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Aus Sorge um Spanien (3)

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    Aus Sorge um Spanien (3)

    Hallo:-

    In diesem dritten und letzten Beitrag will ich über Spaniens größtes Problem: die Arbeitslosigkeit schreiben.
    Ich habe seit dem Wahlsieg der Parti Popular die dieser Partei nahe stehende La Gacette täglich gelesen aber keinen einzigen konkreten Vorschlag oder Plan darin gefunden, wie die neue Regierung die Arbeitslosigkeit in Spanien zu beseitigen gedenkt. Alle Verlautbarungen der Regierung Rajoy betreffen die Sanierung des Haushalts durch Sparmassnahmen und Reformen, die teilweise zwar notwendig sind, die Arbeitslosigkeit im Lande aber eher noch vergrößern werden. Wie soll die als „Reform“ angestrebte „Flexibilisierung des Arbeitsmarktes“ die Arbeitslosigkeit denn mindern oder beheben? Hinter diesen Euphemismen verbergen sich doch die „Freisetzung“ von Mitarbeitern, Zeit- und Leiharbeit, Niedrig-Lohn-Beschäftigungen und Lockerung des Kündigungsschutzes. In bin der Meinung, dass man diese vorgeblich zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland praktizierten Methoden mit ihren ungerechten gesellschaftlichen und sozialen Folgen bei uns in Spanien nicht kopieren sollte.
    Mit den Erfolgen bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wird sich auch das Schicksal der Regierung Rajoy entscheiden. Wir haben seine Einführungsrede gehört und gelesen und haben wohl bemerkt, dass er zu den „Spaniern“ gesprochen hat und nicht zu den “Bürgern“, wie es die Sprachregelung Zapateros gewesen war. Aber wenn er mit seiner Politik keinen Erfolg hat, dann hilft auch nicht der Appell an das nationale Gemeinschaftsgefühl.

    Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 7.1.2012, dass die Arbeitslosigkeit der Spanier, die jünger als 25 Jahre sind, auf 49,6% gestiegen ist. Ein Jahr zuvor waren es noch 43% gewesen. Das ist etwa doppelt so hoch wie die Arbeitslosigkeit in Spanien allgemein. In La Gaceta vom 15.12.2011 finden wir eine ausführlichere Statistik. Danach ist die Arbeitslosigkeit seit dem Jahre 2008 mit 2.598,8 Millionen = 11,33% bis zum Jahre 2011 3.Quartal fast kontinuierlich auf 4.978,3 Millionen = 21,52% gestiegen und beträgt nach letzter Erhebung mehr als 5 Millionen und 23%.
    Ohne Zweifel haben wir ein Problem.

    Wie hilflos die Regierungen in Amerika und Europa auf Massenentlassungen und Arbeitslosigkeit reagieren, können wir regelmäßig beobachten. Auch die im Verlaufe der Eingliederung der ehemaligen DDR in die Bundesrepublik entstandene Arbeitslosigkeit ist als Kollateralschaden hingenommen worden. Eine Strategie, wie die Entlassungen hätten vermieden werden können, hat es nicht gegeben. Noch heute leidet der Osten Deutschlands unter Arbeitslosigkeit, und die Maßnahmen hiergegen sind nur lindernd und zeigen einen Mangel an Ideen.

    Die häufig zu hörenden Verlautbarungen aus Deutschland, dass man in Spanien „das Wachstum fördern und dadurch Arbeitsplätze schaffen müsse“ verdienen ob ihrer Naivität nicht der Erörterung. Die Vertreter dieser These kommen schon in Erklärungsnot, wenn man sie fragte, wie das denn konkret aussehen könnte, wie lange es dauern würde, bis Erfolge sich einstellten und wer das alles bezahlen soll.
    .
    Fakt ist, dass Arbeitslosigkeit größeren Ausmaßes in einem Wirtschaftsraum nur zu beseitigen ist durch Aktivierung der in diesem Wirtschaftsraum vorhandenen Produktivkräfte, die im Inland gefördert und nach außen hin vorübergehend abgeschirmt werden müssen mittels Importbeschränkungen und Investitionskontrollen. Es geht doch nicht an, dass mit Dumping-Löhnen in Asien hergestellte Billigprodukte den spanischen Markt überschwemmen und die Spanier, die solche Produkte zu angemessenen Preisen selbst herstellen könnten, arbeitslos werden. Es geht auch nicht an, dass landwirtschaftliche Produkte eingeführt werden obgleich riesige landwirtschaftlich nutzbare Flächen in Spanien brachliegen, wie sich jeder, der in Spanien herumfährt, überzeugen kann. Es sollte auch nicht statthaft sein, dass international agierende Firmen ihre Werke in Spanien schließen und Tausende ihrer spanischen Mitarbeiter entlassen. Wenn sie das tun oder glauben, es tun zu müssen, dann sollte man ihnen eine Rechnung präsentieren und ihre Produkte in Spanien indexieren.

    Von Brüssel und Berlin wird Mariano Rajoy keine Hilfe erwarten können. Deren Augenmerk gilt „den Märkten“. Die Entscheidungen auf europäischer Ebene bedienen die Interessen von Großindustrie, Banken und Investoren, jener Kreise also, die mit dem Euro reich geworden sind und am Euro nun auch weiter verdienen wollen. Haben uns die Deutschen doch erst ihre Produkte und Dienstleistungen verkauft und uns auch das Geld dafür geliehen, damit wir sie bezahlen können. Das hat ihnen den Profit und die Vollbeschäftigung gebracht und uns die Schulden und die Arbeitslosigkeit. Der Beitritt Spaniens zur europäischen Union hat zu einer wirtschaftlichen Hegemonie internationaler Konzerne über das wirtschaftlich schwächere Spanien geführt. Der Beitritt zur Währungsunion hat es unserer früheren Regierung leicht gemacht, billiges Geld für ihre Wohlfahrtsprogramme sich zu beschaffen. Mit dem Wegfall von Wechselkursen haben die Europäer uns auch die Automatik des Angleichens der Wechselkurse genommen, so dass wir nicht mehr konkurrieren konnten und unsere Exporte stagnierten. Das hätten die Wirtschaftsexperten in Brüssel doch viel früher erkennen und uns warnen müssen? Sie haben uns nicht gewarnt, weil „die Märkte“ es gut fanden, wie es lief. Alle waren zufrieden. Und nun soll die arbeitende Bevölkerung in Spanien für die Fehlleistungen der Funktionäre in Brüssel sich einschränken und bezahlen?

    Die Spanier hatten vom Euro nur Nachteile. Wenn Mariano Rajoy den Euro eine "erstklassige Währung" nennt, dann spricht er seinen Landsleuten gewiss nicht aus dem Herzen. Seitdem der Euro im Jahre 2002 in Spanien eingeführt wurde, sind die Preise um 31,6% gestiegen. Ein "barra" Brot kostet heute 85% mehr als zur Zeit der Peseta. Die Lebenshaltungskosten sind um 48% gestiegen. Billiger geworden sind nur Fernseher und elektrische Küchengeräte. Das Lohnniveau ist aber nur um 14% gestiegen, weniger als das Wirtschaftswachstum (La Gaceta 27./28.12.2011).
    Die Währungsunion mit Euro und der Freihandelszone hat uns in Spanien eine nicht rückzahlbare Schuldenlast gebracht und die größte Arbeitslosigkeit in Europa.
    Es läge im Interesse Spaniens, die Währungsunion zu verlassen, die Geschicke unseres Landes nicht in Brüssel und Berlin sondern in Madrid zu bestimmen.
    Entscheiden wir uns für eine Politik des “Máitre chez nous!“. Werden wir wieder Herr im eigenen Haus!

    Raten zur Schuldentilgung wirken wie Reparationszahlungen nach verlorenen Kriegen. Sie strangulieren die Wirtschaft, schaffen Armut und Arbeitslosigkeit und beschränken den Handlungsspielraum der Regierung. Man muss sich ihrer entledigen. Das könnte wie im Falle Griechenlands durch Verhandlungen geschehen, oder durch einen kontrollierten Staatskonkurs. Die Horrorszenarien, die für diese in den Medien als „Super-Gau“ hingestellte Lösung der Währungskrise gezeichnet werden, sind sämtlich irreal und dienen nur dem Zweck, den Euro zu retten. So veröffentlichte La Gaceta am 1.12.2011 ein Gutachten der Rating-Agentur Fltch, wonach im ersten Jahr nach dem Ausscheiden aus dem Euro mit einer Inflation von 25% und einem Absturz von 15% des Brutto-Inlandsproduktes zu rechnen sei. Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung, eigentlich ein seriöses Wirtschaftsblatt, veröffentlichte am 10. 1.2012 ohne Kommentierung eine Analyse der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft McKinsey mit ähnlich abschreckendem Inhalt. Es ist klar, dass es sich bei solchen Analysen um Auftragsgutachten handelt, denen realiter keine Bedeutung zukommt. Währungsreformen hat es schon viele gegeben. Der Neuanfang war aber für Wirtschaft und Bevölkerung immer eine Erlösung. Die Begleitumstände waren kontrollierbar und das neue Geld war bald mehr wert und genoss größeres Vertrauen als das alte, denn nicht der Name einer Währung bestimmt dessen Wert sondern die hinter der Währung stehende Warenmenge und Leistungskraft.

    Vergleicht man die Persönlichkeiten Mariano Rajoys und des Italieners Monti, dann stellt man überraschende Ähnlichkeiten fest. Beide sind eher verschwiegen, konservativ, verantwortungsbewusst, öffentlichkeitsscheu. Sie meinen was sie sagen. Sie pflegen einen bescheidenen Lebensstil. Monti verzichtet sogar auf sein Gehalt. Ihr Familienleben bietet keinen Stoff für Skandale. Eine ganz andere Klasse von Politikern ist das als wir sie kennen! Für Spanien und Italien sind diese Männer Geschenke Gottes. Viva Espana.

    Reinardo
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