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Orchiektomie vs. Hormonblockade

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    Orchiektomie vs. Hormonblockade

    Liebe Kollegen!

    Ich bitte um Eure Meinung zu folgender Situation:

    Ein Verwandter (79) hatte vor 17 Jahren eine Prostaektomie (bei einem PSA - Wert über 40), machte 4 - 5 Jahren durchgehende Hormonblockade und hat seit ca 2 Jahren wieder steigende PSA - Werte. Leider ist der Patient sehr passiv, sodass keine näheren Befunde vorliegen.

    Im Moment liegt er in der Klinik wegen hohem Diabetes, koronarer Herzerkrankung und extremer Schwäche. Im Rahmen der laufenden Untersuchungen wurde ein "neuer Tumor" in der Prostataloge und eine Knochenmetastase festgestellt. Wegen eines Harnverhalts durch den "neuen Tumor" wurde ihm ein Bauchkatheter gesetzt. Außerdem ist leider beginnende Demenz festzustellen.

    Heute erfuhr die Familie, dass man morgen eine Hodenentfernung vornehmen will, um den Krebs zu bekämpfen. Dies sei schonender als eine medikamentöse Hormonblockade; die Entfernung des "neuen Tumors" sei wegen eines Infekts nicht möglich.

    Ich bin entsetzt, dass solche Maßnahmen heute noch in Erwägung gezogen werden.
    Ich bin ebenso entsetzt, dass der Familie 2 Stunden Zeit für eine Entscheidung gegeben wurde!
    Sie hat sich (zunächst) gegen die OP entschieden.

    Beim Versuch, zu prüfen, ob die Orchiektomie unter Berücksichtigung der schweren Begleiterkrankungen vielleicht doch besser verträglich sein könne, stoße ich auf einen Bericht von

    HWL am 27.09.10

    Immer mehr große Studien liefern eindeutige Hinweise, dass der Androgenentzug das Risiko, an Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erkranken und an plötzlichen Herztod zu sterben, deutlich steigert. So ergab zum Beispiel eine Untersuchung an 73.196 Männern unter Androgenentzug mit GnRH-Agonisten eine Steigerung des Diabetesrisikos um 44 %, des Risikos für koronare Herzkrankheit um 16 %, für Herzinfarkt und plötzlichen Herztod um je 16 %. Eine hochaktuelle Studie mit 37.443 Prostatakrebspatienten, die 2010 im Journal des National Cancer Instituts publiziert wurde, zeigt:

    Die Behandlung mit GnRH-Agonisten erhöht (verglichen mit den nicht mit Androgenentzug behandelten Patienten) das Risiko für Diabetes um 28 %, für koronare Herzkrankheit um 19 %, für Herzinfarkt um 28 % und plötzlichen Herztod um 35 % sowie für Schlaganfall um 22 %.

    Die Orchiektomie ging einher mit einem 40 % höheren Risiko für koronare Herzkrankheit und einem 111 % höheren Risiko für Herzinfarkt (verglichen mit Prostatakrebspatienten, die keine Hormonblockade und Hodenentfernung hatten).

    Gibt es hierzu weitere stichhaltige Argumente?Für Hinweise wäre ich dankbar.
    Grüße Helmut

    #2
    Über dieses Thema gibt es leider keine validen Studien. Vorschlag setze Dich mal per e mail oder PN mit dem Forums-Mitglied Tubaspieler ion Verbindung, der meines Wissens nach eine Orchiektomie nach Riba bei sich bei extrem hohem PSA durchführen lassen.

    Ansonsten drücke ich alle Daumen für den Betroffenen beio den Co Morbiditäten hat er es nicht leicht.
    Gruss aus Tornesch
    Guenther
    SHG Prostatakrebs Pinneberg
    Dies ist die Ansicht eines Betroffenen und keine fachärztliche Auskunft
    Serve To Lead

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      #3
      Zitat von helmut (i) Beitrag anzeigen
      Liebe Kollegen!


      Ich bin entsetzt, dass solche Maßnahmen heute noch in Erwägung gezogen werden.
      Hallo Helmut,

      ich gehe insofern mit Dir einig, dass im Zeitalter der medikamentösen Hormontherapie, also einer medikamentösen Kastration die Orchietkomie nicht mehr als Regelfall angewandt werden sollte.

      Allerdings gibt es begründete Fälle, in denen sich eine Orchiektomie empfiehlt. So ein Fall scheint Dein fast 80jähriger Verwandter zu sein, bei dem die Ärzte durch die Orchiektomie geringere Belastungen für den Patienten annehmen und die irreversible Kastration in Anbetracht seines Zustandes und seines Alters in Kauf nehmen.

      Ich erinnere mich an einen deutschen Aussteiger, der in Spanien lebte und nicht krankenversichert war. Er konnte sich die medikamentöse Therapie nicht leisten und entschloss sich deshalb zur chirurgischen Kastration

      Wir haben einen Betroffenen in unserer Gruppe, der vor ca. 12 Jahren orchiektomiert wurde und einen hervorragenden Verlauf hat. Keinen PSA-Anstieg und keine Nebenwirkungen wie Osteoporose. Allerdings leidet er mental unter dem Kastrationstrauma.


      Gruß

      Hansjörg Burger

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        #4
        Hallo Helmut:-

        Es ist durchaus nicht unüblich, die Orchietektomie anzubieten und ich wäre an Deiner Stelle nicht entsetzt sondern würde der Massnahme in Anbetracht des Alters und des sonstigen Krankheitsbildes zustimmen.
        Mir wurde die Orchietektomie mehrfach angeboten, in Spanien anlässlich eines Harnverhalts und in Deutschland im Krankenhaus, nachdem ich die übliche Hormontherapie abgelehnt hatte. Ich hatte aber noch zeitlichen Spielraum und Alternativen, aber wieviel Zeit und welche Alternativen hat Dein Bekannter noch?
        Die Orchietektomie ist, wenn durch Vorbehandlung noch nicht kastrationsresistent, palliativ hoch wirksam, ist wenig belastend, kann äusserlich nicht sichtbar durchgeführt werden und ist auch kostengünstig. Ich habe meine Bücher nicht zur Hand, erinnere mich aber, dass Steven B. Strum in seinem Primer einen Fall ähnlich Deinem Bekannten beschrieben hat, bei dem er mit einer Orchietektomie eine sofortige (binnen Stunden!) Linderung der Schmerzen und Beschwerden und beeindruckende Verlängerung der Lebenszeit erreicht hat.


        Gruss, Reinardo

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          #5
          Nicht immer ist "mehr" oder "moderner" auch besser.
          Es gibt sehr wohl Studien zur Frage, welches Ausmaß der Hormontherapie gewählt werden sollte:

          Selbst in der primären Situation, als bei Beginn der Hormonentzugstherapie hat eine komplette Androgenblockade (also Spritzen + Tabletten) nur einen Vorteil gegenüber einer Orchiektomie, wenn der Betroffene sehr jung (Lebenserwartung >15 Jahre) ist und einen sehr aggressiven Tumor hat (Große Tumorlast, sehr hohes PSA, Gleason 8 oder mehr).

          Hier liegt eine kastrationsresistente Situation vor.
          79 Jahre, dass heisst zwar in der BRD ohne Berücksichtigung anderer Krankheiten eine Lebenserwartung von 8 Jahren, ABER jede der genannten Krankheiten (Diabetes, KHK usw.) reduziert diese Erwartung um je etwa 3 - 5 Jahre. Dazu kommt die Knochenmetastasierung, die allein betrachtet auch sehr ungünstig ist. Wir reden also leider nur von Monaten und nicht von Jahren.

          Nach 5 Jahren Hormonentzugstherapie brauchen die Hoden mindestens 6 Monate, um überhaupt wieder Testosteron zu produzieren. Ich halte deshalb entweder die angebotene Orchiektomie oder schlichtweg KEINE Hormonentzugstherapie für absolut ausreichend.
          Weitergehende Alternativen (Chemo usw.) kommen wegen des schlechten Zustandes sowieso nicht in Frage

          Mit freundlichen Grüßen,

          M. Schostak

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            #6
            Danke für die Stellungnahmen, die mir zeigen, dass eine Orchiektomie unter bestimmten Voraussetzungen auch sinnvoll sein kann. Aber diese Voraussetzungen sind bzw. waren im vorliegenden Fall mit Sicherheit nicht gegeben.

            Ich konnte in der Zwischenzeit nicht weiter berichten, da ich verreist war. Nur bruchstücksweise erfuhr ich von der weiteren Entwicklung…..

            Wie eingangs erwähnt, war für den 18.04. die Orchiektomie geplant, die Entfernung des Tumors und die Zurückverlegung des Bauchkatheters als (zunächst) nicht möglich dargestellt.
            Die Familie - der man 2 Stunden Zeit für eine Entscheidung gab - lehnte diesen Eingriff ab.

            Am nächsten Tag wusste der Oberarzt nichts von dieser Entscheidung und war überrascht, dass keine OP stattfinden sollte. Es war für ihn auch selbstverständlich, dass nicht nur die Hoden sondern auch der Tumor entfernt werden und der Bauchkatheter wieder zurückverlegt wird. Als die Familie erneut zögerte (der Patient war kaum ansprechbar), schaltete man den Chefarzt ein, der ein Schreckenszenario heraufbeschwor, was alles passieren kann, wenn die OP nicht durchgeführt wird.

            In ihrer Hilflosigkeit stimmte die Familie zu, wozu sie wiederum nur knapp 2 Stunden Zeit hatte.

            Der Eingriff erfolgte am 19.04.; anschließend lag der Patient einige Tage auf der Intensivstation und ist in der Zwischenzeit in der Klinik verstorben.

            Aus meiner Sicht wurde hier ein schwerkranker (Kassen-)Patient einem höchst belastenden Eingriff und die Familie einem unvorstellbaren psychischen Druck ausgesetzt, nur damit man operieren konnte.

            Ich bin nach wie vor entsetzt.

            Grüße Helmut

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              #7
              Lieber Helmut,

              es war ein Verwandter, für den Du hier Rat erbeten hattest und auch im Sinne Deines Verwandten bekommen hast. Die Ärzte haben anders entschieden. Auch ich bin entsetzt und möchte hiermit an Dich und die betroffene Familie mein Beileid ausdrücken. Ein Betroffener, der hier nur schweigend mitliest, hatte mir vor einiger Zeit diesen Beitrag aus einem anderen Forum in meinen Briefkasten gelegt. Jeder sollte sich hierzu selbst eine Meinung bilden.

              "Lebensklugheit bedeutet alle Dinge möglichst wichtig, aber keines völlig ernst nehmen"
              (Arthur Schnitzler)

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                #8
                Das Problem bei den zitierten Studien zu LHRH versus Orchiektomie, ist dass diese nicht randomisiert und daher die Gruppen auch nicht verteilt waren. So ist zu erwarten, dass in der Orchiektomie-Gruppe vor alle ältere Patienten als in der LHRH-Gruppe waren. Ältere Patienten habe allerdings per se ein höheres Risiko für Herz- und Blutzuckerprobleme, mit oder ohne Hormontherapie (egal in welcher Form).
                Die Orchiektomie hat meines Erachtens zwei Vorteile:
                - sie ist nicht reversibel (d.h. ein Patient, der aufgrund seiner Demenz nicht zuverlässig zur nächsten LHRH-Spritze erscheinen wird, ist evtl. mit einer Orchiektomie "sicherer" behandelt).
                - sie ist kostengünstiger als eine LHRH-Therapie, vor allem wenn Letztere über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden sollte.

                Die Nachteile der Orchiektomie sind:
                - sie ist immerhin eine (kleine) OP und damit ein grösserer Eingriff als eine Spritze
                - sie ist nicht reversibel, d.h. für Patienten, die mit einer nur vorübergehenden oder intermittierenden Hormontherapie behandelt werden könnten, eine Übertherapie
                - sie bedeutet oft eine psychische Belastung für den Betroffenen aufgrund des Verlusts der Hoden.

                Die kosmetischen Nachteile einer Orchiektomie kann man übrigens mit Hodenprothesen umgehen.
                Der Strahlentherapeut.

                Alle Angaben sind nur Empfehlungen und basieren auf die verfügbaren Informationen. Sie ersetzen keinesfalls eine persönliche Beratung und Betreuung durch den behandelnden Arzt. Keine Arzthaftung.

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                  #9
                  Mir hatte man in der Uni-Klinik Mainz die Hormonblokade mit Spritzen oder als Orchiektomie zur Auswahl vorgeschlagen.
                  Ich hatte mich zusammen mit meiner Frau für die Orchiektomie entschieden und da hatte ich die Wahl: 1. Entfernen der Hoden, 2. Ausschälen der Hoden und 3. Entfernen der Hoden und Einsetzen von Hodenähnlichem Ersatz was die Form betrifft.
                  Man hat uns auch gesagt, dass es mit dem Körperlichen Sex dann Schluß ist, da bei der OP zuviel Nerven beschädigt werden.
                  Ich habe mich für die Variante 2 entschieden und ich denke das muß jeder für sich entscheiden, ob OP oder Spritzen.
                  Wir wurden bei der Entscheidung zeitlich nicht gedrängt.
                  Nach jetzt fast 3 Jahren der OP bereue ich diese Entscheidung NICHT.
                  Mir geht es gut und ich bin so gut wie schmerzfrei.
                  Das einzige was mich stört sind die Hitzewallungen, die ich manchmal bekomme.
                  Gruß Georg
                  http://de.myprostate.eu/?req=user&id=88

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