hallo BPSler,
auch in unserer Selbsthilfe-Bewegung stellt sich die Frage des Pharma-Sponsering - im Ergebnis fliessen nicht unerhebliche Gelder von Astra-Zeneca u. Takeda in BPS-Aktionen und -Treffen. Für mein Dafürhalten geht das nicht und ist das Argument, dass anders diese Aktionen und Treffen nicht zu machen wären, zurückzuweisen. Wenn wir eine wirklich im Patienteninteresse politisch agierende Bewegung werden wollen, müssen wir jede organisatorisch-finanzielle Nähe zur Pharma strikt vermeiden. Anderenfalls wirkt die Schere im Kopf, schliesslich profitieren ja viele von den Segnungen von Pharmakonzernzen, s.Casodex oder 5-Sterne-Hotel, mich eingeschlossen. Da hilft die auch vom BPS verabschiedete Erklärung auch nicht weiter. Die problematische Forschungs-, Macht- und Mainstream-Medizin-Richtung, an der die Pharma-Industrie mit ihrer Lobby und ihren politischen Vertretern einen nicht unerheblichen Anteil hat, kann nur von pharma-autonomen Selbsthilfis in Frage gestellt werden.
Grüsse,
Rudolf
+++++++++++++++++++++++++++++++++++++
Geben und nehmen
http://www.jungewelt.de/2007/01-17/046.php
Wenn sich am letzten Februarwochenende Ärzte und Mitglieder von Selbsthilfegruppen in Düsseldorf zur »Zweiten Offenen Krebs Konferenz« treffen, werden sie nicht unter sich bleiben: Große Teile einer Halle, in unmittelbarer Nähe zu den Ständen der Selbsthilfeinitiativen, sind vom Pharmakonzern Roche belegt, und die Veranstalterliste einer ganzen Reihe von Diskusssionen liest sich wie das »Who is who« der pharmazeutischen Industrie: SanofiPasteur läßt über »Krebsprävention durch Impfung« reden, Novartis Pharma über Brustkrebs, ribosepharm über Übelkeit und Erbrechen, GlaxoSmithKline über Gebärmutterhalskrebs und Pfizer über Darmkrebs. Die Pharmafirmen sponsern den Krebskongreß, an dem im letzten Jahr 7000 Patienten und Angehörige teilnahmen. »Es ist ein Geben und Nehmen«, rechtfertigt Burga Torges vom Veranstalter Krebsgesellschaft Nordrhein-Westfalen den Auftritt der Arzneimittelhersteller. »Das frühere Antlitz der Pharmaindustrie, nur Geldhaie zu sein, hat sich geändert. Ohne Sponsoring ist es nicht möglich, solche Großveranstaltungen zu planen.«
Nur selten trifft man noch auf eine so offene Verteidigung des Pharmasponsoring, seit vor eineinhalb Jahren ein Bericht der Wochenzeitung Die Zeit die Praktiken der Pharmabranche publik gemacht hat. Systematisch finanzieren Arzneimittelhersteller die Selbsthilfebewegung, um so ihre Produkte in den Markt zu drücken. Bestätigt wurde der Bericht durch eine im November veröffentlichte Studie der Bremer Wissenschaftler Gerd Glaeske und Kirsten Schubert, in der sie die Sponsoringpraktiken in ausgewählten Krankheitsbereichen untersuchten. Ihr Fazit: Alle betreffenden Selbsthilfeorganisationen werden von der Pharmaindustrie teilfinanziert.
Die Selbsthilfegruppen, in den 70er Jahren als kritische Patientenbewegung entstanden, haben ihre Unabhängigkeit verloren. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Öffentlichkeitsarbeit ist teuer, hauptamtliche Mitarbeiter ebenso. Aus der gesetzlichen Krankenversicherung fließt aber nicht genug Geld, um die Gruppen, die heute nahezu alle Krankheitsbilder abdecken, zu finanzieren.
Glaeske und Schubert schlagen als Konsequenz nicht den Verzicht auf das Sponsoring, wohl aber eine umfangreiche Selbstverpflichtung der Selbsthilfeorganisationen vor: keine Arzneimittelwerbung in den Mitgliederzeitschriften, keine Werbung auf Kongressen, keine personenbezogene Förderung – etwa durch Finanzierung der Pressestelle. Die Mitglieder der wissenschaftliche Beiräte der Gruppen sollen etwaige Verträge mit der Pharmaindustrie offenlegen; zudem soll eine durch Bund und gesetzliche Kassen finanzierte Monitoringstelle die Einhaltung der Selbstverpflichtung überwachen.
Bei einigen der Organisationen gibt man sich seither problembewußt – zumindest verbal. Beispiel mamazone: Die Augsburger Brustkrebsinitiative wird zu großen Teilen über Gelder des Pharmakonzerns Roche finanziert. In der ARD-Sendung Bei »Sabine Christiansen« hatte Initiativgründerin Ursula Goldmann-Posch noch im letzten Jahr die Zulassung des Roche-Präparats Trastuzumab gefordert. Und im Internet reagiert mamazone geradezu aggressiv auf die kritischen Berichte: Die Pharmaindustrie habe »im Unterschied zum Staat ein Interesse an selbstbewußten Patienten-Organisationen«, heißt es dort; die Patientinnen beschleiche dagegen »das Bauchgefühl«, daß die »Medien nichts, aber auch gar nichts von den Arbeitsbedingungen von Selbsthilfegruppen verstanden haben«. Wer heute bei mamazone anruft und Informationen zur Zusammenarbeit mit der Pharmabranche haben will, wird an das Ende 2006 neugewählte Vorstandsmitglied Heide Preuß verwiesen. Sie kündigt an, sich dafür einzusetzen, daß künftig die genaue Spendenhöhe der Unternehmen angegeben wird. Auch Verträge der Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats will sie offenlegen. Nur eins kann sie sich nicht vorstellen: Bei zukünftigen Kongressen auf die Werbestände der Pharmaindustrie zu verzichten.
Offenlegen der Sponsoren ja, Verzicht auf deren Werbung nein – das ist eine Linie, mit der auch die Pharmaindustrie wird leben können. Zur Not macht sie sich eben daran, die Selbsthilfe selbst zu organisieren. Ein Beispiel dafür liefert das Internetportal ms-life.de der Firma Biogen Idec. Nicht genug damit, daß sich in dessen Forum Multiple-Sklerose-Patienten über ihre Krankheit austauschen – Biogen Idec lädt auf den Webseiten Patienten zu zwei Veranstaltungen im Februar in Wilhelmshaven und Delmenhorst ein, mit der Möglichkeit, »andere Betroffene kennenzulernen«. Nicht der erste Fall: Bristol-Myers Squibb und Roche hatten bereits versucht, Selbsthilfegruppen zu Darmkrebs ins Leben zu rufen. Bislang vergeblich.
auch in unserer Selbsthilfe-Bewegung stellt sich die Frage des Pharma-Sponsering - im Ergebnis fliessen nicht unerhebliche Gelder von Astra-Zeneca u. Takeda in BPS-Aktionen und -Treffen. Für mein Dafürhalten geht das nicht und ist das Argument, dass anders diese Aktionen und Treffen nicht zu machen wären, zurückzuweisen. Wenn wir eine wirklich im Patienteninteresse politisch agierende Bewegung werden wollen, müssen wir jede organisatorisch-finanzielle Nähe zur Pharma strikt vermeiden. Anderenfalls wirkt die Schere im Kopf, schliesslich profitieren ja viele von den Segnungen von Pharmakonzernzen, s.Casodex oder 5-Sterne-Hotel, mich eingeschlossen. Da hilft die auch vom BPS verabschiedete Erklärung auch nicht weiter. Die problematische Forschungs-, Macht- und Mainstream-Medizin-Richtung, an der die Pharma-Industrie mit ihrer Lobby und ihren politischen Vertretern einen nicht unerheblichen Anteil hat, kann nur von pharma-autonomen Selbsthilfis in Frage gestellt werden.
Grüsse,
Rudolf
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Geben und nehmen
http://www.jungewelt.de/2007/01-17/046.php
Wenn sich am letzten Februarwochenende Ärzte und Mitglieder von Selbsthilfegruppen in Düsseldorf zur »Zweiten Offenen Krebs Konferenz« treffen, werden sie nicht unter sich bleiben: Große Teile einer Halle, in unmittelbarer Nähe zu den Ständen der Selbsthilfeinitiativen, sind vom Pharmakonzern Roche belegt, und die Veranstalterliste einer ganzen Reihe von Diskusssionen liest sich wie das »Who is who« der pharmazeutischen Industrie: SanofiPasteur läßt über »Krebsprävention durch Impfung« reden, Novartis Pharma über Brustkrebs, ribosepharm über Übelkeit und Erbrechen, GlaxoSmithKline über Gebärmutterhalskrebs und Pfizer über Darmkrebs. Die Pharmafirmen sponsern den Krebskongreß, an dem im letzten Jahr 7000 Patienten und Angehörige teilnahmen. »Es ist ein Geben und Nehmen«, rechtfertigt Burga Torges vom Veranstalter Krebsgesellschaft Nordrhein-Westfalen den Auftritt der Arzneimittelhersteller. »Das frühere Antlitz der Pharmaindustrie, nur Geldhaie zu sein, hat sich geändert. Ohne Sponsoring ist es nicht möglich, solche Großveranstaltungen zu planen.«
Nur selten trifft man noch auf eine so offene Verteidigung des Pharmasponsoring, seit vor eineinhalb Jahren ein Bericht der Wochenzeitung Die Zeit die Praktiken der Pharmabranche publik gemacht hat. Systematisch finanzieren Arzneimittelhersteller die Selbsthilfebewegung, um so ihre Produkte in den Markt zu drücken. Bestätigt wurde der Bericht durch eine im November veröffentlichte Studie der Bremer Wissenschaftler Gerd Glaeske und Kirsten Schubert, in der sie die Sponsoringpraktiken in ausgewählten Krankheitsbereichen untersuchten. Ihr Fazit: Alle betreffenden Selbsthilfeorganisationen werden von der Pharmaindustrie teilfinanziert.
Die Selbsthilfegruppen, in den 70er Jahren als kritische Patientenbewegung entstanden, haben ihre Unabhängigkeit verloren. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Öffentlichkeitsarbeit ist teuer, hauptamtliche Mitarbeiter ebenso. Aus der gesetzlichen Krankenversicherung fließt aber nicht genug Geld, um die Gruppen, die heute nahezu alle Krankheitsbilder abdecken, zu finanzieren.
Glaeske und Schubert schlagen als Konsequenz nicht den Verzicht auf das Sponsoring, wohl aber eine umfangreiche Selbstverpflichtung der Selbsthilfeorganisationen vor: keine Arzneimittelwerbung in den Mitgliederzeitschriften, keine Werbung auf Kongressen, keine personenbezogene Förderung – etwa durch Finanzierung der Pressestelle. Die Mitglieder der wissenschaftliche Beiräte der Gruppen sollen etwaige Verträge mit der Pharmaindustrie offenlegen; zudem soll eine durch Bund und gesetzliche Kassen finanzierte Monitoringstelle die Einhaltung der Selbstverpflichtung überwachen.
Bei einigen der Organisationen gibt man sich seither problembewußt – zumindest verbal. Beispiel mamazone: Die Augsburger Brustkrebsinitiative wird zu großen Teilen über Gelder des Pharmakonzerns Roche finanziert. In der ARD-Sendung Bei »Sabine Christiansen« hatte Initiativgründerin Ursula Goldmann-Posch noch im letzten Jahr die Zulassung des Roche-Präparats Trastuzumab gefordert. Und im Internet reagiert mamazone geradezu aggressiv auf die kritischen Berichte: Die Pharmaindustrie habe »im Unterschied zum Staat ein Interesse an selbstbewußten Patienten-Organisationen«, heißt es dort; die Patientinnen beschleiche dagegen »das Bauchgefühl«, daß die »Medien nichts, aber auch gar nichts von den Arbeitsbedingungen von Selbsthilfegruppen verstanden haben«. Wer heute bei mamazone anruft und Informationen zur Zusammenarbeit mit der Pharmabranche haben will, wird an das Ende 2006 neugewählte Vorstandsmitglied Heide Preuß verwiesen. Sie kündigt an, sich dafür einzusetzen, daß künftig die genaue Spendenhöhe der Unternehmen angegeben wird. Auch Verträge der Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats will sie offenlegen. Nur eins kann sie sich nicht vorstellen: Bei zukünftigen Kongressen auf die Werbestände der Pharmaindustrie zu verzichten.
Offenlegen der Sponsoren ja, Verzicht auf deren Werbung nein – das ist eine Linie, mit der auch die Pharmaindustrie wird leben können. Zur Not macht sie sich eben daran, die Selbsthilfe selbst zu organisieren. Ein Beispiel dafür liefert das Internetportal ms-life.de der Firma Biogen Idec. Nicht genug damit, daß sich in dessen Forum Multiple-Sklerose-Patienten über ihre Krankheit austauschen – Biogen Idec lädt auf den Webseiten Patienten zu zwei Veranstaltungen im Februar in Wilhelmshaven und Delmenhorst ein, mit der Möglichkeit, »andere Betroffene kennenzulernen«. Nicht der erste Fall: Bristol-Myers Squibb und Roche hatten bereits versucht, Selbsthilfegruppen zu Darmkrebs ins Leben zu rufen. Bislang vergeblich.
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