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Protonen-Bestrahlung: Wundertherapie ?

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    Protonen-Bestrahlung: Wundertherapie ?

    Liebe Mitbetroffene,

    unter Investoren, einigen Radiologen, Medien und selbst Prostatakrebs-Patienten geht die Protonentherapie-Euphorie um, obwohl in bisherigen Studien noch keine Vorteile z.B. gegenüber dem fortgeschrittensten Standard der konventionellen (Photonen-)Strahlentherapie, der intensitäts-modofizierten Strahelentherapie (IMRT) nachgewiesen wurde.

    Trotzdem bauen Privatinvestoren mit politischem Segen in Deutschland, das ohnehin ein Überangebot an Apparatemedizin hat, bis 8 Protonentherapieanlagen, deren gigantische Überkapazitäten, wie in Loma-Linda, Carlifornien, nur mit den Massenkrebsarten Prostatakrebs und Brustkrebs profitabel ausgelastet werden können.
    Ich als Patient oder meine Krankenkasse sollen es bezahlen: über 20.000 Euro (endlose Beitragserhöhungen?).

    Und alles ohne einen nachweisbaren Zusatznutzen z.B. gegenüber der IMRT-Bestrahlung.
    Der theoretische bessere Präzision der Protonenbestrahlung läßt sich nicht umsetzen, da die Prostata ein sich bewegendes Organ ist und der Strahlungsbereich daher über die Prostata hinaus ausgedehnt werden muß.

    Die Nebenwirkungen und Lebensqualität sind daher nicht wesentlich besser als bei konventioneller Strahlentherapien: etwa die Hälfte Patienten wird leichte Strahlenschäden an Darm, Blase oder Harnröhre bekommen (max.5% schwere Strahlenschäden). Ebenfalls etwa die Hälfte der Männer wird nach wenigen Jahren die Erektionsfähigkeit verlieren.
    Bessere Überlebenszeiten als nach radikaler Prostatektomie oder IMRT konnten ebenfalls nicht nachgewiesen werden.

    Eine Wundertherapie für Prostatakrebs gibt es also nicht.

    Links dazu:

    neue Studie IMRT-Bestrahlung:
    Prostatakarzinom: exzellente Ergebnisse mit intensitätsmodulierter Radiotherapie:
    http://www.ärzteblatt.de/v4/news/news.asp?p=imrt&src=suche&id=25846

    Protonentherapie:
    Der Spiegel 14.2006, 3.4.2006, Tumor im Teilchenstrahl
    www.spiegel.de

    TV-Tipp:

    Donnerstag 02.11.2006
    21.45 - 22.15 Uhr
    ARD 1. Programm
    Kontraste
    Beitrag: Protonentherapie...



    Viele Grüße

    Udo Ehrmann

    #2
    Lieber Udo,

    in unserer Gesellschaft und ganz besonders in unserem Gesundheitssystem geht es in erster Linie um Profit und Machterhalt. Um die eigenen Pfründe zu schützen, ist kein Mittel heilig.
    Wir Patienten müssen, ob wir das wollen oder nicht, in diesem Spannungsfeld leben und vor allem die jeweils richtigen Entscheidungen für uns treffen.

    Dein Wissen um die Protonentherapie entstammt im Wesentlichen aus der von Dir zitierten Spiegel-Veröffentlichung vom 3. April 2006. Die hier aufgeführten Argumente gegen diese Therapie sind gut bekannt und sind nahezu identisch mit Veröffentlichungen der DEGRO (Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie e.V.) einer berufsständigen Vereinigung, die ganz offensichtlich wirtschaftliche Nachteile Ihrer Mitglieder befürchtet. Den universitären Einrichtungen ist eine Konkurrenz durch privat finanzierte Institutionen außerdem ein Dorn im Auge. Man befürchtet wohl auch ein wenig die bisher sicher gepachtete, alleinige Vormachtstellung und wissenschaftliche Reputation zu verlieren oder zumindest mit anderen teilen zu müssen. Wir Patienten bleiben dabei leider in aller Regel auf der Strecke.


    Besonders ärgerlich ist der Umstand, dass der Artikel auch einige Falschinformationen enthält, möglicherweise bewusst oder durch schlampige Recherche. Es ist z.B. nicht zutreffend, dass eine IMRT 3.000 - 4.000 € kostet. Richtig ist, dass dieser Betrag für eine konventionelle Strahlentherapie gesetzlich Versicherter erstattet wird, mit der Folge, dass nur wenige Krankenhäuser die weit aufwändigere IMRT, trotz vorhandener Anlagen, anbieten und nur ausgesuchte Patienten behandeln.


    Die ausgezeichnete medizinische Wirksamkeit der Protonentherapie bei vergleichsweise geringen Nebenwirkungen wurde an mehreren klinischen Zentren nachgewiesen. Alleine am Loma Linda University Medical Center (USA) wurden in den letzten 16 Jahren 10.000 Patienten mit Prostatakrebs behandelt. Die Ergebnisse werden regelmäßig in renommierten Fachblättern veröffentlicht. Durch die FDA (Food and Drug Administration) ist diese Therapie in USA seit 2002 zugelassen und muß von den Kassen übernommen werden.


    In Deutschland ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) zuständig für die Festlegung der durch die gesetzlichen Kassen zu übernehmenden Therapien. Entscheidungen werden dort auf höchstem wissenschaftlichen Niveau getroffen, mit der Folge, dass die Entscheidung für die Protonentherapie - wegen fehlender eindeutiger Nachweise auf der Basis vergleichender und randomisierter Studien möglichst auch noch ein- oder zweifach verblindet - ausgesetzt wurde. Vor dem Hintergrund, dass Studien dieses Evidenzniveaus nicht einmal für die konventionellen Therapien vorliegen, ist diese Vorgehensweise zumindest fragwürdig.


    Die Brachytherapie hat in den USA die Prostatektomie an Bedeutung inzwischen abgelöst, in Deutschland wird derzeit der medizinische Nutzen - natürlich auf höchstem Evidenzniveau (s.o.) - untersucht.


    Durch die Teilnahme als Patientenvertreter an Beratungen des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Protonentherapie und auch zur Brachytherapie habe ich einen recht guten Einblick, kenne die Hürden, die vor der Einführung neuer Therapien aufgebaut werden und glaube auch die unterschiedlichen Interessen einigermaßen einordnen zu können.


    Die Vorteile der Protonentherapie habe ich im PBS Magazin 1/2006 ausführlich beschrieben. Daher erspare ich mir hier diese Details.

    Falls Du Dich für die Ergebnisse der Protonentherapie interessieren solltest, empfehle ich Dir den nachstehenden Link: http://www.jkpix.com/TenYearStudy/Ten%20Year%20Study.pdf

    Die Geschichte zeigt, dass die Verbreitung und Anerkennung neuer Erkenntnisse und Verfahren nur langsam stattfindet (Kompass, Schießpulver, Buchdruckkunst...). Die Protonentherapie ist dazu eine vergleichsweise geringe Innovation, unterliegt aber offensichtlich auch ganz ähnlichen Akzeptanzregeln.

    Meine Überzeugung: Die Protonentherapie wird in Zukunft die Photonenbestrahlung für alle Indikationen ersetzen.

    Meine Befürchtung: Wir heutigen Krebs-Patienten werden das nicht mehr erleben.

    Meine Hoffnung: Schon in naher Zukunft werden zumindest alle tiefer liegenden Tumoren mit strahlungsempfindlichem Nachbargewebe wegen der deutlich besseren Heilungschancen (höhere Dosis möglich) mit Protonen bestrahlt.

    Gruß
    Fritz

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      #3
      Hallo FritzD,
      vielen Dank für Deine Einschätzung

      Zitat:
      Meine Überzeugung: Die Protonentherapie wird in Zukunft die Photonenbestrahlung für alle Indikationen ersetzen.

      Gilt dies aus Deiner Sicht auch für die Behandlung vom Lokalrezidiven z.B nach RPE.


      Gruß
      Wolfgang

      Kommentar


        #4
        Zitat von wowinke Beitrag anzeigen
        Hallo FritzD,
        vielen Dank für Deine Einschätzung

        Zitat:
        Meine Überzeugung: Die Protonentherapie wird in Zukunft die Photonenbestrahlung für alle Indikationen ersetzen.

        Gilt dies aus Deiner Sicht auch für die Behandlung vom Lokalrezidiven z.B nach RPE.


        Gruß
        Wolfgang

        Hallo Wolfgang,
        hier möchte ich nun doch einen kleinen Kommentar abgeben:
        gerade beim PSA-Rezidiv weiss man ja nie, wo diese PSA-Quellen - meist verstreut - liegen. Insofern ist hier jede Bestrahlung fraglich und bringt meistens nur Teilerfolge oder auch gar keinen Erfolg, wenn man lokal bestrahlt, aber die metastasen gestreut sind!
        Im günstigsten Fall handelt es sich um ein nachgewiesenes Lokalrezidiv, da bringt die Strahlentherapie einen Vorteil.
        Hier habe ich auch schon von positiven Ergebnissen einer interstitiellen HDR-Brachy gehört in Verbindung mit einer extenen Bestrahlung. die HDR-Brachy ist eine 2- oder mehrfach eingebrachte hochdosis-Strahlenquelle, die nur kurzeitig über Hohlnadeln zum Einsatzort eingeschoben und dann wieder entfernt wird. Die hohe Dosis bewirkt eine kurzzeitige Strahlenwirkung. Im Gegensatz hierzu die interstitielle LDR-Brachy, die die dauerhafte Einbringung von Niedrigdosis-Strahlern (LDR= Low dosis Radiotherapy), den sog. Seeds, beinhaltet (nur als Ersttherapie, alternativ zur Operation oder externen Bestrahlung).

        Eine Protonenbestrahlung macht dann Sinn, wenn ein bekanntes und eng begrenztes Gebiet bestrahlt werden soll.
        Beim PSA-Rezidiv ist dies nur dann sinnvoll, wenn bekannte und zumindest größere Metastasen/Lokalrezidive bestrahlt werden sollen, z.B. Mestastasen in der Wirbelsäule, die dicht am Knochenmark oder an anderen kritischen Stellen liegen.

        Ich hoffe, ich habe einigermaßen verständlich das komplexe Thema Bestrahlung bei PSA-Rezidiv erläutern können.

        Ich höre sehr oft, dass den patienten gesagt wird, es handelt sich um ein Lokalrezidiv. Hinweis hierauf sind z.B. positive Schnittränder. Ich würde aber immer zuerst noch einige Untersuchungen machen (im Blut: AP, PAP, im 24-h-Sammelurin: DPD = Desoxypyridinolin, Einschätzung der Wahrscheinlichkeit für PSA-Rezidivfreie Zeit anhand des Kattan-Nomogramms (Input: PSA präoperativ, Gleason-Score, Kapselinfiltration, Schnittrandbefund, Samenblasenbefall und LK-befall)
        Wenn daraus eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine systemische Ausbreitung von Mikro- oder Minimetastasen ergibt, dann ist aus meiner Sicht eine systemisch wirkende Therapie (wie die HB3=Hormonblockade mit 3 Medikamenten) m.E. der bessere Therapieansatz.

        Im Übrigen teile ich die Auffassung von Fritz zur Protonenbestrahlung als Ersttherapie beim lokal begrenzten Prostatakarzinom.

        Viele Grüße
        Dieter
        Zuletzt geändert von DieterV; 03.11.2006, 08:56.

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          #5
          Hallo Dieter,
          vielen Dank für Deine Ausführungen

          Gruß
          Wolfgang

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