Ich mache diesen Diskussionsfaden im Teilforum "Fortgeschrittener Prostatakrebs" (FPK) auf, weil die Debatte darüber, was ist "wissenschaftlich erwiesen", was ist "evident" ist oder nicht, für FPK-Betroffene quasi lebens-entscheidend ist.
Der Anlass für dieses posting ist der Ärger über das, was ich vorhin im Zusammenhang mit Schorschels Einlassung in dem Diskussionsfaden "AS als echte Therapieoption" gelesen habe.
Da hacken fast alle auf einem einzigen herum.
Schlimm genug, aber das kommt immer wieder vor und hatten wir hier im Forum weissgott häufiger.
Aber was für eine Krebs-Diskussionsforum absolut inakzeptabel ist, ist der Dogmatismus, der in den Antworten auf Schorschel zum Ausdruck kommt.
Da hält HorstK seine OP-Therapie-Entscheidung der Nicht-OP-Therapie-Entscheidung entgegen, mit dem Hinweis, er hätte sie bis jetzt noch nicht bereut.
Da findet es DieterH haarsträubend, wie Schorschel damals seine Therapieentscheidung gemacht hat, benutzt dabei aber einen blinden Evidenz-Begriff, der für ihn nicht zur Debatte steht.
Da verweist Strahlentherapeut Daniel Schorschels Rückgriff auf Zweitmeinungs-Parameter in den Bereich des Glaubens und hält die angeblich einzig wahre Evidenz der klinischen Routine an grossen Patientenkollektiven dagegen, ohne offenzulegen, worin sein eigener Glauben an diese eine wahre Wissenschaftsmethode begründet ist.
Ich will hier nicht auf die "Evidenz" der Therapie-Option der AS eingehen.
In dem unteren Bereich von Schildkröten- und auch Hasen-Krebsen gibt es viel Übertherapie, die durch aktive, nicht passive Überwachung durchaus abgemildert werden könnte. Aber der Streit in diesem Segment des PK endet oft ohne irgendein brauchbares Ergebnis, weil man alles mögliche als "kurativ" hinstellen kann, ohne es beweisen zu müssen oder zu können.
Aber im Bereich des FPK gehts schlicht ums Überleben.
Und da ist die Frage, was uns denn die 2-Monats-Überlebensvorteil-Evidenz der Taxotere-Studien oder jetzt die 5-Monats-Überlebensvorteil-Evidenz der Provenge-Studie tatsächlich sagen.
Der Kern des Skandals der unzureichenden Behandlung des FPK (in Deutschland) besteht m.A. nach in dem unzureichenden Evidenz-Begriff der medizinisch-wissenschaftlichen Profession.
Dass immer wieder gerade an der Frage der Biomarker und dort wieder gerade an der Arbeit von Prof. Bonkhoff ein Dauerstreit aufflammt, hat mit diesem Skandal zu tun.
Ein Beispiel, das seit letztem Jahr nicht mehr vom Tisch zu wischen ist:
Seitdem bei Autopsie-Studien durchweg bei allen am PK Verstorbenen eine Östrogen-regulierte Genfusion festgestellt worden ist, steht die Frage der Verschiebung der Hormonregulierung beim FPK und der Ausprägung von Östrogen-Rezeptoren erneut dringend auf der Tagesordnung. Die Erhebung des Rezeptor-Status bei PK als Bestandteil des Anfangs-Status, aber auch bei FPK-Entwicklung ist eine Untersuchung, die kriegsentscheidend sein kann und auch ohne randomisierte Doppelblind-Studien mit grossen Fallzahlen von therapeutischem Nutzen sein kann. Denn ob beispielsweise die Gabe von Östrogenen noch auf dem erhofften endokrinen Weg funktioniert oder nicht, hängt nicht unwesentlich davon ab, ob sich schon Östrogen-alpha-Rezeptoren gebildet haben.
Das ist der Kern des Problems:
Mit grossen Fallzahlen, doppelblind, randomisiert, kann man auch schwache Effekte aufspüren ( solch einer ist der Einsatz von Taxotere: es wirkt durchaus hier oder da, aber genauer weiss mans nicht, man muss es durchprobieren).
Ich brauche diese Form der wissenschaftlichen Methodik aber nicht, wenn es sich nicht um schwache, sondern um starke Effekte handelt (die Exposition mit hohen Dosen radioaktiver Strahlung führt binnen kurzem zu Krebserkrankungen).
Grundlegende, jederzeit für jeden, der wissenschaftlich arbeitet, wiederholbare Beobachtungen beispielsweise in der Biologie des PK, können "evident" sein und können eine grosse Bedeutung für die Therapie des PK haben. Die Entdeckung von Östrogen- und Progesteron-Rezeptoren beim PK ist solch eine Beobachtung. Sie hat für die therapeutische Überlegung, an der Hormonregulierung der PK-Zellen anzusetzen, die unmittelbare Bedeutung, dass ich meinen Blick von den Androgenen auf die Östrogene ausweiten muss.
Dies ist auch dann zwingend, wenn es noch keine randomisierte Doppelblind-Studie mit grossen Fallzahlen gegeben hat, die nachgewiesen hat, dass die Gabe von Östrogenen bei denen, die den Östrogen-alpha-Rezeptor bereits ausgeprägt hatte, zu einem rapiden Ableben führt.
Eine Evidenz-Debatte in der Medizin führen zu wollen, ist aber wahrscheinlich müssig. Zu sehr ist die Medizin in weiten Teilen ein Glaubenssystem. Allein die Idee, dass man glaubt, eine "evidenzbasierte" Medizin installieren zu müssen, zeigt, dass es eine nicht-evidenzbasierte Medizin gibt und man diesen Zustand überwinden will. Niemand käme auf den Gedanken, eine "evidenzbasierte" Physik auszurufen.
Allzuoft und traditionell reagiert die offizielle Medizin zum Leidwesen der Betroffenen auf neue wissenschaftliche Entdeckungen (wann hat Bonkhoff den Östrogen-Rezeptor nachgewiesen?) und Konzepte ignorant, viel zu spät oder gar nicht.
Eine Selbsthilfe-Organisation von Krebs-Betroffenen sollte die heutigen vielfältigen Informations-Möglichkeiten nutzen, um gerade auch in der Frage wissenschaftlicher Vorgehensweise sich in die Debatte einzuschalten.
Grüsse,
Rudolf
Der Anlass für dieses posting ist der Ärger über das, was ich vorhin im Zusammenhang mit Schorschels Einlassung in dem Diskussionsfaden "AS als echte Therapieoption" gelesen habe.
Da hacken fast alle auf einem einzigen herum.
Schlimm genug, aber das kommt immer wieder vor und hatten wir hier im Forum weissgott häufiger.
Aber was für eine Krebs-Diskussionsforum absolut inakzeptabel ist, ist der Dogmatismus, der in den Antworten auf Schorschel zum Ausdruck kommt.
Da hält HorstK seine OP-Therapie-Entscheidung der Nicht-OP-Therapie-Entscheidung entgegen, mit dem Hinweis, er hätte sie bis jetzt noch nicht bereut.
Da findet es DieterH haarsträubend, wie Schorschel damals seine Therapieentscheidung gemacht hat, benutzt dabei aber einen blinden Evidenz-Begriff, der für ihn nicht zur Debatte steht.
Da verweist Strahlentherapeut Daniel Schorschels Rückgriff auf Zweitmeinungs-Parameter in den Bereich des Glaubens und hält die angeblich einzig wahre Evidenz der klinischen Routine an grossen Patientenkollektiven dagegen, ohne offenzulegen, worin sein eigener Glauben an diese eine wahre Wissenschaftsmethode begründet ist.
Ich will hier nicht auf die "Evidenz" der Therapie-Option der AS eingehen.
In dem unteren Bereich von Schildkröten- und auch Hasen-Krebsen gibt es viel Übertherapie, die durch aktive, nicht passive Überwachung durchaus abgemildert werden könnte. Aber der Streit in diesem Segment des PK endet oft ohne irgendein brauchbares Ergebnis, weil man alles mögliche als "kurativ" hinstellen kann, ohne es beweisen zu müssen oder zu können.
Aber im Bereich des FPK gehts schlicht ums Überleben.
Und da ist die Frage, was uns denn die 2-Monats-Überlebensvorteil-Evidenz der Taxotere-Studien oder jetzt die 5-Monats-Überlebensvorteil-Evidenz der Provenge-Studie tatsächlich sagen.
Der Kern des Skandals der unzureichenden Behandlung des FPK (in Deutschland) besteht m.A. nach in dem unzureichenden Evidenz-Begriff der medizinisch-wissenschaftlichen Profession.
Dass immer wieder gerade an der Frage der Biomarker und dort wieder gerade an der Arbeit von Prof. Bonkhoff ein Dauerstreit aufflammt, hat mit diesem Skandal zu tun.
Ein Beispiel, das seit letztem Jahr nicht mehr vom Tisch zu wischen ist:
Seitdem bei Autopsie-Studien durchweg bei allen am PK Verstorbenen eine Östrogen-regulierte Genfusion festgestellt worden ist, steht die Frage der Verschiebung der Hormonregulierung beim FPK und der Ausprägung von Östrogen-Rezeptoren erneut dringend auf der Tagesordnung. Die Erhebung des Rezeptor-Status bei PK als Bestandteil des Anfangs-Status, aber auch bei FPK-Entwicklung ist eine Untersuchung, die kriegsentscheidend sein kann und auch ohne randomisierte Doppelblind-Studien mit grossen Fallzahlen von therapeutischem Nutzen sein kann. Denn ob beispielsweise die Gabe von Östrogenen noch auf dem erhofften endokrinen Weg funktioniert oder nicht, hängt nicht unwesentlich davon ab, ob sich schon Östrogen-alpha-Rezeptoren gebildet haben.
Das ist der Kern des Problems:
Mit grossen Fallzahlen, doppelblind, randomisiert, kann man auch schwache Effekte aufspüren ( solch einer ist der Einsatz von Taxotere: es wirkt durchaus hier oder da, aber genauer weiss mans nicht, man muss es durchprobieren).
Ich brauche diese Form der wissenschaftlichen Methodik aber nicht, wenn es sich nicht um schwache, sondern um starke Effekte handelt (die Exposition mit hohen Dosen radioaktiver Strahlung führt binnen kurzem zu Krebserkrankungen).
Grundlegende, jederzeit für jeden, der wissenschaftlich arbeitet, wiederholbare Beobachtungen beispielsweise in der Biologie des PK, können "evident" sein und können eine grosse Bedeutung für die Therapie des PK haben. Die Entdeckung von Östrogen- und Progesteron-Rezeptoren beim PK ist solch eine Beobachtung. Sie hat für die therapeutische Überlegung, an der Hormonregulierung der PK-Zellen anzusetzen, die unmittelbare Bedeutung, dass ich meinen Blick von den Androgenen auf die Östrogene ausweiten muss.
Dies ist auch dann zwingend, wenn es noch keine randomisierte Doppelblind-Studie mit grossen Fallzahlen gegeben hat, die nachgewiesen hat, dass die Gabe von Östrogenen bei denen, die den Östrogen-alpha-Rezeptor bereits ausgeprägt hatte, zu einem rapiden Ableben führt.
Eine Evidenz-Debatte in der Medizin führen zu wollen, ist aber wahrscheinlich müssig. Zu sehr ist die Medizin in weiten Teilen ein Glaubenssystem. Allein die Idee, dass man glaubt, eine "evidenzbasierte" Medizin installieren zu müssen, zeigt, dass es eine nicht-evidenzbasierte Medizin gibt und man diesen Zustand überwinden will. Niemand käme auf den Gedanken, eine "evidenzbasierte" Physik auszurufen.
Allzuoft und traditionell reagiert die offizielle Medizin zum Leidwesen der Betroffenen auf neue wissenschaftliche Entdeckungen (wann hat Bonkhoff den Östrogen-Rezeptor nachgewiesen?) und Konzepte ignorant, viel zu spät oder gar nicht.
Eine Selbsthilfe-Organisation von Krebs-Betroffenen sollte die heutigen vielfältigen Informations-Möglichkeiten nutzen, um gerade auch in der Frage wissenschaftlicher Vorgehensweise sich in die Debatte einzuschalten.
Grüsse,
Rudolf
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