermediate-risk, localized high-risk, regionally metastatic, and metastatic disease at diagnosis.
              Für Männer mit lokal begrenztem mittlerem und hohem Prostatakrebsrisiko, und für Männer mit metastasiertem Prostatakrebs steigt die Sterblichkeit gegenüber der Allgemeinsterblichkeit im Laufe des Betrachtungszeitraumes an. Hier wird das Problem angesprochen, ausreichend lange Betrachtungszeiträume in Studien zu gewinnen um Vorteile von invasiven Therapien gegenüber der Observation herausarbeiten zu können.

              Conclusions der schwedischen Studie:
              The majority of deaths among men with localized disease – even disease considered high risk at diagnosis – are from causes other than PCa. Our results not only highlight the need for more refined tools for PCa diagnosis and therapeutic selection, but also demonstrate the importance of strategies to reduce CVD and other preventable causes of death among men with PCa.
              Die Mehrzahl der Todesfälle bei Männern mit lokal begrenztem Prostatakrebs, ja sogar in der Gruppe mit Klassifikation Hochrisiko bei Diagnose, haben andere Ursachen als Prostatakrebs. Unsere Studienergebnisse heben nicht nur die Notwendigkeit verfeinerter Methoden für die PCa Diagnose und Auswahl der geeigneten Therapie hervor, sondern demonstrieren auch welch große Bedeutung es hat, Herzerkrankungen und andere verhinderbare Todesursachen bei Männern mit PCa zu reduzieren.

              Nimmt man die von Harald verlinkte Studie ( http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22541389 ) mit hinzu, so besteht bei den Studien zumindest Einigkeit darin, dass Prostatektomien, aber auch andere Interventionen, bei lokal begrenztem Prostatakarzinom mit niedrigem Risiko fragwürdig sind. Gleiches gilt für radikale Eingriffe bei Männern über 70 Jahren, eventuell sogar schon bei Männern in den späten 60er Jahren. Ganz wichtig ist auch, dass mit lokal begrenztem Prostatakrebs kämpfende Männer ihr Augenmerk auch auf Herz-Kreislauferkrankungen richten, da dies die häufigste Todesursache, weit vor dem Tod durch PCa, darstellt. Bei metastasiertem PCa, insbesondere mit Fernmetastasen, kommt der Krebsbekämpfung selbstverständlich die allererste Priorität zu.

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                #22
                PIVOT-Studie

                Im Anschluß an die PIVOT-Studie bestand die Befürchtung, dass sie dazu führen könnte, dass jetzt zu wenig operiert wird. Deshalb ja auch die Stellungnahme des amerikanischen Urologen "Is this the end of prostatectomies?" (Bedeutet dies das Ende für Prostatektomien?).

                Wenn man nun den in einem anderen Thread hier im Forum behandelten Fall eines 75-jährigen mit niedrigem PCa-Risiko sieht, dem als Option nach S3 Leitlinie die radikale Prostatektomie, offen oder mit Da Vinci, vorgeschlagen wird, so braucht man diese Sorge anscheinend nicht zu haben. Alle hier in diesem Thread, "Männer mit PCa profitieren nicht in jedem Alter von einer Ektomie", vorgestellten Studien, die für eine evidenzbasierte Therapieempfehlung hätten herangezogen werden müßen, bleiben unberücksichtigt. Es gilt wie so oft hier im Forum: Par ordre de mufti (S3-Leitlinie) gegen evidenzbasierte Medizin!

                Vielleicht ist der Blick in ein anderes Internetforum, das sich auch mit Prostatakrebs beschäftigt, für die unterschiedlichen Sichtweisen interessant.

                Posting vom Moderator und Arzt Ikarus im Forum www.patientenzeit.de :

                Nicht jede diagnostische oder therapeutische Maßnahme beim Prostatakarzinom ist zwingend notwendig. Auf was man getrost verzichten kann, ist im folgenden Beitrag zusammengefasst.

                12 Dinge, die wir im Umgang mit Prostatakrebs lassen sollten
                Quelle: Zeitschrift: URO-NEWS 2012/1; 16 (1): 24-25
                Autor: Prof. Dr. med. Lothar Weißbach


                "Hitliste der zwölf überflüssigsten Maßnahmen beim Umgang mit dem Prostatakarzinom (PCa), auf die wir alle guten Gewissens verzichten können — verzichten müssen, wenn wir die Wissenschaft und nicht die Wirtschaft unser Handeln bestimmen lassen wollen:
                1. ..
                ..
                3. Die sofortige kurative Behandlung von Niedrigrisiko-Tumoren (inkl. fokale Therapien und Roboter): Die PIVOT-Studie hat gezeigt, dass eine radikale Prostatektomie nur bei hohem Risiko dem Watchful Waiting (WW), also Nichtstun, überlegen ist. Für Tumore mit niedrigem Risikoprofil steht mit Active Surveillance (AS) eine sichere Therapieoption zur Verfügung, die erst bei Anzeichen von Progress in eine kurative Behandlung mündet.
                (Klotz L et al. Clinical results of long-term follow-up of a large, active surveillance cohort with localized prostate cancer. J Clin Oncol 2010; 28: 126–131
                van den Bergh RC et al. Outcomes of men with screen-detected prostate cancer eligible for active surveillance who were managed expectantly. Eur Urol 2009; 55: 1–8
                van As N et al. Predicting the probability of deferred radical treatment for localised prostate cancer managed by active surveillance. Eur Urol 2008; 54: 1297–1305
                Soloway MS et al. Active surveillance; a reasonable management alternative for patients with prostate cancer: the Miami experience. BJU Int. 2008; 101: 165–169
                Carter HB et al. Expectant management of prostate cancer with curative intent: an update of the Johns Hopkins experience. J Urol. 2007; 178: 2359–2364
                Dall'Era MA et al. Active surveillance for the management of prostate cancer in a contemporary cohort. Cancer 2008; 112: 2664–2670)


                4. Die kurative Primärtherapie bei Männern über 65: Wird die Studie von Bill-Axelson richtig interpretiert, dann ergibt sich ein Überlebensvorteil und ein geringere Metastasierung durch die radikale Prostatektomie (RP) gegenüber der Beobachtung nur für Männer, die jünger als 65 Jahre sind.
                (Bill-Axelson A et al. Radical prostatectomy versus watchful waiting in early prostate cancer. N Engl J Med. 2011; 364: 1708–1717)"

                Prof. Dr. Lothar Weißbach war Mitglied der Autoren-Steuergruppe der Leitlinienentwicklung und Mitautor der S3 Leitlinie.

                Man muß nicht mit allen Aussagen von Prof. Dr. Weißbach, im Rahmen seiner Hitliste der überflüssigsten Maßnahmen beim PCa, einig gehen. Seine Aussagen sind teilweise sehr apodiktisch formuliert, aber es wird doch deutlich, dass einen 75-jährigen Patienten (Lebenserwartung nach statistischem Bundesamt 10 Jahre) mit niedrigem Prostatakrebsrisiko operieren zu wollen, auch von Medizinern als äußerst fragwürdig angesehen wird und nicht auf evidenz- sondern auf finanzbasierter Medizin beruht.
                Die S3-Leitlinien Orthodoxie hier im Forum geht anscheinend davon aus, dass alles was in S3 steht gesicherte evidenzbasierte Medizin ist, die sich weitgehend auf randomisierte Studien stützen kann. Das ist aber leider nur teilweise der Fall und die fortscheitende Forschung entwertet auch so manches in S3 relativ schnell im Zeitablauf.

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                  #23
                  Zitat von gunterman
                  Wenn man nun den in einem anderen Thread hier im Forum behandelten Fall eines 75-jährigen mit niedrigem PCa-Risiko sieht, dem als Option nach S3 Leitlinie die radikale Prostatektomie, offen oder mit Da Vinci, vorgeschlagen wird, so braucht man diese Sorge anscheinend nicht zu haben. Alle hier in diesem Thread, "Männer mit PCa profitieren nicht in jedem Alter von einer Ektomie", vorgestellten Studien, die für eine evidenzbasierte Therapieempfehlung hätten herangezogen werden müßen, bleiben unberücksichtigt. Es gilt wie so oft hier im Forum: Par ordre de mufti (S3-Leitlinie) gegen evidenzbasierte Medizin!
                  Heute früh kam zu dem in Rede stehenden Thread diese Ergänzung.

                  Zitat von Daniel Schmidt
                  Die Wahrscheinlichkeit für einen Misserfolg einer Strahlentherapie wäre bei Ihrer Tumorkonstellation unter 5%.
                  Können Sie damit leben? Bei einer OP ist übrigens die Rate auch nicht niedriger.

                  Sie hatten vor 15 Jahren eine TUR-P. Man könnte theoretisch neben der externen Strahlentherapie auch Seeds in Ihrem Fall probieren.

                  Mit 75 zu operieren, das ist meines Erachtens nicht ganz unkritisch. Wegen der Narkose mache ich mir weniger Gedanken. Das Problem ist einfach, wie man sich von der Kontinenz mit 75 noch nach einer OP erholt
                  Immerhin enthält diese vorsichtige Einschätzung doch eine gewisse Skepsis zumindest über den erhofften Erfolg bei einer Ektomie, und zwar ohne eine gravierende Nebenwirkung wie Inkontinenz.

                  Zitat von gunterman
                  Die S3-Leitlinien Orthodoxie hier im Forum geht anscheinend davon aus, dass alles was in S3 steht gesicherte evidenzbasierte Medizin ist, die sich weitgehend auf randomisierte Studien stützen kann. Das ist aber leider nur teilweise der Fall und die fortscheitende Forschung entwertet auch so manches in S3 relativ schnell im Zeitablauf.
                  Man kommt aber als verantwortungsbewußter Informationen weitergebender nicht darum herum, sich zumindest in einem für jeden zugänglichen Forum an Leitlinien zu orientieren. Das gilt zumindest für die wenigen hier aktiven Mediziner.

                  Zitat von gunterman
                  aber es wird doch deutlich, dass einen 75-jährigen Patienten (Lebenserwartung nach statistischem Bundesamt 10 Jahre) mit niedrigem Prostatakrebsrisiko operieren zu wollen, auch von Medizinern als äußerst fragwürdig angesehen wird und nicht auf evidenz- sondern auf finanzbasierter Medizin beruht.
                  Dieser Aspekt wird auch zukünftig bei den Entscheidungen eine dominante Rolle spielen. Wie sonst sollen denn die ausufernden Kosten in manchen Kliniken anders noch halbwegs ins Gleichgewicht gebracht werden, wenn nicht durch entsprechende Einnahmen.

                  "Sei höflich zu allen, aber freundschaftlich mit wenigen; und diese wenigen sollen sich bewähren, ehe du ihnen Vertrauen schenkst"
                  (George Washington)

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