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Der Geschäftsbericht 2009 der Deutschen Krebshilfe

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    Der Geschäftsbericht 2009 der Deutschen Krebshilfe

    Hallo:-

    Der in Bilanzanalysen kundige Rezensent begibt sich auf ungewohntes Terrain, wenn er es unternimmt, die Geschäfts- oder Jahresberichte von Wohltätigkeitsvereinen einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Liegen doch Welten zwischen den Jahresabschluss-Veröffentlichungen von Aktiengesellschaften und den eher dürftigen Informationen, die man den Geschäftsberichten sogar der größeren Wohltätigkeitsvereine entnehmen kann. Schon äußerlich ähneln die Berichte mehr den Hochglanz-Werbe-Prospekten von Investmentfirmen als einer die Öffentlichkeit erschöpfend informierenden Abrechnung von erhaltenen Spendengeldern und wie diese ausgegeben wurden. So ist der Rezensent oft auf Vermutungen angewiesen. Schlussfolgerungen werden zu Mutmaßungen, die noch der Bestätigung oder der Widerlegung bedürfen. Das sollte immer einschränkend vorausgeschickt werden.


    Es gibt jedoch eine Leitlinie, wie die Geschäftsberichte von Wohltätigkeitsvereinen analysiert werden können.

    Über die Einnahmen wird in der Regel erschöpfend berichtet, so dass diese Position keine Schwierigkeiten bereitet. Das Problem ist die Berichterstattung über die Spendenverwendung. Es ist verständlich, dass die Vereine bestrebt sind, ihre Verwaltungs- und Werbeausgaben möglichst niedrig auszuweisen , um Spender nicht zu verprellen, und die mit dem Zweck des Vereins konformen Ausgaben so werbewirksam herauszustellen, dass neue Spender gewonnen werden können.


    Als erstes muss versucht werden, einen Quotienten zu ermitteln von Werbe- und Verwaltungskosten zu zweckkonformen Ausgaben. Nehmen wir als Beispiel einen Verein zur Förderung einer Schule von Indianerkindern im brasilianischen Urwald. Das Verhältnis von Werbe- und Verwaltungskosten zu zweckkonformen Ausgaben sei 48:52. Das würde bedeuten, von den Spenden erreicht nur wenig mehr als die Hälfte ihren eigentlichen Zweck. Es wird zu viel Geld für Werbebriefe ausgegeben. Büro- und Personalkosten sind im Verhältnis zum Spendenaufkommen zu hoch. Ein akzeptabler Quotient könnte 20:80 sein oder darunter.


    Bei den zweckkonformen Ausgaben muss man dann versuchen, drei Gruppen zu bestimmen:


    I. Ausgaben, die unmittelbar und direkt den Begünstigten zugute kommen. Im Beispiel der
    Indianerkinder wären das z.B. Ausgaben für Schulspeisung, Kleidung, Impfungen usw.


    II. Ausgaben, die nur indirekt oder zeitverzögert den Begünstigten zugute kommen. In
    unserem Beispiel könnten das sein z.B. der Bau einer Turnhalle oder einer Nothilfestation
    bei Verletzungen oder Fortbildungsmaßnamen der Lehrer.


    III. Ausgaben, deren Konformität mit dem Spendenzweck in Zweifel gezogen werden kann.
    Das wäre in unserem Beispiel der Fall, wenn die Indianerkinder mit Spendengeldern nach
    Deutschland reisen würden mit der Begründung, das Land kennen lernen zu wollen, wo
    die meisten Spenden herkommen. Hier drängt sich der Verdacht auf, dass weniger die
    Kinder, vielmehr die Betreuer die Reise machen möchten und andere Möglichkeiten
    der Förderung im Heimatland wichtiger gewesen wären.


    Mit diesem Raster in der Hand wollen wir uns nun dem Geschäftsbericht 2009 der Deutschen Krebshilfe zuwenden. Der Geschäftsbericht kann kostenlos von der Deutschen Krebshilfe e.V. Buschstrasse 32, 53113 Bonn, angefordert werden. Tel. 0228-72990-0, Fax 0228-72990-11, Email deutsche@krebshilfe.de. Es empfiehlt sich, bei dieser Gelegenheit auch ein Verzeichnis über alle sonstigen Informationsschriften anzufordern, welche die Deutsche Krebshilfe für Interessenten bereithält.


    Das Prüfungstestat der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (Seite 58) sagt nur, dass gemäß den gesetzlichen Bestimmungen richtig gebucht wurde, beantwortet unsere Fragen jedoch nicht.


    Die konsolidierte Gruppengewinn- und Verlustrechnung steht auf Seite 59 der Broschüre.

    Wir ersehen hier, dass im Jahre 2009 an Spenden und ähnlichen Erträgen ein Betrag von Euro 66.602.906,38 eingenommen wurde. Es kommen hinzu Umsatzerlöse, Sonstige betriebliche Erträge, Erträge aus Wertpapieren des Anlagevermögens und Sonstige Erträge im Wert von Euro 16.515.906,00, sodass für Ausgaben maximal ein Betrag von Euro 83.118.812,00 zur Verfügung gestanden hätte.


    An Aufwendungen für Aufklärung und Information und für die Spendenakquisition sind Euro 12.222.446,00 ausgewiesen, für Allgemeine Verwaltungsaufwendungen, Sonstige betriebliche Aufwendungen, Abschreibungen auf Wertpapiere des Umlaufvermögens, Zinsen und ähnliche Aufwendungen stehen insgesamt Euro 3.779.769,90. Werbe- Verwaltungskosten summieren sich somit zu Euro 16.002.215,00


    Der Quotient wäre gerundet 19:81. Einige Posten wie Überschuss, Steuern, Einstellung in Rücklage und Stiftungskapital bleiben außer Ansatz. Ihre Einbeziehung oder die mögliche Umgruppierung einiger anderer Positionen würde die Relation auch nicht wesentlich verschieben. Würde man die Kosten für Aufklärung und Information herausnehmen, was vertretbar wäre, käme ein noch günstigerer Quotient zustande. Im Geschäftsbericht werden 10% genannt.


    Mit mehr Detailwissen könnte man einzelne Positionen beurteilen, jedoch muss bedacht werden, dass ein Unternehmen von der Größe der Deutsche Krebshilfe auf eine professionell gestaltete Werbung angewiesen ist. Auch erfordert die Verwaltung eines so hohen Spendenaufkommens ein ordentliches Rechnungswesen und führt notwendigerweise zur Thesaurierung, da man ja nicht alle Gelder sofort wieder ausgeben kann. Jedenfalls gibt dieser Teil des Geschäftsberichts nichts her für eine Kritik.


    Wir wenden uns nun den zweckkonformen Ausgaben zu.


    Die Broschüre enthält eine lange Liste von insgesamt 200 Projekten (Seiten 29 – 49), für welche im Geschäftsjahr 2009 eine Förderung bewilligt worden ist. Das Gesamtvolumen beträgt 79,878.8 Mill. Euro (ohne Projektnebenkosten).


    Versuchen wir zunächst, die Gruppe der den Krebspatienten direkt zugute kommenden Fördermaßnahmen zu ermitteln.


    Gruppe I

    Hier lassen sich 17 Projekte im Volumen von 8,442.6 Mill. Euro erkennen. Die wichtigste Position ist der Härtefonds von 4,857.5 Euro. Es sind in dieser Gruppe aber auch Projekte für die Palliativmedizin, Nachsorgekuren, Probandenversicherungen, Seminarangebote, Prävention, Stipendiatenförderung, Ausbau kinderonkologischer Stationen, Hospize u. a. aufgenommen, wo immer sich ein unmittelbarer oder sehr zeitnaher Nutzen erkennen lies.
    Eigentlich hätten hier auch die Kosten für „Aufklärung und Information“ zugeordnet werden können. Das ist im Geschäftsbericht aber nicht erfolgt.
    Es ist anzunehmen, dass die Deutsche Krebshilfe aus den Projekten der Gruppe I ihre Werbeaktivitäten gestaltet.


    Gruppe II

    Hier lassen sich 159 Projekte in einem Gesamtvolumen von 63,151.1 Mill. Euro zuordnen. Bei den meisten dieser in der Mehrzahl Forschungsprojekte lässt sich für Außenstehende nicht erkennen, worum es sich eigentlich handelt. So wurden z.B. im Projekt 88 dem Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg für „ICGC-PedBrain Tumor: Genomische Analyse pädiatrischer Medulloblastome und niedriggradiger Astrozytome“ als deutscher Beitrag innerhalb des „International Cancer Gnome Consortium (ICGC) ein Betrag von 7,943,1 Mill. Euro bereitgestellt. Nur wenige Projekte sind so allgemeinverständlich formuliert wie das Projekt Nr. 50: „Strahleninduzierte Leberschädigung“.

    Man fragt sich natürlich, ob diese Projekte jemals zu Fortschritten in der medizinischen Versorgung führen werden. Der auf Seite 22 des Geschäftsberichts versprochene „kurze Weg vom Labortisch zum Krankenbett“ ist angesichts der eher bescheidenen Fortschritte in den letzten Jahrzehnten doch wohl nur ein Wunsch.


    In die Gruppe aufgenommen sind auch mehrere Projekte für die „Förderung onkologischer Spitzenzentren“ sowie für „die Entwicklung interdisziplinärer Leitlinien der Qualität S3“, obgleich Zweifel bestehen, ob die hierfür zur Verfügung gestellten hohen Geldbeträge in die Förderung gehören. Letztlich werden hier Großkliniken und medizinische Fachgesellschaften mit Spendengeldern pauschal subventioniert.


    Auf den Seiten 52 bis 54 finden sich die Namen von Vorstand, Beirat und Fachausschüssen, fast ausschließlich Professoren, von denen anzunehmen muss, dass es sich in der Mehrzahl um Chefärzte von Großkliniken handelt. Hier könnten Interessenkonflikte vermutet werden.


    Gruppe III

    In diese Gruppe der „strittigen“ Mittelbereitstellungen sind 32 Projekte mit einem Gesamtvolumen von 8,285.1 Mill. Euro aufgenommen, deren Förderungswürdigkeit zu diskutieren wäre. Es handelt sich um Projekte der landesweiten Einrichtung „psychosozialer Beratungsstellen“ und zur Förderung der „Selbsthilfe“.


    Man könnte hinsichtlich „psychosozialer Beratung“ die Meinung vertreten, dass es einen Beratungsbedarf in dem in der Planung angenommenen Umfang gar nicht gibt und, sofern es einen Bedarf gibt, dieser durch vorhandene Beratungsmöglichkeiten gedeckt wäre. Die hohen Summen der Mittelbereitstellung lassen darauf schließen, dass hier mit Spendengeldern ein Netzwerk von Außenstellen der Deutschen Krebshilfe im Entstehen ist, welches neben „Psychosozialer Beratung“ noch andere Aufgaben übernehmen soll, die möglicherweise im Kontext der sich im Gesundheitswesen vollziehenden strukturellen Veränderungen sich ergeben werden.


    Hinsichtlich der Krebs-„Selbsthilfe“, welcher im Geschäftsbericht (S. 18) eine „Betroffenenkompetenz“ bestätigt und deren Vertreter die „professionelle psychosoziale Betreuung begleiten“ sollen, besteht Definitionsbedarf, was die Deutsche Krebshilfe unter „Selbsthilfe“ versteht und in welcher Weise die bereitgestellten Mittel verwendet werden sollen. Gute „Selbsthilfe“ findet nur in kleinen Gruppen von Betroffenen statt, die sich zum Erfahrungsaustausch treffen, die ihre Informationen kostenlos aus dem Netz beziehen und ihre Kosten selbst tragen können. Diese Gruppen benötigen keine Mittel der Deutschen Krebshilfe, zumal diese an Auflagen und Erwartungen gebunden sind. Wer als Selbsthilfe-Gruppe Fördermittel der Deutschen Krebshilfe annimmt, muss auf anderweitige Zuwendungen insbes. von Pharma-Unternehmen verzichten (S.19). Das hört sich gut an, ist aber nur die halbe Wahrheit, weil hier nur eine Abhängigkeit gegen eine andere getauscht wird.


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    Die Deutsche Krebshilfe ist in vielerlei Hinsicht eine segensreiche Einrichtung. Hätten wir die Deutsche Krebshilfe nicht, würden wir sie uns wünschen. Aber wir dienen uns und der Sache nicht, wenn wir der Deutschen Krebshilfe einen „sakrosankt-Status“ zuerkennen, der jede Kritik abblockt. Deshalb ist dieser Beitrag geschrieben.


    Gruß, Reinardo



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