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Östrogentherapie und Thromboserisiko - reicht ASS?

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    Östrogentherapie und Thromboserisiko - reicht ASS?

    Liebes Forum,
    Aus einer anderen Diskussion hat sich ein sehr wichtiges Thema ergeben:
    Die Frage war: Sollte im Fall einer gegengeschlechtlichen Therapie mit Östrogen eine Blutverdünnung erfolgen und wenn ja, reicht ASS?

    Eine Östrogentherapie hat bei Männern ein deutlich erhöhtes Risiko für thrombolembolische Komplikationen zur Folge. Das können Thrombosen, Lungenembolien, Herzinfarkte und Schlaganfälle sein. Dieses Risiko besteht grundsätzlich zwar auch bei einer Hormonentzugstherapie, z.B. mit einem LHRH-Analogon, ist jedoch sehr deutlich kleiner. So wird in der offiziellen Aufklärung zur medikamentösen Hormonabsenkung bei Prostatakrebs das Thema nur bei den Östrogenen ausführlich beschrieben.

    Ein Forumsmitglied meinte im Rahmen der Diskussion rund um Östrogene, er nehme einfach ASS zur Prophylaxe.

    Zu diesem Thema gibt es eine S3-Leitlinie: "Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE) vom 8.5.2010. Darin steht folgender Text (von mir in Auszügen dargestellt):
    • Zur medikamentösen VTE-Prophylaxe stehen Heparine, Fondaparinux und andere Antikoagulantien zur Verfügung: Danaparoid, Faktor Xa-Inhibitoren, Thrombininhibitoren, Vitamin-K-Antagonisten (Kumarine).
    • Niedermolekulare Heparine sollen bevorzugt eingesetzt werden.
    • ASS sollte zur VTE-Prophylaxe nicht eingesetzt werden.


    Also ein klares Fazit: Kein ASS!


    Wenn eine Blutgerinnungshemmung sein soll oder muß, ist niedermolekulares Heparin am besten (Subcutanspritzen). Als Tabletten sind Kumarine verbreitet (z.B. Marcumar)
    Für mich ist eine Therapie mit Östrogen oder Östrogenanaloga wie Estramustin in den meisten Fällen eine Indikation zur Blutverdünnung.

    Beste Grüße für ein geruhsames Fest,

    M. Schostak

    #2
    Hallo Mitstreiter,

    für mich kam dieser Hinweis leider zu spät. Wegen Verschlüssen in den Beinen bin ich jetzt bis zum Ende meiner Tage auf Marcumar o.ä. angewiesen. Wegen der Wichtigkeit habe ich dieses Thema mit meiner Antwort noch einmal hochgebracht.

    Grüße und einen guten Rutsch in 2013
    Peter

    Kommentar


      #3
      Zitat von M Schostak Beitrag anzeigen
      ...Für mich ist eine Therapie mit Östrogen oder Östrogenanaloga wie Estramustin in den meisten Fällen eine Indikation zur Blutverdünnung...
      Was bedeutet "meisten Fällen" - wer gehört dazu und wer nicht? Wir hatten das Thema ja schon im Mai 2011 diskutiert [1], hier nun eine Aktualisierung.
      Östrogene sind in unterschiedlichen Stadien der Erkrankung einsetzbar:

      1. Begleitend zur Hormonentzugstherapie (ADT)
      Testosteronentzug bedeutet automatisch auch Östrogenentzug, da sich Östrogen im Körper aus Testosteron bildet. Dieser Kollateralschaden der ADT wird bisher billigend in Kauf genommen. Erst in letzter Zeit fragt man sich, ob es nicht sinnvoller sein könnte während der ADT der Östrogenwert zu erhalten [2] "...Androgen deprivation without estrogen deprivation is a concept that deserves further attention in the urological community." Das vorgeschlagene Vorgehen beinhaltet die Einnahme von DES (Diethylstilbestrol), was schon in den VACURG Studien [3][4] eingesetzt wurde, aber mitleiweile kaum noch erhältlich ist. Ersetzt wurde es durch eine transdermale Applikation von 17ß-Estradiol (E2), z.B. Estradot®-100. Die Zahl hinter dem Arzneimittelname gibt an, wie viel µg Wirkstoff pro Tag übertragen wird. Um den Estradiol Spiegel während der ADT zu erhalten (<40pg/ml) sind 1 bis 2 Patches/Woche erforderlich.

      Ein erhöhtes Risiko für thromboembolische Komplikationen wurden für diesen Ansatz bisher nicht beschrieben. Viele Patienten verwenden aus unterschiedlichen Gründen Low-Dose ASS (50-75mg/Tag), was diverse Vorteile haben kann, aber hier nicht Thema ist. Sicherheitshalber würde ich dies ggf. auch so machen.

      Neben dem Erhalt der Knochendichte[7], einem Bisphosphonat/RANKL-Blocker entsprechend[9], und Reduktion von Hot-Flashes, hat Estradiol auch Vorteile für die kognitive Funktionsfähigkeit[6], was immer gut ist, denn im Laufe der Erkrankung müssen wir doch viel lernen. Ein erhöhtes Gynäkomastie-, sowie ein etwa 4-fach höheres Brustkrebsrisiko sind als Nachteil zu nennen! Bei wem es abzusehen ist, dass die ADT sein ständiger Begleiter sein wird, sollte sich evt. mit der operativen Entfernung der Brustdrüsen anfreunden[8]. Bestrahlung der Brustdrüsen hilft meist nur vorübergehend und sollte, wegen dem Risiko einer "Secondary Malignancies", auch nicht öfters wiederholt werden.

      2. Während der ADT OFF Phase
      Zu unrühmlicher Bekanntheit ist das früher gerne verwendetet Prostasol/PC-SPES gekommen. Unrühmlich, weil dank einer privaten chemischen Analyse irgendwann rauskam, dass dort DES+Warfarin enthalten war. Daraufhin wurde es verboten. Ein Prostasol/PC-SPES Kräuterextrakte ohne DES+Warfarin hatten kaum Wirkung und erlangten keine Bedeutung mehr.Trotzdem muss festgehalten werden, dass Low-Dose DES (std. Dose Prostasol ~0,3-0,6mg DES) während der OFF Phase einer ADT diese beträchtlich verlängern könnte. Wirksamkeit von DES wird ab 0.25mg beschrieben, was etwa 4 Estradiol-100 Patches/Woche bedeutet. Auch hierbei sehe ich ein eher geringes Thromboserisiko, man sollte das aber ggf. mit einem Arzt abklären! Wegen der (hoffentlich) in diesem Stadien noch langen Lebenserwartung, würde ich statt den Vitamin-K-Antagonisten lieber modernere Mittel wie Xarelto® einsetzen.

      3. Als Zweitlinien ADT
      In vielen Ländern zugelassen, in Deutschland nicht. Man kann das aber eigenverantwortlich machen, da das Mittel preiswert ist[5]. Statt oralem DES können auch Estradiol Pflaster eingesetzt werden, 10-15 100µg Patches/Woche. Ein Thromboserisiko besteht hier möglicherweise und das muss unbedingt mit einem Arzt abgeklärt werden. Ob der QUICK Wert alleine als Diagnostik ausreichend ist, weiß ich nicht, aber so würde ich mal anfangen. Vorsicht bei Resveratrol Ergänzung, das kann eine Anpassung der Dosierung der Gerinnungshemmer erforderlich machen!

      ------------------------------------------------------------------------
      [1]: Wer hat Erfahrung mit Ethinylestradiol?
      [2]: Buchanan, The nonsteroidal effects of diethylstilbestrol: the rationale for androgen deprivation therapy without estrogen deprivation in the treatment of prostate cancer
      [3]: TREATMENT OF PROSTATIC CANCER: STUDIES BY THE VETERANS ADMINISTRATION COOPERATIVE UROLOGICAL RESEARCH GROUP
      [4]: LowRoad, VACURG Studies
      [5]: A multi-centre randomised phase III trial of Dexamethasone vs Dexamethasone and diethylstilbestrol in castration-resistant prostate cancer: immediate vs deferred Diethylstilbestrol.
      [6]: ADT and Estradiol Therapy Modify Memory in Men being Treated for Prostate Cancer
      [7]: Some Side Effects of Androgen Deprivation Therapy (ADT) Induced by Estrogen Deficiency
      [8]: Brust beim Mann, Patienteninformation
      [9]: NATURE: Bisphosphonate therapy in patients under androgen deprivation therapy for prostate cancer
      Who'll survive and who will die?
      Up to Kriegsglück to decide

      Kommentar


        #4
        Zitat von LowRoad Beitrag anzeigen
        Was bedeutet "meisten Fällen" - wer gehört dazu und wer nicht? Wir hatten das Thema ja schon im Mai 2011 diskutiert [1], hier nun eine Aktualisierung.
        Östrogene sind in unterschiedlichen Stadien der Erkrankung einsetzbar:
        bereits im Mai 2012 meinte ich NUR Estramustin. DES oder ähnliches hatte für mich wenn überhaupt nur einen Stellenwert in der Honvan-Zeit, also vor Docetaxel.
        Inzwischen hat sich die Landschaft durch Abirateron und Enzalutamid komplett geändert. Ich sehe überhaupt keine Indikation mehr für Östrogenanaloga.

        So ganz allgemein ist die Message trotzdem wichtig - ich kenne auch einige Kollegen, die vor Langstreckenflügen sinnlos ASS geschluckt haben.

        Herzliche Grüße

        M. Schostak

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