Hallo:-
Wenn ich über dieses Thema einen Schulaufsatz schreiben müsste, würde ich als Einleitung wie folgt beginnen:
Wir kennen aus der Wirtschaftslehre die Theorie von der optimalen Betriebsgröße. Jedermann wird einsehen, dass Autos mit hohem Leistungs- und Sicherheitsstandard, die auch international verkauft werden können, heutzutage nicht mehr in mittelständischen Unternehmen entwickelt und gebaut werden können. Ein guter Wein hingegen lässt sich sehr wohl in einem Familienbetrieb erzeugen und verkaufen. Hieraus folgt die These, dass erst der Unternehmenszweck die optimale Betriebsgröße bestimmt.
Dann würde ich zum Hauptteil I. meines Aufsatzes wie folgt übergehen:
Die These, dass der Unternehmenszweck bestimmend sei für die optimale Betriebsgröße, lässt sich auch auf die Größe von Prostatakrebs-Selbsthilfegruppen übertragen. . Die ideale Größe einer Selbsthilfegruppe ist 20 – 30 Anwesende, die Klassenstärke. In einer solchen Gruppe kann jeder Teilnehmer sein Anliegen vortragen, kann von anderen Teilnehmern Antworten erwarten. In kleinerem Raum ist kein Mikrofon erforderlich. Es bleibt auch Zeit, über Schwerpunktthemen zu diskutieren und Krankheitsfälle zu besprechen. Jeder Lehrer wird mir beipflichten, dass die Leitung größerer Gruppen in mehrfacher Hinsicht problematisch ist. Aus Treffen werden Veranstaltungen, es steigt der Anteil der nur passiv Zuhörenden und der Leiter der Gruppe sieht sich zunehmend in die Rolle eines Entertainers gedrängt. Die Probleme des Einzelnen stehen dann zurück Das verstößt aber gegen den eigentlichen Zweck der Gruppentreffen, wo der Einzelne für seine Sorgen und Bedenken Beistand sucht, wo ein Erfahrungsaustausch stattfinden soll, wo man sich über neue Entwicklungen in der Krebsforschung und Behandlung informieren will.
Die Großveranstaltungen mancher Treffen, zu denen meist auch ein Prominenter eingeladen wird, haben zwar Informations- und Unterhaltungswert, zu der eigenen Krankheitssituation fehlt ihnen meistens aber der Bezug.
Im Hauptteil II. meines Aufsatzes würde ich dann über die Finanzierung der Kosten schreiben, welche durch die
Treffen und deren Vorbereitung entstehen.
Honorare an Vortragsreisende, würde ich schreiben, muss eine Selbsthilfegruppe nicht zahlen. Ärzte, die für ihren Vortrag ein Honorar fordern, würde ich grundsätzlich nicht einladen. Die Gedanken eines jeden Prominenten kann man im Internet nachlesen, evtl. sein Buch kaufen und einer aus der Gruppe kann hierüber referieren. Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, wenn wir im Deutschunterricht die Hausaufgabe bekamen, ein Buch zu lesen, z.B. die Effie Briest von Fontane, dann haben einige von uns eine Gruppe gebildet, und nur einer von uns hat das Buch gelesen, einen 1 ½-Seiten Extrakt geschrieben und diesen an den Rest der Gruppe verteilt. Das war dann auch eine Selbsthilfegruppe, und es hat funktioniert.
Viele Vorträge prominenter Ärzte stehen auch per Video oder E-Buch zur Verfügung,
Die Statuten eines Vereins gestatten die Erhebung von Beiträgen und Spenden zur Deckung von Bürokosten. Jeder Interessierte würde gerne bereit sein, monatlich 3 – 5 Euro an seine Selbsthilfegruppe zu zahlen, wenn sie ihn mit Informationen versorgt und individuell Rat und Hilfe bietet. Wer dafür nicht zahlen will, kann fortbleiben und sollte es auch.
Grundsätzlich sollte jede Gruppe ihre Kosten selbst aufbringen.
Im Vereinslokal zahlt jeder sein Bier selbst. Private Spenden sollten willkommen sein, aber die Annahme von Zuschüssen und Spenden nicht privater Herkunft führt zu Verpflichtungen, Abhängigkeiten und Beeinflussungen, die nicht im Interesse von uns Patienten sein müssen.
Im Hauptteil III. meines Aufsatzes würde ich mich dann noch mit der überregionalen Einbindung der „idealen“ Selbsthilfegruppe befassen. Dieser Teil meines Aufsatzes wäre der schwerste, weil es so viele überregional tätige Selbsthilfe-Organisationen gibt und ich als Schüler und Lernender mir nicht anmaßen dürfte, über diese oder jene der Organisationen ein lobendes oder abwertendes Urteil zu sprechen. Das wäre ein Fehler und würde meiner Note schaden. Also darf ich nicht konkret sein, muss im Theoretischen verbleiben:
Patienten. können Forderungen nach besserer Diagnostik und Therapie als Einzelpersonen nie durchsetzen, nur solidarisch in Zusammenschlüssen als Gruppen oder Vereine. Das ist ja auch die Grundidee von Gewerkschaften. In unserer Gesellschaft, wo das Geschehen von Geld- und Machtinteressen bestimmt wird, auch in der Gesundheitsindustrie, bedarf es überregional agierender „pressure groups“, um etwas durchzusetzen, das gegen die wirtschaftlichen Interessen anderer Gruppen steht. Es ist deshalb gut und richtig, wenn Selbsthilfegruppen sich überregional zusammenschließen und einen Verband bilden. Die Beeinflussungen und die Agitation in den Medien, die von solchen Verbänden ausgeht, wird abwertend „Lobbyismus“ genannt und zuweilen verteufelt. Bekannt und berüchtigt der Lobbyismus der Pharmaindustrie, aber auch die Krankenhäuser, die Apotheker haben ihre erfolgreiche Lobby, die bis in die Parlamente und, wie wir erleben mussten, auch in den Ministerien gestaltend Einfluss nehmen darf.
Es ist also ganz legitim, dass auch Patientengruppen eine Lobby haben und dass wir diese, unsere Lobby stark machen müssen.
Aber auch hier, wie bei den Selbsthilfegruppen , stellt sich die Frage der Finanzierung, denn man kann nicht erwarten – was weltfremd wäre - im gesellschaftlichen Kontext eine Lobby zu haben, die von anderen gesellschaftlichen Gruppen oder vom Steuerzahler finanziert wird. Es müssten in den Statuten eines Vereins für die Mitglieder der Gruppe also auch die Pflichtabgabe an einen überregional tätigen Verband vorgeschrieben werden. Welcher unsere Interessen auf höherer gesellschaftlicher Ebene vertritt und Verbesserungen durchsetzt
Was ich schon für die Finanzierung der Kosten einer Selbsthilfegruppe sagte, gilt aber für eine überregional präsente Lobby in gleicher Weise: Wir Patienten haben nur soviel Lobby, wie wir bereit sind, auch selbst zu bezahlen.
Am Schluss von Schulaufsätzen ist es eine gute Übung, einen Ausblick zu formulieren. Ein Ausblick sollte immer optimistisch sein, weil das erfahrungsgemäß die Note verbessert, wohingegen ein negativer, pessimistischer Ausblick dem Lehrer einen Vorwand liefern würde, den Aufsatz zu kritisieren und die Note herabzusetzen.
Ich schreibe also zum Schluss, dass ich in den mir bekannten Selbshilfegruppen viele Personen kennengelernt habe, die klug sind und über ein großes Wissen verfügen, dass die Widerstände jedoch groß seien und der Weg noch weit, dass ich aber voll Hoffnung sei, oder so ähnlich.
Honi soit qui mal y pense !
Gruß und einen schönen Tag wünscht
Reinardo
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