Liebe Forumsfreunde,
die Forderungen der streikenden Krankenhausärzte an den Universitätskliniken und von VERDI für bessere Arbeitszeit- und Gehaltsregelungen haben ihre Berechtigung.
Andererseits kritisiert Transparency International die Korruption in Teilen der Gesundheitswirtschaft, die für steigende Gesundheitskosten und Krankenkassenbeiträge mit verantwortlich sein sollen.
Gruß
Udo
Ärzteblatt:
Transparency: Korruption verursacht bis zu 24 Milliarden Euro Schaden jährlich
Dienstag, 16. Mai 2006
Berlin - Dem deutschen Gesundheitswesen geht laut Transparency International Deutschland (TI) jährlich ein Milliardenbetrag durch Korruption und Betrug verloren.
„Wenn wir die Einfallsschleusen für Korruption und Betrug schließen würden, käme man mit dem vorhandenen Budget im Gesundheitswesen zurecht“, sagte Gabriele Bojunga von der Anti-Korruptionsorganisation am Dienstag in Berlin.
Vorstandsmitglied Anke Martiny bezifferte den jährlichen Schaden für das Gesundheitswesen auf acht bis 24 Milliarden Euro.
Eine Hauptursache für die Anfälligkeit des Gesundheitswesens sieht Martiny in seiner der Struktur.
Sie verwies darauf, dass es neben dem Bundesgesundheitsministerium noch 16 Landesministerien mit dieser Zuständigkeit gebe sowie auf Bundesebene Kassenärztliche Vereinigungen und Kammern, dazu rund 250 Krankenkassen.
Hier habe sich ein „Wildwuchs an Funktionärsherrschaft“ entwickelt, über den die Kontrolle schwieriger geworden sei.
In einer Gesundheitsreform müssten die Verantwortlichkeiten zentralisiert werden, forderte Martiny. Krankenkassen, Kassenärztlichen Vereinigungen und Kammern müssten „durchgreifend professionalisiert“ werden, um deren Entscheidungsprozesse transparenter zu machen.
Zudem müssten Funktionsträger in wissenschaftlichen oder berufsständischen Organisationen sowie ehrenamtliche Funktionäre der Selbstverwaltung in Korruptionsfällen wie Amtsträger behandelt werden.
Kritik äußerte Transparency zudem an der pharmazeutischen Industrie. Peter Schönhöfer von der TI-Arbeitsgruppe „Korruption im Gesundheitswesen“ zufolge sind 92 Prozent der seit 1990 entwickelten neuen Substanzen Scheininnovationen, die mit hohem Werbeaufwand in den Markt gedrängt würden.
„Die sind nicht besser als das, was bereits auf dem Markt ist, nur teurer“, so Schönhöfer.
TI forderte verschärfte gesetzliche Maßnahmen bei Studienfälschungen, Studienmanipulation und werblichen Falschaussagen sowie die Registrierung gesponserter Studien.
Die Kontrollen müssten generell verbessert und fälschungssichere Arzneimittelverpackungen eingeführt werden.
An besonders herausragender Stelle müsse der Schutz der Versicherten und ehrlichen Ärzte stehen, sagte Martiny.
Unterdessen deckte die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) nach eigenen Angaben neue Betrugsfälle auf, die sich allein in den Monaten Januar bis April 2006 auf über 350.000 Euro summierten.
Seit fünf Jahren kümmert sich ein eigener Arbeitsbereich der KKH um die Bekämpfung von Abrechnungsmanipulationen.
Alleine im vergangenen Jahr seien so deutschlandweit Manipulationen in Höhe von rund einer Million Euro aufgedeckt worden.
Der KKH-Vorstandsvorsitzende Ingo Kailuweit forderte eine Erweiterung des Strafgesetzbuches.
Eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums sagte, es gebe bereits viele Regelungen, um Korruption zu vermeiden, beispielsweise die Plausibilitätsprüfungen der Krankenkassen.
Ganz könne es jedoch nie gelingen. Betrug und Korruption seien jedoch in jedem Fall strafbar. /ddp/afp/kna
http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=24213
http://www.transparency.de/fileadmin/pdfs/Presse/PE_Jahrbuch_Korruption_06-05-16_final1.pdf
Misswirtschaft abstellen: Beitragserhöhungen sind keine Lösung
Die Unterhändler beider Regierungsparteien verhandeln derzeit auf Regierungs- und Parlamentsebene die neueste Gesundheitsreform. Sie soll für etliche Jahre Bestand haben.
Zur gleichen Zeit legt Transparency International Deutschland die deutsche Fassung des „Global Corruption Report" mit dem Titel „Jahrbuch Korruption – Schwerpunkt: Korruption im Gesundheitswesen" vor.
Diese Fassung ist angereichert durch einen analytischen Einführungstext zur Situation des Gesundheitswesens in Deutschland mit Vergleichen zur Situation in den deutschsprachigen Ländern Österreich und Schweiz.
Die drei Autoren dieses Textes erklären dazu:
„Deutschland ist nach den USA und der Schweiz das drittteuerste Land, was die Kosten seines Gesundheitswesens angeht.
Die Leistungen für die Versicherten und der Gesundheitszustand der Menschen in Deutschland liegen im internationalen Vergleich aber nur im Mittelfeld.
Wir fragen uns und die Öffentlichkeit seit nunmehr mehr als fünf Jahren:
Welchen Anteil an dieser Diskrepanz haben Misswirtschaft, Betrug und Korruption im Gesundheitsbereich?
Eine Antwort auf unsere diesbezüglichen Fragen sind uns Bundes- und Landesregierungen seit unserer ersten Untersuchung 2001 immer noch schuldig."
Mit dem jetzt vorliegenden Text möchte Transparency Deutschland einen neuen Anlauf unternehmen, nach sachgerechten Antworten zu suchen.
„Die Strukturprobleme im Gesundheitswesen liegen im Überangebot an Waren und Dienstleistungen und der Reaktion von Bund und Ländern auf diese Situation des Überflusses.
Die Überalterung der Gesellschaft spielt eine geringere Rolle, und die Kostensteigerungen für Behandlungen sind durch strukturelle Mängel, darunter auch Korruption, hausgemacht.
Wie kämen sonst andere Länder mit weniger Geld aus, bei denen die Menschen nicht kränker sind als bei uns und genauso lange leben?", fragt die neue Themenführerin der TI-Arbeitsgruppe „Korruption im Gesundheitswesen", Dr. Gabriele Bojunga.
Die drei Autoren heben hervor, dass es kein neuerliches Herumkurieren an Symptomen gebendarf:
„Die Behebung der strukturellen Mängel unseres Gesundheitssystems muss an erster Stelle stehen.
Wir als Transparency Deutschland konzentrieren uns dabei auf die Bekämpfung der Korruption.
Für uns ist es nicht akzeptabel, nur durch immer neue Lasten für die Versicherten auf der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite oder für alle Steuerzahler zu reagieren.
Wir fordern weitestmögliche Transparenz für Beitrags- und Steuerzahler."
1. Betrug, Verschwendung und Korruption im Gesundheitswesen haben sich in Deutschland im Laufe der Jahrzehnte kontinuierlichen Wirtschaftswachstums in die Strukturen unseres auf Länderebene organisierten Gesundheitswesens regelrecht eingefressen.
Der einzelne Arzt, Zahnarzt oder Apotheker, der einzelne Versicherte, der einzelne kleine Anbieter von Waren oder Dienstleistungen kann sie – auch bei großer Anstrengung - angesichts der Marktmacht der einschlägigen Industrie und ihrer Verbände und angesichts der intransparenten, verkrusteten Strukturen von Selbstverwaltung und staatlicher Aufsicht kaum durchschauen, geschweige denn verändern.
Die dadurch jährlich entstehenden Verluste werden auf einen zweistelligen Milliardenbetrag geschätzt.
Zu lange hat die Politik der Wirtschaft nachgegeben, statt ihr einen Rahmen zuzuweisen, und zu lange hat sie die öffentlich-rechtlichen Körperschaften des Gesundheitswesens auf der Länderebene sich selbst überlassen, statt nach einem für alle verbindlichen Kontrollinstrumentarium zu suchen.
Zu den Kernelementen eines Anti-Korruptionsprogramms, das sich in der Neuregelung des Gesundheitswesens wiederfinden muss, um künftige Fehlleitungen der knappen Ressourcen zu unterbinden, gehören vor allem folgende Punkte:
- Durchgreifende Professionalisierung der Körperschaften öffentlichen Rechts (Krankenkassen, kassen(zahn)ärztliche Vereinigungen und Kammern des Gesundheitswesens):
Ziel ist die Transparenz der Entscheidungsprozesse und des Geschäftsgebarens.
- Funktionsträger in wissenschaftlichen oder berufsständischen Organisationen sowie ehrenamtliche Funktionäre und Entscheidungsträger der Selbstverwaltung sollen in Korruptionsfällen wie Amtsträger behandelt werden.
- Rechtliche Klärung der Frage, inwieweit niedergelassene Ärzte allgemein in ihrem Verhältnis zu den Warenanbietern hinsichtlich Bestechlichkeit/ Bestechung und Vorteilsannahme/ Vorteilsgewährung juristisch anders behandelt werden müssen als Klinikärzte.
- Offenlegungspflicht von Finanzierungen und Beziehungen zu Sponsoren, sowie die Registrierung gesponserter klinischer Studien:
Ziel ist die Bekämpfung von Fehlinformationen und teuren Fehlentscheidungen im Gesundheitswesen durch „gekaufte" medizinische Sachverständige und durch so genannte Beobachtungsstudien" des Pharmamarketings.
- Verschärfte gesetzliche Regelungen der Straftatbestände Studienfälschung, Studienmanipulation und werbliche Falschaussagen:
Ziel ist eine wirksamere Strafverfolgung durch die zuständigen Landesbehörden bei Datenmanipulationen oder falschen Werbebehauptungen.
- Klare Richtlinien der Länder für Universitäten und staatliche Forschungsinstitute:
Ziel ist eine gesetzliche Offenlegungspflicht und volle Transparenz bei Drittmitteln, Sponsoring, Nebentätigkeiten und Interessenkonflikten.
- Einführung von fälschungssicheren Arzneimittelverpackungen: Ziel ist die Eindämmung des illegalen Handels mit Arzneimitteln.
- Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte bietet nur einen relativen Schutz vor Versicherungsbetrug:
Ziel muss die Verhinderung des massenhaften Versicherungsbetruges durch die Versicherten, durch die Arbeitgeber und durch Leistungserbringer (Auftragsvergabe) sein.
Dazu gehört auch Transparenz bei allen verwendeten EDV-Systemen.
- Gesetzliche Regelungen für die Durchführung von Regressverfahren seitens der Krankenkassen:
Ziel ist die Einführung des Tatbestandes „Abrechnungsbetrug, Schädigung einer Solidargemeinschaft" im StGB und die Etablierung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften für schnelle und effektive Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber Herstellern von Arzneimitteln und Medizinprodukten (Entziehung der Lieferungsberechtigungen), gegenüber Organen der ärztlichen Selbstverwaltung (Entzug der Kassenzulassung) und gegenüber Versicherten bei Missbrauch.
- Einführung eines Ombudsmann-Systems:
Ziel ist eine Verbesserung der Strafverfolgung und eine Stärkung der Staatsanwaltschaften durch Unterstützung von Hinweisgebern.
2. Der strukturellen Korruption im deutschen Gesundheitswesen ist aber allein mit neuen Gesetzen, reformerischen Maßnahmen, größeren Ermittlungsanstrengungen und besserer Strafverfolgung nicht beizukommen.
Es muss eine Kultur entstehen, die Korruption im Medizinbereich ächtet.
Es ist unmoralisch und unanständig, sich an einem System zu bereichern, das Menschen mit geringem Einkommen immer mehr belastet und durch Fehlallokation zunehmend Lücken lässt in einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung.
Verhaltensrichtlinien mit wirkungsvollen Sanktionen sind nötig, Vergabeordnungen müssen beachtet und Interessenkonflikte transparent gemacht werden.
3. Die deutsche Gesundheitswirtschaft hat auch international die Verpflichtung, dem Wohl der Menschen zu dienen und ethische Standards zu wahren.
die Forderungen der streikenden Krankenhausärzte an den Universitätskliniken und von VERDI für bessere Arbeitszeit- und Gehaltsregelungen haben ihre Berechtigung.
Andererseits kritisiert Transparency International die Korruption in Teilen der Gesundheitswirtschaft, die für steigende Gesundheitskosten und Krankenkassenbeiträge mit verantwortlich sein sollen.
Gruß
Udo
Ärzteblatt:
Transparency: Korruption verursacht bis zu 24 Milliarden Euro Schaden jährlich
Dienstag, 16. Mai 2006
Berlin - Dem deutschen Gesundheitswesen geht laut Transparency International Deutschland (TI) jährlich ein Milliardenbetrag durch Korruption und Betrug verloren.
„Wenn wir die Einfallsschleusen für Korruption und Betrug schließen würden, käme man mit dem vorhandenen Budget im Gesundheitswesen zurecht“, sagte Gabriele Bojunga von der Anti-Korruptionsorganisation am Dienstag in Berlin.
Vorstandsmitglied Anke Martiny bezifferte den jährlichen Schaden für das Gesundheitswesen auf acht bis 24 Milliarden Euro.
Eine Hauptursache für die Anfälligkeit des Gesundheitswesens sieht Martiny in seiner der Struktur.
Sie verwies darauf, dass es neben dem Bundesgesundheitsministerium noch 16 Landesministerien mit dieser Zuständigkeit gebe sowie auf Bundesebene Kassenärztliche Vereinigungen und Kammern, dazu rund 250 Krankenkassen.
Hier habe sich ein „Wildwuchs an Funktionärsherrschaft“ entwickelt, über den die Kontrolle schwieriger geworden sei.
In einer Gesundheitsreform müssten die Verantwortlichkeiten zentralisiert werden, forderte Martiny. Krankenkassen, Kassenärztlichen Vereinigungen und Kammern müssten „durchgreifend professionalisiert“ werden, um deren Entscheidungsprozesse transparenter zu machen.
Zudem müssten Funktionsträger in wissenschaftlichen oder berufsständischen Organisationen sowie ehrenamtliche Funktionäre der Selbstverwaltung in Korruptionsfällen wie Amtsträger behandelt werden.
Kritik äußerte Transparency zudem an der pharmazeutischen Industrie. Peter Schönhöfer von der TI-Arbeitsgruppe „Korruption im Gesundheitswesen“ zufolge sind 92 Prozent der seit 1990 entwickelten neuen Substanzen Scheininnovationen, die mit hohem Werbeaufwand in den Markt gedrängt würden.
„Die sind nicht besser als das, was bereits auf dem Markt ist, nur teurer“, so Schönhöfer.
TI forderte verschärfte gesetzliche Maßnahmen bei Studienfälschungen, Studienmanipulation und werblichen Falschaussagen sowie die Registrierung gesponserter Studien.
Die Kontrollen müssten generell verbessert und fälschungssichere Arzneimittelverpackungen eingeführt werden.
An besonders herausragender Stelle müsse der Schutz der Versicherten und ehrlichen Ärzte stehen, sagte Martiny.
Unterdessen deckte die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) nach eigenen Angaben neue Betrugsfälle auf, die sich allein in den Monaten Januar bis April 2006 auf über 350.000 Euro summierten.
Seit fünf Jahren kümmert sich ein eigener Arbeitsbereich der KKH um die Bekämpfung von Abrechnungsmanipulationen.
Alleine im vergangenen Jahr seien so deutschlandweit Manipulationen in Höhe von rund einer Million Euro aufgedeckt worden.
Der KKH-Vorstandsvorsitzende Ingo Kailuweit forderte eine Erweiterung des Strafgesetzbuches.
Eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums sagte, es gebe bereits viele Regelungen, um Korruption zu vermeiden, beispielsweise die Plausibilitätsprüfungen der Krankenkassen.
Ganz könne es jedoch nie gelingen. Betrug und Korruption seien jedoch in jedem Fall strafbar. /ddp/afp/kna
http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=24213
http://www.transparency.de/fileadmin/pdfs/Presse/PE_Jahrbuch_Korruption_06-05-16_final1.pdf
Misswirtschaft abstellen: Beitragserhöhungen sind keine Lösung
Die Unterhändler beider Regierungsparteien verhandeln derzeit auf Regierungs- und Parlamentsebene die neueste Gesundheitsreform. Sie soll für etliche Jahre Bestand haben.
Zur gleichen Zeit legt Transparency International Deutschland die deutsche Fassung des „Global Corruption Report" mit dem Titel „Jahrbuch Korruption – Schwerpunkt: Korruption im Gesundheitswesen" vor.
Diese Fassung ist angereichert durch einen analytischen Einführungstext zur Situation des Gesundheitswesens in Deutschland mit Vergleichen zur Situation in den deutschsprachigen Ländern Österreich und Schweiz.
Die drei Autoren dieses Textes erklären dazu:
„Deutschland ist nach den USA und der Schweiz das drittteuerste Land, was die Kosten seines Gesundheitswesens angeht.
Die Leistungen für die Versicherten und der Gesundheitszustand der Menschen in Deutschland liegen im internationalen Vergleich aber nur im Mittelfeld.
Wir fragen uns und die Öffentlichkeit seit nunmehr mehr als fünf Jahren:
Welchen Anteil an dieser Diskrepanz haben Misswirtschaft, Betrug und Korruption im Gesundheitsbereich?
Eine Antwort auf unsere diesbezüglichen Fragen sind uns Bundes- und Landesregierungen seit unserer ersten Untersuchung 2001 immer noch schuldig."
Mit dem jetzt vorliegenden Text möchte Transparency Deutschland einen neuen Anlauf unternehmen, nach sachgerechten Antworten zu suchen.
„Die Strukturprobleme im Gesundheitswesen liegen im Überangebot an Waren und Dienstleistungen und der Reaktion von Bund und Ländern auf diese Situation des Überflusses.
Die Überalterung der Gesellschaft spielt eine geringere Rolle, und die Kostensteigerungen für Behandlungen sind durch strukturelle Mängel, darunter auch Korruption, hausgemacht.
Wie kämen sonst andere Länder mit weniger Geld aus, bei denen die Menschen nicht kränker sind als bei uns und genauso lange leben?", fragt die neue Themenführerin der TI-Arbeitsgruppe „Korruption im Gesundheitswesen", Dr. Gabriele Bojunga.
Die drei Autoren heben hervor, dass es kein neuerliches Herumkurieren an Symptomen gebendarf:
„Die Behebung der strukturellen Mängel unseres Gesundheitssystems muss an erster Stelle stehen.
Wir als Transparency Deutschland konzentrieren uns dabei auf die Bekämpfung der Korruption.
Für uns ist es nicht akzeptabel, nur durch immer neue Lasten für die Versicherten auf der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite oder für alle Steuerzahler zu reagieren.
Wir fordern weitestmögliche Transparenz für Beitrags- und Steuerzahler."
1. Betrug, Verschwendung und Korruption im Gesundheitswesen haben sich in Deutschland im Laufe der Jahrzehnte kontinuierlichen Wirtschaftswachstums in die Strukturen unseres auf Länderebene organisierten Gesundheitswesens regelrecht eingefressen.
Der einzelne Arzt, Zahnarzt oder Apotheker, der einzelne Versicherte, der einzelne kleine Anbieter von Waren oder Dienstleistungen kann sie – auch bei großer Anstrengung - angesichts der Marktmacht der einschlägigen Industrie und ihrer Verbände und angesichts der intransparenten, verkrusteten Strukturen von Selbstverwaltung und staatlicher Aufsicht kaum durchschauen, geschweige denn verändern.
Die dadurch jährlich entstehenden Verluste werden auf einen zweistelligen Milliardenbetrag geschätzt.
Zu lange hat die Politik der Wirtschaft nachgegeben, statt ihr einen Rahmen zuzuweisen, und zu lange hat sie die öffentlich-rechtlichen Körperschaften des Gesundheitswesens auf der Länderebene sich selbst überlassen, statt nach einem für alle verbindlichen Kontrollinstrumentarium zu suchen.
Zu den Kernelementen eines Anti-Korruptionsprogramms, das sich in der Neuregelung des Gesundheitswesens wiederfinden muss, um künftige Fehlleitungen der knappen Ressourcen zu unterbinden, gehören vor allem folgende Punkte:
- Durchgreifende Professionalisierung der Körperschaften öffentlichen Rechts (Krankenkassen, kassen(zahn)ärztliche Vereinigungen und Kammern des Gesundheitswesens):
Ziel ist die Transparenz der Entscheidungsprozesse und des Geschäftsgebarens.
- Funktionsträger in wissenschaftlichen oder berufsständischen Organisationen sowie ehrenamtliche Funktionäre und Entscheidungsträger der Selbstverwaltung sollen in Korruptionsfällen wie Amtsträger behandelt werden.
- Rechtliche Klärung der Frage, inwieweit niedergelassene Ärzte allgemein in ihrem Verhältnis zu den Warenanbietern hinsichtlich Bestechlichkeit/ Bestechung und Vorteilsannahme/ Vorteilsgewährung juristisch anders behandelt werden müssen als Klinikärzte.
- Offenlegungspflicht von Finanzierungen und Beziehungen zu Sponsoren, sowie die Registrierung gesponserter klinischer Studien:
Ziel ist die Bekämpfung von Fehlinformationen und teuren Fehlentscheidungen im Gesundheitswesen durch „gekaufte" medizinische Sachverständige und durch so genannte Beobachtungsstudien" des Pharmamarketings.
- Verschärfte gesetzliche Regelungen der Straftatbestände Studienfälschung, Studienmanipulation und werbliche Falschaussagen:
Ziel ist eine wirksamere Strafverfolgung durch die zuständigen Landesbehörden bei Datenmanipulationen oder falschen Werbebehauptungen.
- Klare Richtlinien der Länder für Universitäten und staatliche Forschungsinstitute:
Ziel ist eine gesetzliche Offenlegungspflicht und volle Transparenz bei Drittmitteln, Sponsoring, Nebentätigkeiten und Interessenkonflikten.
- Einführung von fälschungssicheren Arzneimittelverpackungen: Ziel ist die Eindämmung des illegalen Handels mit Arzneimitteln.
- Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte bietet nur einen relativen Schutz vor Versicherungsbetrug:
Ziel muss die Verhinderung des massenhaften Versicherungsbetruges durch die Versicherten, durch die Arbeitgeber und durch Leistungserbringer (Auftragsvergabe) sein.
Dazu gehört auch Transparenz bei allen verwendeten EDV-Systemen.
- Gesetzliche Regelungen für die Durchführung von Regressverfahren seitens der Krankenkassen:
Ziel ist die Einführung des Tatbestandes „Abrechnungsbetrug, Schädigung einer Solidargemeinschaft" im StGB und die Etablierung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften für schnelle und effektive Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber Herstellern von Arzneimitteln und Medizinprodukten (Entziehung der Lieferungsberechtigungen), gegenüber Organen der ärztlichen Selbstverwaltung (Entzug der Kassenzulassung) und gegenüber Versicherten bei Missbrauch.
- Einführung eines Ombudsmann-Systems:
Ziel ist eine Verbesserung der Strafverfolgung und eine Stärkung der Staatsanwaltschaften durch Unterstützung von Hinweisgebern.
2. Der strukturellen Korruption im deutschen Gesundheitswesen ist aber allein mit neuen Gesetzen, reformerischen Maßnahmen, größeren Ermittlungsanstrengungen und besserer Strafverfolgung nicht beizukommen.
Es muss eine Kultur entstehen, die Korruption im Medizinbereich ächtet.
Es ist unmoralisch und unanständig, sich an einem System zu bereichern, das Menschen mit geringem Einkommen immer mehr belastet und durch Fehlallokation zunehmend Lücken lässt in einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung.
Verhaltensrichtlinien mit wirkungsvollen Sanktionen sind nötig, Vergabeordnungen müssen beachtet und Interessenkonflikte transparent gemacht werden.
3. Die deutsche Gesundheitswirtschaft hat auch international die Verpflichtung, dem Wohl der Menschen zu dienen und ethische Standards zu wahren.
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