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ZULASSUNG von Arzneimitteln und NUTZENBEWERTUNG in der GKV

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    ZULASSUNG von Arzneimitteln und NUTZENBEWERTUNG in der GKV

    ZULASSUNG von Arzneimitteln und NUTZENBEWERTUNG


    Ich möchte hier grob den rechtlichen Klapperatismus zusammenstellen, der aktuell bei der Zulassung von Arzneimitteln und der anschliessenden Nutzenbewertung greift.

    Dabei geht es mir um folgende Gesetze und Verordnungen:

    AMG: Arzneimittelgesetz,
    AMNOG: Arzneimittelneuordnungsgesetz,
    SGB V: Gesetzliche Krankenversicherung (GKV),
    AM-NutzenV: Verordnung über die Nutzenbewertung von Arzneimitteln nach § 35 SGB V,
    G-BA-Verfahrensordnung, Einfügung eines Kapitels zur Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35 SGB V.


    So haben wir dann hoffentlich einen Orientierungsrahmen für die laufenden Diskussionen, wie aktuell z.B. zum Cabazitaxel, demnächst zum Abiraterone, wann was warum zugelassen und bewertet oder auch nicht bewertet wurde, wozu man es wie als Patient bekommen kann, was es die GKV kostet und wie der Preis zustande kommt.

    Am Anfang steht die Zulassung eines Medikaments, hier wird die Wirksamkeit und die Sicherheit geprüft. Zulassungsbehörde ist in Deutschland das BfArM, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. „Das BfArM ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit“, wie man auf der BfArM-homepage lesen kann. Gesetzliche Grundlage für die Zulassung von Arzneimitteln ist das AMG=Arzneimittelgesetz.

    Auf der BfArM-Seite kann man links auf „Arzneimittel“ klicken, dann auf „AM-Statistiken“, schliesslich auf den ersten Punkt „Verkehrsfähige Arzneimittel“ – da bietet sich ein hübsches Bild dessen, was auf dem Arzneimittelmarkt in Deutschland los ist: Derzeit 59 846 zugelassene Arzneimittel ! Wow !?

    Zulassungsbehörde ist aber bei europäischen Zulassungen auch die EMEA=European Medicines Agency in London. Deren Zulassungen gelten dann auch. Gesetzliche Grundlage kenne ich (noch) nicht.

    Nun ist z.B. Cabazitaxel / Jevtana (Markenname) als neues Chemotherapeutikum von der EMEA für Prostatakrebs zugelassen, das war im April.
    Dann passiert eine Eintragung in der „Liste“: Wenn man in eine Apotheke geht und nach einem bestimmten Medikament fragt, schaut der Apotheker in den Computer und findet oder findet nicht. Ich fragte die Tage nach „Jevtana“. Ein Blick und es hiess: „Ja, ist gelistet!“ Auf die Nachfrage, wann der erste Eintrag war. „15. April“. Ich komm darauf zurück.
    Diese Liste heisst auch Lauer-Taxe, weil ein gewisser Josef Lauer im Jahre 1950 zum ersten mal solch eine Liste gemacht hat.

    Cabazitaxel ist also „am Markt“. Das deshalb, weil die EMEA (wie letztes Jahr schon die amerikanische FDA) aufgrund der Zulassungsstudie die beiden Fragen nach Wirksamkeit und Sicherheit positiv beantwortet hat. Wieweit das stimmt und wir als Betroffene das übernehmen, das diskutieren wir ja in einem anderen Diskussionsfaden.

    Jetzt kommt die Nutzen-Bewertung.
    Warum?
    Weil Zulassung nicht gleich Nutzen ist.
    Weil ich durchaus die Wirksamkeit des Spíndelgiftes Cabazitaxel attestieren kann, es treibt alle sich gerade teilenden Zellen mittels Spindelapparat-Hemmung in den programmierten Zelltod, darunter auch Krebszellen, aber inwieweit diese Wirksamkeit für den betroffenen einzelnen Patienten nun wirklich von Nutzen ist, das steht auf einem anderen Blatt, erst recht, wenn er durch diese wirksame Behandlung ins Nirwana befördert wird.

    Wir haben hier ein grundsätzliches Problem in unserem Gesundheitssystem, dass nämlich Fragen des Nutzens nicht VOR, sondern erst NACH einer Zulassung geprüft werden. Sicherlich ist ein gewisser Nutzennachweis im Rahmen der Zulassungsstudie schon geführt worden (Cabazitaxel/Prednison verlängert das Gesamtüberleben um 2,4 Monate im Vergleich zu Mitoxantrone/Prednison), aber das nur im Rahmen der Bedingungen der Studie. Was im wirklichen Leben passiert, wird sich erst noch zeigen.

    Was in der Vergangenheit an Nutzenbewertung passiert bzw. nicht passiert ist, will ich hier nicht ausbreiten. Allein die Riesen-Zahl von auf dem Markt befindlichen Medikamenten, bei der angenommen wird, dass ein erklecklicher Anteil schlicht ohne Nutzen ist, und die Auseinandersetzungen um die „Positivliste“ ist sicher jedermann bekannt.

    Es geht um die Änderungen in der Nutzenbewertung mit dem 1.1.2011, dem Zeitpunkt, seitdem das neue AMNOG=Arzneimittelneuordnungsgesetz, ein neues Gesetz vom 22.12.2010, gilt.

    Da hier der G-BA und das IQWIG im Räderwerk eine entscheidende Rolle spielen, für alle, die diese beiden wichtigen Institutionen der GKV noch nicht kennen:

    Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) wird im SGB V im § 91 definiert, als Organ der deutschen ärztlichen Selbstverwaltung gestrickt, es sitzen sich Ärzte (Kassenärztliche Bundesvereinigung und Krankenhausärzte) und Krankenkassen (Spitzenverband der Krankenkassen) gegenüber und tschinschen aus, was in der GKV übernommen/bezahlt bzw. wieder gestrichen und nicht mehr bezahlt wird. Absolut kein unwichtiges Gremium, gleichwohl weder gewählt noch sonst wie mit derjenigen Bevölkerungsgruppe verbunden, die das ganze betrifft, den Patienten, also potentiell mit allen.
    Der G-BA funktioniert mittels einer Verfahrensordnung und einer Geschäftsordnung.
    Sein Sitz ist Berlin.

    Das IQWIG=Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen wird seit 2004 im SGB V im § 139a definiert, als wissenschaftliches Organ, das im Auftrag des G-BA oder des Bundesgesundheitsministeriums tätig wird und die schon im Namen genannten Ziele verfolgt.
    Sitz ist Köln.

    Dazu ist hilfreich zu wissen, dass in der deutschen GKV ein paar Prinzipien gelten, die gleich zu Anfang des SGB V definiert sind:

    Solidarität, Eigenverantwortung (§1),
    Leistungen (§2)
    Wirtschaftlichkeitsgebot (§12).


    §1: „Die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern. Die Versicherten sind für ihre Gesundheit mitverantwortlich.“

    Das hört sich doch gut an, wird kaum einer widersprechen. Wenn es denn alle umfasst.

    §2: (1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen
    Fortschritt zu berücksichtigen.“

    Auch nicht schlecht, der medizinische Fortschritt soll bei den Versicherten ankommen.
    Allerdings wäre da noch das Wirtschaftlichkeitsgebot:

    § 12: „(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.“

    Zurück zur Frage, wie wird bewertet, ob ein neues Medikament (Cabazitaxel, Abiraterone), obschon zugelassen, nun wirklich beim Patienten ankommt und zu welchem Preis (wobei unmittelbar der Preis den Patienten wenig interessiert, denn es gilt –noch so ein Prinzip- das im §2 SGB V festgelegte „Sachleistungsprinzip“, der Versicherte bekommt die Sachen/Medikamente/Behandlungen, die Kasse zahlt).

    Ausgangspunkt sind die Paragraphen des SGB V, §35 und §35a und b.
    § 35 Festbeträge für Arznei- und Verbandmittel
    § 35a Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen
    § 35b Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln


    Das AMNOG hat in diese beiden Paragraphen Änderungen hineingeschrieben, die da jetzt stehen und das Geschehen bestimmen, immer am Beispiel unseres Cabazitaxels:

    Das Pharma-Unternehmen (Sanofi-Adventis) reicht ein Dossier mit allen Unterlagen bis spätestens zum Zeitpunkt der Zulassung beim G-BA ein, das dann mit der Nutzenprüfung (Beauftragung des IQWIGs)beginnt und innerhalb von 3 Monaten beendet. Das Ergebnis wird im Internet veröffentlicht.
    Seit dem 15. April also läuft diese Frist schon im Falle des Cabazitaxels. Warum? In der neuen Verfahrensordnung des G-BA, in die ja ein neues Kapitel eingefügt worden ist, heisst es in § 8 „Beginn des Bewertungsverfahrens“:

    „1. Für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen, die ab dem 1. Januar 2011 erstmals in
    den Verkehr gebracht werden, zum Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens. Als maßgeblicher Zeitpunkt für das erstmalige Inverkehrbringen gilt die Aufnahme des Arzneimittels in die große deutsche Spezialitäten-Taxe (sog. Lauer-Taxe).“

    Da stehen wir also jetzt: Das IQWIG arbeitet an der Nutzenbewertung für das Cabazitaxel auf der Basis des von Sanofi eingereichten Dossiers. Dann wird entschieden (15. Juli, 3 Monate weiter), entweder wird ein „Zusatznutzen“ gegenüber dem bisherigen attestiert, dann beginnen die Preisverhandlungen, oder dieser „Zusatznutzen“ wird nicht attestiert, dann kann das Medikament in eine Vergleichs-Festbetragsgruppe aufgenommen werden oder eine solche eingerichtet werden (z.B. für Taxane).
    Es folgen wieder 3 Monate, und zwar Beratung im G-BA, bei der die Beteiligten noch mal angehört werden (also Sanofi), schliesslich (15. Oktober) wird entschieden.

    Soweit erstmal.
    Auch wenn das für die meisten nicht so interessant ist, sicher für die, die damit näher betraut sind – wir haben ja eine gewissen Patienten-„Beteiligung“ in den Prozessen rund um den G-BA und eine Reihe von BPS-Männern arbeiten in verschiedenen Ausschüssen und Arbeitsprozesen mit -, es ist insofern für jeden, der gerne wirksame, sichere und nützliche Medikamente bekommen möchte, wichtig, als dieses die realen Abläufe / Institutionen / Entscheidungen sind, die in diesem unseren Lande Fakten schaffen.
    Und offenbar ist es so, dass Patientenvertreter nicht nur in den Beratungen der entsprechenden Ausschüsse (hier der Unterausschuss Arzneimittel des G-BA), sondern auch schon in der frühen Nutzenbwertung des IQWIG ihre Stimme erheben "dürfen", auch wenn sie kein Stimmrecht haben.

    Grüsse,
    Rudolf
    Zuletzt geändert von RuStra; 28.05.2011, 17:33. Grund: die verlinkung vergessen

    #2
    Frühe Nutzenbewertung onkologischer Arzneimittel

    Ich möchte als Ergänzung und Hintergrund gerade was die aktuellen Zulassungs-Prozeduren fürs PFK angeht, hier auf ein DGHO-Papier von November 2011 hinweisen, an dem mehreres bemerkenswert ist.

    Der Anlass für diese Stellungnahme war eine Diskussionsveranstaltung des G-BA am 29.11.2010, auf der G-BA-homepage dokumentiert, auch mit den entsprechenden Papieren.
    Diese Debatte wird übrigens fast gänzlich (nur der BfArM-Beitrag ist in Englisch) in DEUTSCH geführt, sodass sich hier auch all die Männer einbringen können, die mit Englisch Probleme haben!


    Die Fragestellungen des G-BA waren folgende:


    - Welche Aspekte sind bei der Bewertung von Arzneimitteln für die onkologische Therapie besonders zu berücksichtigen?

    - Wie lassen sich die in onkologischen Studien untersuchten Endpunkte im Hinblick auf den patientenrelevanten Nutzen bewerten?

    - Welche Endpunkte lassen eine valide, zuverlässige Aussage zu?

    - Welchen Stellenwert haben dabei Parameter des Tumoransprechens wie zum Beispiel DFS (disease-free survival), ORR (objective response rate), TTP (time to progression), TTF (time to treatment failure), PFS (progression-free survival)?

    - Welche tumorspezifischen Aspekte sind zu berücksichtigen?
    Wie ich finde und wie man sowohl
    a) an der Debatte über die überraschenden Erfolge mit Immuntherapien beim FPK als auch
    b) an der Debatte über die neuen Behandlungs-Optionen beim FPK generell
    verfolgen kann,
    sind das Fragen, die uns unmittelbar berühren und in deren Beantwortung wir uns, auch wenn das letztes Jahr noch nicht gelungen ist (oder war jemand von uns anwesend bei der o.a. Veranstaltung?), unbedingt einbringen sollten.

    Auf Seite 8 des DGHO-Papieres heisst es unter der Überschrift "Metastasierte Erkrankung oder palliative Therapie":

    Am Beispiel des kolorektalen Karzinoms und des Mammakarzinoms soll das Problem der Anzahl der bereits etablierten wirksamen Therapien dargestellt werden. Wenn bei diesen Krankheitsentitäten der Endpunkt Overall Survival gewählt werden würde, so hinge beim Einsatz in der Primärtherapie das Ergebnis der Studie sehr stark oder überwiegend von der Qualität der durchgeführten nachfolgenden Behandlungen ab.
    Das ist doch ein interessanter Gedanke!
    Wenn ich wissen will, ob mir eine Primärtherapie wirklich Überleben bringt oder nicht, muss ich an einer Studie teilnehmen, wo kontrolliert die einen die Therapie bekommen, die anderen nichts und dann muss ich warten bis zum bitteren Ende (möglichst der anderen). So in etwa wie die skandinavische Studie über den Vergleich von OP und WW, obwohl ich auch da nicht glaube, dass die skandinavischen Männer so doof waren/sind, dass sie sonst gar nichts mehr gemacht haben.

    Im DGHO-Papier heisst es weiter unten:

    Wären die Studien so entworfen, dass Patienten kaum wirksame Nachfolgetherapien erhielten, sowären diese Patienten unterbehandelt und das Design der Studie müsste erheblich in Frage gestellt werden. Diese Tendenz sieht man sehr wohl bei einigen Studien, die eine hohe Rekrutierung in Ländern mit einem weniger entwickelten Gesundheitssystem haben.
    Eben. Evidenz wäre am besten zu erzielen, indem man keinerlei wirksame Nachfolgetherapien macht. Dann würden zwar mehr Patienten sterben (weil unterbehandelt, weils ja doch noch was anderes gibt), aber das würden sie ja für die Wissenschaft tun. Nun ja, solche Wissenschaft wollen wir nicht. Ausserdem sind wir nicht in einem Land mit einem weniger entwickelten Gesundheitssystem.

    Deshalb das Problem bei der Bewertung von OS als Endpunkt bei der Primärtherapie:

    Wenn hoch wirksame Nachfolgetherapien ausgewählt worden wären, so würde ein
    vorhandener Effekt verdeckt werden.
    Auch ein nicht vorhandener Effekt, vielleicht war ja erst die Zweit-Therapie wirksam.


    Z.B. ist bei uns ein Kollege in der Gruppe, seit 9 Jahren mit Hochrisiko diagnostiziert, seit 6 Jahren Knochen-metastasiert, abgesehen von OP schon so gut wie alles an Therapie bekommen, u.a. aber auch eine Therapie mit dendritischen Zellen. Derzeit bekommt er nach Taxotere Abiraterone.
    Wäre die anfängliche HB/Radiatio-Kombi (die übrigens in beiderlei Hinsicht unzureichend war) als Primärtherapie das einzige geblieben, wäre er wohl seit Jahren nicht mehr unter den Lebenden.
    Wie wollen wir jetzt aber mit der Evidenz, was denn wie geholfen hat (auch Muskelarbeit hat er zwischendurch gemacht), da diskutieren?

    Aus der angesprochenen Problematik ziehen dann die DGHO-Autoren den Schluss:


    In der Literatur hat es sich daher zwischenzeitlich durchgesetzt, dass in der Situation mit mehreren etablierten Wirksubstanzen der Endpunkt progressionsfreies Überleben gewählt werde sollte.
    Dies ist die Debatte,
    wo auf der einen Seite die Kritiker die Qualität von Studien immer mit dem Hinweis darauf in Frage stellen, dass da keine "patientenrelevanten" Endpunkte oder "Surrogat-" =Ersatz-Parameter verwendet würden und wo auf der anderen Seite gute Gründe angeführt werden, weshalb man doch Surrogat-Parameter nehmen sollte. Aber stimmt das?
    PFS = progression free survival, das wird beim Prostatakrebs oft am PSA-Verlauf festgemacht, was bei Manipulationen im Hormonbereich meist sinnvoll ist, bei anderen Ansätzen aber weniger. Beim FPK wird dann die Progression an der Zunahme von Metastasen, festgestellt durch Bildgebung, gemessen. Oder TTP = time to progression, gemessen beim PFK auch durch das Auftreten von metastatischem Progress.

    Das DGHO-Papier argumentiert mit dem Beispiel des kolorektalen Karzinoms und des Mammakarzinoms. Aber können wir das fürs Prostatakarzinom übernehmen?

    In den beiden Phase-III-Studien des Sipuleucel-T (Provenge) von 2006 und von 2010, die beide ihren primären Endpunkt TTP verfehlt haben, aber einen OS-Vorteil klar gezeigt haben, weshalb es dann doch endlich zugelassen wurde, zeigt sich die Unsicherheit in der Auswahl von Endpunkten beim FPK.

    Bei der Phase-II-Studie mit PROSTVAC, auch 2010 veröffentlicht, waren die beiden Endpunkte PFS und OS. Der erste wurde verfehlt, der zweite erreicht. Mal wieder.
    Das hat Eric Small und Lawrence Fong zu einem bemerkenswerten Kommentar veranlasst, der in vielem den Kommentaren entspricht, die jetzt am 16.5. in der Oncology zu lesen waren, ich sprach das schon an.

    Die Metastasierung verschwindet nicht, nein, sie geht sogar hier oder da weiter (oder auch an anderer Stelle zurück), gleichwohl ist das Gesamtüberleben davon unbeeindruckt, was geht da vor?
    Ich denke, jeder, der in der Situation von Knochenmetastasierung steht, wird sagen, egal, wie es passiert, Hauptsache, ich erlebe noch so manchen Frühling und kann mich bewegen. OS = Gesamtüberleben bei guter Lebensqualität, wenn das erreichbar ist, ohne dass die Therapie zur absoluten Qual wird und von Lebensqualität nicht mehr gesprochen werden kann, das wärs eigentlich.

    Grüsse,
    Rudolf

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      #3
      Hallo RuStra,
      oha, da habe ich Dich aber gehörig aufgescheucht mit meiner Frage: "...Weiterhin würde ich gerne mal wissen, was der Unterschied zwischen dem Wirkungsvorteil, den ein neues Medikament in Zulassungsstudien zeigen muss, und einer "Nutzen-Analyse" sein soll? " Es hat Dich veranlasst eine recht umfassende Darlegung der Arzneimittelzulassung hier einzustellen, vielen Dank dafür, ist mit Sicherheit interessant – wenn auch etwas sperrig. Ich will mal versuchen das was ich verstanden habe herauszukristallisieren:

      Immer wieder taucht die Beschreibung "Nutzenbewertung" auf, ohne das es exakt beschrieben wird. Die kürzeste Definition steht unter:
      § 12: (1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein;
      sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.
      ausreichend: Schwierig zu definieren, dann was ist ausreichend, was ist Unter- was ist Übertherapie. Kann man das innerhalb weniger Monate ohne weitere Studien bewerten? Es wird dann noch etwas präzisiert: "sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.". Wird jeder zustimmen können, aber wie wird das definiert? Wer bestimmt das anhand welcher nachvollziehbarer, rechtssicherer Kriterien? Warum reichen hier die Daten der Zulassungsstudien nicht aus?

      zweckmäßig: sollte es immer sein, was ein Patient verschrieben bekommt - wohl selbstverständlich. Gleiches Problem wie unter "ausreichend", wer bestimmt das?

      wirtschaftlich: aha, jetzt kommen wir zum Kern der ganzen Sache, das liebe Geld. "Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen,..." Also Leistungen, die die zwei oben genannten Punkte nicht erfüllen, werden nicht erstattet! Mir scheint so, als ob man diesen finanziellen Gesichtspunkt, um den es wohl grundsätzlich geht, hinter so Scheinkriterien wie "ausreichend" und "zweckmäßig" versteckt um der Sache ein wissenschaftlichen Anstrich zu geben. Letztendlich muss das Finanzielle aber politisch entschieden werden. Es ist abzusehen, dass die Kosten in der Onkologie zukünftig nicht mehr vollumfänglich von der Solidargemeinschaft gestemmt werden können. Nicht weil die Mittel nicht wirken, sondern weil sie zu teuer sind! Das sollte man dann auch klar so kundtun und sich nicht hinter irgendwelchen Scheinargumenten verstecken. Etwas mehr Ehrlichkeit mündigen Patienten gegenüber würde sicher besser verstanden werden.

      Ich denke, wenn man z.B. einem Patienten erklärt, dass 93.000$ für 4 Monate Überleben eingesetzt werden müssten, und das eben nicht bezahlbar ist, das vielleicht auch irgendwie verstanden würde, denn es hätte ja ohnehin keine kurative Intention. Auch ist die Frage noch offen, wie wir diese "Nutzenbewertung" im europäischen Umfeld auslegen. Es wäre ja ein Unding, wenn in Deutschland ein Mittel, was in Rest EU eingesetzt wird, nicht erstattungsfähig wäre. Harmonisierung wäre dringend angeraten!

      In Deinem zweiten Beitrag zeigst Du sehr schön, dass es noch gar keine definitiven Endpunkte gibt, um eine Nutzenbewertung durchzuführen. Fazit: nicht viel Neues, Deine Behauptung "Wirksamkeit != Nutzen" ist bisher zumindest bei den onkologischen Maßnahmen, über die wir hier reden, meiner Meinung nach unbegründet.
      Who'll survive and who will die?
      Up to Kriegsglück to decide

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        #4
        Das Pharma-Unternehmen (Sanofi-Adventis) reicht ein Dossier mit allen Unterlagen bis spätestens zum Zeitpunkt der Zulassung beim G-BA ein, das dann mit der Nutzenprüfung (Beauftragung des IQWIGs)beginnt und innerhalb von 3 Monaten beendet. Das Ergebnis wird im Internet veröffentlicht.
        Seit dem 15. April also läuft diese Frist schon im Falle des Cabazitaxels. Warum? In der neuen Verfahrensordnung des G-BA, in die ja ein neues Kapitel eingefügt worden ist, heisst es in § 8 „Beginn des Bewertungsverfahrens“:

        „1. Für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen, die ab dem 1. Januar 2011 erstmals in
        den Verkehr gebracht werden, zum Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens. Als maßgeblicher Zeitpunkt für das erstmalige Inverkehrbringen gilt die Aufnahme des Arzneimittels in die große deutsche Spezialitäten-Taxe (sog. Lauer-Taxe).“

        Da stehen wir also jetzt: Das IQWIG arbeitet an der Nutzenbewertung für das Cabazitaxel auf der Basis des von Sanofi eingereichten Dossiers. Dann wird entschieden (15. Juli, 3 Monate weiter), entweder wird ein „Zusatznutzen“ gegenüber dem bisherigen attestiert, dann beginnen die Preisverhandlungen, oder dieser „Zusatznutzen“ wird nicht attestiert, dann kann das Medikament in eine Vergleichs-Festbetragsgruppe aufgenommen werden oder eine solche eingerichtet werden (z.B. für Taxane).
        Es folgen wieder 3 Monate, und zwar Beratung im G-BA, bei der die Beteiligten noch mal angehört werden (also Sanofi), schliesslich (15. Oktober) wird entschieden.

        Leider falsch!
        Was mal wieder zeigt, dass die Paragraphen das eine sind, deren Anwendung aber was anderes - zumal wenn man nicht alle Paragraphen gelesen (und verstanden) hat:

        Das IQWIG ist im Moment erst noch dabei, das Dossier hinsichtlich der Vollständigkeit zu prüfen. Einen Auftrag vom G-BA zur Bewertung gibts noch nicht.
        Wenn das so ist, kann ich mir die Attestierung eines Zusatznutzens (oder dessen Negierung) bis Oktober gar nicht mehr vorstellen.

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          #5
          Zitat von RuStra Beitrag anzeigen
          Leider falsch!


          So, jetzt habe ich eine 2te Annahme, die ich bisher für richtig hielt, über Bord geworfen (also muss ich weiter vordringen in der Lektüre der Nutzenbewertungs-Paragraphen):

          Ich dachte eigentlich, dass es mit Abiraterone noch eine ganze Weile dauern würde, bis sich die Nutzenbewertung in der Paragraphen-Maschinerie zeigen würde.

          Denn: Abiraterone ist gerade erst in den USA als Post-Docetaxel-Mittel zugelassen worden, am 28. April von der FDA, siehe den entsprechenden Diskussionsfaden im FPK-Teilforum.


          Eine europäische Zulassung gibt es bisher noch nicht.
          Der Stand der Zulassungs-Dinge lässt sich z.B. hier nachlesen, für UK und die EU wird der Status mit "pre-registered(filed)" angegeben, sprich ist in Arbeit.
          Der in diesem Diskussionsfaden oben geschilderte Bewertungsprozess ab dem Zeitpunkt der Zulassung, bis zu dem ja ein entsprechendes Dossier bereits beim G-BA vorliegen muss, ist aber nur ein Zweig der möglichen Beratungs-Verfahren, wenngleich der wichtigste.

          Es gibt aber wohl noch ein anderes, frühzeitiger einsetzendes Beratungs-Verfahren durch den G-BA, das man in der oben schon angesprochenen AM-Nutzen-Verordnung nachlesen kann.

          Es heisst in der AM-NutzenV im § 8:

          § 8 Beratung

          (1) Der Gemeinsame Bundesausschuss berät den pharmazeutischen Unternehmer aufgrund dessen Anforderung auf der Grundlage der eingereichten Unterlagen nach Absatz 2. Die Beratung wird durch die Geschäftsstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses durchgeführt, sofern er nichts anderes beschließt. Die Beratung kann bereits vor Beginn von Zulassungsstudien der Phase drei und unter Beteiligung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte oder des Paul-Ehrlich-Instituts stattfinden. Der pharmazeutische Unternehmer erhält eine Niederschrift über das Beratungsgespräch.
          Demnach hätten, falls sich das entsprechenden Pharma-Unternehmen darauf einlässt oder die Beratung sogar "anfordert", der G-BA in Kooperation mit dem BfArM und PEI Einflussmöglichkeiten noch vor Beginn der entsprechenden Phase-III-Zulassungs-Studie.

          Nun liegt aber im Falle Abiraterone eine solche Phase-III-Zulassungs-Studie vor, eben die, die am 28.4. zur FDA-Zulassung geführt hat.
          Die wird dann auch von der EMEA für die zu erwartende europäische Zulassung zu Grunde gelegt werden.

          Also sind wir in diesem § durchaus auch mit anderen, möglichen Beratungen nach Vorhandensein einer Phase-III-Studie konfrontiert, denn wann der "pharmazeutische Unternehmer" sich an den G-BA wendet, bleibt wohl ihm überlassen.

          Wenn er es tut, im Abiraterone-Fall ist das die Firma Janssen-Cilag, ist es für uns gut zu wissen, wie es im § 8 weitergeht:

          Im Absatz (2) dieses § 8 AM-NutzenV heisst es dann:

          (2) Der pharmazeutische Unternehmer übermittelt dem Gemeinsamen Bundesausschuss mit der Anforderung einer Beratung die für die Erstellung eines Dossiers bedeutsamen Unterlagen und Informationen, über die er zu diesem Zeitpunkt verfügt. Die im Rahmen der Beratung übermittelten Informationen sind vertraulich zu behandeln. Gegenstand der Beratung sind insbesondere die für die Nutzenbewertung vorzulegenden Unterlagen und Studien sowie die zweckmäßige Vergleichstherapie. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann hierüber Vereinbarungen mit dem pharmazeutischen Unternehmer treffen. Der Gemeinsame Bundesausschuss führt die Beratung innerhalb von acht Wochen nach Einreichung der Unterlagen durch.

          Bei Nutzenbewertungen nach § 35a Absatz 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ist eine Beratung anzubieten, bevor der Gemeinsame Bundesausschuss den pharmazeutischen Unternehmer zur Einreichung eines Dossiers auffordert.
          Der 35a ist eben für die Nutzenbewertung für Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen da - trifft für Abiraterone zu.
          Also könnte hier schon eine Beratung laufen, die das zu erwartende Einreichen eines Dossiers (oder ist das schon geschehen? geheimgeheim ...) bis zu dem zu erwartenden europäischen Zulassungs-Datum beinhaltet. Ja ja.

          Das dumme daran ist nur, dass wir als Betroffene das nicht wissen und eben warten müssen, was der Geheim-Club da verabredet.

          Schöne Pfingsten!
          Rudolf

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