Ankündigung

Einklappen
Keine Ankündigung bisher.

Was haltet ihr von den Thesen der Lisanti-Gruppe ??

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

    Was haltet ihr von den Thesen der Lisanti-Gruppe ??

    Hallo Fortgeschrittene,

    ich fürchte, auch diese Forschungsrichtung ist hier noch nicht diskutiert worden, würde mich aber freuen, wenn ich irgendwo einen entsprechenden Diskussionsfaden übersehen hätte und den dann erstmal lesen, bevor ich weitermache.

    Jedenfalls ergibt die Suche nach "Lisanti" im Forum nichts.

    Suche ich im PubMed nach "Lisanti", gibts 541 Einträge. Die Vornamen registrierend (Michael P.), suche ich nach "MP Lisanti" und bekomme immerhin noch 400 Treffer, davon 282 fulltexte. Also allerhand zu lesen, um herauszufinden, wer Lisanti ist :-))

    Wer also issser?
    Michael Phillip Lisanti, M.D., Ph.D.
    Jefferson Professor of Cancer Biology
    Professor of Medical Oncology
    Professor of Biochemistry and Molecular Biology
    Leader, Program in Molecular Biology and Genetics of Cancer
    Kimmel Cancer Center
    Thomas Jefferson University
    Appointed: 2006
    Da es so viele fulltexte gibt, ist für jedermann nachzulesen, der sich mit ein wenig Englisch in die Lektüre hineinbegibt, dass das, was diese Gruppe veröffentlicht, supertoll in unsere hier im Forum etwas breiter geführte Debatte über Krebsentstehung und über die Besonderheiten des Krebs-Stoffwechsels hineinpasst.

    Passt in die Warburg-Debatte,
    passt in die Oxidativer-Stress-Debatte,
    passt in die Mitochondrien-Debatte,
    passt in die Tumor-Stroma-Debatte (Prof. Reichle wird den Lisanti kennen ...),
    passt sogar in die kürzlich angefangene Metformin-Debatte.

    Um mit dem letzteren anzufangen:
    In einem jetzt im Dezember erschienenen Papier werden die therapeutischen Effekte von Metformin im Tumor-Gewebe visualisiert.
    ("Visualizing the therapeutic effects of metformin in tumor tissue")

    Diese Gruppe hypothetisiert, dass
    a) Krebszellen H2O2 (Hydrogenperoxid) ins umgebende Bindegewebe abgeben aufgrund von oxidativem Stress;
    b) Zellen des Bindegewebes (Fibroblasten) daraufhin in einen katabolen Stoffwechsel verfallen, also abbauend, Autophagy betreiben, sprich sich selbst auffressen und so aber
    c) den Krebszellen jede Menge Energie-Substrate zum Frass vorwerfen, Laktat, Ketonkörper, Glutamin, Fettsäuren.
    So dass insgesamt Krebszellen/ Krebstumore eine parasitäre Existenz haben.

    Auf S. 15 von dem o.a. Papier ist das graphisch veranschaulicht.
    Der entsprechende Text im Diskussions-Abschnitt dieses Papiers fängt so an:


    Over the past 85 years, it has been a hotly debated topic as to whether aggressive cancer cells contain functional mitochondria,
    and undergo oxidative phosphorylation, or derive their energy from aerobic glycolysis.47

    In den letzten 85 Jahren wurde heiss diskutiert, ob aggressive Krebszellen noch über funktionierende Mitochondrien verfügen und OXPHOS betreiben können oder ob sie ihre Energie über aerobe Glykolyse produzieren (47).

    However, glycolysis is an inherently inefficient process for generating energy, resulting in the production of only 2–4 ATPs per glucose molecule.48-50

    Glycolyse ist nämlich an sich schon ein ineffizienter Energie-Gewinnungs-Prozess, mit nur 2 bis 4 ATP-Molekülen pro Glucose-Molekül als Ergebnis (48-50).

    Nevertheless, it has been argued that cancer cells (with exceedingly high energy demands) use aerobic glycolysis (a.k.a., the Warburg Effect) almost exclusively.48-50

    Gleichwohl wurde argumentiert, dass Krebszellen (die ja eine ausserordentlich hohen Energie-Bedarf haben) fast ausschliesslich aerobe Glykolyse benutzen (auch bekannt als "Warburg-Effekt") (48-50)

    Recently, we proposed an alternative explanation for Warburg’s observations that tumors show a shift toward aerobic glycolysis.18
    More specifically, we showed that cancer cells induce aerobic glycolysis in adjacent cancer-associated fibroblasts, via oxidative stress.20,21

    Wir haben kürzlich eine alternative Erklärung für Warburgs Beobachtungen vorgeschlagen, dass Tumoren einer Veränderung hin zur aeroben Glykolyse unterliegen (18). Genauer haben wir gezeigt, dass Krebszellen aerobe Glykolyse in benachbarten Krebs-assoziierten Fibroblasten induzieren, mittels oxidativem Stress (20,21).

    Oxidative stress in fibroblasts then drives autophagy and mitophagy, resulting in aerobic glycolysis, due to mitochondrial dys-function.
    These glycolytic fibroblasts, in turn, produce L-lactate to “feed” hungry cancer cells, resulting in a form of “parasitic” stromal-epithelial metabolic coupling (Fig. 19).22,51

    Oxidativer Stress führt dann in Fibroblasten zur Autophagie und Mitophagie und führt zur aeroben Glykolyse, aufgrund mitochondrialer Disfunktion.
    Diese glykolytischen Fibroblasten produzieren wiederum L-Laktat um hungrige Krebszellen zu "füttern", was in eine Form von "parasitärem" Stroma-Epithel-Stoffwechsel mündet (Fig. 19) (22,51).


    In this scenario, epithelial cancer cells then use lactate to perform oxidative mitochondrial respiration, driving the formation of 36–38 ATPs per glucose molecule.52
    This model, termed “The Reverse Warburg Effect,” would help resolve the paradox of the conventional “Warburg Effect,” which states that cancer cells with exceedingly high metabolic needs apparently use an inefficient process (aerobic glycolysis) to produce ATP.3,39

    Nimmt man dieses Szenario, so nutzen daraufhin die Krebszellen das Laktat für die oxidative mitochondriale Atmung, was zur Bildung von 38 bis 38 ATP-Molekülen pro Glucose-Molekül führt (52).
    Dieses Modell, "Umgekehrter Warburg-Effekt" genannt, kann helfen, das Paradox des konventionellen "Warburg-Effekts" aufzuklären, das darin besteht, dass Krebszellen mit ausserordentlich hohem Energiebedarf einen ineffizienten Stoffwechsel (aerobe Glykolyse) zur ATP-Produktion benutzen (3,39).


    In 1931, Otto Warburg was awarded the Nobel Prize in Physiology “for his discovery of the nature and mode of action of the respiratory enzyme” (https://www.nobelprize.org/nobel_pri...laureates/1931).
    Today, “Warburg’s respiratory enzyme” is known as Cytochrome C Oxidase (COX) or Complex IV (http://enzyme.expasy.org/EC/1.9.3.1).

    Otto Warburg bekam 1931 den Nobelpreis in Physiologie "für seine Entdeckung der Natur und der Arbeitsweise des Atmungsferments".
    Heutzutage ist "Warburgs Atmungsferment" bekannt als Cytochrom C Oxidase (COX) oder Komplex IV.
    Es gibt in diesen Papieren VIEL zu entdecken und allerhand Anlass, an einer Reihe von Stellen umzudenken.

    Viel Spass dabei!
    Rudolf

    #2
    "Energie-Transfer im "parasitären" Krebs-Stoffwechsel"

    Zitat von RuStra Beitrag anzeigen

    In einem jetzt im Dezember erschienenen Papier werden die therapeutischen Effekte von Metformin im Tumor-Gewebe visualisiert.
    ("Visualizing the therapeutic effects of metformin in tumor tissue")
    In einem weiteren im Dezember erschienenen Papier ist vielleicht die Einführung in die Materie am besten beschrieben, weswegen ich sie hier reinstelle:

    Überschrift:
    Energy transfer in “parasitic” cancer metabolism - Energie-Transfer im "parasitären" Krebs-Stoffwechsel
    Mitochondria are the powerhouse and Achilles’ heel of tumor cells - Mitochondrien sind die Kraftwerke und die Achilles-Ferse der Tumorzellen
    Introduction/ Einführung:

    The concept that tumor-host interactions are crucial in tumor progression is now well-accepted.1,2
    In fact, Stephen Paget (3) first proposed the “seed and soil” hypothesis in 1889, which states that cancer cells (“the seeds”) metastasize systemically and grow best in the most tumor promoting host organs or the most “fertile soil.”4-6

    In this context, tumor cells corrupt or transform their microenvironment in order to generate new blood vessels7,8 to support their oxygen requirements.9,10

    Closely linked to this idea, we and others have begun to view cancer as a “parasitic disease” that “steals” energy-rich metabolites from the host microenvironment11-13 (Fig. 1).
    "Das Konzept, dass Tumor-Host-Interaktionen entscheidend für den Tumor-Progress sind, ist mittlerweile gut angenommen (1, 2).
    Tatsächlich hat Stephen Paget (3) schon 1889 als erster die "Saat und Boden"-Hypothese aufgestellt, die besagt, dass Krebszellen ("die Saat") am besten systemisch metastasieren und wachsen in denjenigen Organen, die Tumorbildung am besten unterstützen und den "fruchtbarsten Boden" bereitstellen (4 bis 6).

    In diesem Kontext korrumpieren oder transformieren die Krebszellen ihre Mikroumgebung, um neue Blutgefässe zu generieren (7 und 8) für ihren Sauerstoff-Bedarf (9 und 10).

    Eng verbunden mit dieser Vorstellung haben wir und andere angefangen Krebs als "parasitäre Erkrankung" zu sehen, die der "gastgebenden" Umgebung energiereiche Stoffwechselprodukte "stiehlt" (Fig.1) (11 bis 13)."


    The tumor stroma, which is composed of fibroblasts, adipocytes, endothelial cells and macrophages, lies in extremely close proximity to cancer cells, and can directly promote tumor growth.15-20

    Most research on the mechanism(s) by which the stroma promotes tumor growth has focused on changes in the extracellular matrix and the increased secretion of tumor promoting cytokines, such as IL-6, IL-8, SDF1, VEGF and TGFβ.20,21

    However, little is known regarding the metabolic properties of the tumor stroma.
    Several independent studies have recently highlighted the importance of metabolic-coupling between cancer cells and other host cells to drive a form of “parasitic cancer metabolism.”

    This metabolic-coupling promotes epithelial tumor cell growth and metastasis.
    "Das Tumor-Bindegewebe, in dem sich Fibroblasten, Adipozyten, Endothelzellen und Makrophagen befinden, liegt extrem nah an den Krebszellen und kann direkt Krebswachstum unterstützen (15 bis 20).

    Der Grossteil der Forschung, die sich damit beschäftigt, wie das Bindegewebe Krebswachstum unterstützt, hat sich konzentriert auf die Veränderungen der extrazellulären Matrix und den Anstieg von Tumor-fördernden Zytokinen wie IL-6, IL-8, SDF1, VEGF und TGFbeta (20 und 21).

    Allerdings ist wenig bekannt über die Stoffwechselveränderungen des Tumor-Stromas.
    Verschiedene voneinander unabhängige Studien haben kürzliche die Bedeutung einer Stoffwechsel-Kopplung zwischen Krebszellen und anderen Host-Zellen unterstrichen, die eine Form von "parasitärem Krebs-Stoffwechsel" hervorbringt.

    Diese Stoffwechsel-Kopplung unterstützt das epitheliale Krebszell-Wachstum und die Metastasierung."

    Die vorgetragenen Zusammenhänge werden in diesem, aber auch in den anderen Papieren der Lisanti-Gruppe, gut durch Graphiken veranschaulicht, schaut sie euch an!

    In dem hier vorgestellten Papier finde ich insbesondere die Abbildung 5 auf der S.4 superspannend:

    Da wird Muskelgewebe mit Brustkrebsgewebe verglichen und in der Anfärbung wird das Enyzm des Komplexes IV der Atmungskette, eben Cytochrom C Oxidase (abgekürzt COX, nicht zu verwechseln mit der Cyclooxygenase aus dem Fettstoffwechsel, da isses die Diskussion über COX1- und COX2 ...) durch Braunfärbung gezeigt.
    Links ist da der Unterschied zwischen schnell und langsam kontrahierenden Muskelfasern zu sehen. Die schnellen haben keine COX-Färbung, die langsamen schon. Die schnellen arbeiten also glykolytisch, die langsamen oxidativ per Mitochondrien.
    Rechts dagegen ein glykolytisches Umfeld (Microenvironment) und ein oxidativ arbeitendes Tumorgewebe.

    Schon heftig eindrucksvoll.
    Diese Thesen/ Bilder verstärken die Stoffwechsel-Debatte in der Krebs- aber auch Krebstherapie-Aufklärung,
    aber sie verstören einen wohl einseitigen Blick auf die untergehende Rolle der Mitochondrien im Krebsgeschehen, mit dem viele, auch ich, sich das immer so vorgestellt hatten, dass die Krebszellen halt nicht mehr viel mit den Mitochondrien machen.
    Wenn ich jetzt (wie die Mainzer Physiologen um Prof. Müller-Klieser) grossräumig Gewebe miteinander vergleiche und im Tumorgewebe mehr Laktat und Pyruvat als im gesunden Gewebe nachweise, dürfte sich jetzt als Erklärung dafür anbieten, dass eben die Zellen des Bindegewebes das Laktat machen, aber nicht die Krebszellen.

    Gut, aber erstmal diskutieren.

    Grüsse aus HH,
    Rudolf

    Kommentar


      #3
      Zitat von RuStra Beitrag anzeigen

      ...

      Schon heftig eindrucksvoll.
      Diese Thesen/ Bilder verstärken die Stoffwechsel-Debatte in der Krebs- aber auch Krebstherapie-Aufklärung,
      aber sie verstören einen wohl einseitigen Blick auf die untergehende Rolle der Mitochondrien im Krebsgeschehen,
      mit dem viele, auch ich, sich das immer so vorgestellt hatten, dass die Krebszellen halt nicht mehr viel mit den Mitochondrien machen.
      Wenn ich jetzt (wie die Mainzer Physiologen um Prof. Müller-Klieser) grossräumig Gewebe miteinander vergleiche und im Tumorgewebe mehr Laktat und Pyruvat als im gesunden Gewebe nachweise, dürfte sich jetzt als Erklärung dafür anbieten, dass eben die Zellen des Bindegewebes das Laktat machen, aber nicht die Krebszellen.

      Gut, aber erstmal diskutieren.
      Auch wenn ich hier offenbar nur mit mir selber diskutiere, und das auch noch im Jahresabstand:

      Douglas C. Wallace, Direktor des Center for Mitochondrial and Epigenomic Medicine (CMEM) in Philadelphia, hat kürzlich ein hochinteressantes Papier veröffentlicht:

      Mitochondria and cancer, hier leider nur im abstract öffentlich zugänglich, in dem er den aktuellen Stand des Wissens (aus seiner Sicht), was Mitochondrien mit Krebsentstehung und -progress zu tun haben, zusammenfasst.

      Aus dem abstract:

      Cancer cells then reprogramme adjacent stromal cells to optimize the cancer cell environment.
      These alterations activate out-of-context programmes that are important in development, stress response, wound healing and nutritional status.
      Krebszellen programmieren benachbarte Bindegewebszellen um, um ihre eigene Zell-Umgebung zu optimieren.
      Diese Änderungen führen zu Umprogrammierungen des Gewebszusammenhangs, die für die Entwicklung, die Stress-Antwort, die Wundheilung und den Ernährung-Status wichtig sind.


      Am Ende seiner Erörterung steht ausführlicher:


      The reverse Warburg effect

      From the discussions above, it is clear that different types of tumours undergo different bioenergetic adjustments;
      tumours do not consistently inhibit mitochondrial bioenergetics as suggested by Warburg.
      Indeed, one study of the energy budget of various cancer cells under normoxic conditions concluded that most of the ATP in cancer cells comes from mitochondria, as is true for normal cells [157].

      If this is the case, then why can cancers be detected using FDG accumulation [4]?
      The answer may lie with the interaction between the tumour cells and the adjacent stromal cells.
      Wallace bezieht sich hier auf die Arbeiten der Lisanti-Gruppe, in [157] speziell auf dieses Papier aus 2010:
      The reverse Warburg effect, hier im fulltext herunterladbar.

      Einen weiteren für jedermann nachlesbaren Diskussionsbeitrag will ich hier einfügen,
      und zwar aus dem schon teilweise diskutierten Buch von Prof. Kämmerer und Team, Krebszellen lieben Zucker - Patienten brauchen Fett.
      In diesem Buch steht auf S. 104 dieses:


      Irrungen und Wirrungen

      Wer dieses Buch - und auch dieses Kapitel - bis hierher gelesen hat, hat auch schon mehrfach die Erfahrung gemacht, dass der Stand der Wissenschaft oft alles andere als eindeutig ist - und dass Expertenmeinungen sogar noch deutlicher auseinandergehen können. Auch wenn dadurch die Lektüre sicher nicht einfacher wird, so halten wir es doch für wichtig und fair, die Dinge nicht einfacher darzustellen als sie sind - und auch alle Stimmen zu Wort kommen zu lassen.

      Und tatsächlich gibt es einen Forscher, der mit seinen Mitarbeitern vehement die Meinung vertritt, dass Ketonkörper das Wachstum von Tumoren nicht hemmen, sondern sogar fördern können. Die Wissenschaftlicher um den Mediziner Michael Lisanti von der Thomas Jefferson University in Philadelphia sind nicht nur genau davon überzeugt. Sie glauben auch, dass Krebszellen Glucose gerade nicht vergären, nicht einmal einen erhöhten Glucosestoffwechsel haben, sondern in erster Linie Ketonkörper und Milchsäure mit Sauerstoff zu Kohlendioxid verbrennen.

      Hätten sie Recht, würde das vieles von dem, was in diesem Buch steht, ins Gegenteil verkehren. Doch betrachtet man die Gesamtheit der wissenschaftlichen Arbeiten bisher, so steht Lisantis Sichtweise in krassem Gegensatz zu der universellen Beobachtung, dass wachsende, sich teilende Zellen von Zellatmung auf Glykolyse umschalten (s. Kapitel 4). Dieser Meinung sind alle bisher dazu befragten Wissenschaftler, die auf diesem Gebiet aktiv sind, etwa Thomas Seyfried, der Krebswissenschaftler Matthew Vander Heiden vom MIT in Boston und auch der Jenaer Ernährungsmediziner Michael Ristow. Außerdem ist wegen der oft verringerten Durchblutung Sauerstoff in Tumoren Mangelware, was ebenfalls gegen eine effektive Verbrennung der Ketonkörper spricht.

      Kommentar


        #4
        Zitat von Rustra
        Auch wenn ich hier offenbar nur mit mir selber diskutiere, und das auch noch im Jahresabstand:
        Hallo Rudolf,

        der nachfolgende Kommentar aus dem erwähnten Buch drückt das aus, was man selbst leider auch nach sorgfältigem Durchlesen Deiner Linkinhalte erkennen muß. Man fragt sich dann unwillkürlich, ob man sich das alles antun sollte, um nachhaltig davon profitieren zu können.

        Zitat von aus Buch "Krebszellen lieben Zucker - Patienten brauchen Fett"
        Wer dieses Buch - und auch dieses Kapitel - bis hierher gelesen hat, hat auch schon mehrfach die Erfahrung gemacht, dass der Stand der Wissenschaft oft alles andere als eindeutig ist - und dass Expertenmeinungen sogar noch deutlicher auseinandergehen können.
        Ich habe hier und hier noch etwas gefunden, was Dich zum Lesen anregen könnte, wobei das Letztere wohl von Dir schon an anderer Stelle recherchiert wurde.

        P.S.: Noch dies.

        Gruß Harald.
        Zuletzt geändert von Gast; 10.02.2013, 15:16. Grund: Ergänzung

        Kommentar


          #5
          Krebs und Mitochondrien - Abstract Wallace-Papier

          Zitat von RuStra Beitrag anzeigen
          Douglas C. Wallace, Direktor des Center for Mitochondrial and Epigenomic Medicine (CMEM) in Philadelphia, hat kürzlich ein hochinteressantes Papier veröffentlicht:
          Mitochondria and cancer, hier leider nur im abstract öffentlich zugänglich, in dem er den aktuellen Stand des Wissens (aus seiner Sicht), was Mitochondrien mit Krebsentstehung und -progress zu tun haben, zusammenfasst.


          Krebszellen programmieren benachbarte Bindegewebszellen um, um ihre eigene Zell-Umgebung zu optimieren.
          Diese Änderungen führen zu Umprogrammierungen des Gewebszusammenhangs, die für die Entwicklung, die Stress-Antwort, die Wundheilung und den Ernährung-Status wichtig sind.

          Eigentlich wäre das Riesen-Thema "Krebs und Mitochondrien" ein ganzes Teil-Forum (in einem Krebs-Forum) wert,
          aber zum Glück haben wir hier ja eine glasklare Kontroverse vor uns, die die Informations-Beschaffung erleichtert.
          Denn die Spannung bleibt erhalten (und man erstickt nicht so leicht unter der Fülle der möglichen und bekannten Zusammenhänge),
          wenn man einfach nur wissen will, was spricht für die eine und was für die andere These.

          These 1: Krebszellen schalten, insbesondere wenn sie aggressiv, invasiv werden, auf glykolytischen Stoffwechsel und schalten den mitochondrialen Verbrennungs-Stoffwechsel herunter.
          These 2: Das machen nicht die Krebszellen, sondern die lassen die Mitos eher noch auf Hochtouren laufen, sondern die Fibroblasten, die von den Krebszellen dazu angestifetet werden.

          Bevor ich mich frage, ob der Oldie-Forscher Wallace als Lokalpatriot der Lisanti-Gruppe nicht einfach Rückendeckung verschaffen wollte,
          sollte genauer gelesen werden, wie er denn eigentlich argumentiert.
          Ich will versuchen, den Abstract, die Einleitung und die abschliessende Bewertung zu zitieren:

          "Abstract

          Im Gegensatz zur üblichen Annahme sind funktionierende Mitochondrien essentiell für Krebszellen.
          Obwohl Mutationen an mitochondrialen Genen in Krebszellen üblich sind, heisst das nicht, dass dadurch der mitochondriale Energie-Stoffwechsel inaktiviert würde, sondern nur, dass der Zustand der mitochondrialen Bioenergetik und Biosynthes sich ändert.
          In diesen verschiedenen Zuständen kommunizieren die Mitochondrien mit dem Zellkern mithilfe der "retrograden Signalgebung", um die Signal-Transduktions-Wege zu modulieren, und mithilfe von Transkriptions-Kreisläufen und Veränderungen an der Chromatin-Struktur, um insgesamt die erkannten mitochondrialen und Zellkern-Bedürfnisse der Krebszelle zu bedienen.

          Krebszellen programmieren benachbarte Bindegewebszellen um, um ihre eigene Zell-Umgebung zu optimieren.
          Diese Änderungen führen zu Umprogrammierungen des Gewebszusammenhangs, die für die Entwicklung, die Stress-Antwort, die Wundheilung und den Ernährung-Status wichtig sind.

          "

          Kommentar


            #6
            Krebs und Mitochondrien - Einleitung Wallace-Papier

            Zitat von RuStra Beitrag anzeigen

            Ich will versuchen, den Abstract, die Einleitung und die abschliessende Bewertung zu zitieren:
            Einleitung


            Vor über 70 Jahren beobachtete Otto Warburg, dass Krebszellen in Anwesenheit von Sauerstoff exzessive Mengen Laktat produzierten, ein Zustand, den er „aerobe Glykolyse“ nannte [1 – 3]. Heutzutage wird diese hohe Glucose-Aufnahme von soliden Tumoren diagnostisch genutzt, durch die Akkumulation von 18F-2-Deoxyglucose (FDG), dargestellt durch Positronen Emissions Tomographie [PET] [4].

            Während des 20sten Jahrhunderts wurde einiger Aufwand betrieben herauszufinden, ob die aerobe Glykolyse auf Defekten im mitochondrialen OXPHOS beruhte (oxidative Phosphorylierung), mit generell negativen Resultaten [5]. Allerdings lag dieser Fehlschlag weniger an der geringeren Bedeutung, die die Mitochondrien für Krebs haben würden, als den mangelnden Fundamental-Kenntnissen über die Biologie der Mitochondrien.

            Das mitochondriale Bakterium ist der 2 Milliarden alte symbiotische Partner des Zellkern-Zytosol-Organismus [6, 7].
            Aus heutiger Sicht umfasst das mitochondriale Genom zwischen ein- und zweitausend nukleärer DNA (nDNA) Gene plus Tausenden von Kopien mitochondrialer DNA (mtDNA), die innerhalb der Mitochondrien liegen. Die mtDNA enthält die 13 wichtigsten OXPHOS-Gene, während die nDNA die restlichen OXPHOS-Gene wie auch die Gene für den mitochondrialen Stoffwechsel und die mitochondriale Biosynthese enthält [Fig. 1 und 2].
            Das Mitochondrium ist ein hochentwickeltes System für die Koordinierung von Energie-Produktion und –Verteilung auf der Basis der Verfügbarkeit von Kalorien und Sauerstoff für die Notwendigkeiten der zellulären Versorgung und Reproduktion
            In vielen Krebszellen erfolgt eine bioenergetische Neu-Programmierung, weg von der maximalen OXPHOS-ATP-Produktion von differenzierten Zellen im Ruhezustand hin zu den Erfordernissen der Generierung von Substraten für die zelluläre Biogenese und Reproduktion von schnell wachsenden Zellen und der dafür erforderlichen Energie-Balance.

            Viele lebenswichtige zelluläre Parameter werden von Mitochondrien kontrolliert.
            Regulation der Energie-Produktion.
            Modulation des Redox-Status (Oxidation/Reduktion).
            Generierung von ROS (reactiv oxygen species).
            Kontrolle des zytosolischen Kalzium-Spiegels (Ca2plus).
            Beitrag zu zytosolischen Vorläufer-Substanzen für die Biosynthese wie Acetyl-Koenzym-A und die Pyrimidine.
            Initiierung der Apoptose durch die Aktivierung der mitochondrialen Permeabilitätstransitionspore (mtPTP) [Fig. 3].

            Änderungen an diesen Parametern können sich negativ auswirken auf biosynthetische Stoffwechsel, zelluläre Signal-Transduktionswege, Transkriptionsfaktoren und Chromatin-Struktur, sodass die Zelle aus dem Zustand der differenzierten Zell-Leistung heraus in eine aktiv sich vermehrende Zelle getrieben wird.

            Obwohl Mutationen an der mtDNA in Krebszellen seit mehr als 2 Jahrzehnten bekannt sind [8], hat das Interesse an mitochondrialen Veränderungen bei Krebs zugenommen, als in Krebszellen mitochondriale Gen-Mutationen des Zitratzyklus entdeckt wurden. Defekte in Krebszellen sind mittlerweile gut untersucht an den Genen für die Succinat-Dehydrogenase (SHD), Fumarat-Hydratase (FH) und die Isocitrat-Dehydrogenase 1 (IDH1) und IDH2 (Fig.2).

            Die Analyse der pathophysiologischen Konsequenzen der mitochondrialen Gen-Mutationen hat viele neue Einsichten in die Wichtigkeit und Komplexität mitochondrialer Veränderungen bei Krebs gebracht.
            In diesem Review diskutiere ich diese Beobachtungen in dem Kontext, wie Veränderungen der Mitochondrien-Funktion dem Zellkern signalisieren können, seinen Entwicklungs- und Replikations-Status zu ändern („Retrograder Signalweg“) und wie dadurch der Stoffwechsel-Status von umgebenden Bindegewebs-Zellen beeinflusst wird (der „reverse Warburg-Effekt“).



            1. Warburg, O. The Metabolism of Tumors (R. R. Smith, 1931).
            2. Warburg, O. On the origin of cancer cells. Science 123, 309–314 (1956).
            3. Wallace, D. C. Mitochondria and cancer: Warburg addressed. Cold Spring Harb. Symp. Quant. Biol. 70, 363–374 (2005).
            4. Lin, M. Molecular imaging using positron emission tomography in colorectal cancer. Discov. Med. 11, 435–447 (2011).
            5. Pedersen, P. L. Tumor mitochondria and the bioenergetics of cancer cells. Prog. Exp. Tumor Res. 22, 190–274 (1978).
            6. Lane, N. & Martin, W. The energetics of genome complexity. Nature 467, 929–934 (2010).
            7. Wallace, D. C. Why do we have a maternally inherited mitochondrial DNA? Insights from evolutionary medicine. Annu. Rev. Biochem. 76, 781–821 (2007).
            8. Horton, T. M. et al. Novel mitochondrial DNA deletion found in a renal cell carcinoma. Genes Chromosomes Cancer 15, 95–101 (1996).

            Kommentar


              #7
              Krebs und Mitochondrien - Schlussfolgerungen Wallace-Papier

              Zitat von RuStra Beitrag anzeigen

              Ich will versuchen, den Abstract, die Einleitung und die abschliessende Bewertung zu zitieren:

              Schlussfolgerungen

              Die in diesem Review diskutierten Ergebnisse zeigen, dass die Mitochondrien-Funktion für Krebszellen essentiell ist.

              Allerdings unterliegen verschiedenste Krebszell-Typen verschiedenen bioenergetischen Veränderungen, einige mehr glykolytisch und andere mehr oxidativ, zum Teil abhängig von dem Entwicklungs-Stadium der Zelle in ihrer neoplastischen Transformation. Diese Gewebs-spezifische kontextuale Basis von Krebs macht es unmöglich, dass da nur eine einzige bioenergetische Umwandlung vorhanden ist, die für alle Krebszell-Typen gleich ist, wie von Warburg vorgeschlagen.

              Diese resultierende Diversität erklärt wahrscheinlich,
              weshalb HIF1alpha sowohl ein Tumor Promoter wie auch Suppressor sein kann;
              wie FOXO und MYC entweder die mitochondriale Biosynthese fördern oder hemmen können;
              wie p53 entweder die OXPHOS antreiben oder hemmen kann.

              Ein wichtiger, erster Grund für dieses irgenwie schon verwirrende Bild wird einfach unser mangelndes Wissen sein, Basis-Wissen über mitochondriale Biologie und Genetik. Untersuchungen hierüber waren in den letzten 30 Jahren stark eingeschränkt. Als Ergebnis ist unser Verständis über verschiedene Aspekte mitochondrialer Biologie wirklich unreif.
              Das umfasst:
              • Die Katalogisierung der in den Mitochondrien angesiedelten Proteine [163];
              • Die Regulation der im Zellkern kodierten mitochondrialen Gene und die Relation der Bioenergetik zum Epigenom [53];
              • Die Mechanismen, durch die der mitochondriale Redox- und Ca2plus-Status reguliert wird und dessen Effekt auf den Zellkern und das Zytosol [53,84];
              • Die Charakterisierung der mitochondrialen Biogenese innerhalb des Mitochondriums [164];
              • Die Konsequenzen von mtDNA-Heteroplasmie und der Interaktionen von mtDNA und nDNA [108];
              • Die Definition von Systemen für die Gewebs-spezifische bioenergetische Regulation [63,84,165];
              • Und die Aufklärung der Interaktionen zwischen Krebszell- und Bindegewebs-Milieu [158-162].


              Ein Fortschritt auf all diesen Feldern erfordert, dass Krebs-Studien sich nicht mehr mit isolierten Krebszellen oder Tumoren beschäftigen, sondern mit genetically engineered Tieren, an denen die Interaktionen zwischen Zellen studiert werden können. Dieses wird die Einbringung einer ganzen Palette von mitochondrialen Gen-Mutationen, speziell von mtDNA, in die Mäuse erfordern [47,166,167]. Im Studium solcher Mäuse können dann verschiedene Kombinationen von mtDNA-Mutationen und nukleärer Onkogen- und Tumor-Suppressor-Mutationen untersucht werden.
              Es ist also so, wenn wir weiterkommen wollen, müssen wir unser Verständnis der Biologie und der Genetik von Mitochondrien erweitern, der vernachlässigten Symbionten, die so zentral wichtig sind für unsere Zellen, unsere Gesundheit und unser Leben [37].



              163. Pagliarini, D. J. et al. A mitochondrial protein compendium elucidates complex I disease biology. Cell 134, 112–123 (2008).

              53. Wallace, D. C. & Fan, W. Energetics, epigenetics, mitochondrial genetics. Mitochondrion 10, 12–31 (2010).

              84. Wallace, D. C., Fan, W. & Procaccio, V. Mitochondrial energetics and therapeutics. Annu. Rev. Pathol. 5, 297–348 (2010).

              164. Phillips, D. et al. Regulation of oxidative phosphorylation complex activity: effects of tissue-specific metabolic stress within an allometric series and acute changes in workload. Am. J. Physiol. Regul. Integr. Comp. Physiol. 302, R1034–R1048 (2012).

              108. Wallace, D. C. A mitochondrial paradigm of metabolic and degenerative diseases, aging, and cancer: a dawn for evolutionary medicine. Annu. Rev. Genet. 39, 359–407 (2005).

              63. Thompson, C. B. Metabolic enzymes as oncogenes or tumor suppressors. New Engl. J. Med. 360, 813–815 (2009).

              165. Wallace, D. C. The epigenome and the mitochondrion: bioenergetics and the environment. Genes Dev. 24, 1571–1573 (2010).

              158. Bonuccelli, G. et al. The reverse Warburg effect: glycolysis inhibitors prevent the tumor promoting effects of caveolin‑1 deficient cancer associated fibroblasts. Cell Cycle 9, 1960–1971 (2010).

              159. Pavlides, S. et al. Transcriptional evidence for the “Reverse Warburg Effect” in human breast cancer tumor stroma and metastasis: similarities with oxidative stress, inflammation, Alzheimer’s disease, and “Neuron-Glia Metabolic Coupling”. Aging 2, 185–199 (2010).

              160. Castello-Cros, R. et al. Matrix remodeling stimulates stromal autophagy, “fueling” cancer cell mitochondrial metabolism and metastasis. Cell Cycle 10, 2021–2034 (2011).

              161. Capparelli, C. et al. Autophagy and senescence in cancer-associated fibroblasts metabolically supports tumor growth and metastasis via glycolysis and ketone production. Cell Cycle 11, 2285–2302 (2012).

              162. Pavlides, S. et al. Warburg meets autophagy: cancer-associated fibroblasts accelerate tumor growth and metastasis via oxidative stress, mitophagy, and aerobic glycolysis. Antioxid. Redox Signal. 16, 1264–1284 (2012).

              47. Chen, P.‑L. et al. Mitochondrial genome instability resulting from SUV3 haploinsufficiency leads to tumorigenesis and shortened lifespan. Oncogene 7 May 2012 (doi:10.1038/onc.2012.120).

              166. Fan, W. et al. A mouse model of mitochondrial disease reveals germline selection against severe mtDNA mutations. Science 319, 958–962 (2008).
              167. Hashizume, O. et al. Specific mitochondrial DNA mutation in mice regulates diabetes and lymphoma development. Proc. Natl Acad. Sci. USA 109, 10528–10533 (2012).

              37. Wallace, D. C. Bioenergetic origins of complexity and diseases. Cold Spring Harb. Symp. Quant. Biol. 76, 1–16 (2011).

              Kommentar

              Lädt...
              X