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Ein Vorbild als Zerrbild

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    Ein Vorbild als Zerrbild

    Viel Spaß beim Lesen!
    Gruß, Horst
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    Kolumne von Peter Hahne:

    Über Ärzte in der Kritik und ein Vorbild als Zerrbild

    Ein Kettenraucher hat mir geholfen, auf die Welt zu kommen, und dennoch habe ich in den folgenden fünf Jahrzehnten keine einzige Zigarette angerührt. Der Mann war als lebenslustiger Arzt stadtbekannt, doch Mutter und Kind überstanden die äußerst komplizierte Geburt bestens.

    An diesen durchaus dramatischen Beginn meines Lebens musste ich denken, als ich die Meldungen über eine Studie las, die das Institut für Ärztegesundheit verfasst hat. Unter der Schlagzeile „Schlechte Vorbilder für ihre Patienten“ wird mit dem Lebensstil unserer Mediziner hart ins Gericht gegangen. Während in den USA nur drei Prozent der Ärzte rauchen, sind es bei uns zwanzig. 38 Prozent der Mediziner haben Übergewicht, knapp die Hälfte betreibt keinen Sport.

    Alles andere als ein gutes Beispiel für uns Bürger – na und! Wäre es besser gewesen, meine Mutter wäre damals einem Chirurgen in die Hände gefallen, der zwar als asketisches Musterexemplar den Beifall der Ärzte-gesundheit-Studie gefunden hätte, aber als Fachmann eine Niete war?

    Ärztliche Kunst ist ein Handwerk, das sich an medizinischem Können misst, nicht an der Anzahl der Zigaretten oder der Liebe zum abendlichen Rotwein.

    Wenn ich meinen Wagen zur Reparatur bringe, will ich mich auf die fachliche Qualifikation des Automechanikers verlassen können und nicht die Stunden zählen, die er im Fitnessstudio zubringt.

    Typisch, dass wir sofort das Reflexhämmerchen rausholen, wenn unsere Ärzte so handeln wie der Durchschnitt der Bevölkerung. Wenn sie genauso ungesund leben wie die Mehrzahl ihrer Patienten, dann liegt das in ihrer persönlichen Verantwortung, hat mit ihrer Leistung aber nichts zu tun und untergräbt auch nicht das Vertrauen beim Patienten.
    Bei Richtern und Journalisten, bei Lehrerinnen und Hausfrauen frage ich ja auch nicht, ob sie sich richtig ernähren, bevor ich sie auf die Menschheit loslasse.

    Von einem Arzt erwarte ich, dass er sein Handwerk versteht, anständige Arbeit macht, ordentlich abrechnet und keine Kunstfehler produziert. Was er in der Mittagspause isst oder nach Feierabend trinkt, ist sein Privatvergnügen, solange er dadurch nicht berufsunfähig wird.

    Deshalb finde ich es falsch, die Ärzte an den Pranger zu stellen und von ihnen eine besondere Vorbildrolle in unserer Gesellschaft zu erwarten. Dann müssten Polizisten mit Punkten in Flensburg oder Lehrer mit schwarzfahrenden Kindern auch aus dem Dienst entfernt werden.

    Vielleicht hilft bei der ganzen Diskussion der vorbildliche Ratschlag, den ich in antikem Rahmen und Sütterlin-Schrift im Wartezimmer eines beliebten und befähigten Hausarztes las: „Sei nicht dumm, mach’s wie dein Arzt: trinke Rotwein und werde uralt"
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