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Krank und abkassiert

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    Krank und abkassiert

    Einige Forumsteilnehmer werden die Sendung evtl. gesehen haben.
    Hier nochmal zum Nachlesen und Nachdenken!
    Freundliche Grüße
    Horst

    Warum viele Medikamente in Deutschland so teuer sind
    Sendung "Plusminus" vom 08.01.2008 21:50 Uhr (NDR)

    Die Arzneimittelausgaben sind in Deutschland hoch, zu hoch, sagen viele Experten. Viele patentgeschützte Medikamente kosten in Deutschland richtig viel, viel mehr als in anderen europäischen Ländern. Plusminus will es genau wissen, hat mehrere Medikamente untersuchen lassen: Arimidex - ein Krebsmittel, Novonorm - gegen Zucker, Plavix - einen Blutverdünner und Dostinex - ein Hormonmittel.
    Lange hat Plusminus nach einem wirklich pharma-unabhängigen Institut gesucht, das die Preise für uns vergleicht. Vier Medikamente in fünf verschiedenen Ländern. Das Ergebnis: Deutschland liegt mit dem Herstellerabgabepreis für diese Medikamente immer an der Spitze, die anderen Länder sind deutlich billiger. In Österreich beispielsweise kostet Arimidex 105 Euro, gut 23 Prozent weniger. Der Blutverdünner Plavix ist in Italien knapp 70 Euro günstiger, das sind gut 34 Prozent weniger als bei uns. Dostinex ist in Norwegen 40 Prozent günstiger, ebenso 40 Prozent weniger als in Deutschland kostet Novonorm in den Niederlanden.
    "Einladung zur Selbstbedienung"
    Der Pharmakritiker und Journalist Markus Grill spricht von einem "paradiesischen Zustand" für die Pharmaindustrie in Deutschland, von einer "Einladung zur Selbstbedienung". Denn Pharmaunternehmen können hier ihre Preise für neue, patentgeschützte Medikamente selbst festlegen. Das heißt: Nach der Zulassung als Arzneimittel gibt es keine Preisverhandlungen, weder mit der Politik noch mit den Kassen. Die Pharmaunternehmen legen den Preis fest, die Kassen müssen zahlen. In fast allen anderen europäischen Ländern hingegen müssen die Pharmaunternehmen verhandeln, bevor das Arzneimittel von den Kassen erstattet wird. Nicht so bei uns. In einem ansonsten nahezu komplett regulierten Markt kann die Industrie also frei entscheiden, mit welchen Preisen sie ihre Medikamente auf den Markt bringen will. Auch wenn nicht nachgewiesen ist, ob ein neues Medikament besser ist, als bereits vorhandene. Es ist oftmals teurer, und bezahlen muss dies die Versichertengemeinschaft.
    Politik und Kassen rennen hinterher
    Kassen und Politik können erst im Nachhinein die hohen Preise versuchen wieder einzufangen. Zuständig dafür ist der Gemeinsame Bundesausschuss. Dieses Gremium versucht Kostenkontrolle mit vielen Instrumenten: zum Beispiel mit Festbetragsgruppen, Höchstbeträge und vielem mehr. Doch der Chef des Bundesausschusses, Dr. Rainer Hess, fällt über die eigene Arbeit ein vernichtendes Urteil: "Der Bundesausschuss hat inzwischen 15 Instrumente, mit denen er die Arzneimittelausgaben steuern kann, aber letztlich ohne Erfolg", so Hess gegenüber Plusminus.
    Hohe deutsche Preise beeinflussen europäischen Markt
    Es kommt noch schlimmer: An der Technischen Universität Berlin, Fachgebiet "Management im Gesundheitswesen" haben Wissenschaftler erforscht, warum die Pharmaunternehmen außerdem bei neuen patentgeschützten Medikamenten so ein Interesse an hohen offiziellen Preisen in Deutschland haben. Deutschland gilt nämlich als ein Referenzmarkt. Der deutsche Preis beeinflusst nicht unerheblich die Preise in anderen Ländern Europas. Je höher der Preis bei uns, umso höher oft der Preis woanders. Die Wissenschaftler haben herausgefunden, dass ein Euro Preissenkung bei uns bedeuten würde, dass auch automatisch die Preise in anderen Ländern zum Teil bis zu 40 Cent purzeln würden.
    Scheininnovationen oder medizinischer Fortschritt?
    Eine Folge: Die Pharmaindustrie produziert viele neue Medikamente und versucht sie zuerst in Deutschland auf den Markt zu bringen. Doch oftmals sind diese Präparate gar nicht besser, als bereits alt-bewährte, nur ein klein wenig verändert. Diese sogenannten Scheininnovationen werden dann mit großen Marketinganstrengungen auf den Markt gebracht. Nach der Zulassung sind sie dann in der Regel erstattungsfähig - zu Lasten der Kassen.
    Beim vom Bundesministerium für Gesundheit gegründeten "Institut für Qualitätssicherung und Wirtschaftlichkeit" sollen Wissenschaftler beurteilen, ob ein neues Medikament einen wirklichen Zusatznutzen gegenüber bereits vorhandenen Medikamenten hat oder nur ein schlichter Pharma-Trick zum Geldverdienen ist. Für Institutsleiter Peter Sawicki ist der medizinische Fortschritt nicht so schnell, wie ihn die Pharmaunternehmen gern hätten, deswegen erklären sie "Präparate, die kein Fortschritt sind, zum Fortschritt".
    Einflussreiche, perfekt vernetzte Pharma-Lobbyisten
    Plusminus will über Scheininnovationen und über den Selbstbedienungsladen mit der Cheflobbyistin der Pharmaindustrie Cornelia Yzer vom Verband der forschenden Arzneimittelhersteller reden. Yzer war früher Staatssekretärin bei Angela Merkel. Sie ist perfekt vernetzt und einflussreich. Mehrfach fragen wir ein Interview an. Doch über das Thema Medikamentenpreise will sie mit uns nicht reden.
    Überfällige Kosten-Nutzen-Bewertungen
    Beim Bundesgesundheitsministerium kennt man das Problem, will aber auch in Zukunft die Preise nicht vorher verhandeln. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk begründet dies gegenüber Plusminus, dass es in Deutschland Tradition sei, keine geregelten Preise zu haben, da man dem Markt vertraue. "Aber der Markt braucht Transparenz und deswegen glaube ich, dass Kosten-Nutzen-Bewertungen überfällig sind", so Caspers-Merk. Bislang gibt es die noch nicht und sie werden auch dann wieder nur ein Instrument sein, das erst greifen kann, wenn das Medikament schon auf dem Markt ist.
    Autoren: Christoph Ulmer, Birgit Wärnke
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