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Prof. Weissbach: Onkologie in Deutschland - Wurden Chancen vertan?

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    Prof. Weissbach: Onkologie in Deutschland - Wurden Chancen vertan?


    #2
    Klare und mutige Worte von einem renommierten Mediziner, der endlich einmal den oder die Finger in die vielen Wunden gelegt hat. Es gaebe sehr viel hinzuzufuegen. Aber von hier, aus Ho Chi Minh Stadt, nur noch ein kurzer Gruss.

    Kommentar


      #3
      Aufgabe des BPS ist es, eine gute Krebsmedizin mit starker Stimme zu vertreten

      Hier werden 8 Thesen, die vor 12 Jahren postuliert wurden und jeweils das Fazit in 2012 dazu (ohne die ausführlichen Begründungen von Prof. Weißbach) zusammengefasst zitiert:

      MEDIZINREPORT
      Onkologie in Deutschland: Wurden Chancen vertan?
      Dtsch Arztebl 2012; 109(7): A-316 / B-274 / C-270
      Weißbach, Lothar
      Im Jahr 2000 postulierten die Deutsche Krebsgesellschaft und die Deutsche Krebshilfe acht Thesen zum damaligen Stand der Krebsmedizin und ihren Strukturen. Eine – subjektive – Bilanz nach zwölf Jahren liefert ernüchternde Ergebnisse.
      Mit acht provokanten Thesen zur Krebsmedizin wollte die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) im Jahr 2000 einen gesellschaftlichen Diskurs über Fehlentwicklungen der onkologischen Versorgung auslösen. Es folgten vielfältige Reaktionen: Die Vertreter der Tumorzentren waren erzürnt, die Ärzte irritiert, viele Laien ernüchtert. Die damalige Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer aber zeigte sich stimuliert, und die Deutsche Krebshilfe (DKH) intensivierte daraufhin ihre Förderung.
      Zwölf Jahre später sollen die acht Thesen (nachfolgend angefettet) überprüft und die eingetretene Entwicklung kommentiert werden.

      1. Die Krebsfrüherkennung ist teuer und erfüllt nicht ihre Aufgaben.
      Fazit 2012: Ein Nutzen derzeitiger Maßnahmen zur Krebsfrüherkennung kann nicht belegt werden. Sie kosten die Solidargemeinschaft viel Geld (nicht zuletzt durch die Folgekosten der Überbehandlungen) und einige Teilnehmer ihre Gesundheit.

      2. In der jetzigen Form sind die Tumorzentren ohne Zukunft.
      Fazit: Wissenstransfer, Vernetzung und Dokumentation sind an den Tumorzentren kaum weiter als vor zehn Jahren. Besonders dort muss sich die „hochgetunte“ Versorgung ökonomisch rechnen. Wo bleibt der Patient?

      3. Unzureichende interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Ärzten senkt die Heilungschancen der Patienten.
      Fazit: Interdisziplinarität entwickelt sich nur mühsam; in der Versorgung rechnet sie sich infolge ökonomischen Drucks nicht.

      4. Die Deutschen beteiligen sich nicht ausreichend an innovativen Tumorbehandlungen.
      Fazit: Die Bereitschaft der Patienten, sich an neuen Therapieverfahren zu beteiligen, hat deutlich zugenommen.

      5. Die Gentherapie ist zurzeit nur eine Hoffnung für den Patienten.
      Fazit: Die damalige Einschätzung war dem optimistischen Zeitgeist geschuldet. Die Bilanz ist ernüchternd. Bei den häufigen Tumoren von Darm, Prostata, Brust und Lunge stehen den geringen Fortschritten enorme Kostensteigerungen gegenüber.

      6. Interdisziplinäre, multimodale Therapien verbessern die Prognose und die Lebensqualität der Krebspatienten.
      Fazit: Leider haben die besten Therapiekonzepte in der Praxis nur Bestand, wenn sie zum Vorteil im Wettbewerb gereichen.

      7. Die Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe und die Krankenkassen bekennen sich zu einer gerechten Finanzierung der klinischen Forschung in Deutschland – Clearinghouse.
      Fazit: Wer mit Spendengeldern Forschung fördert, muss dies nach besonders strengen Maßstäben und nachvollziehbaren Kriterien tun. Diese fehlen bislang.

      8. Die Politik vermittelt nicht zwischen den Ansprüchen der Gesellschaft und den Möglichkeiten der Medizin.
      Fazit: Die Politik vermittelt nicht. Sie „doktert“ an Symptomen herum und verschiebt die Probleme – vermutlich so lange, bis angesichts der demografischen Entwicklung die Solidargemeinschaft auseinanderbricht.

      Jetzt ist die Zeit zur Umkehr
      Die vergangenen Jahre machen deutlich, wie wichtig es ist, in Zeiten knapper Ressourcen Kräfte zu bündeln und das gemeinsame Interesse an einer gute Krebsmedizin mit starker Stimme zu vertreten. Aber: Geld, Zeit und Energie reichen nicht aus für zwei onkologische Parallelinstitutionen (DKG und DKH). Die Bereitschaft zur Kooperation wird zwar immer wieder hervorgehoben – das hört sich gut an; es fehlt aber der Wille zur Einheit. Man hat sich eingerichtet und lebt gut in und mit der Doublette.
      Wenn in unserem Land Ärzte ein Mandat oder eine Funktion übernehmen, sind sie diesem verpflichtet – gleichgültig, ob sie von der Bevölkerung durch Spenden unterstützt werden oder durch ihre klinische beziehungsweise wissenschaftliche Arbeit beflügelt sind. Sie sind die Hoffnungsträger der Patienten; das gilt auch für die das Geld verwaltenden Banker und die Satzungen formulierenden Nicht-Ärzte. Sinnleere Editorials von Meinungsführern, Laborprojekte ohne Nutzenbewertung, Studien ohne abschließende Qualitätssicherung sind weder im Sinne der Spender noch derer, die im Zentrum aller Bemühungen stehen müssen – der Krebskranken. Wenn Konkurrenz in dieser vom Wettbewerb geprägten Gesellschaft das Geschäft belebt, dann gilt das nicht für zwei Krebsinstitutionen.
      Die mehr als eine Dekade alten Thesen mögen manche zur Einkehr bewegt haben – jetzt ist Zeit für Umkehr.

      Prof. Dr. med. Lothar Weißbach
      Der Urologe Weißbach war von 1998 bis 2000 Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft.

      Kommentar zur Arbeit des BPS:
      Wie sagte Prof. Weißbach: Es ist gemeinsames Interesse, eine gute Krebsmedizin mit starker Stimme zu vertreten.
      Wo bleiben die notwendigen Maßnahmen des BPS, die sich aus dieser Forderung und dem Fazit von Prof. Weißbach ergeben?
      Die Patientenberater besonders in der Beratungshotline hauptsächlich in die S3 Leitlinien einzubinden, dazu brauchen wir keine Beratungshotline, das machen die Urologen schon von sich aus. Das ist an besonders hilfebedürftigen Patienten eher ein Verrat.
      Dazu brauchen wir noch nicht mal einen BPS. Die an Umsatz interessierten Urologen werden es dem BPS danken.
      Grüße
      Christian
      Christian (L)

      Kommentar


        #4
        Hallo Christian,

        was die Hotlineberater angeht, übersiehst Du da nicht einen wichtigen Faktor? Nämlich den Umstand, dass Patienten sich mit jemandem besprechen können, der sich für ihr Anliegen Zeit nimmt? Und dass dies allein schon sehr viel Wert hat?

        Im Übrigen stelle ich mir vor, dass sich die Berater auf glattem Eis bewegen, wenn sie bei ihren Auskünften nicht grundsätzlich der Leitinie folgen. Gibt sich zum Beispiel ein Journalist als Patient aus und bekommt Antworten, die nicht unbedingt der evidenzbasierten Medizin entsprechen, kann er einen ganz "hübschen" Skandal anrichten. Und amit dem BPS und uns Patienten schaden.

        Gruss!

        Jürg
        Meine vollständige PK-Geschichte findet sich hier:
        http://www.myprostate.eu/?req=user&id=37

        Kommentar


          #5
          Zitat von cligensa Beitrag anzeigen
          ...
          Es folgten vielfältige Reaktionen: Die Vertreter der Tumorzentren waren erzürnt, die Ärzte irritiert, viele Laien ernüchtert.

          Auch jetzt gibt es Reaktionen, verärgerte:

          In der FAZ befinden Pleitgen, Jonat, Hohenberger und Nettekoven: "Das Thema eignet sich nicht für Polemik"

          Wenn Christian den BPS ins Spiel bringt, wäre das doch jetzt eine gute Frage, wo wir uns / wo der BPS sich in dieser Auseinandersetzung sich positionieren.
          Man nehme aussderdem den Krebskongress in Berlin hinzu, wo Hohenberger sich ja auch noch zum Thema geäussser hat, s. auch den Bericht von Reinardo.

          Ansonsten hat Prof. Weissbach nachgelegt in einem Artikel in den Uro-news "12 Dinge, die wir im Umgang mit dem PCa lassen sollten" - auch sehr gut, leider im fulltext im Moment noch nicht allgemein verfügbar.

          Kommentar


            #6
            Lieber Jürg,
            Deiner vollständigen PK – Geschichte kann man entnehmen, dass Du Dich auch nicht nach den S3 Leitlinien hast behandeln lassen und dabei schon fast 12 Jahre mit Deinem von Anfang an aggressiven PCa lebst. Gut so. Mir geht es ähnlich, mein aggressiver Krebs wurde Ende 1998 diagnostiziert. Wir hoffen mit dem Krebs noch lange leben und mit ihm in hohem Alter sterben zu können.

            Mein Einwand würde falsch verstanden werden, wenn daraus entnommen werden könnte, dass ich gegen die Hotlineberatung wäre. Die haben Wolfgang Petter und ich als BPS-Vorständler bereits vor vielen Jahren angestoßen, der jetzige Vorstand hatte das aufgegriffen und weitergeführt. Deine Begründung für die Notwendigkeit ist völlig richtig.

            Ich wende mich nur gegen Maulkörbe der Berater, die nach der falschen Definition von “evidenzbasiert” lediglich auf S3-Leitlinien – Behandlungen hinweisen sollen. Natürlich darf kein Berater solche Dinge wie “auspendeln” oder sonstigen Humbug vorbringen.

            Auf der anderen Seite brauchen wir mutige Ärzte, die auch positive Patientenergebnisse bei Medikamenten berücksichtigen, die in Kongressen oder ähnlichen Publikationen mit wissenschaftlichem Anspruch veröffentlich werden (auch Leibowitz/Turner/Kamradt gehören dazu), auch wenn sie nicht bis zur Zulassungsreife getestet wurden. Das heißt aber auch “evidenzbasiert”, ist aber in den S3 Leitlinien nicht vorgesehen. An diesem Dilemma sind schon viele Patienten vorzeitig gestorben.

            Eigentlich ist es medizinisch und rechtlich nicht gestattet, dass Organspezialisten (Urologen) ohne die viel längere, umfangreichere Ausbildung zu einem internistischen Onkologen/Hämatologen eine medikamentöse Therapie bei Patienten mit Tumoren anwenden. Das ist aber “Alltag” bei Urologen.

            Bitte, Jürg, auch Patienten dürfen mutig sein und brauchen keine Angst zu haben, dass irgendwelche Journalisten uns angreifen können. Sie können es und dürfen es. Da kommt wenigstens Bewegung in die Diskussion. Allein das ist für viele im erstarrten “Medizinbetrieb” ein Tabu (siehe vorheriger Beitrag).
            Bei Patienten geht es aber ums eigene Leben.
            Grüße
            Christian
            Christian (L)

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              #7
              Hallo:-

              Die Kritik von Professor Weissbach und CLigensa habe ich mir durchgelesen. Ich bin auch ein Fan von Professor Weissbach, habe ihm auf dem Krebsaktionstag in Berlin ja zugehört. Man muss sich bei dieser Fundamentalkritik aber fragen, wohin das für ihn führen wird. Was ich oder andere von uns hier an Kritik uns erlauben können, dass können Patientenvertreter vom BPS unter Umständen sich nicht erlauben und Mediziner wie Professor Weissbach riskieren sogar ihre Ausgrenzung und Ausschluss vom Medizinbetrieb. Erinnert sei nur an das Beispiel des Dr. Issels, der trotz erwiesener Erfolge um die Schwersterkrankten geächtet und sogar von der Vorsitzenden der Deutschen Krebshilfe verleumdet wurde, bis er schliesslich ins kalifornische Exil auswanderte. Julius Hackethal hat man sein Engagement für die Patienten, insbes. die an Prostatakrebs Erkrankten, ebenfalls sehr übelgenommen. Nur seine schriftstellerische Begabung hat ihn in kritischer Lage gerettet und zumindest bei Patienten die verdiente Anerkennung gebracht. Von der Deutschen Krebshilfe hat auch er keine Unterstützung bekommen, wurde vielmehr von der damaligen Vorsitzenden, wie Hackethal in seinen Memoiren schreibt, beim Vortragen seines Anliegens in "vermutlich beschwipstem " Zustand empfangen. Bob Leibowitz kommt der glückliche Umstand zugute, dass er kein Deutscher sondern Amerikaner ist, was ihn vor Ausgrenzung und Verfolgung hierzulande schützt.
              Bei Professor Weissbach sehe ich, weil seine Kritik so berechtigt und sein Engagement für Patientenrechte so offenherzig und ehrlich gemeint ist, die Gefahr, dass er, wenn er so weiter macht, bald ebenfalls ins Visier der medizinischen Fachgesellschaften gerät. Nur diese haben die Definitionshoheit über das, was im Medizinbetrieb gut und richtig ist und verfügen über geeignete Möglichkeiten, Abweichler in den eigenen Reihen auszugrenzen und ggfls. wirtschaftlich zu schädigen und zu vernichten.

              Bei der Kritik an einem System, in unserem Fall dem deutschen Gesundheitssystem, muss man auch immer zuerst fragen, ob es reformierbar ist. Da kann man unterschiedlicher Meinung sein. Grundlegend ist es aufgrund der politischen Gegebenheiten wohl nicht reformierbar, aber doch in Teilbereichen. So sehe ich nach Studium des Geschäftsberichts der Deutschen Krebshilfe durchaus die Möglichkeit, durch öffentlichen Druck deren Vergabepraxis zu ändern. Es war auch mein Eindruck, dass das Gros der Gelder lt Ausweis zwar für Projekte der Krebsforschung ausgegeben wird, es in Wirklichkeit sich aber um eine Subventionierung von Großkliniken handelt und über den Erfolg der vorgeblichen Forschungsprojekte die Deutsche Krebshilfe ihren Spendern keine Rechenschaft liefert. Die diesbezgl. Passagen von Professor Weissbachs Kritik habe ich im folgenden nochmal kopiert:

              "Die Deutsche Krebshilfe fördert Forschung in erheblichem Maße. Leider sind die Förderprinzipien intransparent, und eine Evaluation der geförderten Projekte findet nur durch „Experten“ und „Spitzenonkologen“ statt, die sich selbst von der Krebshilfe fördern lassen. In einem so geschaffenen Netz von Abhängigkeiten muss ein allzu strenges Urteil nachteilig sein. Forschung darf heute nicht an den Bedürfnissen der Versorgung vorbei gefördert werden.Wird sie aus Spendengeldern finanziert, sind strengste Maßstäbe anzulegen. Sie darf keine Abhängigkeiten schaffen, weil das zu Interessenkonflikten führt. Die Ergebnisse müssen unabhängig und neutral kritisch bewertet werden (weder von anderen Geförderten noch von den Erstgutachtern). Die Ergebnisse sind zu veröffentlichen. Wer konzeptlos fördert, ohne zu fordern und zu kontrollieren, vernichtet Geld.
              Fazit: Wer mit Spendengeldern Forschung fördert, muss dies nach besonders strengen Maßstäben und nachvollziehbaren Kriterien tun."

              Gruß, Reinardo

              Kommentar


                #8
                Lieber Reinhard,

                meine unverhohlene Sympathie für Prof. Weißbach und seine heftigen Rundumschläge ist Dir sicher nicht entgangen. Aber hier:

                Zitat von Reinardo
                Eine gute Krebstherapie mit starker Stimme zu vertreten, das war das Gespräch von Jens Peter Zacharias gewiss nicht. In seinen Ausführungen ist Herr Zacharias recht abstrakt und allgemein geblieben, und als Beobachter der Szene konnte man spüren, dass er mit seinen Worten auf keinen Fall den derzeitigen und künftigen Gesprächspartnern auf Mediziner-Ebene zu nahe treten wollte. Dass von 15.000 Prostatektomien mindestens 5.000 zuviel und unnötig seien und Kandidaten für Watchful Waiting es schwer haben, einen sie betreuenden Urologen zu finden, waren bereits die Höhepunkte seiner Kritik an den derzeitigen Verhältnissen.
                entdecke ich von Dir eine leichte kritische Feststellung, aber keine unredliche Bewertung. Als Sprecher im Namen des BPS war es logischerweise, nach all den bekannten notwendigen Vorbehalten, sicher erforderlich, sich nur sehr diplomatisch zu bestimmten Fragen zu artikulieren, um nicht die versammelte medizinische Elite zu irritieren bzw. gegen sich aufzubringen. Das aber hast Du selbst schon anklingen lassen. Es ist natürlich schon sehr ärgerlich, wenn man nicht umhin kommt, um Mitmenschen nicht auf die Zehen bzw. auf den Schlips zu treten, sich selbst einen Maulkorb umhängen zu müssen. Herr Zacharias hat dennoch auf mich einen guten Eindruck hinterlassen.

                "Wenn Du einen Dollar investierst, halte einen zweiten bereit, um es bekanntzumachen"
                (Henry Ford)

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