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Wie intelligent muss ein mündiger Patient sein?

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    Wie intelligent muss ein mündiger Patient sein?

    Schon oft hat mich die Frage beschäftigt, welche Ursachen dafür verantwortlich sind, dass Menschen sich so extrem unterschiedlich im Umgang mit einer ernsten Erkrankung verhalten.

    Dabei ist nicht die erste Reaktion nach der Diagnose gemeint; hier sind Schock, Angst und Verzweiflung verständlich. Vielmehr geht es um die Bereitschaft und die Fähigkeit zur weiteren mentalen Verarbeitung, welche dann auch das Handeln bestimmen.

    Der "einfache" Patient verfügt über mäßige bis durchschnittliche Bildung und besitzt wenig Eigeninitiative. Er war meist lebenslang in abhängiger Position und ist nicht gewohnt, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Er erkennt nicht die Notwendigkeit der Information und ist weder bereit noch fähig, sich entsprechendes Wissen anzueignen. Er ist völlig auf seinen Therapeuten, dessen Können und Engagement angewiesen. Die Strukturen unseres Gesundheitswesens sind nicht eben geeignet, hierbei bestmögliche Ergebnisse erwarten zu lassen.

    Ich habe jedoch in meinem Umfeld eine Reihe von Patienten kennengelernt, welche über eine gute bis hervorragende Bildung verfügen und sich trotzdem kaum anders verhalten. Sie waren beruflich erfolgreich, gewohnt zu planen, Entscheidungen zu treffen und für deren Umsetzung zu sorgen. Im Umgang mit ihrer Erkrankung lassen sie jedoch jegliche Aktivität vermissen. Sie bemühen sich weder um Verständnis noch um Kontakte und überlassen alles ihrem Arzt. Dieser verfügt über das erforderliche Wissen und der Patient befolgt und erduldet unkritisch alle Maßnahmen, welche angeordnet werden.

    Ansonsten ist der Patient beratungsresistent; gutgemeinte Versuche, an diesem Verhalten etwas zu verändern, werden zurückgewiesen. Man läuft damit eher Gefahr, zum Wichtigtuer oder Besserwisser abgestempelt zu werden.

    Wo bleibt die Eigeninitiative, die Denk- und Kritikfähigkeit, welche diese Männer in ihrer Persönlichkeit geformt hat?

    Kann eine Erkrankung so sehr paralysieren, dass diese Eigenschaften verloren gehen?

    Ist es denkbar, dass im Umgang mit dem eigenen Körper andere Maßstäbe gelten?

    Mir fehlt das Verständnis....

    Grüße
    Helmut

    #2
    Hallo Helmut,
    ein interessanter Beitrag. Auf Deine Fragen gibst Du allerdings meistens selbst schon die Antworten.

    Der unterschiedliche Umgang mit Krankheiten liegt in der Verschiedenheit der Betroffenen. Hättest Du mit 61 die gleiche Therapie gemacht?

    Auf den Rat der Fachleute ist unabhängig seiner Intelligenz jeder Betroffene angewiesen. Das ergibt sich schon aus der Vielfalt des Therapieangebotes, welches sich aus den Strukturen des Gesundheitswesens entwickelt hat und sich mit Weiterentwicklung der Möglichkeiten ständig verbessert.

    Sich trotz hervorragender Bildung in ungewohntem Terrain zu bewegen fällt niemandem leicht. Wenn sich jemand unkritisch allen angeordneten Maßnahmen unterwerfen würde, hätte er nicht das Schlamassel der Entscheidungsfindung.

    Übernimmst Du für die gutgemeinten "Beratungsversuche" auch die Verantwortung? Jeder muss für sich an Hand der verschiedenen Parameter seine eigene Entscheidung treffen und dafür auch die Verantwortung übernehmen. Und wenn Du Dich der Gefahr, als Wichtigtuer oder Besserwisser abgestempelt zu werden, nicht stellen kannst, ist das eher Dein eigenes Problem. Ich denke schon, dass Ratschläge und Kritikfähigkeit zusammengehören.

    Ich denke nicht, dass die Denk- und Kritikfähigkeit der Betroffenen durch die Krankheit paralysiert wird. Eher das Gegenteil ist der Fall, denn wer will bei so einer ernsten Angelegenheit schon etwas falsch machen!

    Sicher gelten für jeden Betroffenen andere Massstäbe im Umgang mit der eigenen Gesundheit. Aber für alle gilt:
    "Jeder Mensch ist so gebaut, dass der Arsch nicht auf den Boden haut."

    In diesem Sinne, schöne Grüße und halt den Kopf oben.
    Mattse

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      #3
      Hallo Helmut,
      die gleichen Feststellungen und Fragen habe ich mir auch schon häufig gestellt. Ich bin Mitglied in einem Sportverein und habe aus meiner PK-Erkrankung kein Geheimnis gemacht. Im Laufe der letzten 9 Jahre seit meiner Erkrankung wurden mehrere Sportkameraden ebenfalls betroffen. Nicht einer der neu Betroffenen hat mich hinsichtlich meiner Erfahrungen angesprochen, geschweige denn einen Rat erbeten oder nach erfolgter Therapie über eigene Erfahrungen berichtet. Es ist auch nicht meine Art ungefragt meine Meinung aufzudrängen, um mich nicht der von Dir beschriebenen Gefahr der Wichtigtuerei auszusetzen. Es geht also nicht um, wie Mattse schreibt den " Schlamassel der Entscheidungsfindung". Den gibt es bei den Genannten eben nicht. Die Entscheidung trifft der Arzt und " das ist auch gut so".Auch die Frage nach der Übernahme von Verantwortung stellt sich nicht, da der Rat über Erfahrungen anderer Betroffener nicht abgefragt wird.
      Ich kann mir diese Verhaltensweise nur so erklären, dass man die Diagnose Krebs möglichst für sich behalten möchte.Möglicherweise,weil das als ein persönlicher Mangel empfunden wird. Im Vertrauen auf die ärztliche Erfahrung ist man froh, die Verantwortung an den Arzt abgeben zu können.
      Gruß Jürgen

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        #4
        Zitat von helmut (i) Beitrag anzeigen
        ...Ich habe jedoch in meinem Umfeld eine Reihe von Patienten kennengelernt, welche über eine gute bis hervorragende Bildung verfügen und sich trotzdem kaum anders verhalten...

        Mir fehlt das Verständnis....

        Grüße
        Helmut
        Ich glaube, lieber Helmut, dass beim Umgang mit einer schweren Krankheit Angst und Verdrängung die entscheidende Rolle spielen, und die sind intelligenzunabhängig.

        Intelligenz und Bildung machen es grundsätzlich sicher leichter, offensiv und selbstbestimmt mit seiner Krankheit umzugehen. Mentale Blockaden, Angststarre und Flucht in Autoritätsgläubikeit verhindern sie aber nicht.

        Schorschel

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          #5
          Lieber Helmut,
          wie immer interessante Fragen die du ansprichst.
          Da jeder Mensch ein Individuum darstellt sind die Gründe für das angesprochene Verhalten wahrscheinlich vielfältig.
          Wie sagt der Kölner : Jeder Jeck ist anders (oder so ähnlich , die Kölner mögen gnädig sein)
          Ich könnte mir vorstellen:
          Die enorme Ehrfurcht vor Ärzten/Profs. die weit verbreitet ist und wahrscheinlich schon im Kindesalter gelegt wurde. Dies geht einher mit dem verbreiteten Glaube an Fachleute generell. In einer zunehmend komplexer werdenden Welt , die der einzelne immer weniger begreifen und verstehen kann, ist es plausibel sich auf den Spezialisten/Fachmann zu verlassen. Ein eigenes Urteil traue ich mir nicht mehr zu - der Spezialist macht schon das richtige.
          In der industriellen Revolution ist das Vertrauen in die eigene Urteilskraft auch für den eigenen Körper, in die eigenen Instinkte ( Bauchgefühl ) weitgehend verloren gegangen.

          Des weiteren ist das Thema Krebs mit Furcht , Schmerz und Tod assoziiert , das Thema PC zusätzlich mit dem sensiblen Thema Sexualität des Mannes und dem Bild das die Gesellschaft vom Mann pflegt. ( erfolgreich,stark ,allzeit potent ....)
          Da passt natürlich Inkontinenz und Impotenz überhaupt nicht.
          ( Ein mir gut bekannter RA ( 62 ) lies sich im kurativen Stadium nicht behandeln , da er die Impotenz fürchtete , leider verstarb er nach 5 Jahren am PC )

          Als positiver Ausblick und Ermutigung für alle die sich bislang nicht trauen sich offensiver mit dem Thema PC auseinanderzusetzen möchte ich hier das Nachwort des Buches von Strum/-Ein Ratgeber zu Prostatakrebs- zitieren:

          "Sie und ihr Leben werden sich durch den PC verändern. Aber nicht alles ist schlecht.Aus den widrigen Umständen wachsen neue Möglichkeiten, sowohl ihr Leben als auch das Anderer zu verändern.Viele Menschen berichten über positive Auswirkungen, welche die Diagnose Krebs auf ihren weiteren Lebensweg hatte. Für einige wird das Leben kostbarer, Beziehungen verbessern sich, die Freude an einfachen Dingen steigt, die Spiritualität erhöht sich, jeder neue Tag wird voll ausgekostet, alles wird mehr geschätzt und genossen, eine neue Intimität mit dem Partner entsteht, die Sexualität drückt sich auf einer reiferen Ebene aus, neue Freunde und Einstellungen werden gefunden, gesündere Lebensweisen angenommen...... die Liste könnte endlos weiter geführt werden."

          Wer sich verschließt nimmt sich die Möglichkeit vieles von o.g. für sich zu erleben.
          Viele Grüße
          Skipper
          http://www.myprostate.eu/?req=user&id=244

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