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Schneeräumpflicht und Schutz des Lebens und der Gesundheit

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    Schneeräumpflicht und Schutz des Lebens und der Gesundheit

    Nachfolgende Einlassungen gelten für Bayern, analog jedoch für alle Bundesländer!

    Es ist sicherlich bekannt, dass jede Gemeinde (Kommune) auf der Grundlage des Artikels 51 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (BayStrWG) per Ortsrecht die Grundstücksanlieger zur Schneeräumung von gemeindeeigenen Gehwegen und der Erzeugung von Gehbahnen auf der Fahrbahn verpflichten kann. Diese Aufgaben werden üblicherweise in einer Reinigungs- und Winterdienstverordnung beschrieben. Diese Reinigungs- und Winterdienstverordnung wird als Musterverordnung vom "Bayerischen Gemeindetag" zur Verfügung gestellt, einer Interessenvertretung der bayerischen Gemeinden. Wenn man sich mit den Vorschlägen des Bayerischen Gemeindetages befasst, stellt man unschwer fest, dass man die Interessen der Gemeinde, statt die der Bürger der Gemeinden vertritt.
    So wird zum Beispiel tunlichst vermieden den Bürgern zu vermitteln, dass man sich auch unter bestimmten Umständen von der Schneeräumpflicht befreien lassen kann.

    Jetzt können Sie erfahren, dass die Kommune Sie eigentlich nicht persönlich zum Winterdienst verpflichten darf.
    Das Bay. Straßen- und Wegegesetz verlangt keinen persönlichen Einsatz der Anlieger und es ist auch nirgends formuliert, dass sich der Anlieger ggf. selbst um einen externen Räumdienst bemühen muss. Der Anlieger muss nur auf eigene Kosten einen sicheren Zustand erhalten. Unser Bestreben als Anlieger (oder Mieter einer Wohnung) muss also sein, diese Kosten möglichst gering zu halten.

    Aufgaben der Kommunen vor Erstellung einer Winterdienstordnung
    Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 8 B 05.3195 (Straßenreinigung und Schneeräumung):
    Der Bayerische Verfassungsgerichtshof kritisiert in diesem Zusammenhang, dass es die Ermächtigungsnorm des Art. 51 Abs. 4 BayStrWG nicht zulasse, Straßen pauschal und ohne nähere Prüfung der Zumutbarkeit im Einzelfall in die Reinigungspflicht nach der Rechtsverordnung einzubeziehen und es dem einzelnen Anlieger zu überlassen, sich dann mit einem Antrag auf Befreiung dagegen zur Wehr zu setzen.
    Anmerkung: Leider schert sich keine Kommune um diese Bestimmung!
    Straßen = Fahrbahn und Gehsteig bzw. Gehbahn

    Kein Anlieger darf zum Winterdienst verpflichtet werden
    Leitsätze des Bay. Verwaltungsgerichtshofes (VGH):
    1. Die gemeindliche Reinigungs-, Räum- und Streupflicht ist im Verhältnis zu den Reinigungs-, Räum- und Streupflichten der Anlieger, auf die die Gemeinde ihre Pflichten abgewälzt hat, subsidiär. Die Verpflichtung der Gemeinde bleibt bestehen oder lebt wieder auf, soweit die Abwälzung auf die Anlieger nicht möglich ist oder nachhaltig fehlschlägt.
    2. Die Gemeinde kann nur abwälzen, wozu sie im Ausgangspunkt selbst verpflichtet ist.
    3. Die Abwälzung der Reinigungs-, Räum- und Streupflichten auf die Anlieger steht unter dem strikten Vorbehalt der Zumutbarkeit in persönlicher und sachlicher Hinsicht. Besteht eine gemeindliche Straßenreinigungseinrichtung, an die der Anschluss- und Benutzungszwang verfügt wird, sind an die Zumutbarkeit geringere Anforderungen zu stellen.
    Anmerkung: subsidiär = unterstützend, Hilfe leistend, behelfsmäßig, als Behelf dienend

    Aus Urteilsbegründungen des VGH:
    Grenze der Abwälzbarkeit von Reinigungs- und Sicherungspflichten ist die Zumutbarkeit der Erbringung dieser Leistungen durch den Anlieger. Dies hat die abwälzende Gemeinde sowohl generalisierend beim Verordnungserlass wie auch im Einzelfall bei der Erteilung von Befreiungen wegen unbilliger Härten zu erwägen und zu berücksichtigen. Dazu gehört nicht nur, dass nichts Unmögliches verlangt werden darf. Die Auferlegung von Reinigungs- und Sicherungspflichten darf vielmehr nicht über das hinausgehen, was einem Anlieger persönlich - insbesondere im Hinblick auf den Schutz von Leben und Gesundheit, aber etwa auch im Hinblick auf seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit - und sachlich - beispielsweise im Hinblick auf die zeitliche und örtliche Ausdehnung der Pflichten, auf die Struktur der Straße oder auf die Leistbarkeit der Pflichten z.B. in besonders schneereichen Gebieten - billigerweise zugemutet werden kann. ......... Insgesamt steht die Abwälzbarkeit der Reinigungs- und Sicherungspflichten damit durchgängig unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit.

    Grundrechtsverletzungen
    In Art. 51 Absatz (5) BayStrWG wird ein "sicherer Zustand" verlangt zur Verhütung von Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder Besitz für die Fußgänger.
    Diese Anforderung " Verhütung von Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder Besitz" entspricht exakt dem Grundrecht Art. 2 Absatz (2) der BRD, dass jeder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit hat.
    Das Grundrecht gem. Art. 3 Absatz (1) BRD macht keinen Unterschied zwischen den Menschen Fußgänger und den Menschen Anlieger.
    Man kann also von keinem Anlieger egal welchen Alters verlangen, dass er unter Missachtung des Grundrechtes auf Unversehrtheit für sich selbst, bei Eis-, Reif- und Schneeglätte den Winterdienst verrichtet, damit die Grundrechte der Fußgänger auf Unversehrtheit gewahrt sind.

    Arbeitsschutzgesetz
    Die Gefährlichkeit des subsidiär auf die Anlieger übertragenen Winterdienstes unterstreichen nachhaltig die folgenden Argumente:
    Für das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung ist es eine sehr wichtige Aufgabe, die Grundrechte auf Unversehrtheit der Bürger zu schützen:

    Bay. Staatsministerium für Arbeit - Gewerbeaufsicht - Grundrecht:
    Die Wahrung unserer Grundrechte ist eine der obersten Aufgaben staatlichen Handelns. Eines unserer wichtigsten Grundrechte ist das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Bayerische Verfassung legt fest, dass die menschliche Arbeitskraft als wertvollstes wirtschaftliches Gut eines Volkes gegen Ausbeutung, Betriebsgefahren und sonstige gesundheitliche Schädigungen geschützt werden muss.
    :
    § 4 Allgemeine Grundsätze (des Arbeitsschutzgesetzes):
    Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen:
    1. Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird;
    2. Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen;
    3. bei den Maßnahmen sind der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen;
    4. Maßnahmen sind mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Einfluss der Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen;
    5. individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen;
    6. spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen sind zu berücksichtigen;
    7. den Beschäftigten sind geeignete Anweisungen zu erteilen;
    8. mittelbar oder unmittelbar geschlechtsspezifisch wirkende Regelungen sind nur zulässig, wenn dies aus biologischen Gründen zwingend geboten ist.

    Auch das Arbeitsschutzgesetz sorgt sich also um die körperliche Unversehrtheit der Menschen.
    Mitarbeiter von Bauhöfen aller Gemeinden jedenfalls dürften nach dem Arbeitsschutzgesetz jene Schneeräumtätigkeiten, so wie sie jetzt von den Anliegern durchgeführt werden müssen, nicht ohne persönliche Qualifikation und Unterweisung, Schutzkleidung usw. erledigen.

    Anliegerschutz mittels diverser Versicherungen
    Es handelt sich um den gemeindeeigenen Gehsteig bzw. um die gemeindeeigene Fahrbahn, auf der eine Gehbahn geräumt werden muss. Es ist unverständlich, dass dafür nicht die Kommunale Unfallversicherung Bayern eintritt, wie meine Recherchen ergaben.
    Das häufig benutzte Argument, wer ein Haus und/ oder ein Grundstück besitzt, der hat auch die finanziellen Mittel, um teure Versicherungen und überteuerte externe Unternehmen für den Winterdienst (600 bis 1.000 Euro pro Saison) bezahlen zu können, ist in der heutigen Zeit, speziell bei Rentenempfängern wohl nicht angebracht. Solche Aussagen stammen meist von Anliegern ohne Gehsteig, die aber selbst - trotz Verpflichtung durch die Winterdienstverordnung - jeweils keine 1 Meter breite Gehbahn am Rand der Fahrbahn erzeugen.

    Der Winterdienst muss durch die Gemeinde selbst erledigt werden
    Leitsätze des Bay. Verwaltungsgerichtshofes (VGH):
    1. Die gemeindliche Reinigungs-, Räum- und Streupflicht ist im Verhältnis zu den Reinigungs- Räum- und Streupflichten der Anlieger, auf die die Gemeinde ihre Pflichten abgewälzt hat, subsidiär. Die Verpflichtung der Gemeinde bleibt bestehen oder lebt wieder auf, soweit die Abwälzung auf die Anlieger nicht möglich ist oder nachhaltig fehlschlägt.

    Deshalb ist die Gemeinde wieder gemäß Leitsatz 1 eindeutig in der Pflicht.

    Sie ist jetzt wohl auch in der Pflicht, den Winterdienst mit dem eigenen Bauhof bzw. einer bereits vorhandenen oder neu zu gründenden Straßenreinigungsanstalt, gegen eine Gebühr zu erledigen.

    Hier kann man auf Art. 51 Absatz (2) und (3) des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes verweisen:
    (2) Die Gemeinden sind verpflichtet, das Streuen an gefährlichen Fahrbahnstellen und Fußgängerüberwegen bei Glätte allgemein als eigene Aufgabe zu übernehmen, wenn ihnen dies zumutbar ist. Im Zweifelsfall entscheidet hierüber die Aufsichtsbehörde.
    (3) Den Gemeinden werden die Kosten für das Schneeräumen und für das Streuen der gefährlichen Fahrbahnstellen und der Fußgängerüberwege von demjenigen ersetzt, der im allgemeinen für diese Straßenteile verkehrssicherungspflichtig wäre.

    Der 8. Senat des Bay. Verwaltungsgerichtshofes bestätigt, dass die Gemeinde den Winterdienst durchführen muss:
    Hierher können aber auch Fälle gehören, in denen ein Anlieger - etwa wegen Alters oder Krankheit - über einen längeren Zeitraum seinen Pflichten nicht nachkommt oder nicht nachkommen kann; die Gemeinde kann in solchen Fällen - je nach Bedeutung der Reinigungspflichten und der betroffenen Örtlichkeit - gehalten sein, diese selbst zu erfüllen und die ihr entstandenen Kosten gegenüber dem Anlieger durch öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch geltend zu machen (Art. 51 Abs. 3 BayStrWG analog).

    Vorgaben der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministeriums des Innern:
    Übernahme der Verkehrssicherungspflicht:
    Die Übernahmepflicht der Gemeinde ist an die Zumutbarkeit geknüpft. Es kommt dabei darauf an, ob die Gemeinde die Streupflicht organisatorisch-verwaltungsmäßig verkraften kann. ......... Für die Frage der Zumutbarkeit kommt es auf die finanzielle Leistungsfähigkeit nicht an, da die für das Streuen anfallenden Kosten den Gemeinden gemäß Art. 51 Abs. 3 BayStrWG zu ersetzen sind.

    Kostenersatz:
    Die Gemeinden haben ebenfalls einen Anspruch auf Kostenersatz, wenn sie aufgrund von Art. 51 Abs. 1 BayStrWG tätig geworden sind, weil der an sich Verkehrssicherungspflichtige im konkreten Fall – etwa wegen Unzumutbarkeit – nicht streupflichtig war. „Im allgemeinen verkehrssicherungspflichtig“ besagt hier, dass der Dritte aus seiner Verkehrssicherungspflicht heraus in den genannten Fällen nicht zum Handeln verpflichtet sein kann, wäre doch sonst kein Raum für ein Handeln der Gemeinde.
    Anmerkung: Der Anlieger muss sich also wirklich nicht um einen externen Dienst kümmern! Die Gemeinde ist in der Pflicht!

    Gemäß meiner Argumente muss die Gemeinde den Winterdienst selbst durchführen, also nicht durch teure Externe erledigen lassen, um dann diese Kosten auf die Anlieger abzuwälzen.

    Anforderungen an die Organisation des Winterdienstes:
    Die ordnungsgemäße Erfüllung der Räum- und Streupflicht hat der Sicherungspflichtige durch eine sachgerechte Organisation seines Winterdiensts sicherzustellen.
    Das Fehlen kann einen Organisationsmangel begründen. Dazu ist es erforderlich, geeignetes Personal, eine ausreichende Anzahl von Räum- und Streufahrzeugen und Streumittel bereitzustellen und den Einsatz durch einen Räum- und Streuplan zu regeln.

    Ausblick
    Verwaltungsrichter haben schon die Empfehlung an die Gemeinden bzw. an den Bayerischen Gemeindetag ausgesprochen, alleine schon wegen der Anforderungen aus der Reinigungspflicht (in Straßenkörper hineinwachsendes Gras und Gesundheitsgefahren durch Hundekot!!) eine gemeindeeigene Straßenreinigungsanstalt zu gründen und dafür einen Anschluss- und Benutzungszwang zu verfügen.

    Von mir wurde mit den von der Gemeinde verwendeten Daten berechnet, dass die Gemeinde bei Einsatz eines Schneepflugtraktors für Gehsteige das Schneeräumen um den Faktor 10 - 20 günstiger erledigen kann als externe Schneeräumdienste, da die Gemeinde nur die effektiv entstandenen Kosten (es fallen auch keine Anfahrtszeiten an) berechnen darf.

    19.03.2013 Werner4072
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