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Studie: Bipolare Androgen-Therapie mit HD-Testosteron gegen Hormontherapie-Resistenz

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    Studie: Bipolare Androgen-Therapie mit HD-Testosteron gegen Hormontherapie-Resistenz

    Liebe Forumsfreunde,

    die neue S3-Leitlinie Prostatakarzinom von 2014 (S. 223) bricht mit dem Dogma des Verzichts auf Testosterontherapie, trotz eines geringen Restrisikos auf Rezidiv. Sie hält Testosterongabe für indiziert, wenn nach kurativer lokaler Therapie, z.B. Prostatektomie, der Patient an Testosteronmangel leidet und durch Testosteron-Substitution die Lebensqualität verbessert werden soll.[1]

    Auch Männer mit metastasiertem Prostatakrebs leiden besonders am Testosteronmangel wegen der Hormonentzugstherapie und werden außerdem früher oder später kastrationsresistent. Bisherige Versuche mit Testosterontherapie beim kastrationsresistenten metastasiertem Prostatakarzinom (metCRPC) schadeten kaum, führten aber nur zu mäßigen Wirkungen. Jetzt zeigt eine Pilotstudie unter Leitung des renommierten Johns Hopkins Hospitals (Baltimore, USA) nachhaltige Effekte mit der

    Bipolaren Androgen-Therapie (BAT).[2]

    Deren Strategie ist ein schneller Wechselzyklus zwischen supraphysiologischem Testosteronspiegel (3- bis 8-fach über normalem Level, >1500 ng/dL) und kastrationsnahem Level, um kastrationsresistente Tumorzellen zu schädigen (DNA-Doppelstrang-Brüche). „Erneutes Tumorwachstum … wird auf eine zunehmende Testosteron-Empfindlichkeit der Tumorzellen zurückgeführt, die auf ihrer Oberfläche vermehrt Testosteronrezeptoren bilden und deshalb auf geringste Spuren des Hormons reagieren. Ein plötzlicher Hormonüberschuss durch eine Testosteron-Injektion könnte in dieser Situation zu einer „Überladung“ und einer Schädigung der Tumorzellen führen.“ [3]

    16 asymptomatische Männer mit sog. niedriger Metastasenlast (hier bis 5 Knochen- oder bis 10 Lymphknoten-Metastasen), die nach längerer Hormonentzugstherapie kastrationsresistent geworden waren, erhielten drei Zyklen einer intramuskuläre Depot-Injektion von hoch dosiertem Testosteron-Cypionat (400 mg, alle 28 Tage) hier kombiniert mit einer Etoposid-Chemotherapie (100 mg Tablette täglich, Tag 1-14 von 28, zur Stabilisierung der DNA-Brüche). Männer, deren PSA-Wert danach fiel, setzten die intermittierende Testosteron-Therapie allein fort (Monotherapie). Die Androgendeprivationstherapie (ADT, z.B. Leuprolin oder Goserelin) wurde beibehalten, um die endogene Testosteron-Produktion zu unterdrücken. Dies erlaubt einen schnellen Wechselzyklus bzw. eine sog. „Achterbahnfahrt“ vom hohen supraphysiologischen Testosteron-Level (in der zweiten Woche nach Injektion) zum kastrationsnahen Level (in der vierten Woche nach Injektion).

    Zwei von 16 Männern schieden vorzeitig aus. Ein Mann verstarb an neutropenischer Sepsis wegen Etoposid, der andere litt unter verlängerten Erektionen (Priapismus). Bei sieben bzw. der Hälfte der übrigen 14 Männer kam es zu einer PSA-Absenkung unter Testosteron zwischen 30% und 99%. Vier dieser sieben Männer konnten die Testosterontherapie bei niedrigen PSA-Werten länger als ein Jahr fortsetzten.


    10 der 14 Männer nahmen an der CT-Bildgebung teil. Fünf d.h. die Hälfte der 10 Männer hatten eine Tumor-Remission von über 50%, darunter ein Mann mit vollständiger Remission. - Insgesamt hatten von 10 Männern zwei eine Progression, drei Männer eine stabile Krankheit, vier Männer sprachen teilweise an und ein Mann sprach komplett an. Die mittlere Ansprechdauer betrug ca. ein Jahr.


    Nach Beendigung der Testosterontherapie fiel der PSA-Wert bei allen Männern. D.h. die Kastrationsresistenz wurde durchbrochen bzw. die Tumorkontrolle durch Hormonentzugstherapie kehrte bei vielen Männern für längere Zeit zurück.


    Männer, die Etoposid erhielten, hatten niedrig- bis mittel-gradige Nebenwirkungen der Chemotherapie incl. Haarverlust, ein o.g. Patient verstarb vorzeitig an der seltenen Nebenwirkung neutropenische Sepsis. In der geplanten Nachfolgestudie soll auf Etoposid verzichtet werden. Die Nebenwirkungen der hoch-dosierten Testosterontherapie waren alle niedrig-gradig: je ein Fuß-Ödem, Priapismus oder asymptomatisches Lungenödem. Neue Schmerzen traten nicht auf. Danach soll sich die Lebensqualität der 14 Männer verbessert haben. Sie hätten neue Energie, sexuelle Aktivität oder Verbesserungen bei Gewicht und Muskulatur, sagten die Studienautoren.


    Nach über vier Jahren starben erst drei der 16 teilnehmenden Männer.[4]


    Mit Ergebnissen einer geplanten großen randomisiert-kontrollierte Vergleichsstudie ist erst in einigen Jahren zu rechnen. Es bleibt abzuwarten, ob sich auch ohne eine anfangs begleitende (niedrig dosierte) Chemotherapie bestätigt, dass etwa die Hälfte der Männer eine Remission erfährt, die meisten Patienten wieder auf Hornonentzugstherapien ansprechen und evtl. länger überleben. Auf jeden Fall ist wahrscheinlich, dass sich die Lebensqualität bei manchen Patienten erheblich verbessern wird. Geklärt werden müsste außerdem, ob Patienten mit weit fortgeschrittener Metastasierung ähnlich gut auf die Bipolare Androgen-Therapie ansprechen.

    Die Autoren o.g. Pilotstudie Samuel Denmeade und Michael Schweizer erwarten, dass die Bipolare Androgen-Therapie insbesondere die Resistenz nach Antihormonmedikamenten der 2. Generation rückgängig machen kann.

    Dazu laufen bereits zwei von Samuel Denmeade geleitete Phase-2-Studien. Eine einarmige Studie untersucht die Wirkung der Bipolaren Androgen-Therapie (mit Testosteron-Cypionat, 400 mg, oder Testosteron-Enantat, 400 mg) bei Männern mit metCRPC, die nach Abirateron (Zytiga) oder nach Enzalutamid (Xtandi) in Progression waren, und diese Medikamente nach der Testosterontherapie erneut erhalten.[5]
    Und eine zweiarmige Studie untersucht die (evtl. überlegenen) Effekte der Bipolaren Androgen-Therapie im Vergleich zu Enzalutamid bei Männern mit metCRPC, die nach Abirateron in Progression waren.[6]

    Außerdem läuft bereits eine von Samuel Denmeade geleitete Phase-2-Studie zur Bipolaren Androgentherapie bei Männern mit rezidivierendem (fortgeschrittenem) Prostatakarzinom oder neu diagnostiziertem hormon-sensitivem metastasierten Prostatakarzinom (HSMPC).[7]

    Zwar gibt es bereits einzelne Urologen in Deutschland, die Erfahrung im Off-Label-Use von Testosteron bei metastasiertem Prostatakarzinom haben. Unklar ist jedoch, ob sie bereits die Bipolare Androgen-basierte Therapie anwenden. Testosteron-Cypionat ist vermutlich nur über die internationalen Apotheken beziehbar. Der patentfreie Wirkstoff kostet als Generikum einen zweistelligen Eurobetrag pro monatlichen Zyklus. Das synthetische anabole Steroid wird leider auch zur Selbstinjektion für Bodybuilding- oder „Anti-Aging“-Zwecke missbraucht und ist im einschlägigen Internetversandhandel rezeptfrei erhältlich. Alternativ zu Testosteron-Cypionat wenden die o.g. laufenden Studien auch Testosteron-Enantat an. Das ebenfalls langwirksame Depot wirkt nahezu identisch bei gleicher Dosierung (400 mg). Außerdem ist es in deutschen Apotheken auf Rezept erhältlich (z.B. Ampullen a 250 mg).


    Die gesetzlichen Krankenkassen werden die Kosten für den Off-Label-Use wahrscheinlich erst nach Vorliegen von Ergebnissen größerer evidenz-basierter Studien übernehmen.

    Viele Grüße
    Udo E.



    [1] www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/043-022OL.html

    [2] http://stm.sciencemag.org/content/7/269/269ra2.short

    [3] www.aerzteblatt.de/nachrichten/61405/Paradox-bei-Prostatakrebs-Testosteron-kann-Androgenresistenz-durchbrechen?s=prostatakarzinom


    [4] www.eurekalert.org/pub_releases/2015-01/jhm-sht010715.php
    www.fredhutch.org/en/news/center-news/2015/01/high-dose-testosterone-for-advanced-prostate-cancer.html

    [5] https://clinicaltrials.gov/ct2/show/...therapy&rank=1

    [6] https://clinicaltrials.gov/ct2/show/...therapy&rank=2

    [7] http://www.cancer.gov/clinicaltrials...ersion=Patient


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