ZULASSUNG von Arzneimitteln und NUTZENBEWERTUNG
Ich möchte hier grob den rechtlichen Klapperatismus zusammenstellen, der aktuell bei der Zulassung von Arzneimitteln und der anschliessenden Nutzenbewertung greift.
Dabei geht es mir um folgende Gesetze und Verordnungen:
AMG: Arzneimittelgesetz,
AMNOG: Arzneimittelneuordnungsgesetz,
SGB V: Gesetzliche Krankenversicherung (GKV),
AM-NutzenV: Verordnung über die Nutzenbewertung von Arzneimitteln nach § 35 SGB V,
G-BA-Verfahrensordnung, Einfügung eines Kapitels zur Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35 SGB V.
So haben wir dann hoffentlich einen Orientierungsrahmen für die laufenden Diskussionen, wie aktuell z.B. zum Cabazitaxel, demnächst zum Abiraterone, wann was warum zugelassen und bewertet oder auch nicht bewertet wurde, wozu man es wie als Patient bekommen kann, was es die GKV kostet und wie der Preis zustande kommt.
Am Anfang steht die Zulassung eines Medikaments, hier wird die Wirksamkeit und die Sicherheit geprüft. Zulassungsbehörde ist in Deutschland das BfArM, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. „Das BfArM ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit“, wie man auf der BfArM-homepage lesen kann. Gesetzliche Grundlage für die Zulassung von Arzneimitteln ist das AMG=Arzneimittelgesetz.
Auf der BfArM-Seite kann man links auf „Arzneimittel“ klicken, dann auf „AM-Statistiken“, schliesslich auf den ersten Punkt „Verkehrsfähige Arzneimittel“ – da bietet sich ein hübsches Bild dessen, was auf dem Arzneimittelmarkt in Deutschland los ist: Derzeit 59 846 zugelassene Arzneimittel ! Wow !?
Zulassungsbehörde ist aber bei europäischen Zulassungen auch die EMEA=European Medicines Agency in London. Deren Zulassungen gelten dann auch. Gesetzliche Grundlage kenne ich (noch) nicht.
Nun ist z.B. Cabazitaxel / Jevtana (Markenname) als neues Chemotherapeutikum von der EMEA für Prostatakrebs zugelassen, das war im April.
Dann passiert eine Eintragung in der „Liste“: Wenn man in eine Apotheke geht und nach einem bestimmten Medikament fragt, schaut der Apotheker in den Computer und findet oder findet nicht. Ich fragte die Tage nach „Jevtana“. Ein Blick und es hiess: „Ja, ist gelistet!“ Auf die Nachfrage, wann der erste Eintrag war. „15. April“. Ich komm darauf zurück.
Diese Liste heisst auch Lauer-Taxe, weil ein gewisser Josef Lauer im Jahre 1950 zum ersten mal solch eine Liste gemacht hat.
Cabazitaxel ist also „am Markt“. Das deshalb, weil die EMEA (wie letztes Jahr schon die amerikanische FDA) aufgrund der Zulassungsstudie die beiden Fragen nach Wirksamkeit und Sicherheit positiv beantwortet hat. Wieweit das stimmt und wir als Betroffene das übernehmen, das diskutieren wir ja in einem anderen Diskussionsfaden.
Jetzt kommt die Nutzen-Bewertung.
Warum?
Weil Zulassung nicht gleich Nutzen ist.
Weil ich durchaus die Wirksamkeit des Spíndelgiftes Cabazitaxel attestieren kann, es treibt alle sich gerade teilenden Zellen mittels Spindelapparat-Hemmung in den programmierten Zelltod, darunter auch Krebszellen, aber inwieweit diese Wirksamkeit für den betroffenen einzelnen Patienten nun wirklich von Nutzen ist, das steht auf einem anderen Blatt, erst recht, wenn er durch diese wirksame Behandlung ins Nirwana befördert wird.
Wir haben hier ein grundsätzliches Problem in unserem Gesundheitssystem, dass nämlich Fragen des Nutzens nicht VOR, sondern erst NACH einer Zulassung geprüft werden. Sicherlich ist ein gewisser Nutzennachweis im Rahmen der Zulassungsstudie schon geführt worden (Cabazitaxel/Prednison verlängert das Gesamtüberleben um 2,4 Monate im Vergleich zu Mitoxantrone/Prednison), aber das nur im Rahmen der Bedingungen der Studie. Was im wirklichen Leben passiert, wird sich erst noch zeigen.
Was in der Vergangenheit an Nutzenbewertung passiert bzw. nicht passiert ist, will ich hier nicht ausbreiten. Allein die Riesen-Zahl von auf dem Markt befindlichen Medikamenten, bei der angenommen wird, dass ein erklecklicher Anteil schlicht ohne Nutzen ist, und die Auseinandersetzungen um die „Positivliste“ ist sicher jedermann bekannt.
Es geht um die Änderungen in der Nutzenbewertung mit dem 1.1.2011, dem Zeitpunkt, seitdem das neue AMNOG=Arzneimittelneuordnungsgesetz, ein neues Gesetz vom 22.12.2010, gilt.
Da hier der G-BA und das IQWIG im Räderwerk eine entscheidende Rolle spielen, für alle, die diese beiden wichtigen Institutionen der GKV noch nicht kennen:
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) wird im SGB V im § 91 definiert, als Organ der deutschen ärztlichen Selbstverwaltung gestrickt, es sitzen sich Ärzte (Kassenärztliche Bundesvereinigung und Krankenhausärzte) und Krankenkassen (Spitzenverband der Krankenkassen) gegenüber und tschinschen aus, was in der GKV übernommen/bezahlt bzw. wieder gestrichen und nicht mehr bezahlt wird. Absolut kein unwichtiges Gremium, gleichwohl weder gewählt noch sonst wie mit derjenigen Bevölkerungsgruppe verbunden, die das ganze betrifft, den Patienten, also potentiell mit allen.
Der G-BA funktioniert mittels einer Verfahrensordnung und einer Geschäftsordnung.
Sein Sitz ist Berlin.
Das IQWIG=Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen wird seit 2004 im SGB V im § 139a definiert, als wissenschaftliches Organ, das im Auftrag des G-BA oder des Bundesgesundheitsministeriums tätig wird und die schon im Namen genannten Ziele verfolgt.
Sitz ist Köln.
Dazu ist hilfreich zu wissen, dass in der deutschen GKV ein paar Prinzipien gelten, die gleich zu Anfang des SGB V definiert sind:
Solidarität, Eigenverantwortung (§1),
Leistungen (§2)
Wirtschaftlichkeitsgebot (§12).
§1: „Die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern. Die Versicherten sind für ihre Gesundheit mitverantwortlich.“
Das hört sich doch gut an, wird kaum einer widersprechen. Wenn es denn alle umfasst.
§2: (1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen
Fortschritt zu berücksichtigen.“
Auch nicht schlecht, der medizinische Fortschritt soll bei den Versicherten ankommen.
Allerdings wäre da noch das Wirtschaftlichkeitsgebot:
§ 12: „(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.“
Zurück zur Frage, wie wird bewertet, ob ein neues Medikament (Cabazitaxel, Abiraterone), obschon zugelassen, nun wirklich beim Patienten ankommt und zu welchem Preis (wobei unmittelbar der Preis den Patienten wenig interessiert, denn es gilt –noch so ein Prinzip- das im §2 SGB V festgelegte „Sachleistungsprinzip“, der Versicherte bekommt die Sachen/Medikamente/Behandlungen, die Kasse zahlt).
Ausgangspunkt sind die Paragraphen des SGB V, §35 und §35a und b.
§ 35 Festbeträge für Arznei- und Verbandmittel
§ 35a Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen
§ 35b Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln
Das AMNOG hat in diese beiden Paragraphen Änderungen hineingeschrieben, die da jetzt stehen und das Geschehen bestimmen, immer am Beispiel unseres Cabazitaxels:
Das Pharma-Unternehmen (Sanofi-Adventis) reicht ein Dossier mit allen Unterlagen bis spätestens zum Zeitpunkt der Zulassung beim G-BA ein, das dann mit der Nutzenprüfung (Beauftragung des IQWIGs)beginnt und innerhalb von 3 Monaten beendet. Das Ergebnis wird im Internet veröffentlicht.
Seit dem 15. April also läuft diese Frist schon im Falle des Cabazitaxels. Warum? In der neuen Verfahrensordnung des G-BA, in die ja ein neues Kapitel eingefügt worden ist, heisst es in § 8 „Beginn des Bewertungsverfahrens“:
„1. Für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen, die ab dem 1. Januar 2011 erstmals in
den Verkehr gebracht werden, zum Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens. Als maßgeblicher Zeitpunkt für das erstmalige Inverkehrbringen gilt die Aufnahme des Arzneimittels in die große deutsche Spezialitäten-Taxe (sog. Lauer-Taxe).“
Da stehen wir also jetzt: Das IQWIG arbeitet an der Nutzenbewertung für das Cabazitaxel auf der Basis des von Sanofi eingereichten Dossiers. Dann wird entschieden (15. Juli, 3 Monate weiter), entweder wird ein „Zusatznutzen“ gegenüber dem bisherigen attestiert, dann beginnen die Preisverhandlungen, oder dieser „Zusatznutzen“ wird nicht attestiert, dann kann das Medikament in eine Vergleichs-Festbetragsgruppe aufgenommen werden oder eine solche eingerichtet werden (z.B. für Taxane).
Es folgen wieder 3 Monate, und zwar Beratung im G-BA, bei der die Beteiligten noch mal angehört werden (also Sanofi), schliesslich (15. Oktober) wird entschieden.
Soweit erstmal.
Auch wenn das für die meisten nicht so interessant ist, sicher für die, die damit näher betraut sind – wir haben ja eine gewissen Patienten-„Beteiligung“ in den Prozessen rund um den G-BA und eine Reihe von BPS-Männern arbeiten in verschiedenen Ausschüssen und Arbeitsprozesen mit -, es ist insofern für jeden, der gerne wirksame, sichere und nützliche Medikamente bekommen möchte, wichtig, als dieses die realen Abläufe / Institutionen / Entscheidungen sind, die in diesem unseren Lande Fakten schaffen.
Und offenbar ist es so, dass Patientenvertreter nicht nur in den Beratungen der entsprechenden Ausschüsse (hier der Unterausschuss Arzneimittel des G-BA), sondern auch schon in der frühen Nutzenbwertung des IQWIG ihre Stimme erheben "dürfen", auch wenn sie kein Stimmrecht haben.
Grüsse,
Rudolf
Ich möchte hier grob den rechtlichen Klapperatismus zusammenstellen, der aktuell bei der Zulassung von Arzneimitteln und der anschliessenden Nutzenbewertung greift.
Dabei geht es mir um folgende Gesetze und Verordnungen:
AMG: Arzneimittelgesetz,
AMNOG: Arzneimittelneuordnungsgesetz,
SGB V: Gesetzliche Krankenversicherung (GKV),
AM-NutzenV: Verordnung über die Nutzenbewertung von Arzneimitteln nach § 35 SGB V,
G-BA-Verfahrensordnung, Einfügung eines Kapitels zur Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35 SGB V.
So haben wir dann hoffentlich einen Orientierungsrahmen für die laufenden Diskussionen, wie aktuell z.B. zum Cabazitaxel, demnächst zum Abiraterone, wann was warum zugelassen und bewertet oder auch nicht bewertet wurde, wozu man es wie als Patient bekommen kann, was es die GKV kostet und wie der Preis zustande kommt.
Am Anfang steht die Zulassung eines Medikaments, hier wird die Wirksamkeit und die Sicherheit geprüft. Zulassungsbehörde ist in Deutschland das BfArM, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. „Das BfArM ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit“, wie man auf der BfArM-homepage lesen kann. Gesetzliche Grundlage für die Zulassung von Arzneimitteln ist das AMG=Arzneimittelgesetz.
Auf der BfArM-Seite kann man links auf „Arzneimittel“ klicken, dann auf „AM-Statistiken“, schliesslich auf den ersten Punkt „Verkehrsfähige Arzneimittel“ – da bietet sich ein hübsches Bild dessen, was auf dem Arzneimittelmarkt in Deutschland los ist: Derzeit 59 846 zugelassene Arzneimittel ! Wow !?
Zulassungsbehörde ist aber bei europäischen Zulassungen auch die EMEA=European Medicines Agency in London. Deren Zulassungen gelten dann auch. Gesetzliche Grundlage kenne ich (noch) nicht.
Nun ist z.B. Cabazitaxel / Jevtana (Markenname) als neues Chemotherapeutikum von der EMEA für Prostatakrebs zugelassen, das war im April.
Dann passiert eine Eintragung in der „Liste“: Wenn man in eine Apotheke geht und nach einem bestimmten Medikament fragt, schaut der Apotheker in den Computer und findet oder findet nicht. Ich fragte die Tage nach „Jevtana“. Ein Blick und es hiess: „Ja, ist gelistet!“ Auf die Nachfrage, wann der erste Eintrag war. „15. April“. Ich komm darauf zurück.
Diese Liste heisst auch Lauer-Taxe, weil ein gewisser Josef Lauer im Jahre 1950 zum ersten mal solch eine Liste gemacht hat.
Cabazitaxel ist also „am Markt“. Das deshalb, weil die EMEA (wie letztes Jahr schon die amerikanische FDA) aufgrund der Zulassungsstudie die beiden Fragen nach Wirksamkeit und Sicherheit positiv beantwortet hat. Wieweit das stimmt und wir als Betroffene das übernehmen, das diskutieren wir ja in einem anderen Diskussionsfaden.
Jetzt kommt die Nutzen-Bewertung.
Warum?
Weil Zulassung nicht gleich Nutzen ist.
Weil ich durchaus die Wirksamkeit des Spíndelgiftes Cabazitaxel attestieren kann, es treibt alle sich gerade teilenden Zellen mittels Spindelapparat-Hemmung in den programmierten Zelltod, darunter auch Krebszellen, aber inwieweit diese Wirksamkeit für den betroffenen einzelnen Patienten nun wirklich von Nutzen ist, das steht auf einem anderen Blatt, erst recht, wenn er durch diese wirksame Behandlung ins Nirwana befördert wird.
Wir haben hier ein grundsätzliches Problem in unserem Gesundheitssystem, dass nämlich Fragen des Nutzens nicht VOR, sondern erst NACH einer Zulassung geprüft werden. Sicherlich ist ein gewisser Nutzennachweis im Rahmen der Zulassungsstudie schon geführt worden (Cabazitaxel/Prednison verlängert das Gesamtüberleben um 2,4 Monate im Vergleich zu Mitoxantrone/Prednison), aber das nur im Rahmen der Bedingungen der Studie. Was im wirklichen Leben passiert, wird sich erst noch zeigen.
Was in der Vergangenheit an Nutzenbewertung passiert bzw. nicht passiert ist, will ich hier nicht ausbreiten. Allein die Riesen-Zahl von auf dem Markt befindlichen Medikamenten, bei der angenommen wird, dass ein erklecklicher Anteil schlicht ohne Nutzen ist, und die Auseinandersetzungen um die „Positivliste“ ist sicher jedermann bekannt.
Es geht um die Änderungen in der Nutzenbewertung mit dem 1.1.2011, dem Zeitpunkt, seitdem das neue AMNOG=Arzneimittelneuordnungsgesetz, ein neues Gesetz vom 22.12.2010, gilt.
Da hier der G-BA und das IQWIG im Räderwerk eine entscheidende Rolle spielen, für alle, die diese beiden wichtigen Institutionen der GKV noch nicht kennen:
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) wird im SGB V im § 91 definiert, als Organ der deutschen ärztlichen Selbstverwaltung gestrickt, es sitzen sich Ärzte (Kassenärztliche Bundesvereinigung und Krankenhausärzte) und Krankenkassen (Spitzenverband der Krankenkassen) gegenüber und tschinschen aus, was in der GKV übernommen/bezahlt bzw. wieder gestrichen und nicht mehr bezahlt wird. Absolut kein unwichtiges Gremium, gleichwohl weder gewählt noch sonst wie mit derjenigen Bevölkerungsgruppe verbunden, die das ganze betrifft, den Patienten, also potentiell mit allen.
Der G-BA funktioniert mittels einer Verfahrensordnung und einer Geschäftsordnung.
Sein Sitz ist Berlin.
Das IQWIG=Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen wird seit 2004 im SGB V im § 139a definiert, als wissenschaftliches Organ, das im Auftrag des G-BA oder des Bundesgesundheitsministeriums tätig wird und die schon im Namen genannten Ziele verfolgt.
Sitz ist Köln.
Dazu ist hilfreich zu wissen, dass in der deutschen GKV ein paar Prinzipien gelten, die gleich zu Anfang des SGB V definiert sind:
Solidarität, Eigenverantwortung (§1),
Leistungen (§2)
Wirtschaftlichkeitsgebot (§12).
§1: „Die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern. Die Versicherten sind für ihre Gesundheit mitverantwortlich.“
Das hört sich doch gut an, wird kaum einer widersprechen. Wenn es denn alle umfasst.
§2: (1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen
Fortschritt zu berücksichtigen.“
Auch nicht schlecht, der medizinische Fortschritt soll bei den Versicherten ankommen.
Allerdings wäre da noch das Wirtschaftlichkeitsgebot:
§ 12: „(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.“
Zurück zur Frage, wie wird bewertet, ob ein neues Medikament (Cabazitaxel, Abiraterone), obschon zugelassen, nun wirklich beim Patienten ankommt und zu welchem Preis (wobei unmittelbar der Preis den Patienten wenig interessiert, denn es gilt –noch so ein Prinzip- das im §2 SGB V festgelegte „Sachleistungsprinzip“, der Versicherte bekommt die Sachen/Medikamente/Behandlungen, die Kasse zahlt).
Ausgangspunkt sind die Paragraphen des SGB V, §35 und §35a und b.
§ 35 Festbeträge für Arznei- und Verbandmittel
§ 35a Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen
§ 35b Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln
Das AMNOG hat in diese beiden Paragraphen Änderungen hineingeschrieben, die da jetzt stehen und das Geschehen bestimmen, immer am Beispiel unseres Cabazitaxels:
Das Pharma-Unternehmen (Sanofi-Adventis) reicht ein Dossier mit allen Unterlagen bis spätestens zum Zeitpunkt der Zulassung beim G-BA ein, das dann mit der Nutzenprüfung (Beauftragung des IQWIGs)beginnt und innerhalb von 3 Monaten beendet. Das Ergebnis wird im Internet veröffentlicht.
Seit dem 15. April also läuft diese Frist schon im Falle des Cabazitaxels. Warum? In der neuen Verfahrensordnung des G-BA, in die ja ein neues Kapitel eingefügt worden ist, heisst es in § 8 „Beginn des Bewertungsverfahrens“:
„1. Für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen, die ab dem 1. Januar 2011 erstmals in
den Verkehr gebracht werden, zum Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens. Als maßgeblicher Zeitpunkt für das erstmalige Inverkehrbringen gilt die Aufnahme des Arzneimittels in die große deutsche Spezialitäten-Taxe (sog. Lauer-Taxe).“
Da stehen wir also jetzt: Das IQWIG arbeitet an der Nutzenbewertung für das Cabazitaxel auf der Basis des von Sanofi eingereichten Dossiers. Dann wird entschieden (15. Juli, 3 Monate weiter), entweder wird ein „Zusatznutzen“ gegenüber dem bisherigen attestiert, dann beginnen die Preisverhandlungen, oder dieser „Zusatznutzen“ wird nicht attestiert, dann kann das Medikament in eine Vergleichs-Festbetragsgruppe aufgenommen werden oder eine solche eingerichtet werden (z.B. für Taxane).
Es folgen wieder 3 Monate, und zwar Beratung im G-BA, bei der die Beteiligten noch mal angehört werden (also Sanofi), schliesslich (15. Oktober) wird entschieden.
Soweit erstmal.
Auch wenn das für die meisten nicht so interessant ist, sicher für die, die damit näher betraut sind – wir haben ja eine gewissen Patienten-„Beteiligung“ in den Prozessen rund um den G-BA und eine Reihe von BPS-Männern arbeiten in verschiedenen Ausschüssen und Arbeitsprozesen mit -, es ist insofern für jeden, der gerne wirksame, sichere und nützliche Medikamente bekommen möchte, wichtig, als dieses die realen Abläufe / Institutionen / Entscheidungen sind, die in diesem unseren Lande Fakten schaffen.
Und offenbar ist es so, dass Patientenvertreter nicht nur in den Beratungen der entsprechenden Ausschüsse (hier der Unterausschuss Arzneimittel des G-BA), sondern auch schon in der frühen Nutzenbwertung des IQWIG ihre Stimme erheben "dürfen", auch wenn sie kein Stimmrecht haben.
Grüsse,
Rudolf
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