Das kann auch Männer treffen, die bei Prostatakrebs wie ich nur eine Hormontherapie gemacht haben. Deshalb berichte ich hier von meinen Erfahrungen.
Bemerkbar macht sich die BPH durch zunehmenden Harndrang und dünnen Harnstrahl. Zusätzlich haben viele Männer das Gefühl, die Blase nicht vollständig entleeren zu können. Schließlich kommt es zum gefährlichen Harnverhalt. Tabletten lindern nur vorübergehend, beseitigen das Problem aber nicht. Muss dann doch operiert werden, hält die Medizintechnik seit neuester Zeit eine High-Tech- Behandlungsmethode bereit, und zwar den Revolix-Infrarot-Laser. Er ist die moderne Alternative zur konventionellen elektrischen Drahtschlinge.
Bei der Behandlung wird der Laser durch die Harnröhre bis zur Prostata eingebracht. Überflüssiges Gewebe wird mit dem Laser regelrecht verdampft und die Verengung ohne Schnitt beseitigt. Ein Plus für den Patienten ist die hervorragende Blutstillung. Der Patient erholt sich schnell, da kaum Blutverlust und Schwellungen auftreten. Die Katheterzeit verringert sich von mehreren Tagen auf nur einige Stunden nach dem Eingriff. Der Krankenhausaufenthalt dauert ca. zwei statt wie bisher vier oder fünf Tage. Was früher eine belastende Operation mit der elektrischen Drahtschlinge war, ist jetzt dank moderner Lasertechnik ein kleiner chirurgischer Eingriff, der an einem verlängerten Wochenende eingeplant werden könnte.
Auf diese fast wörtlich einer Patienteninformation über den Revolix-Infrarot-Laser entnommenen Beschreibung bin ich voll abgefahren und habe mir eine Aufstellung der Kliniken schicken lassen, welche den Revolix-Infrarot-Laser einsetzen. In Westdeutschland ist das kein Problem. Im Gebiet der ehemaligen DDR hingegen sind nur wenige Kliniken mit diesem modernsten aller Laser ausgestattet. Die für mich nächsterreichbare Klinik war die Urologische Klinik und Poliklinik der Universität Leipzig. Da der Leidensdruck schon groß war und ich täglich damit rechnete, dass es zum vollständigen Harnverhalt kommen könnte, hatte ich schon für Donnerstag den 17. Dezember mein Kommen und für den folgenden Tag die Laser-Operation vereinbart. Weihnachten wollte ich dann ohne Beschwerden wieder zu Hause sein. Ein besonderes Problem für mich war mein nicht operierter, in 2001/2002 nur mit Hormontherapie (nach Leibowitz) behandelter Prostatakrebs und mein Wille, dies dabei auch zu belassen, was ich den Ärzten in meinem Anmeldeschreiben auch nicht verschwiegen habe. Man sagte mir hierzu nur, dass Krebsgewebe mehr bluten würde als gesundes Gewebe.
Mein langjähriger Urologe hatte mir entschieden abgeraten, konnte aber keine befriedigende Alternative aufzeigen. Antibiotika und Tabletten hatten nichts bewirkt und die Nebenwirkungen waren zu stark Nur widerwillig stellte er mir den Einweisungsschein für eine „Palliative TUR-P“aus. Es kam zum Streit und zur Trennung. Mein neuer Urologe stand der Sache aufgeschlossener gegenüber, sagte aber, dass die Größe meiner Prostata für eine Laserbehandlung grenzwertig sei und auch bei Laser-Behandlung mit postoperativen Komplikationen gerechnet werden müsse.
Donnerstag, 17. Dezember. Stationäre Aufnahme, Blutabnahme, Untersuchungen, Aufklärungsgespräch. Da wurde mir schon klar, dass es kein Spaziergang sein würde. Einige Tage, nicht Stunden, sollte die Katheterzeit betragen, auch könne aufgrund notwendiger Gewebeuntersuchungen auf die Drahtschlinge nicht ganz verzichtet werden.
Freitag, 18. Dezember. Um 7 Uhr Abholung zur OP. Ich sollte der Erste sein.. Vollnarkose. Aufwachen auf der Intensivstation. Beruhigende Worte: „Alles planmäßig verlaufen, keine Komplikationen“. Auf der Intensivstation lag ich den ganzen Freitag und die ganze Nacht bis Sonnabend um 8 Uhr. Der Transfer zur Station war wie eine Erlösung.
Ich bin der Meinung, dass Menschen, die das mehr als zwei Tage ertragen müssen, Kreislaufprobleme oder psychische Störungen entwickeln. Da wäre das künstliche Koma dann doch die angemessene Lösung. Auch das Sterben unter solchen Umständen ist entwürdigend.
Sonntag, 20. Dezember. Die Wasserspülung wird abgeklemmt, Katheter bleibt. Noch viel Blut im Urin. Sicherlich nicht lebensgefährlich, aber beunruhigend.
Montag, 21. Dezember. Keine Änderung. Die Nächte im Krankenhaus sind lang und ich denke darüber nach, ob ich vielleicht einen Fehler gemacht haben könnte. Die TUR Light, die ich erhofft hatte, gibt es gar nicht oder es gibt sie nur für den idealen Patienten. Was passiert mit meinem Krebs? Gibt es Metastasen? Hackethal warnt eindringlich davor, im Krebs zu schneiden und zu stechen, schreibt über seine Beobachtungen beim malignen Melanom. Leibowitz in seinem Vortrag in Montabaur schildert Judah Folkmans Experimente mit den Mäusen. Andere unserer Ratgeber teilen diese Befürchtungen nicht. In Stephen B. Strums Ratgeber finden sich keine Hinweise dieser Art. Walsh schätzt die Gefahr der Streuung durch Stanzbiopsien auf weniger als 2%.
Die Entstehung von Metastasen ist ein multifaktorieller, bisher nicht voll erforschter Prozess. Es gibt eigentlich nur Thesen und Wahrscheinlichkeiten auf der Grundlage von Beobachtungen. Das heute allgemein akzeptierte Modell ist das des Kaskadenprinzips. Danach wandern Tumorzellen nach Verlassen der Prostatakapsel zunächst in die Lymphknoten und befallen erst nach deren Überwinden die Organe. Es spricht aber einiges dafür, dass das so nicht stimmt. Nach dem von anderen Forschern nach Auswertung des Tumorregisters München favorisierten Seed-and-Soil-Modell ist die Fähigkeit zur Metastasierung in der Genstruktur des Primärtumors festgelegt oder wird im Verlaufe der Krankheit durch Mutationen erworben. Krebszellen werden über den Blutkreislauf gestreut, nicht wie Hackethal glaubte, primär über das Lymphsystem, befallen Lymphknoten und Organe nicht nacheinander, sondern gleichrangig, oft schon frühzeitig, sind als Mikrometastasen aber noch nicht erkennbar. Mit zunehmender Tumorgröße geschieht dies dann immer häufiger. Ob diese Aussaat dann tatsächlich Metastasen bildet, hängt wiederum von organspezifischen Eigenschaften der empfangenden Organe, vom Volumen der Aussaat und vom Zustand des Immunsystems ab.
Der derzeitige Stand der Forschungen ist gut beschrieben in einem Aufsatz mit dem Titel „Ist die Lymphadenektomie nicht mehr zeitgemäß?“ von Dr. Vera Zylka-Menhorn im Deutschen Ärzteblatt Jg. 106, Heft 26 vom 26:juni 2008. Leider wird auch dieses Problem, insbesondere von Klinikern, nur dogmatisch diskutiert, wie vieles Andere, was geeignet ist, etablierte Behandlungsstandards in Frage zu stellen.
Dienstag 22. Dezember. Katheter entfernt, aber noch Blut im Urin. Entnervend. Kann Harn halten, aber nicht lange. Bekomme Vorlagen ausgehändigt, für alle Fälle.
Mittwoch, 23. Dezember. Arztbrief und Entlassungsgespräch mit dem Arzt. PSA bei Aufnahme: 10,6. Immerhin war es mir gelungen, den PSA-Wert während des ganzen Jahres 2009 stabil zu halten. Staging T1a, Krebsinfiltrat 5%, Grading nicht vorgesehen
Meine Kinder fahren mich nach Hause.
Freitag, 25. Dezember. Es gibt Probleme. Harnstau kündigt sich an. Wie kann das kommen? Der Oberarzt hatte doch gesagt, alles sei in Ordnung, man habe „tüchtig was weggenommen“. Ich solle nur viel trinken. Immer noch Blut im Urin.
Sonnabend, 26. Dezember. 2. Weihnachtsfeiertag. Es wird schlimmer. Ich telefoniere mit der urologischen Notfallaufnahme des Bundeswehrkrankenhauses. Lasse mich zum Krankenhaus fahren, Dauerkatheter. Noch viele Gewebereste, aber ich habe kein sichtbares Blut mehr im Urin. Ein Lichtblick.
Sonntag, 27. Dezember. Katheter zweimal undicht. Kann nicht sitzen, nur stehen oder liegen. Im Sitzen sticht und drückt es.
Montag, 28. Dezember. Der Katheter drückt. Hatte eine schlechte Nacht mit Druck im Blasenbereich. Umständliches An- und Ausziehen. Harndrang nach vielem Trinken. Urin läuft nebenher ab. Katheter bleibt leer. So geht es nicht weiter.
Mittwoch, 30. Dezember. Zum Bundeswehrkrankenhaus will ich nicht mehr. Hatte keinen guten Eindruck von diesem Krankenhaus. Anruf für Notarzt. Dieser kommt und entfernt Katheter. Katheterkopf von Blut und Geweberesten verstopft. Das hätte zu Infektionen führen können.
Donnerstag, 31. Dezember. Es geht ohne Katheter. Vermutlich hatten Schwellungen den Harnstau verursacht. Aber leider muss ich meine Theaterkarte für das Sylvesterkonzert im Russischen Haus verfallen lassen.
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Heute, 7. Januar, scheint das Schlimmste überstanden. Ich kann den Harn halten, aber noch nicht lange. Gespräch mit neuem Urologen: Blase entleert nicht vollständig, aber wir wollen 4 – 6 Wochen warten und abheilen lassen. Nächste PSA-Kontrolle Ende März.
Ich fühle mich noch schwach, habe diese Operation viel schlechter überstanden als die TUR-P vor 20 Jahren. Obgleich meine gesundheitlichen Parameter, von Alter und Prostatakrebs abgesehen, nicht schlechter waren als damals, eher besser, da ich meinen Lebensstil geändert habe und mich gesünder ernähre.
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Anmerkungen. Die in Patienten-Informationen für die modernste Form der Laser-Therapie, den Revolix-Infrarot-Laser, an potentielle Patienten gerichtete Werbung ist unwahrhaftig. Zu Recht nennt Karl Lauterbach auch Professoren, die sich ohne Bedenken und ohne Objektivität in derlei Produktwerbung einbinden lassen, „Mietmäuler“. Die TUR-P Light, die ich gesucht hatte, gibt es gar nicht, oder es gibt sie nur für ideale Patienten. Zwei Urologen hatten mich gewarnt, aber ich wollte ihnen nicht glauben. Der Leidensdruck wurde immer bedrohlicher und ich sah keine Alternative.
Diese Produktwerbung „über den Patienten“ ist auch Thema bei Dr. Catalona, einem der besten Urologen und Operateure Amerikas. In seiner letzter Publikation „Quest“, schreibt er über die in der Werbung verschwiegenen Nachteile der Roboter-DaVinci-Operation wie folgt: „DaVinci has had unprecedented advertisement and hype. Somebody has to point out that the Emperors`s new clothes are not so „Magnificent“, „Excellent“, and „Exquisite as some would have them believe“. Unter Hinweis auf statistische Veröffentlichungen namhafter Kliniken: Memorial Sloan Kettering, Harvard und Duke nennt er als Nachteile : „ Cancer control, scarring at the bladder outlet, return visits to the emergency room, repeat hospital admissions, return visits to the operating room, urinary incontinence, and patient satisfaction“.
Ich war erstaunt, wie wenig die Patienten, die ich in der Klinik antraf, über Prostatakrebs wissen. Ich erinnere mich, dass WW vor Jahren in diesem Forum Gleiches berichtet hatte. Ein Mitpatient mit PSA = 5,x (den Gleason-Wert kannte er nicht) erzählte mir, dass er eigentlich eine Hormontherapie habe machen wollen, der Urologe ihm aber gesagt habe, dass er das zwar machen könne, aber die Prostata danach so verhärtet wäre, dass dann nicht mehr operiert werden könne.
Das ausliegende Patientenbuch war voll von Danksagungen und Lob. Die Patienten glauben wirklich, dass man ihnen mit der Prostatektomie das Leben gerettet bzw. ein „neues Leben“ geschenkt habe.
Von den Ärzten und dem Pflegepersonal, von Unterbringung und Verpflegung in dieser Klinik kann ich nur Positives berichten. Unter den Ärzten der Klinik, deren Photos auf einer Tafel im Wartebereich zu sehen sind, ist ein vietnamesischer Oberarzt und ein vietnamesischer Assistenzart, schöne Beispiele für gewollte und gelungene Integration dieser Volksgruppe, mit deren Kindern ich auch als Nachhilfelehrer gerne gearbeitet habe. Mein Eindruck von den Ärzten war der eines homogenen und kompetenten Teams. Das Pflegepersonal war immer freundlich und hilfsbereit. Es gab da keine jener biestigen, kaltherzigen Frauenzimmer, wie ich sie in anderen Kliniken zuweilen angetroffen hatte und welche die Tage absoluter Hilflosigkeit zur Qual werden lassen. Schon Hackethal hat in seinem Buch „Nachoperation“ ausführlich zu diesen in vielen Kliniken noch tätigen Schwestern-Typen sich geäußert und in der von ihm gegründeten Schwestern-Schule kompromisslose Höflichkeit, Gepflegtheit und sofortige Hilfsbereitschaft gelehrt und eingeübt.
Das Universitätsklinikum Leipzig hat im Jahre 2008 einen Umsatz von 246 Millionen Euro und ein Betriebsergebnis von 9,1 Millionen Euro erwirtschaftet. Sicherlich auch das Ergebnis konsequent richtiger Personalpolitik.
Reinardo
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