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Angiogenese-Hemmer krebsfördernd??

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    Angiogenese-Hemmer krebsfördernd??

    Hallo!

    Der unten einkopierte Artikel aus der heutigen FAZ ist für diejenigen Mitstreiter, die Chemotherapeutika nehmen, vielleicht interessant. Am Ende des Artikels wird auch kurz auf PK eingegangen.

    Schorschel



    "Tumore sind nicht so leicht auszuhungern

    Mittel, die die Bildung von Blutgefäßen bremsen sollen, können den Krebs fördern

    Blutgefäße, die einen Krebsherd durchziehen, spielen eine zwielichtige Rolle beim Krebswachstum und auch bei der Chemotherapie. Sie versorgen die Zellwucherung mit Nährstoffen und Sauerstoff, transportieren Abfallprodukte ihres Stoffwechsels hinaus und begünstigen somit das Krebswachstum. Weil alle Krebsherde zum Wachsen auf den Nachschub von Nährstoffen angewiesen sind, hatte man anfangs gehofft, durch die Blockade der Blutgefäßbildung, der Angiogenese, gleichsam ein universelles Mittel gegen Krebs zur Verfügung zu haben.

    Doch an dem oft enttäuschenden Ergebnis von Therapieversuchen mit Angiogenese-Hemmern, hat sich gezeigt, dass die Zusammenhänge weit komplexer sind, als es auf den ersten Blick erschien. Manche Chemotherapeutika führen zu einer vermehrten Bildung von Blutgefäßen, andere hemmen die Angiogenese. Erst allmählich beginnen die Forscher zu verstehen, warum bestimmte Kombinationstherapien mit einem Angiogenese-Inhibitor den Patienten helfen, andere aber versagen.
    Den Zusatz eines Angiogenese-Hemmstoffes zu einer Chemotherapie stellte die Forscher schon bald vor ein Dilemma. Zwar erhoffte man sich von dem Inhibitor ein Aushungern des Krebsherdes. Doch es war zu befürchten, dass die Chemotherapeutika ihrerseits in dieser Kombination weniger gut wirken. Denn das Netz der Blutbahnen, über die die Chemotherapeutika die Krebszellen erreichen sollen, wird durch den Angiogenese-Hemmstoff dezimiert. Die erzwungene Unterversorgung des Tumors führt zudem dazu, dass manche Krebszellen ihr Wachstum einstellen. Die meisten Chemotherapeutika vernichten jedoch speziell sich teilende Zellen und verschonen die ruhenden. Dennoch war in Therapieversuchen zu beobachten, dass ein Antikörper (Bevacizumab), der sich gegen einen Wachstumsfaktor für Blutgefäße, den VEGF, richtete, in Kombination mit bestimmten Chemotherapeutika das Leben von Patienten mit verschiedenen Krebserkrankungen verlängerte. Dazu gehörten Patienten mit metastasiertem Dickdarmkrebs, Brustkrebs und nicht-kleinzelligem Lungenkrebs. Beim Nierenkrebs erzielte der Antikörper sogar als alleiniger Wirkstoff ohne zusätzliche Chemotherapie eine gewisse lebensverlängernde Wirkung.
    Viele Krebsmittel schwächen selbst schon die Gefäße, weil sie sich teilende Gefäßwandzellen, die Endothelzellen, zerstören. Außerdem vernichten Chemotherapeutika aus dem Knochenmark herbei geeilte Vorläuferzellen, die sich ebenso wie im Endothel ansässige Stammzellen an der Neubildung von Blutgefäßen beteiligen können. Diese Vorläuferzellen können, wie Untersuchungen bei Mäusen zeigen, aus dem Knochenmark durch den Wachstumsfaktor VEGF mobilisiert werden. Eine Kombination aus Chemotherapeutika mit einem VEGF-Inhibitor sollte dann die Neubildung von Blutgefäßen im Tumor im Prinzip doppelt stark hemmen.
    Bestimmte Chemotherapeutika entfalten aber nicht nur eine antiangiogene, sondern auch eine gegenteilige Wirkung. Diese Mittel könnten nach Ansicht von Forschern um Robert Kerbel von der University of Toronto mit dafür verantwortlich sein, dass Krebsherde nach einem anfänglichen Schrumpfen anschließend wieder weiterwachsen. Die Mittel mobilisieren Vorläuferzellen für Blutgefäße im Knochenmark, die sich dann an der Bildung neuer Blutgefäße im Tumor beteiligen. Offenbar kommt es, wie die Wissenschaftler in der Zeitschrift "Cancer Cell" (Bd. 14, S. 263) darlegen, dabei sehr spezifisch auf das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten an. So vermag beispielsweise das zur Behandlung von Brustkrebs häufig verwendete Mittel Paclitaxel im Knochenmark Vorläuferzellen besonders effektiv zu mobilisieren und besitzt damit eine gefäßaufbauende Wirkung. In Kombination mit einem Antikörper gegen den VEGF-Rezeptor 2 ließ sich der ungünstige Effekt indessen neutralisieren.
    Zwar hat man schon länger beobachtet, dass die Blutgefäße in Krebsherden oft anders aussehen als in gesundem Gewebe und auch durchlässiger sind. Dennoch gingen die Forscher bislang davon aus, dass es keinen großen Unterschied zwischen den Endothelzellen beider Gewebearten gibt. Forscher um Michael Klagsbrun vom Children's Hospital in Boston und von der Harvard Medical School haben bei Mäusen mit Prostatakrebs jedoch jüngst festgestellt, dass die Endothelzellen der Tumore einzigartig sind. Wie sie in "Cancer Cell" (Bd. 14, S. 201) berichten, sind die Endothelzellen nicht voll ausgereift. Sie besitzen vielmehr die Fähigkeit, sich in verschiedene Zellarten, etwa Knorpel- oder Knochenzellen, zu entwickeln. Eine Differenzierung in diese Richtungen ist bei gesunden Endothelzellen und Stammzellen des Endothels nicht zu beobachten.
    Verkalkungen, die für Knochengewebe charakteristisch sind, kennt man indessen schon lange auch beim Prostatakarzinom sowie bei anderen Krebserkrankungen, etwa Brustkrebs. Sie lassen sich nach den Befunden der amerikanischen Forscher als Umwandlungen von Endothel- zu Knochenzellen interpretieren. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Verkalkungen nicht nur den Blutfluss beeinträchtigen und somit das Umspülen der Zellen mit Chemotherapeutika erschweren. Sie spekulieren, dass die damit einhergehenden Störungen des Zellverbandes Krebszellen den Eintritt in Blutgefäße sowie das Ausstreuen in andere Gewebe ermöglichen und somit die Bildung von Metastasen erleichtern."

    BARBARA HOBOM


    Text: F.A.Z., 05.11.2008, Nr. 259 / Seite N2
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