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Kosten und Wirksamkeit von Primärtherapien

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    Kosten und Wirksamkeit von Primärtherapien

    Das klingt so ein bisschen nach der Frage nach der Weltformel, aber keine Angst, ich will hier nur etwas Sensibilität für die Evidenz hinter den Therapieoptionen, einschließlich der Kosten, erreichen.

    Fangen wir mit den Kosten an. Interessant sind dabei nicht nur die primären Behandlungskosten sondern eher die Kosten, die im zeitlichen Verlauf entstehen. So kann z.B. Active Surveillance (AS), was erst mal kaum Kosten verursacht, im zeitlichen Verlauf, durch die kontinuierlichen Kontrolluntersuchungen, deutlich kostenintensiver werden. In Medscape ist dazu neulich ein interessanter Artikel erschienen. Er beleuchtet genau diesen Sachverhalt bei Niedrigrisikoerkrankungen, allerdings in den Staaten! Ich vermute aber mal, dass sich die Kosten hier in Deutschland nicht grundsätzlich davon unterscheiden:

    • $7,298 for AS
    • $8,978 for LDR BT
    • $11,215 for cryotherapy
    • $11,665 for HDR BT
    • $11,665 for SBRT
    • $16,946 for RALP
    • $23,565 for IMRT


    AS: Active surveillance;
    LDR-BT: Low-dose-rate brachytherapy;
    HDR-BT: High-dose-rate brachytherapy;
    SBRT: Stereotactic body radiation therapy;
    RALP: Robotic-assisted laparoscopic prostatectomy;
    IMRT: Intensity-modulated radiation therapy

    Es wird dabei nicht auf Therapien eingegangen, die nicht leitliniengerecht sind oder waren, wie z.B. eine Hormonentzugstherapie, HiFu [high intensity focused ultrasound], was erst seit kurzer Zeit in den Staaten zugelassen ist, oder dem NanoKnife aka. IRE (IRrreversible Electroporation),.

    Bei mittleren Risiken ist ganz klar ein Trend weg von der Strahlentherapie, hin zu operativen Verfahren zu beobachten. Auch dies bezieht sich erstmal wieder nur auf die Staaten, wegen der besseren Datenlage. Aber auch dort wird gefragt, mit welcher Begründung dieser Shift erfolgt? Wo ist hier die Evidenz anzusiedeln?

    Dazu ein, wie ich meine, sehr guter Beitrag meines Freundes Allen Edel, den ich hier zu übersetzen versucht habe. Dies soll der Auftakt zu einer Folge von Beiträgen sein, die sich mit der Evidenz von Primärtherapien beschäftigt. Also eigentlich ein Fall für die Qualitätsverbesserer, wie sie im BPS in Führungspositionen zu finden sind – aber ihr Wissen dazu leider für sich behalten. Dann also erst mal der große Allen:




    [Rückläufige Anwendung der RT [Strahlentherapie] bei der Behandlung von Patienten mit klinischem Stadium T3 und solchen mit ungünstigen pathologischen Befunden nach der Operation]

    Prostatakrebspatienten, die klinisch mit Kapseldurchbruch (Stadium ≥cT3) diagnostiziert wurden, werden zunehmend mit radikaler Prostatektomie (RPE) und nicht mit einer primären Strahlentherapie (RT) behandelt. Darüber hinaus erhalten Patienten, die nachteilige pathologische Merkmale bei der Operation (Stadium ≥pT3 und/oder positive Resektionsränder) haben, zunehmend keine adjuvante oder rettende (Salvage) Strahlentherapie angeboten.

    Nezolosky und Kollegen untersuchten dazu 11.604 Datensätze der SEER-Datenbank von Prostatakrebspatienten mit klinischem Stadium ≥T3, die zwischen 1998 bis 2012 behandelt wurden. Sie konnten folgende Trends erkennen:

    • Operative Verfahren nahmen von 12.5% auf 44.4% zu
    • Strahlentherapien nahmen von 55.8% auf 38.4% ab
    • “Keine“ Therapie war ebenfalls abnehmend, von 31.7% auf 17.2%
    • Stadien cT3a (Kapseldurchbruch) wurden 2012 zu 49.8% operiert, und zu 37.1% bestrahlt
    • Stadien cT3b (Samenblasenbefall) wurden 2012 zu 41.6% operiert, und zu 42.1% bestrahlt
    • Gleason 8-10 Tumore wurden zu 59% bestrahlt
    • Ebenfalls war die Strahlentherapie leicht führend wenn der Ausgangs PSA Wert, oder das Alter der Patienten hoch war.


    Dieser Trend ist bedenklich, da ein operatives Vorgehen (RPE) für cT3 Stadien meist nicht kurativ ist. Folgende, sehr konsistente biochemische rezidivfreie Überlebensraten (bRFS) nach RPE sind bisher berichtet worden:

    • Mitchell et al. (Mayo Clinic): 41% nach 20 Jahren bei cT3 Patienten
    • Freedland et al. (Johns Hopkins): 49% nach 15 Jahren bei cT3 Patienten
    • Carver et al. (Memorial Sloan-Kettering Cancer Center): 44% nach 10 Jahren bei cT3 Patienten
    • Hsu et al. (Leuven, Belgium): 51% nach 10 Jahren bei cT3 Patienten
    • Xylinas et al. (Paris, France): 45% nach 5 Jahren bei cT3 Patienten


    Die Raten sind ähnlich wie bei Patienten mit pathologischem T3 Stadium. Hrüza et al. berichteten bRFS (biochemisches rezidivfreies Überleben) von 47% und 50% für pT3a bzw. pT3b Patienten. Pagano und Kollegen berichtet von bRFS Raten von 40% für diejenigen mit einem pT3b Stadium. Watkins und Kollegen stellten fest, dass 40% der pT3 Patienten nach Operation bereits nach 18 Monaten (im Mittel) ein biochemisches Rezidiv hatten.

    Es gibt noch weitere Faktoren, die eine Rezidiv Prognose nach der Operation beeinflussen. Das Alter, ein hoher ausgangs PSA Wert, ein hoher Gleason-Grad, positive Resektionsränder (einschließlich der Größe des positiven Resektionsrandes und dem Gleason-Grad des Resektionsrandes).

    Könnte eine Primärbestrahlung alleine bessere Ergebnisse liefern? Ich habe keine Statistiken, speziell für ≥T3 Patienten gesehen, aber wir haben langfristige Verlaufsdaten aus vielen klinischen Studien, in denen Hochrisiko-Patienten mit Strahlentherapie und begleitender ADT (Hormontherapie) behandelt wurden. Hier sind einige bRFS Ergebnisse:

    • HDR brachy Monotherapy: 77 bis 93% (3 to 8 years)
    • HDR brachy boost + EBRT: 66 bis 96% (5 to 10 years)
    • LDR brachy monotherapy: 68% (5 years)
    • LDR brachy boost + EBRT: 83% (9 years)
    • EBRT monotherapy: 71 bis 88% (5 years)


    Während eine Primärbestrahlung in der Regel etwa 50 bis 100% bessere Ergebnisse im Vergleich zur Operation als Primärtherapie in Bezug auf die Kontrolle der Erkrankung aufweist, argumentieren Urologen oft, dass mit nachfolgender (adjuvanter) oder rettender (salvage) Bestrahlung nach Operation in etwa vergleichbare Ergebnisse zu erzielen wären. Aktuell gibt es eine aktive randomisierte klinische Studie (NCT02102477) die bei Männern mit Krankheitsstadium cT3 eine primäre Strahlenbehandlung gegen eine Prostatektomie als Primärtherapie einschließlich salvage-RT vergleichen will. Bis wir aus dieser Studie Ergebnissen erhalten, sind wir auf retrospektive Studien angewiesen. In vielen der oben zitierten Studien, erhielten etwa ein Viertel der Patienten eine salvage oder eine adjuvante RT nach der Operation. In der Studie der Mayo-Klinik waren damit nach 20 Jahren 72% der Patienten rezidivfrei, was in etwa dem entspricht, was eine primäre Strahlentherapie alleine liefern könnte. Aber das hat seinen Preis. Adjuvante und Salvage RT nach Operation bietet in der Regel schlechtere Ergebnisse in Bezug auf die Lebensqualität, als sie der Patient erlitten hätte, wenn er mit Bestrahlung als Primärtherapie begonnen hätte.

    Dies bringt uns zu einem zweiten beunruhigenden Trend: die Raten einer adjuvanten oder frühen salvage Bestrahlung bei Männern mit schlechten pathologischen Ergebnissen nach einer Prostatektomie sind ebenfalls rückläufig. Wir hatten über die Bedeutung dieses Vorgehens an andere Stelle diskutiert (siehe diesen Link).
    So erhalten Patienten mit T3 Stadien nicht nur einen Therapie die voraussichtlich weniger Wahrscheinlichkeit hat ihre Erkrankung unter Kontrolle zu bringen, sie erhalten auch keine adjuvante oder salvage Bestrahlung, die ihre Krankheit noch kontrollieren könnte, wenn sie früh genug eingesetzt würde.

    Es ist besonders beunruhigend, dass es keine entsprechende Verschiebung von adjuvanter zu salvage RT gibt. Sineshaw und Kollegen vermuten folgende Gründe für diesen Trend:

    Dieses Musters des rückläufigen Einsatzes, könnte aufgrund mehrerer Faktoren, einschließlich der Patientenpräferenz, genereller Bedenken der Behandler, Besorgnis über die Toxizität, Fehlen von konsistenten Überlebensvorteilen bei aktualisierten randomisierten Studien, oder einer wachsenden Präferenz für Salvage Bestrahlung bei Diagnose des biochemischen Versagen gegenüber einer sofortigen adjuvanten RT, erfolgen. In Bezug auf den letzten Punkt, zeigen unsere Daten aber keinen Anstieg der strahlentherapeutischen Anwendung 6 Monate nach, aber noch innerhalb der ersten 5 Jahre nach Operation, was darauf hindeutet, dass eine Verschiebung zur salvage RT wahrscheinlich den Trend, des rückläufigen Einsatzes der adjuvanten (innerhalb von 6 mo) postoperativen Bestrahlung, nicht vollständig erklären kann.

    Ich vermute, dass der Rückgang in der salvage RT Anwendung in einer besseren Patienten Auswahl begründet ist. Die Anwendung ist höher bei Patienten mit positiven Resektionsrändern und bei denen mit Gleason Grad 8 bis 10. Allerdings könnte Dr. Sandler Recht haben, dass der Rückgang durch die behandelnden Urologen verursacht wird, die ihre Patienten mit schlechter pathologischer Ausgangslage nicht direkt zu einem Strahlentherapeuten schicken. Meiner Erfahrung nach treffen viele Patienten ihre Entscheidung zugunsten einer Primärtherapie ohne zuvor einen Strahlentherapeuten konsultiert zu haben. Hochrisiko Patienten sollten deshalb in besonderem Maße auf die Möglichkeit einer Zweitmeinung von Ihrem Arzt, meist einem Urologen, hingewiesen werden. Ich fände es unverantwortlich, wenn sie diesen Rat nicht erhielten.




    Soweit Allen Edel zur Problematik der rückläufigen Strahlenbehandlung bei Prostatakrebs. Selbstverständlich liegt es an jedem Einzelnen, welche Primärtherapie er durchführt. Wer sich für die operative Entfernung der Prostata entscheidet, tut sich sehr oft sehr schwer mit dem Eingeständnis des Versagens, und steht einer adjuvanten oder salvage Bestrahlung eher zurückhaltend bis ablehnend gegenüber – hoffend auf irgendwelche bildgebenden Verfahren, die dann bessere Aufklärung bieten könnten. Das ist in fortgeschrittenen Stadien durchaus eine Option – wenngleich auch praktisch nie kurativ! Eine frühe adjuvante oder salvage RT wäre aber in ca. 1/3 der Fälle noch kurativ, was Behandlungsfreiheit bedeutet. Leider zu selten genutzt.

    Diese Kritik an der offensichtlichen Hinwendung der Patienten zu operativen Verfahren wird natürlich von den Anbietern dieses Verfahrens ebenfalls mit Studien als bessere Alternative beworben. Zur Zeit ein ganz intensiv publiziertes Thema, oder eine an aktuellen Ereignissen angelehnte Analogie bemühend:

    The Empire Strikes Back

    [demächst hier in diesem Kino… ]
    Who'll survive and who will die?
    Up to Kriegsglück to decide

    #2
    Ich habe mal eine "In-Etwa-Aufstellung" des Umsatzes/Gewinn/Verlust von Standardtherapien und Therapiealternativen für Deutschland erstellt, basierend auf den DRG-Daten bei einer Abrechnung im Krankenhaus, den ambulanten Vergütungen und den privaten Rechnungen, die manche stellen:
    Ich betone, dass es sich dabei um eine nicht validierte Schätzung von mir handelt, denn die lokalen Unkosten sind sicher sehr variabel. Speziell die DRGs sind ja so konzipiert, dass sie eine durchschnittliche Behandlung komplett abdecken, ein "Gewinn" ist dabei nicht eingeplant, aber durchaus möglich, wenn man weniger lokale Kosten hat.
    Vor der Therapie liegende Kosten (z.B. Anschaffung der Geräte, Bildgebung, Biopsien) und Folgekosten (Reha, weitere Therapien (z.B. Inkontinenzbehandlung) usw.) sind nicht mit eingerechnet. Ebenso fehlen Komplikationen, die nach dem 30. Tag eintreten. Das wären dann neue Fälle.

    Therapie Umsatz Gewinn/Verlust
    IRE (à la Offenbach/Heidelberg) 15.000 + 10.000
    RPX offen 9.000 – 12.000 +1.500- 4.000
    Seeds (Fokal) 7.000 + 3.000
    Seeds (Ganze Drüse) 7.500 + 2.500
    Ganzdrüsen-HIFU (inkl. TUR-P) 7.000 + 2.000
    Fokale HIFU (ohne TUR-P) 4.000 +1.000-1.500
    Perkutane Radiotherapie 3.000 +500-1.000
    Active Surveillance 1.000 (5 Jahre) +200 (?)
    Kein Patient 0 +/- 0
    RPX Da Vinci 9.000 – 12.000 - (Minus!) 1.500-3.000
    herzliche Grüße

    M. Schostak

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