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"Ich rate Männern davon ab, hoch dosierte Kalzium-Supplements zu nehmen."

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    "Ich rate Männern davon ab, hoch dosierte Kalzium-Supplements zu nehmen."

    Mit Alan R. Kristal* sprach Martina Frei in Zuoz

    Herr Professor Kristal, Sie beschäftigen sich seit Jahren mit dem Zusammenhang zwischen Ernährung und Krebserkrankungen. Welche Vitamine oder Spurenelemente nehmen Sie selbst?
    Nichts. Ich habe sogar aufgehört, Selen zu schlucken.

    Das Spurenelement Selen kann angeblich das Risiko für Prostatakrebs um bis zu 50 Prozent mindern. Warum nehmen Sie es dann nicht mehr?

    Ehrlich gesagt, ich bin schlicht zu faul. Unveröffentlichten Daten zufolge schaden bis zu 200 Mikrogramm Selen pro Tag nicht. Es scheint sogar die Entwicklung von Krebsvorstufen hin zu manifesten Krebserkrankungen zu verlangsamen. Ich vermute aber, dass es vor allem bei Menschen mit bestimmten genetischen Charakteristika wirkt. Selen ist nötig für spezielle Enzyme. Diese Enzyme helfen, das Erbgut, die DNA, vor Oxidation zu schützen. Je nach genetischer Ausstattung haben Menschen mehr oder weniger der Transportproteine, die das Selen in die Zellen bringen.

    Also nützt es nichts, wenn jeder Mann Selen nimmt?

    Das nehme ich an. Es wirkt nur bei bestimmten Menschen, aber es wird noch eine Weile dauern, bis wir das wissen. Wir müssten die Leute auf solche genetischen Unterschiede hin testen und dann an ihnen die Wirkung von Nahrungsergänzungsmitteln untersuchen. Wenn wir es allen geben, unterschätzen wir den wahren Effekt. Es gibt eine Menge Leute, die viel Geld mit Analysen machen, die Ihnen sagen sollen, welche Vitamine und Mineralien Sie nehmen sollten. Das bringt gar nichts.

    Was soll Mann essen, um sich vor Prostatakrebs zu schützen?

    Wir haben immer mehr Hinweise darauf, dass Kohl, Brokkoli und Rosenkohl einen Effekt haben. Sie haben jedenfalls eine Wirkung bei den 50 Prozent der Bevölkerung, bei denen ein bestimmtes Gen inaktiv ist. Je besser wir die biologischen Mechanismen kennen, wie Kohlgemüse auf Krebszellen wirkt, umso besser können wir die Studien planen und umso konsistenter werden die Ergebnisse.

    Schützt ein Glas Rotwein zusätzlich?
    Das ist ziemlich unwahrscheinlich. Es gibt nur eine Studie, die einen Effekt gezeigt hat, und die hat meines Erachtens Mängel. In allen anderen Studien hatte Rotwein keinen Einfluss auf die Rate an Prostatakrebs.

    Lycopen, das vor allem in Tomaten und Tomatenmark vorhanden ist, galt jahrelang als Prostataschutz. Was halten Sie davon?

    Das klang anfangs gut. Lycopen ist ein sehr starkes Antioxidans. Die Hypothese, dass in Tomatensauce konzentriertes Lycopen vor Prostatakrebs schützt, war auch biologisch absolut plausibel. Aber als man mehr Studien dazu gemacht hat, hat man gesehen, dass die Ergebnisse nicht reproduzierbar sind. Es läuft immer nach demselben Muster: Irgendjemand findet etwas sehr Interessantes heraus. Dann sollte man warten und die Studien, die durchgeführt werden, genau anschauen.

    Worauf achten Sie dabei?
    In der Epidemiologie gibt es verschiedene Arten von Studien: Sie können einfach nur erfassen, was die Leute essen und tun, und beobachten, woran sie erkranken. In diesem Fall müssen Sie die Studien in verschiedensten Bevölkerungen durchführen; sie müssen reproduzierbare Ergebnisse liefern, und es muss eine biologische Erklärung geben, warum etwas helfen soll.

    Sie können den Studienteilnehmern aber auch per Los verschiedene Diäten verordnen und dann vergleichen. Das führt zu verlässlicheren Resultaten, als nur zu beobachten.

    Genau das wurde bei der « Women’s Health Initiative Study » ( WHI) gemacht. Nach rund siebenjähriger Behandlung von Frauen nach der Menopause kam heraus, dass eine fettarme Ernährung nicht vor Dickdarm- oder Brustkrebs schützt. Das wirft die bisherigen Annahmen über den Haufen. Was stimmt nun?
    Wenn man die Ergebnisse genau anschaut, sieht man, dass die Brustkrebsraten der Frauen, die sich fettarm ernähren sollten, und derjenigen, die wie gewohnt assen, Jahr um Jahr weiter auseinander driften. Hätte man die Studie ein Jahr länger durchführen können, wäre der Unterschied zwischen den beiden Gruppen wahrscheinlich so gross geworden, dass das wohl kein Zufall mehr ist. Aber man musste abbrechen; um die Studie weiterzuführen, fehlte das Geld.

    Mehrere Zehntausend Frauen wurden dort per Los den verschiedenen Behandlungsgruppen zugeteilt – und trotzdem zweifeln sie das Fazit an?
    Ein Problem bei diesen so genannten randomisierten Studien ist, dass man Zehntausende von Männern und Frauen bittet, ihre Ernährungsgewohnheiten sieben Jahre oder länger umzustellen – und das machen die Leute nicht. Während einer kurzen Medikamentenstudie ist das viel einfacher. Bei der WHI- Studie haben wir auf alle möglichen Arten versucht, die Studienteilnehmerinnen zu motivieren. Aber ich glaube nicht, dass sie sich über die Dauer von sieben Jahren wirklich gut an die Diät gehalten haben. Eine 75- Jährige sagte mir zum Beispiel: « Das Leben ist zu kurz, um sich an diese Diät zu halten. »

    Zurück zum Prostatakrebs: Wie steht es mit Kalzium als Schutz?
    Ich rate Männern davon ab, hoch dosierte Kalzium- Supplements zu nehmen. Alle Beobachtungsstudien zeigen, dass fortgeschrittene Prostatakrebserkrankungen bei denjenigen, die hoch dosiertes Kalzium nehmen, häufiger vorkommen. Andererseits scheint Kalzium die Bildung von Dickdarmpolypen, die sich zum Darmkrebs weiterentwickeln können, zu vermindern. Man muss da eine Balance finden. Ich würde täglich nicht mehr als 1000 Milligramm Kalzium zu mir nehmen, das entspricht maximal drei Gläsern Milch.

    Vitamin E zeigte in einer Studie zur Verhütung von Lungenkrebs keinen Einfluss auf das Entstehen von Lungenkrebs, aber es hat das Risiko für Prostatakrebs gesenkt. Soll Mann Vitamin E nehmen?
    Dieser Befund war ein unerwartetes Ergebnis. In anderen grossen Studien, bei denen der Einfluss des Vitamins auf Herzgefäss- Erkrankungen untersucht wurde, hatte es keinen Effekt auf Prostatakrebs. Es könnte aber sein, dass Vitamin E bei Rauchern das Risiko für Prostatakrebs reduziert.

    Korreliert das Gewicht mit dem Prostatakrebsrisiko?
    Wer dick ist, hat ein rund dreifach höheres Risiko, an Prostatakrebs zu sterben. Die Prostatatumoren bei dicken Männern sind im Durchschnitt bösartiger als diejenigen bei Normalgewichtigen. Fettleibigkeit hat im Körper denselben Effekt wie eine konstante Entzündung; vergleichbar einer Nagelbettentzündung, aber am ganzen Körper und die ganze Zeit. Vermutlich bringt dieser Zustand Tumorzellen zum Wachsen.

    Meine Erfahrung ist: Männer haben Todesangst vor Prostatakrebs. Falls also jemand noch einen Grund zum Abnehmen braucht: Hier ist er.

    Ich rate Männern davon ab, hoch dosierte Kalzium- Supplements zu nehmen.


    * Alan R. Kristal ist Epidemiologe am Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle, USA

    Gruß Dieter

    #2
    Erstaunliche Aussagen

    Hallo, dieser Thread hätte eigentlich mehr Beachtung und Antworten verdient gehabt. Nach diesen sehr sachlichen, von einem Fachmann kommenden Erläuterungen, ist es nun nicht nur zwar nicht überflüssgi aber auch nicht hilfreich, um PCa zu verhindern oder im Wachstum zu stoppen, wenn man, wie ich, die klitzekleinen Tomaten aus dem eigenen Garten in Mengen vertilgt. Auch der Rotwein trägt wohl mehr zur Beruhigung bei, und das tut er ja auch, aber mit PCa hat er nichts am Hut. Eigentlich schade.
    Aber die Sache mit dem Abnehmen, das ist schon eine harte Nuß.

    "Man muß nicht verrückt werden, um zu überleben, aber es hilft"

    Gruß Hutschi

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