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Zweifelhafter Kooperationsvertrag zwischen Klinik und niedergelassenen Urologen

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    Zweifelhafter Kooperationsvertrag zwischen Klinik und niedergelassenen Urologen

    Liebe Forumsteilnehmer,

    nachfolgend ein interessanter Artikel aus der Berliner Morgenpost vom 29.04.2006:

    Streit um "Kopfprämien"
    Kooperation des Klinikbetriebes Vivantes mit niedergelassenen Urologen sorgt für Kritik

    Von Tanja Kotlorz

    Stolz hatte der ehemalige Chef des Berliner Krankenhausunternehmens Vivantes, Wolfgang Schäfer, im vergangenen Jahr einen neuen Kooperationsvertrag, den Vivantes mit niedergelassenen Urologen abgeschlossen hat, präsentiert. Schäfer schwärmte von einem Vertragswerk mit "bundesweitem Modellcharakter". Nun wird die Vereinbarung von Ärzten, dem Berliner Ärztekammerpräsidenten und der Verbraucherzentrale heftig kritisiert. Zum Hintergrund: Vivantes hat mit der Genossenschaft der niedergelassenen Berliner Urologen vereinbart, daß die Ärzte bei Prostatakrebspatienten bestimmte Leistungen erbringen, die Patienten dann zur Operation in das Auguste-Viktoria-Klinikum oder ins Klinikum am Friedrichshain überweisen, wo sie von dortigen Ärzten operiert werden. Die Urologen erhalten von Vivantes dafür je Patient 250 Euro.

    "Man fragt sich, ob die 250 Euro so etwas wie eine Kopfprämie sind, damit der Kassenarzt die Patienten in die Vivantes-Kliniken überweist", sagt der ehemalige Berliner Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin (KV) und Urologe Manfred Richter-Reichhelm. Von der Politik seien Einzelverträge zwischen Kassenärzten, Kliniken und Krankenkassen zwar gewollt, allerdings habe der Wettbewerb auch negative Auswirkungen, wie dieser Fall zeige. Der Direktor der Klinik für Urologie an der Charité in Mitte, Professor Stefan Loening, kritisiert, daß Vivantes versuche, "den Markt in dem Bereich zu kontrollieren".


    Nach Berechnungen des Statistischen Landesamtes wurden im Jahr 2004 in Berliner Kliniken 1593 Männer mit bösartigem Prostatakrebs operiert. Es ist der häufigste bösartige Krebs bei Männern, sagt ein Oberarzt der Urologie, der anonym bleiben möchte. "Die radikale Prostatektomie ist ein wichtiger und begehrter Eingriff für die Urologen in den Kliniken." In Berlin gibt es 17 Kliniken mit urologischen Abteilungen. Die Krankenkassen zahlen 6639 Euro bis 8622 Euro für eine radikale Prostatektomie. Vivantes versuche mit solchen Exklusivverträgen andere Krankenhäuser auszugrenzen, sagt der Urologe.Ein anderer Chefarzt der Urologie einer Berliner Klinik spricht von einer "Wettbewerbsverzerrung" durch den Vivantes-Vertrag. Er habe zehn Prozent weniger Prostatakrebs-Operationen, seitdem Vivantes mit den Praxisärzten kooperiert. Sein Vorwurf: Vivantes zahle Kopfprämien an die Kassenärzte, um an die lukrativen Krebskranken heranzukommen.

    Berlins Ärztekammerpräsident Günther Jonitz bewertet den Vertrag "aus Sicht des Patienten als fraglich". Berufsrechtlich sei es dem Kassenarzt eigentlich gar nicht erlaubt, aufgrund finanzieller Leistungen Patienten bevorzugt in bestimmte Kliniken zu überweisen. Allerdings habe der Gesetzgeber den Medizinern neue Spielräume ermöglicht. "Ich kann den Ärzten nur raten, sich nicht kompromittieren zu lassen", betont Jonitz.

    "Der Vertrag muß offengelegt werden, damit die Patienten wissen, warum sie in die jeweiligen Kliniken geschickt werden", fordert Stefan Etgeton, Gesundheitsreferent bei der Verbraucherzentrale des Bundesverbandes.

    Der landeseigene Klinikbetrieb Vivantes weist dagegen die Vorwürfe zurück: "Wir zahlen keine Kopfprämien", sagt Vivantes-Sprecher Uwe Dolderer. Die niedergelassenen Ärzte erbrächten eine Reihe von medizinischen Leistungen, wie zum Beispiel die Anamnese und eine ausführliche Sonographie, welche die Klinikärzte nicht mehr erbringen müßten. "Wir bekommen jetzt einen systematisch aufgeklärten Patienten", sagt Eberhard Thombansen, aus dem Bereich "Medizin und Qualitätsmanagement" bei Vivantes. Thombansen bestätigt, daß die Patientenzahlen im Bereich Prostatakrebs bei Vivantes gestiegen seien. Doch auch die Qualität der Versorgung verbessere sich in den Vivantes-Kliniken durch den Vertrag, prophezeit Thombansen. Die Qualität der Behandlung wird bei diesem Eingriff an drei Kriterien gemessen: Das onkologische Ergebnis (ist der Tumor entfernt, kehrt er wieder?). Ist der Mann kontinent? Ist die Potenz vorhanden? Inwieweit sich diese Qualitätskriterien seit Vertragsabschluß bei den Patienten verbessert haben, konnte Vivantes nicht mitteilen. Begründung: Das Projekt sei noch zu jung.
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