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Aus gegebenem Anlaß: Der juristische Rath

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    Aus gegebenem Anlaß: Der juristische Rath

    Liebe Forumsteilnehmer,

    vor drei Tagen endete vor dem Hamburger Amtsgericht ein Prozess gegen den allseits bekannten Dr. Rath, der über seine holländische Firma "Dr. Rath Health Programs BV" Vitaminpräparate zur Krebsheilung vertreibt. Die Staatsanwaltschaft hatte Rath vorgeworfen, über seine Firma Vitaminprodukte ohne arzneimittelrechtliche Zulassung angeboten zu haben. Dabei habe er den Mitteln therapeutische Wirkungen zugeschrieben, die diese tatsächlich nicht gehabt hätten.Außerdem soll Rath auf seiner Internetseite einen Link zu der Site „Informationen über natürliche Krebstherapie“ eingerichtet und dort den Eindruck erweckt haben, dass seine Produkte Krebserkrankungen heilen könnten. Das sei aber nicht der Fall und Rath habe das auch gewußt, hieß es in der Anklage.

    Das bereits am 21. September eröffnete Verfahren gegen Rath wurde am vergangenen Montag gegen eine Zahlungsauflage von 33.000 Euro zugunsten der Stiftung „Das behinderte Kind“ eingestellt. Das Gericht erkannte damit einerseits an, dass Rath seinen kritisierten Internetauftritt zwischenzeitlich geändert hatte, betonte andererseits jedoch, dass die Art des Marketings wohl "zu offensiv" gewesen sei. Richter Bartels sagte bei der
    Urteilsverkündung, der Prozess habe gezeigt, dass es Alternativen zur Schulmedizin im Bereich der Krebsprophylaxe gebe und in Zukunft vielleicht auch alternative Krebstherapien geben werde. Allerdings habe Rath den Eindruck erweckt, dass seine Präparate Krebserkrankungen heilen oder vielleicht sogar zum Stillstand bringen könnten. So weit sei die Forschung aber noch nicht.

    Die Einstellung des Verfahrens gegen Rath erscheint nicht nur angesichts der zweistelligen Millionenumsätze, die er seinem zweifelhaften Geschäft mit der Krebsangst verdankt, unbefriedigend, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass Rath in gewisser Weise ein Wiederholungstäter ist, wie eine kleine juristische Chronik seiner Marketingsmethoden zeigt:

    So wurde Rath Ende 2003 vom Berliner Landgericht dazu verurteilt, es zu unterlassen, mit den Angaben "Der renommierte Arzt ..." und "Der renommierte Wissenschaftler ..." zu werben (LG Berlin, Urteil vom
    02.12.2003, Az. 102 O 20/01). Etwa zur selben Zeit verurteilte ihn das Amtsgericht Berlin-Tiergarten auch zu einer Geldstrafe von 45.000 Euro wegen irreführender Werbung im Sinne von § 17 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (AG Berlin-Tiergarten, Urteil vom 16.10.2003, Az. 333 Cs 45/02). Ein Jahr später wurde Rath unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 € vom Berliner Kammergericht untersagt, seine Produkte mit Krankheitsgeschichten oder mit der Behauptung zu bewerben, dass man mit ihrer Hilfe Krebs erfolgreich bekämpfen könne (KG Berlin, Urteil vom 30. November 2004, Az. 5 U 55/04).
    Das Gericht führte aus, dass Rath sich nicht auf den Schutz des Grundgesetzes berufen könne, weil der Schutz der Krebspatienten, die aufgrund seiner Werbung schulmedizinisch gebotene Heilbehandlungen eigenmächtig abbrechen und auf Dr.-Rath-Produkte vertrauen würden, im Vordergrund stehe. Auch das vermeintlich gesundheitspolitische Anliegen von Rath überzeugte die Richter nicht, da er sich nicht ernsthaft darum bemüht habe, seine Produkte als Arzneimittel im Sinn des Arzneimittelgesetzes zuzulassen bzw. deren Wirksamkeit durch klinische
    Studien zu belegen. Ein (noch nicht rechtskräftiges) Urteil mit ähnlichem Tenor hat am 2. Februar diesen Jahres auch das Wiener Handelsgericht
    erlassen (Handelsgericht Wien, Urteil vom 02.02.2006, Az. 19 Cg 36/04x).

    Kai Mielke

    #2
    der medizinische + politische Rath

    Zitat von RA K. Mielke
    Liebe Forumsteilnehmer,

    vor drei Tagen endete vor dem Hamburger Amtsgericht ein Prozess gegen den allseits bekannten Dr. Rath, der über seine holländische Firma "Dr. Rath Health Programs BV" Vitaminpräparate zur Krebsheilung vertreibt.
    hallo Kai,

    Du hast Recht, mit diesem Prozess-Verlauf und -Ausgang sollte man sich beschäftigen. Denn da sind ein paar bemerkenswerte Dinge passiert, die bisher nicht "drin" waren - bisher gabs in der Öffentlichkeit fast nur die Propagandaschlacht, alle hetzen gegen diesen "Scharlatan" ....

    Ich selbst bin auf das Prozessende zufällig aufmerksam gemacht worden, weil ich gerade an dem Abend mal wieder das "Hamburger Journal" auf NDR-TV eingeschaltet hatte, und siehe da, Rath taucht auf - ach ja, da war ja ein Prozess. Aber überrascht war ich, als da plötzlich ein anderer ein statement in die Kamera abgab, das ungefähr so ging: Ja, als Krebsprophylaxe mag es funktionieren, aber als Krebstherapie nicht, denn dafür sind die Dosierungen viel zu niedrig, mit oralen Gaben kommt man so nie auf therapeutische Dosen.

    Huch? Völlig neue Töne? Wer war denn das?
    Es sprach Prof.Mayr, Leiter der Biochemie II im UKE hier in HH ( also das Universitäts-Krankenhaus Eppendorf - uns PK-Insidern bekannt durch die Namen Prof. Huland und Dr.Graefen)
    Und was hatte Prof.Mayr in diesem Prozess zu suchen?

    Ich habe dann ein paar Artikel gesammelt und auch die Rede von Rath gefunden, die er wohl auf dem Termin im September gehalten hatte.

    In der WELT vom 10.10. steht:
    "Letztlich hatte sich bereits am ersten Prozesstag, am 21. September, angedeutet, dass die Beweissituation auf diesem wissenschaftlichen Neuland äußerst problematisch ist. Und ebenso hatte sich gezeigt, dass Rath und dessen gut vorbereiteter Verteidiger das Gericht durchaus zu beeindrucken wussten. "


    Wenn man in der Rath-Rede nachliest, hat er am 21.9. explizit auf Prof.Mayr und sein Team verwiesen - insofern war die Hinzuziehung dieses "Experten" in der abschliessenden Beratung logisch:

    "Des weiteren verweise ich auf die Studien der Forschungsgruppe um Prof. Dr. Mayr am Institut für Biochemie und Molekularbiologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf.
    Die Forschergruppe trat im Februar letzten Jahres mit der Mitteilung an die Öffentlichkeit, dass sie den tumorhemmenden Wirkmechanismus bestimmter pflanzlicher Substanzen, wie sie u.a. in grünem Tee enthalten sind, entschlüsselt habe. Die Beschreibungen dieses Wirkmechanismus durch Prof. Dr. Mayr entsprechen exakt unseren Beobachtungen, die wir in zahlreichen Fachartikeln und Beiträgen veröffentlicht haben – eine Tatsache, die mir im Strafbefehl zum Vorwurf gemacht wird."


    Und noch was zweites ist bemerkenswert, ebenfalls dem WELT-Artikel entnommen:
    "Dieser These, die so allgemein wohl auch immer richtig ist, vermochte der Direktor des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte keine beweisrelevanten Argumente entgegenzusetzen."


    Gemeint ist wohl der Herr Steffen, der dafür bekannt ist, dass er mit den Mitteln des Arzneimittelrechts ständig Attacken gegen naturheilkundliche Sachen reitet.


    Also, ich denke, dass der "medizinische Rath" sich in diesem Prozess insofern ein Stück weit durchgesetzt hat, dass immerhin die Thematik als solche nun auch offiziell auf dem Tisch ist. Rein äusserlich ist schon bemerkenswert, dass ein deutscher Richter glaubt feststellen zu müssen, dass er nicht den Eindruck habe, dass da ein Scharlatan vor ihm steht. Aber die wüste Propagandaschlacht der letzten Jahren, ganz schlimm im Fall Dominik, hat einfach überdeckt, auch hier bei uns, dass es um wichtige Fragen der Krebsbekämpfung geht: Kann man tatsächlich mit Extrakten aus dem grünen Tee was wuppen? Ist eine bestimmte Mischung aus Lysin, Prolin usw., wie Rath vorschlägt, in der Lage, Metastasierung zu hemmen? usw. Es geht um klare medizinische Fragen, deren Relevanz nach diesem Prozessergebnis auch durch den Verweis auf den angeblich schlimmen juristischen oder politischen Rath nicht vom Tisch wischen kann.


    Nehmen wir nur das Stichwort Matrix-Metalloproteinasen: Wer kennt das?
    Aha. Aber alle kennen den Rath - alle die Propaganda. Dabei gehts bei den Vorschlägen aus der Rath-Ecke u.a. um diese netten Enzyme und was sie für den Krebs tun.
    Aus dem Ratbeber unkonventionelle Krebstherapien von Münstedt, S.259:
    "Der Extrakt soll anti-angiogenetische Wirkungen (Matrix-Metalloproteinase- oder MMP-Hemmer) haben ..."
    Aber Münstedt schreibt hier nicht über Rath und seine Pillen, sondern über Haifischknorpel und beurteilt diesen Ansatz am Ende mit:
    "Die weitere Erforschung von MMP-Hemmern aus diesen Produkten erscheint jedoch sinnvoll und wichtig."
    Wenn der Münstedt dieser Meinung ist, schreibt er das dann auch über Rath, den er auf den Seiten 388 ff. abhandelt?
    Natürlich nicht, denn Rath ist eine Un-Person. Stattdessen endet seine Wertung mit dergleichen Methode, die Du, Kai, auch anwendest: Mit dem Hinweis auf juristische Verfahren, wo gegen ihn Stellung genommen wurde, und "... untersagt, zu behaupten, die von ihm gehandelten Produkte ...seien geeignet, auch Krankheiten wie Krebs erfolgreich bekämpfen zu können."

    Die Einstellung des Verfahrens gegen Rath erscheint nicht nur angesichts der zweistelligen Millionenumsätze, die er seinem zweifelhaften Geschäft mit der Krebsangst verdankt, unbefriedigend, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass Rath in gewisser Weise ein Wiederholungstäter ist, wie eine kleine juristische Chronik seiner Marketingsmethoden zeigt:
    Ich finde es unbefriedigend, dass der BPS noch nie eine vernünftige, am Interesse von Krebspatienten nach optimaler Behandlung -was in meinen Augen jeglichen Ansatz, egal aus welcher Ecke, einschliesst, der halbwegs Sinn macht- orientierte Haltung gegenüber der schillernden Person des Dr.Rath gefunden hat. Dabei geht es gar nicht um Rath als Einzel-Person. Sondern es geht um den tatsächlich vorhandenen Machtkampf um die nach einem bestimmten Weltbild und Geschäftsmodell organisierten Forschungs- und Behandlungs-Pfründe, in dem Richtungen, Ärzte, Ansätze, die da nicht reinpassen, systematisch in die Ecke gedrängt werden. Die Welt ist nicht nach den Vernunftregeln des Immanuel Kant geordnet. Das Juristische als letztendlich entscheidende Macht-Instrument ist geordnet nach den Mitteln bürgerlichen Besitzstrebens (Vertragsfreiheit, Eigentum, Erbrecht) im Privatrecht und nach dem Prinzip Rache im Strafrecht. Als Krebsbetroffene können wir das nur zur Kenntnis nehmen und müssen dann zusehen, wie wir damit klarkommen. Können aber bei Strafe des eigenen Untergangs absolut nicht den Logiken irgendwelcher Geschäftemacher folgen, sondern müssen uns an der Biologie unseres Krebses orientieren. Geschäftemacher? Du verweist auf Rath mit seinen Millionen-Einnahmen, fallen uns da aber nicht gleich auch noch Geschäftemacher mit Milliarden-Einnahmen ein? Warum auf den einen zeigen und den anderen verschonen, ja, sich von dem auch noch sponsern lassen? Was wollen die einen, was die anderen - und: Was wollen wir?


    Wie will man z.B. zum "politischen Rath" Stellung nehmen, sagen wir, in dem Punkt, dass er in Südafrika aktiv ist - ohne die Frage nach AIDS und dessen Ursachen beantwortet zu haben? AIDS, nicht unser Thema? Doch, doch .... s. Dr.Kremer, dessen Buch "Die stille Revolution der Krebs- und AIDS-Medizin" heisst.
    Münstedts letzter lapidarer Satz über Rath heisst: "Inzwischen hat sich Dr.Rath nach Südafrika begeben und propagiert seine Vitamine im Kampf gegen AIDS." - Da er sich der Ignoranz seiner Leserschaft sicher zu sein glaubt, meint er, dem nichts mehr hinzufügen zu müssen, denn: Der Rath kann doch nur ein absoluter Idiot sein!


    Also: Ich will nicht, dass wir eine Rath-Debatte führen.
    Sondern ich möchte, dass immer und zuallererst gefragt wird: Was könnte das mit der PK-Bekämpfung zu tun haben? (Und dass die Rath-Pillen durchaus einen Beitrag zur PK-Bekämpfung leisten können, ist hinlänglich gezeigt worden.)
    Gehen wir so nicht vor, sondern greifen die üblichen Sprüche auf, unterliegen wir der allgemeinen Propaganda und verabsäumen insofern, möglicherweise wichtige Informationen für uns und unsere Mit-Betroffene nicht eruieren und verbreiten zu können. Das aber halte ich für unser Pflicht als SHG-Bewegung gg. PK. Genauso wie es für unabwendbar halte, politisch mit eigener unabhängiger Stimme aufzutreten.


    grüsse aus HH,
    Rudolf

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