Liebes Forum !
Immer wenn sich Urologen und Chefärzten großer Kliniken treffen kommt über kurz oder lang das Gespräch auf die radikale Prostatektomie – meist nach dem Motto „Wieviele Radikale habt Ihr dieses Jahr schon gemacht ?“ Über Komplikationen hört man nichts. Wahrscheinlich gibt es auch keine - neuen. Die alten ( Impotenz, Inkontinenz, gelegentlich starker transfusionsbedürftiger Blutverlust ) kennen wir – über die Häufigkeit kann nur spekuliert werden. Die veröffentlichten Zahlen stimmen nicht.
Was aber viel schlimmer ist – die Operateure diskutieren nicht über eine intelligente Auswahl der Patienten ( = Indikation ). Jeder versucht auf seine OP – Zahlen zu kommen – ob die Patienten von der OP profitieren scheint leider zweitrangig zu sein.
Es ist unstrittig dass viele Männer ein Prostatakarzinom bekommen aber nur wenige daran sterben. Die Biologie des Prostatakarzinoms ist immer noch nicht genau erforscht – aber es gibt Fortschritte. Neben dem Gleason Score können inzwischen eine ganze Reihe von Zusatzuntersuchungen angefordert werden um die Agressivität des Tumors genauer einzuschätzen.
Viele Arbeiten belegen die Bedeutung des Krebsvolumens. Wenn in einer ordentlich durchgeführten Gewebeentnahme nur eine von 10 Stanzbiopsieen positiv und der Zylinder beispielweise nur zu 30% befallen ist wird das Karzinomvolumen wohl sehr niedrig sein. Beurteilt der Experte ( !!! ) dann das Gewebe mit Gleason 3+3=6 und ist der Patient über 65 Jahre alt kann man den Sinn einer „ Radikalen“ erheblich in Frage stellen. Zumindest sollte mit dem Patienten über die Möglichkeit einer aktiven abwartenden Strategie mit regelmäßigen Kontrollen gesprochen werden . Ich glaube nicht dass viele Chirurgen das tun.
Andererseits werden Patienten mit sehr ungünstigen Ausgangsbefunden „ radikalisiert“ – z.B. bPSA 45 Gleason 5+4=9. Bei dieser Befundkonstellation liegen mit hoher Wahrscheinlichkeit Mikrometastasen vor – auch wenn das Knochenszintigramm , das Routine CT oder auch das Cholin – PET – CT negativ sein sollte. Der Patient erfährt dann von dem Operationsergebnis vielleicht so: „ Wir haben befallenene Lymphknoten gefunden und alles mit der Prostata entfernt“.
Alle Patienten mit befallenen Lymphknoten bekommen ein PSA Rezidiv ! Üblicherweise wird dann Casodex verordnet weil eine von der Industrie gut vermarktete Studie die Urologen fast dazu zwingt. Die Androgen – Deprivation mit 3 Medikamenten (ADT ) über 12 oder 16 Monate im Sinne einer intermittierenden Androgenblockade wird nicht diskutiert.
Die genaue Bestimmung des Status ( Wieviel Krebs ist vorhanden ? Wie agressiv ist die einzelne Krebszelle ) unter Einbeziehung moderner bildgebender Verfahren und der Einsatz möglichst vieler Algorithmen ( Kattan, Partin und andere ) können dann die Frage „ lokal begrenztes Karzinom oder systemische Erkrankung?“ sehr genau beantworten. Natürlich geht es um Wahrscheinlichkeitsberechnungen. Manche Patienten glauben wirklich sie gehören zu den 3 von hundert die durch eine Operation geheilt werden können.
Ob die auch in ein Flugzeug steigen würden wenn wahrscheinlich nur 3 von 100 sicher
landen ??
„ Wenn wir auch nicht alles entfernt haben – den größten Teil haben wir erwischt.“ Vielen von Ihnen werden wohl die Ohren klingeln Das Zauberwort „ Tumormassenreduktion“. Na sicher wollen wir das . Aber warum ausgerechnet mit der im wahrsten Sinne des Wortes einschneidensten Maßnahme ? Gelingt Tumormassenreduktion nicht auch mit einer ADT3+/- Ketokonazol oder niedrigdosierter Chemotherapie +/- konsolidierender Strahlentherapie von Prostata +/- Lymphknoten ? Die lokale Therapie bei ganz offensichtlich systemischer Erkrankung hat den großen Nachteil dass die systemische Therapie oft Monate verzögert wird. In dieser Zeit können Mikrometastasen munter weiter wachsen und mutieren. Wertvolle Zeit geht verloren.
Für alle Situationen in denen nicht klar ist ob eine lokale oder systemische Erkrankung vorliegt bietet sich als biologischer Stresstest die ADT3 an. Patienten die innerhalb von 3-4 Monaten einen PSA – Wert von 0.05 ng/ml oder kleiner erreichen haben eine lokale Erkrankung. Die überragende Bedeutung des PSA Tiefwertes /( = Nadir ) hat sich leider noch nicht herumgesprochen. Das gilt nicht nur für die Hormontherapie: Wenn nach einer „Radikalen“ der erste PSA – Wert z.B. 0,01 ng/ml ist kommt es so gut wie nie zu einem PSA Rezidiv. Das heißt die Erkrankung war lokal. Das gilt genauso für die Strahlentherapie, Seeds Hifu, Kryotherapie, Seeds etc.
Ich habe nicht den geringsten Zweifel dass die überwiegende Mehrzahl der Operateure ihr Handwerk beherrscht. Nochmal: es geht um die richtige Auswahl der Patienten. Viele Krankenhäuser sind in den roten Zahlen. Da werden keine vom Urologen eingewiesenen Patienten wieder nach Hause geschickt. Das würde auch den Zuweiser erheblich verärgern weil dadurch seine Kompetenz in Frage gestellt wird.
Sollte nicht die Gesundheit des Patienten im Mittelpunkt stehen ?
Der Patient erkennt meistens zu spät dass irgend etwas nicht stimmt – stellt aber nur selten seine und die Entscheidung des Operateurs in Frage weil er glaubt es hätte keine Alternative gegeben.
Es gibt Alternativen: Umstellung der Ernährung, Sport, Stressabbau, kontrolliertes Zuwarten bei niedrigem Risiko – Androgenentzug, Strahlentherapie, Seeds, und eine intelligente Kombination von Medikamenten bei mittlerem und hohem Risiko. Die „ Radikale“ hat ihre Berechtigung und wird bleiben. Aber ich fürchte die Herren Chefärzte werden sich in Zukunft am Stammtisch über wesentlich weniger „ Radikale“ unterhalten müssen.
Alles Gute !
Dr. F. E.
Immer wenn sich Urologen und Chefärzten großer Kliniken treffen kommt über kurz oder lang das Gespräch auf die radikale Prostatektomie – meist nach dem Motto „Wieviele Radikale habt Ihr dieses Jahr schon gemacht ?“ Über Komplikationen hört man nichts. Wahrscheinlich gibt es auch keine - neuen. Die alten ( Impotenz, Inkontinenz, gelegentlich starker transfusionsbedürftiger Blutverlust ) kennen wir – über die Häufigkeit kann nur spekuliert werden. Die veröffentlichten Zahlen stimmen nicht.
Was aber viel schlimmer ist – die Operateure diskutieren nicht über eine intelligente Auswahl der Patienten ( = Indikation ). Jeder versucht auf seine OP – Zahlen zu kommen – ob die Patienten von der OP profitieren scheint leider zweitrangig zu sein.
Es ist unstrittig dass viele Männer ein Prostatakarzinom bekommen aber nur wenige daran sterben. Die Biologie des Prostatakarzinoms ist immer noch nicht genau erforscht – aber es gibt Fortschritte. Neben dem Gleason Score können inzwischen eine ganze Reihe von Zusatzuntersuchungen angefordert werden um die Agressivität des Tumors genauer einzuschätzen.
Viele Arbeiten belegen die Bedeutung des Krebsvolumens. Wenn in einer ordentlich durchgeführten Gewebeentnahme nur eine von 10 Stanzbiopsieen positiv und der Zylinder beispielweise nur zu 30% befallen ist wird das Karzinomvolumen wohl sehr niedrig sein. Beurteilt der Experte ( !!! ) dann das Gewebe mit Gleason 3+3=6 und ist der Patient über 65 Jahre alt kann man den Sinn einer „ Radikalen“ erheblich in Frage stellen. Zumindest sollte mit dem Patienten über die Möglichkeit einer aktiven abwartenden Strategie mit regelmäßigen Kontrollen gesprochen werden . Ich glaube nicht dass viele Chirurgen das tun.
Andererseits werden Patienten mit sehr ungünstigen Ausgangsbefunden „ radikalisiert“ – z.B. bPSA 45 Gleason 5+4=9. Bei dieser Befundkonstellation liegen mit hoher Wahrscheinlichkeit Mikrometastasen vor – auch wenn das Knochenszintigramm , das Routine CT oder auch das Cholin – PET – CT negativ sein sollte. Der Patient erfährt dann von dem Operationsergebnis vielleicht so: „ Wir haben befallenene Lymphknoten gefunden und alles mit der Prostata entfernt“.
Alle Patienten mit befallenen Lymphknoten bekommen ein PSA Rezidiv ! Üblicherweise wird dann Casodex verordnet weil eine von der Industrie gut vermarktete Studie die Urologen fast dazu zwingt. Die Androgen – Deprivation mit 3 Medikamenten (ADT ) über 12 oder 16 Monate im Sinne einer intermittierenden Androgenblockade wird nicht diskutiert.
Die genaue Bestimmung des Status ( Wieviel Krebs ist vorhanden ? Wie agressiv ist die einzelne Krebszelle ) unter Einbeziehung moderner bildgebender Verfahren und der Einsatz möglichst vieler Algorithmen ( Kattan, Partin und andere ) können dann die Frage „ lokal begrenztes Karzinom oder systemische Erkrankung?“ sehr genau beantworten. Natürlich geht es um Wahrscheinlichkeitsberechnungen. Manche Patienten glauben wirklich sie gehören zu den 3 von hundert die durch eine Operation geheilt werden können.
Ob die auch in ein Flugzeug steigen würden wenn wahrscheinlich nur 3 von 100 sicher
landen ??
„ Wenn wir auch nicht alles entfernt haben – den größten Teil haben wir erwischt.“ Vielen von Ihnen werden wohl die Ohren klingeln Das Zauberwort „ Tumormassenreduktion“. Na sicher wollen wir das . Aber warum ausgerechnet mit der im wahrsten Sinne des Wortes einschneidensten Maßnahme ? Gelingt Tumormassenreduktion nicht auch mit einer ADT3+/- Ketokonazol oder niedrigdosierter Chemotherapie +/- konsolidierender Strahlentherapie von Prostata +/- Lymphknoten ? Die lokale Therapie bei ganz offensichtlich systemischer Erkrankung hat den großen Nachteil dass die systemische Therapie oft Monate verzögert wird. In dieser Zeit können Mikrometastasen munter weiter wachsen und mutieren. Wertvolle Zeit geht verloren.
Für alle Situationen in denen nicht klar ist ob eine lokale oder systemische Erkrankung vorliegt bietet sich als biologischer Stresstest die ADT3 an. Patienten die innerhalb von 3-4 Monaten einen PSA – Wert von 0.05 ng/ml oder kleiner erreichen haben eine lokale Erkrankung. Die überragende Bedeutung des PSA Tiefwertes /( = Nadir ) hat sich leider noch nicht herumgesprochen. Das gilt nicht nur für die Hormontherapie: Wenn nach einer „Radikalen“ der erste PSA – Wert z.B. 0,01 ng/ml ist kommt es so gut wie nie zu einem PSA Rezidiv. Das heißt die Erkrankung war lokal. Das gilt genauso für die Strahlentherapie, Seeds Hifu, Kryotherapie, Seeds etc.
Ich habe nicht den geringsten Zweifel dass die überwiegende Mehrzahl der Operateure ihr Handwerk beherrscht. Nochmal: es geht um die richtige Auswahl der Patienten. Viele Krankenhäuser sind in den roten Zahlen. Da werden keine vom Urologen eingewiesenen Patienten wieder nach Hause geschickt. Das würde auch den Zuweiser erheblich verärgern weil dadurch seine Kompetenz in Frage gestellt wird.
Sollte nicht die Gesundheit des Patienten im Mittelpunkt stehen ?
Der Patient erkennt meistens zu spät dass irgend etwas nicht stimmt – stellt aber nur selten seine und die Entscheidung des Operateurs in Frage weil er glaubt es hätte keine Alternative gegeben.
Es gibt Alternativen: Umstellung der Ernährung, Sport, Stressabbau, kontrolliertes Zuwarten bei niedrigem Risiko – Androgenentzug, Strahlentherapie, Seeds, und eine intelligente Kombination von Medikamenten bei mittlerem und hohem Risiko. Die „ Radikale“ hat ihre Berechtigung und wird bleiben. Aber ich fürchte die Herren Chefärzte werden sich in Zukunft am Stammtisch über wesentlich weniger „ Radikale“ unterhalten müssen.
Alles Gute !
Dr. F. E.
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