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5. Berliner Krebsaktionstag am 25. Februar 2012 - Impressionen -

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    5. Berliner Krebsaktionstag am 25. Februar 2012 - Impressionen -

    Hallo:-

    Ein systematisch geordneter, vollständiger Bericht über das gestrige Event wird man wohl im nächsten BPS-Magazin finden. Ich will hier nur über einige persönliche Eindrücke berichten. Insbesondere wollte ich auch die Personen alle einmal wieder sehen, die in der Selbsthilfe Rang und Namen haben.

    Schon während der langen Fahrt quer durch Berlin lese ich in der Berliner Zeitung 25./26. Februar einen ganzseitigen Artikel von Anke Brodmerkel über „Gefährliche Schläfer“, die sog. Stammzellen. Der Artikel beginnt mit einer Episode aus der griechischen Mythologie:

    „Herakles gab alles. Furchtlos trat er der neunköpfigen Wasserschlange entgegen. Doch kaum hatte er Hydra einen Kopf zerschmettert, wuchsen dem Ungeheuer zwei neue nach.“

    Das ist eigentlich ein Thema für RuStra, der an Krebsstammzellen glaubt und sich hiermit befasst hat.

    Mehr nach meinem Gusto ist der Kommentar von Karl-Heinz Karisch, „Die Krebs-Lücke“ mit dem Leitsatz: „Der Deutsche Krebskongress debattiert über Fortschritte bei der Krebsbekämpfung. Die Wissenschaft kommt voran, doch in der Praxis spüren die Patienten noch nicht viel davon“. Der Kommentar von Karl-Heinz Karisch ist gut. Die Berliner Zeitung, die ich eigentlich wenig schätze und selten lese, hat mit Karl-Heinz Karisch in medizinischen Dingen aber offenbar einen Kommentator an der Hand, der clever ist und Durchblick hat. Zum PSA-Test schreibt er:

    „Auch der bei Urologen und anderen Ärzten lange populäre PSA-Test zum Feststellen von Prostatakrebs ist eher Milliardengeschäft als Nachweis; er ist nicht krebsspezifisch sondern schlägt schon bei Entzündungen, nach Radfahren oder Geschlechtsverkehr falschen Alarm. Aufgrund erhöhter Werte wurden und werden unzählige Männer unnötigen Biopsien und Operationen unterzogen. Mit zum Teil schlimmen Folgen für die Gesundheit – Infektionen bei der Biopsie, Inkontinenz und Impotenz durch die Operation.“

    Obgleich die Prostatakrebs-spezifischen Vorträge erst um 12.15 Uhr begannen, war ich bereits um 9.30 Uhr zugegen, weil ich unbedingt in Saal 8 Prof. Dr. Dr. h. c. W. Hohenberger, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. sowie Frau H. Schulte von der Frauenselbsthilfe nach Krebs e. V. kennen lernen wollte.
    Professor Hofenberger ist ein honorig wirkender älterer Herr, ein würdiger Repräsentant der Gesellschaft, moderierend, unverbindlich vermittelnd, um Erfolg und Harmonie bemüht. Er würde auch einen guten Bundespräsidenten abgeben.
    Assistiert von Frau Prof. Dr. Feyer, der 1. stellvertretenden Vorsitzenden des Vereins, stand die Begrüßung der Anwesenden unter dem Motto: „“Forschung fördern. Qualität sichern“. Original Feyer: „Wir lassen Sie mit Ihrer Krebskrankheit nicht alleine“.

    Nach einleitenden Worten Prof. Hohenbergers über die Notwendigkeit der Qualitätssicherung durch die Einrichtung klinischer Krebsregister sprachen dann vom BPS-Vorstand Herr Zacharias und Frau H. Schulte von der Frauenselbsthilfe nach Krebs e. V.
    Herr Zacharias stellte fest, dass die Kommunikationsbereitschaft der Ärzte gegenüber ihren Patienten in den letzten Jahren merklich besser geworden sei und referierte recht systematisch über all die Dinge, was der frisch diagnostizierte Patient will und was er wissen muss, um zu einer bestmöglichen Therapie zu gelangen.

    Als Frau H. Schulte mit ihrem Referat begann, merkte ich sogleich, dass Prof. Hohenberger unruhig zu werden begann. Ich glaube, hier sah er sich einer Frau gegenüber, die ihn mit ihren Forderungen schon oft genervt hatte. Über Frau Schulte hatte ich vor Jahren in der Berliner Zeitung einen Bericht gelesen, der mir in Erinnerung geblieben war.
    Sie machte auf mich sofort den Eindruck einer sehr engagierten Frau, der man kein X für ein U vormachen kann. Sie sagte, dass Leitlinien keine Richtlinien seien und bei Brustkrebs auch die menschliche Seite berücksichtigt werden müsse. Die Seele habe an der Gesundung großen Anteil.
    Ihre Sprache war präzise und konkret: Frauen wollen gesunden. Sie wollen wissen, wo sie die beste Behandlung erhalten. Sie stehen dem System hilflos gegenüber und brauchen Orientierung. Dann sprach sie über die Qualität der ärztlichen Versorgung. Wer definiert den Begriff „Qualität“? Wie kann Qualität sichergestellt werden? Klinische Krebsregister, Zertifizierungszentren, Fehlerkorrekturen, Rückkoppelungen. Wie kann man sicherstellen, dass die Daten einheitlich erhoben, im Sinne der Patienten auch genutzt werden, zur Beseitigung von Mängeln führen und nicht in irgendwelchen Schubladen liegen bleiben, wo sie besser behütet werden „als die Kronjuwelen der Königsfamilie in London“?

    Dass die Patientinnen bei Brustkrebs eine schonende und gründlichere Diagnostik erfahren und bessere Therapien erhalten als die Männer bei Prostatakrebs, ist Frau Schultes Verdienst. Ich glaube nicht, dass sie dies nur dank guter Argumente erreicht hat. Doch hierzu will ich später etwas schreiben.

    In der Mittagspause hätte ich mir gern einen Kaffee gewünscht. Aber Euro 2,70 am Gästekiosk wirkten auf mich prohibitiv. Nach den Preisen für einen Imbiss wagte ich mich dann gar nicht mehr zu erkundigen. So begnügte ich mich mit mitgebrachtem Lapacho-Tee , einer Weißbrot-Stulle und einer Banane.

    Um 12.30 Uhr begannen die eigentlichen Prostata-spezifischen Referate. Es war sehr gut, dass die Redezeiten der Referenten sehr kurz waren – 15 Minuten - . Das ließ Zeit für Fragen, kleine Unterbrechungen und wirkte der Ermüdung entgegen.
    Die Themen sollten sein die Prostatakrebstherapie im Anfangsstadium. Hierzu sprachen aus Sicht der Patienten Herr H.J. Fiebrandt von der Selbsthilfegruppe Berlin-Mitte und Herr Professor L. Weißbach von der Stiftung Männergesundheit aus der Sicht des Arztes. Im Anschluss hieran sollte Prof. K. Miller von der Charité Berlin über neue Behandlungsmöglichkeiten des fortgeschrittenen Prostatakrebses sprechen. Abschließend war dann noch ein Referat von G. Feick, dem Vorsitzenden des Bundesverbandes Prostatakrebs über ein Medizinisches Kompetenznetz für den fortgeschrittenen Prostatakrebs vorgesehen.

    Zu Beginn kam aber Frau Dr. Corinna Schaefer vom Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin zu Wort. Sie sprach über medizinische Leitlinien und Patienten-Leitlinien, die dazu beitragen sollen, den Patienten in die Behandlung einzubeziehen. Diese seien nicht Interessen-bezogen und redaktionell unabhängig. Sie sollen ein realistisches Bild von der Krankheit vermitteln und die Therapie transparent machen.
    Die Patienten-Leitlinien für Prostatakrebs habe ich gelesen und kann bestätigen, dass sie das auch tatsächlich sind.
    Frau Dr. Corinna Schaefer hat auf mich großen Eindruck gemacht. Sie ist eine noch junge, gut aussehende und adrett gekleidete Person, die ihr Referat in allgemein verständlicher Sprache vorgetragen und souverän alle Fragen beantwortet hat. Im Innendienst des Zentrums für Qualität in der Medizin ist sie wahrscheinlich unterfordert und viel zu sehr mit Quisquilien befasst. Ihre große Stärke ist die Öffentlichkeitsarbeit.

    Ein junger Mann aus Dresden berichtete danach über ein von ihm und anderen Medizin-Studenten höheren Semesters begonnenes Projekt, von Ärzten in Fachchinesisch verfasste Befundberichte in allgemein verständliche Sprache (gegen Entgelt) zu übersetzen. Über seinen Vortrag wurde mit Interesse diskutiert.

    Herrn H .J. Fiebrandt, den ich von der SHG Berlin kenne, hatte sich auf seinen Vortrag mit Schaubildern gut vorbereitet. Die Unsicherheiten beim frühen Prostatakrebs waren sein Thema. Ich will die im Forum viel diskutierte und bekannte Thematik hier nicht in allen Einzelheiten wiedergeben, war aber überrascht und erfreut, dass er als die Quintessenz seines Vortrags und seiner Antwort auf die Unsicherheiten beim frühen Prostatakarzinom die DNA-Zytometrie als zusätzliches Diagnose-Instrument erklärte.
    Es war ein langer Weg von 2006, als ich zufällig eine in der SHG Berlin aus einem Vortrag Dr. Bliemeisters liegen gebliebene Broschüre „Prostatakrebs Diagnose und Prognose“ entdeckte und im heute nicht mehr zugänglichen BPS-Forum am 6.4.2006 darüber erstmals berichtete: „ Die Thesen des B. Tribukait“. Die Hinweise wurden von Mitbetroffenen, u.a. Knut, Harald, Schorschel, Paul und dem leider verstorbenen Konrad aufgegriffen, in ihrer Tragweite sofort erkannt und engagiert im Forum propagiert. Bis heute, wo die offizielle Medizin beginnt, den Wert der DNA-Zytometrie in ihre Verfahren einzubeziehen. Ich bin überzeugt, dass die DNA-Zytometrie das Potenzial hat, die Diagnostik beim Prostatakrebs zu humanisieren, die Früherkennung dadurch akzeptabel zu machen und bessere Therapien zu ermöglichen.
    Unterbrochen und abgekürzt wurde der Vortrag von Herrn Fiebrandt leider von Herrn Zacharias, der auf Zeit drängte.

    Professor Weißbach sprach über die Unsicherheit beim frühen Prostatakarzinom aus der Sicht des Arztes. Aber ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass er mehr aus der Sicht des Patienten sprach. Die im Saal Anwesenden haben fast alle eine Therapie erhalten. So spreche er, wie er sagte, besonders zu den Söhnen im Alter von über 40 Jahren.
    Ab einem Alter von 65 Jahren bringe eine Operation keinen Nutzen. Die Bestrahlung sei hinsichtlich des Nutzens vergleichbar mit der Operation. Die allseits propagierte Früherkennung führe in 54%aller Fälle zu einer Überdiagnose. Er gab H. Fiebrandt Recht: kein Aktionismus sei geboten. Bei verzögertem Eingriff bestände keine Gefahr.
    Einwand von Frau Dr. Schaefer, dass aufgrund bisheriger Ergebnisse die derzeitigen Kriterien für das Erkennen von Niedrig-Risiko-Krebs ausreichten und die DNA-Untersuchungen nicht notwendig wären. Das sagte sie in Anwesenheit von Professor Miller, ihrem Doktor-Vater, dessen Ablehnung der DNA-Zytometrie bekannt ist.

    Professor Miller von der Charité zeigte im Schaubild die Medikamenten-Kaskade für den fortgeschrittenen Prostatakrebs und sprach über die neuen Medikamente Abiraterone, Alpharadin, MDV 3100 und Dasatinib, letztere in einer Phase-III-Studie. Interessant seine Vorhersage, dass Abiraterone und später wahrscheinlich auch Alpharadin der Chemotherapie vorgelagert werden könnten.

    In einem Schlusswort sprach dann noch Günter Feick über ein medizinisches Kompetenznetz für den fortgeschrittenen Prostatakrebs. Es handele sich um die Einrichtung einer Organisation, vermutlich überregional, wo Forschung und Behandlung gleichzeitig stattfinden, Studien und Nicht-Regel-Therapien gleichzeitig stattfinden sollen. Im September 2011 wäre ein Anfang gemacht.
    Die Idee finde ich vom theoretischen Ansatz her gut, habe aber meine Zweifel, ob für die so schwer Betroffenen mehr herauskommt als nur ein Quäntchen mehr Hoffnung. Die Therapien, die es für Prostatakrebs schon gibt, sind ja recht gut. Wo es nicht gut läuft, sind die Strategien für ihre Anwendung.

    Es gibt als Ergebnis des Krebsaktionstages aber noch einen anderen Gedanken, der mich seit gestern beschäftigt. Frau H. Schulte und auch Frau Dr. N. Schaefer haben mich sehr beeindruckt. Wenn es doch schon weibliche Urologen gibt, die uns Männer nach meiner Erfahrung einfühlsamer behandeln als ihre männlichen Kollegen, dann könnte es doch von Vorteil für uns sein, wenn auch in der Prostata-Selbsthilfe Frauen oder eine Frau gegenüber den medizinischen Fachgesellschaften mitwirkten. Männer neigen zum Theoretisieren und Versachlichen und öffnen sich damit für Gegenargumente mit dem Ergebnis, das nichts sich bewegt. Frauen hingegen erreichen ihre Ziele allein schon, indem sie nerven oder auch nur lächeln, wenn ihr Gegenüber dafür empfänglich ist. Frauen denken praktisch und gegenwartsbezogen, Männer geben sich schon zufrieden, wenn man ihnen etwas „für die Zukunft“ in Aussicht stellt. Es müsste doch eine Tochter, die um ihren Vater bangt oder eine Frau, die ihren Mann durch Prostatakrebs verloren hat, sich finden, um beim Bundesverband Prostatakrebs bei fachlicher Eignung als Seiteneinsteigerin für uns Männer in der Selbsthilfe sich engagiert. Ich erspare mir die Eröffnung eines neuen Threads in der „Plauderecke“ mit der Überschrift: „Reinardo fordert die Frauenqote für den Vorstand des BPS“, da ich dies hier aus diesem Anlass schon vorbringen kann. Die Beteiligung einer Frau läge doch auch im Sinne der Zeit.

    Ich bitte mir nachzusehen, dass ich vom 5. Krebsaktionstag in Berlin nur meine Eindrücke und inhaltlich vielleicht nur lückenhaft berichte. Nur mit Handnotizen ist man etwas begrenzt und die Erinnerung verliert sich schnell.

    Gruß, Reinardo

    .

    #2
    Zitat von Reinardo
    Schon während der langen Fahrt quer durch Berlin lese ich in der Berliner Zeitung 25./26. Februar einen ganzseitigen Artikel von Anke Brodmerkel über „Gefährliche Schläfer“, die sog. Stammzellen.
    Zum Nachlesen:

    Gefährliche Schläfer
    Berliner Zeitung - Nachrichten aus Berlin, Berliner Bezirken und Brandenburg sowie aus Deutschland und der Welt. Berichte, Kommentare und Analysen zu Politik, Kultur, Sport.


    Gefährliche, unsterbliche Zellen
    Berliner Zeitung - Nachrichten aus Berlin, Berliner Bezirken und Brandenburg sowie aus Deutschland und der Welt. Berichte, Kommentare und Analysen zu Politik, Kultur, Sport.


    Leitartikel zur Volkskrankheit Krebs
    Von Karl-Heinz Karisch
    Die Krebs-Lücke
    Berliner Zeitung - Nachrichten aus Berlin, Berliner Bezirken und Brandenburg sowie aus Deutschland und der Welt. Berichte, Kommentare und Analysen zu Politik, Kultur, Sport.



    Gruß
    Horst

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      #3
      Hallo Reinardo,

      danke dafür, dass Du Dir soviel Arbeit mit Deinen Impressionen gemacht hast. So habe ich einen Einblick in die Veranstaltung bekommen.

      Herzliche Grüße
      MalteR

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