Hallo zusammen!
Meine Ausgangssituation im Juni 2007: PSA = 49 ng/ml, GS = 7(3+4), T2c, alle 6 Stanzen befallen, Tumorvolumen nach Strum-Tabelle ca. 13ccm. DNA-zytometrisch war die linke Prostatahälfte periteraploid, die rechte Hälfte peridiploid (dort auch nur GS-3-Anteile). Seit Juli 2007 als Primärtherapie ADT3 bzw. DHB. Der PSA im Januar 2008 0,04 ng/ml, im Mai dann < 0,03 ng/ml.
Im Dezember letzten Jahres fuhr ich zu Prof. Strohmaier nach Coburg, um eine Feinnadelaspirationsbiopsie (FNAB) und anschließende Ploidieprüfung vornehmen zu lassen. Ich war neugierig, wie die Entwicklung bislang aussehen würde, da man nach 16 Monaten ADT eine Veränderung erwarten durfte. Mit jeweils einer Nadelung links und rechts wurden Zellen abgesaugt. Meine Prostata war therapiebedingt auf inzwischen 14 ccm geschrumpft, weshalb 2 Einstiche zur Prüfung für ausreichend erachtet wurden.
Das Ergebnis:
1. linke Prostatahälfte: keine Krebszellen gefunden
2. rechte Prostatahälfte: peridiploide Verteilung mit 3% Proliferationsfraktion.
Der Befund war für mich Anlaß zu spontaner Freude, denn es hat laut diesem Ergebnis eine Regression stattgefunden. Ausgerechnet in der linken Prostatahälfte, in der bei der Erstdiagnose noch GS-4 und tetraploide Anteile gefunden wurden, wurden keine Tumorzellen gefunden. Es sind jedoch noch Krebszellen nachweisbar, und zwar diploide in der rechten Hälfte.
Das Ergebnis muss überraschen, denn zu erwarten war eigentlich eine Selektion der tetraploiden Zellpopulationen, so zumindest die Lehrmeinung. Herausgekommen ist jedoch eine Selektion diploider Anteile, die der ADT bislang widerstanden.
Realistischerweise darf man nicht ausschließen, dass noch vorhandene tetraploide Anteile durch die FNAB nicht erreicht wurden. Wären diese Anteile jedoch unverändert umfangreich geblieben, so meine Einschätzung, wäre auch ein relevanter Teil bei der Biopsierung erwischt worden. Die Existenz verbliebener diploider Krebszellen, 11 Monate nach Erreichen eines PSA von < 0,05 ng/ml, ist jedoch real. Die Leibowitzschen 9 Monate bis zur Unterbrechung der Therapie sind – zumindest in meinem Fall – zu kurz, wahrscheinlich auch die Strumschen 12 Monate, soweit man noch von weiterem Apoptosepotential ausgehen darf. Japanische Wissenschaftler warnen vor zu frühzeitiger off-Zeit bei einer IADT (intermittierende ADT) und plädieren für wenigstens 2 – 3 Jahre Hormonentzug. Hier fehlen jedoch die entscheidenden Studien und Beweise.
Meine verbliebenen Krebszellen sind auf jeden Fall robustere. Vielleicht sind auch hormontaube darunter. Vielleicht haben sie auch bereits gelernt, ihr eigenes Testosteron zu produzieren. All dies liegt im Dunkeln und wird sich erst in der Zukunft zeigen.
Die Entwicklung der Bösartigkeit des Tumors bei der Verlaufskontrolle im Auge zu behalten halte ich nach allen Erfahrungen für ein Muß. Natürlich wäre es von Vorteil, dabei sowohl den Gleason wie auch die Ploidie zu kennen. Alle 12 bis 18 Monate jedoch eine Stanzbiopsie vorzunehmen, scheint mir bei meiner verkleinerten Prostata kein guter Ratschlag. Deshalb bevorzuge ich die schonende und komplikationslose Methode der FNAB und verzichte auf den Gleason. PSA (und einige Zusatzmarker) sowie die Ploidie genügen vorerst, alles zahlt die KK und bei Bedarf können weitere Untersuchungen vorgenommen werden.
Auch wenn meine nächste Ploidiebestimmung erst weitere Klarheit verschaffen wird, so muß doch der Widerspruch meines bisherigen Ploidieergebnisses zu den Aussagen der Lehrmeinung namhafter Cytopathologen angesprochen werden. Mit Berufung auf Prof. Tribukait ist bei Prof. Böcking nachzulesen: „Wenn es andererseits Prostatakarzinome gibt, von denen man weiß, dass sie auf bestimmte Behandlungen, wie z.B. eine Hormontherapie, sogar mit einer Wachstumsbeschleunigung antworten, dann muss man diese meiden. Dies trifft für DNA-peritetraploide Prostatakarzinome zu.“ Meine These ist, dass hormoninsensitive Zellen bei jedem Ploidiegrad vorkommen können und tetraploide Tumore nicht apriori für eine ADT ungeeignet sind, auch wenn bei diesem Befund die Prognose tatsächlich schlechter ist. Darin sehe ich mich durch mein jetziges DNA-Ergebnis bestätigt. Da sind wir dann auch wieder bei Prof. Bonkhoff: „Über die prognostische Bedeutung des peritetraploiden DNA-Befundes im Rahmen der modernen, zeitlich limitierten, dreifachen Androgenblockade gibt es bislang überhaupt keine Daten. Einem Patienten auf Grund eines peritetraploiden Histogrammes generell von der Hormontherapie abzuraten, ist daher nicht zulässig.“
Nachfolgend ein kleiner Exkurs, der zeigen soll, wie ich derzeit die Dinge sehe. Ich hatte den Part schon länger formuliert gehabt, jedoch noch nicht ins Forum gestellt:
Die Ploidie zeigt mit der optischen Dichte eine „physikalische“ Eigenschaft der Krebszellen auf und diese Eigenschaft ist ein Charakteristikum aller Krebsarten. Daran ist nichts PK-spezifisches. Nichtsdestotrotz ist die Ploidie erwiesenermaßen von hohem prognostischen Aussagewert und ist somit ein wichtiger diagnostischer Marker, der insbesondere bei Gleason-7-Tumoren wertvolle zusätzliche Hinweise über das Risikopotential geben kann. Das chromosomale Chaos bei Krebs, das die Aneuploidie widerspiegelt, ist jedoch in meiner Sicht weder die Ursache noch die Dominante in der weiteren Entwicklung. Es sind vielmehr spezifische genetische Veränderungen, die hier zum Tragen kommen und die bislang ungeklärt sind. Aneuploidie ist nur ein Ausdruck dieser Veränderungen, die zu einer Dysfunktionalität der Steuerungsmechanismen einer regulären Zellteilung führten.
Ein aneuploider Tumor ist durch eine Zellkernstruktur gekennzeichnet, in der sich Chromosomen verdoppelt haben, Chromosomenbruchstücke fehlen oder sich hinzuaddiert haben. Es gibt interessante zytologische Untersuchungen, die belegen, dass bei aneuploiden Tumoren auffällig häufig bestimmte Chromosomensegmente fehlen oder von Änderungen betroffen sind. Alterationen des Chromosoms 7 wurden in einer Studie bei 96% der Patienten mit schlechter Prognose gefunden(1). Ebenso wurden bei beschleunigter Tumorprogression Schädigungen des Chromosoms 8 festgestellt(2). Auch der Verlust von Chromosom 17 scheint eine bedeutende Rolle zu in der Tumorentwicklung spielen (3). Die Geninformationen sitzen zu Tausenden auf den Chromosomen. Es fällt nicht schwer sich vorzustellen, dass eine bestimmte Struktur chromosomaler Destruktion solche strategischen, das Aggressivitätspotential des Tumors tangierende Informationen treffen kann oder auch nicht. Das Tumorsuppressorgen PTEN sitzt z.B. auf Chromosom 10q23. In logischer Konsequenz gilt die folgende Sichtweise: Entscheidend ist bei der Aneuploidie nicht die Aberration per se, sondern die Frage, welche molekularbiologischen bzw. biochemischen Prozesse durch die Deformation der diploiden Chromosomen betroffen sind und eine progressionsrelevante Beeinträchtigung hervorrufen.
Um ein Bild zu bemühen: Ein Haus mag durch ein Erdbeben stark beschädigt sein bis hin zur Einsturzgefahr. Es kann aber nach wie vor bewohnbar sein, d.h. die Elektrizität, die Wasserversorgung, Schlaf- und Kochgelegenheiten können durchaus noch mehr oder weniger funktionsfähig und verfügbar sein. Genauso scheint es mir mit der Ploidie zu sein. Sie signalisiert lediglich eine physikalische Veränderung und erlaubt allenfalls eine statistische Aussage über die Wahrscheinlichkeit funktionell-biologischer Beeinträchtigungen.
In der Cytopathologie gibt es eine Richtung, die leider die falsche Vorstellung nährt, als würde eine mittels Ploidie nachgewiesene sukzessive Malignisierung den Weg des hormonabhängigen Tumors zum hormonunabhängigen aufzeichnen. In der Konsequenz wird bei tetraploiden Tumoren vor einer Hormontherapie gewarnt und ihr sogar Schädlichkeit attestiert. Ein wiederholter HB-Zyklus wird zum risikoreichen Roulettespiel erklärt. Um diese weitreichende Therapierestriktion zu bekräftigen, wurde ihr die griffige Parole „Die Guten schaffen Platz für die Bösen“ zur Seite gestellt. Nach heutigem Stand scheint mir diese These eher populistisch denn wissenschaftlich fundiert. In der Konsequenz müßte man auch gegen antiagionistische und antiinflammatorische Supplemente zu Felde ziehen, denn bei Wirksamkeit werden wohl auch hier primär die weniger schlecht differenzierten Tumoranteile zurückgedrängt. Auch hier findet die inkriminierte Selektion statt.
Die Herausbildung einer Androgenresistenz und die ploidale Malignisierung sind zwei völlig unterschiedliche pathologische Kategorien. Meine obigen Ausführungen sollten dies verdeutlichen, wobei diese auch nur die genetische, intrazelluläre Sicht beleuchtete.
Eine Hormontherapie kann u. U. schnell an ihre Grenzen stoßen. Genauso richtig ist, dass die Leibowitzsche DHB oder allgemein eine ADT durchaus in der Lage ist, eine „Heilung“ herbeizuführen. Es gibt Patienten, die nach chemischer oder chirurgischer Kastration (also dauerhafte ADT) noch nach 20 Jahren lebten. In Japan ist die Haupttherapie über alle Stadien nach Stand von 2007 mit 60% die PADT (Primäre Androgendeprivation). Nach aktuellen Zahlen hatten 86%, in anderen Statistiken bis zu 96% der Geringrisikopatienten und selbst noch 40% der Hochrisikopatienten ein progressionsfreies Krankheitsüberleben von 10 Jahren. Natürlich wäre allemal interessant zu wissen, wie sich bei diesen „Langzeitgeheilten“ analog die Ploidie darstellt und entwickelte. Sicherlich nicht alles diploide Verteilungen und ein Großteil hätte auch AS machen können.
Die Sachlage scheint jedoch zu bestätigen: Ob und wie schnell sich eine Progression einstellt oder gar ein AUPK herausbilden könnte, das entscheidet in erster Linie nicht der Status der Ploidie, sondern dies wird entschieden mit der Frage, wie das System der Androgenrezeptoren geartet ist und sich unter Androgenentzug verhält. Ich halte es für einen Irrweg von Vertretern der Cytopathologie, wenn sie ADT allenfalls für diploide Tumoren zulassen will. Es gibt aus meiner Sicht keine eherne Zwangsläufigkeit zur Herausbildung von Hormontaubheit, die womöglich mit einen ersten Zyklus DHB oder HB3 bereits initiiert worden wäre.
Wir müssen vielleicht die Vorstellung über Bord werfen, wonach AUPK nur durch bereits androgenunabhängige Zellpopulationen in initialen Tumoren entsteht, die unter Hormontherapie selektiert werden. Heute wissen wir, dass Zellpopulationen selbst im androgendepriviertem Milieu weiterexistieren können, weil sie das entzogene Androgen in der Lage sind selbst zu produzieren. Und dies können vermutlich diploide wie tertraploide Zellen.
Grüße aus Rudersberg
Hartmut
Meine Ausgangssituation im Juni 2007: PSA = 49 ng/ml, GS = 7(3+4), T2c, alle 6 Stanzen befallen, Tumorvolumen nach Strum-Tabelle ca. 13ccm. DNA-zytometrisch war die linke Prostatahälfte periteraploid, die rechte Hälfte peridiploid (dort auch nur GS-3-Anteile). Seit Juli 2007 als Primärtherapie ADT3 bzw. DHB. Der PSA im Januar 2008 0,04 ng/ml, im Mai dann < 0,03 ng/ml.
Im Dezember letzten Jahres fuhr ich zu Prof. Strohmaier nach Coburg, um eine Feinnadelaspirationsbiopsie (FNAB) und anschließende Ploidieprüfung vornehmen zu lassen. Ich war neugierig, wie die Entwicklung bislang aussehen würde, da man nach 16 Monaten ADT eine Veränderung erwarten durfte. Mit jeweils einer Nadelung links und rechts wurden Zellen abgesaugt. Meine Prostata war therapiebedingt auf inzwischen 14 ccm geschrumpft, weshalb 2 Einstiche zur Prüfung für ausreichend erachtet wurden.
Das Ergebnis:
1. linke Prostatahälfte: keine Krebszellen gefunden
2. rechte Prostatahälfte: peridiploide Verteilung mit 3% Proliferationsfraktion.
Der Befund war für mich Anlaß zu spontaner Freude, denn es hat laut diesem Ergebnis eine Regression stattgefunden. Ausgerechnet in der linken Prostatahälfte, in der bei der Erstdiagnose noch GS-4 und tetraploide Anteile gefunden wurden, wurden keine Tumorzellen gefunden. Es sind jedoch noch Krebszellen nachweisbar, und zwar diploide in der rechten Hälfte.
Das Ergebnis muss überraschen, denn zu erwarten war eigentlich eine Selektion der tetraploiden Zellpopulationen, so zumindest die Lehrmeinung. Herausgekommen ist jedoch eine Selektion diploider Anteile, die der ADT bislang widerstanden.
Realistischerweise darf man nicht ausschließen, dass noch vorhandene tetraploide Anteile durch die FNAB nicht erreicht wurden. Wären diese Anteile jedoch unverändert umfangreich geblieben, so meine Einschätzung, wäre auch ein relevanter Teil bei der Biopsierung erwischt worden. Die Existenz verbliebener diploider Krebszellen, 11 Monate nach Erreichen eines PSA von < 0,05 ng/ml, ist jedoch real. Die Leibowitzschen 9 Monate bis zur Unterbrechung der Therapie sind – zumindest in meinem Fall – zu kurz, wahrscheinlich auch die Strumschen 12 Monate, soweit man noch von weiterem Apoptosepotential ausgehen darf. Japanische Wissenschaftler warnen vor zu frühzeitiger off-Zeit bei einer IADT (intermittierende ADT) und plädieren für wenigstens 2 – 3 Jahre Hormonentzug. Hier fehlen jedoch die entscheidenden Studien und Beweise.
Meine verbliebenen Krebszellen sind auf jeden Fall robustere. Vielleicht sind auch hormontaube darunter. Vielleicht haben sie auch bereits gelernt, ihr eigenes Testosteron zu produzieren. All dies liegt im Dunkeln und wird sich erst in der Zukunft zeigen.
Die Entwicklung der Bösartigkeit des Tumors bei der Verlaufskontrolle im Auge zu behalten halte ich nach allen Erfahrungen für ein Muß. Natürlich wäre es von Vorteil, dabei sowohl den Gleason wie auch die Ploidie zu kennen. Alle 12 bis 18 Monate jedoch eine Stanzbiopsie vorzunehmen, scheint mir bei meiner verkleinerten Prostata kein guter Ratschlag. Deshalb bevorzuge ich die schonende und komplikationslose Methode der FNAB und verzichte auf den Gleason. PSA (und einige Zusatzmarker) sowie die Ploidie genügen vorerst, alles zahlt die KK und bei Bedarf können weitere Untersuchungen vorgenommen werden.
Auch wenn meine nächste Ploidiebestimmung erst weitere Klarheit verschaffen wird, so muß doch der Widerspruch meines bisherigen Ploidieergebnisses zu den Aussagen der Lehrmeinung namhafter Cytopathologen angesprochen werden. Mit Berufung auf Prof. Tribukait ist bei Prof. Böcking nachzulesen: „Wenn es andererseits Prostatakarzinome gibt, von denen man weiß, dass sie auf bestimmte Behandlungen, wie z.B. eine Hormontherapie, sogar mit einer Wachstumsbeschleunigung antworten, dann muss man diese meiden. Dies trifft für DNA-peritetraploide Prostatakarzinome zu.“ Meine These ist, dass hormoninsensitive Zellen bei jedem Ploidiegrad vorkommen können und tetraploide Tumore nicht apriori für eine ADT ungeeignet sind, auch wenn bei diesem Befund die Prognose tatsächlich schlechter ist. Darin sehe ich mich durch mein jetziges DNA-Ergebnis bestätigt. Da sind wir dann auch wieder bei Prof. Bonkhoff: „Über die prognostische Bedeutung des peritetraploiden DNA-Befundes im Rahmen der modernen, zeitlich limitierten, dreifachen Androgenblockade gibt es bislang überhaupt keine Daten. Einem Patienten auf Grund eines peritetraploiden Histogrammes generell von der Hormontherapie abzuraten, ist daher nicht zulässig.“
Nachfolgend ein kleiner Exkurs, der zeigen soll, wie ich derzeit die Dinge sehe. Ich hatte den Part schon länger formuliert gehabt, jedoch noch nicht ins Forum gestellt:
Die Ploidie zeigt mit der optischen Dichte eine „physikalische“ Eigenschaft der Krebszellen auf und diese Eigenschaft ist ein Charakteristikum aller Krebsarten. Daran ist nichts PK-spezifisches. Nichtsdestotrotz ist die Ploidie erwiesenermaßen von hohem prognostischen Aussagewert und ist somit ein wichtiger diagnostischer Marker, der insbesondere bei Gleason-7-Tumoren wertvolle zusätzliche Hinweise über das Risikopotential geben kann. Das chromosomale Chaos bei Krebs, das die Aneuploidie widerspiegelt, ist jedoch in meiner Sicht weder die Ursache noch die Dominante in der weiteren Entwicklung. Es sind vielmehr spezifische genetische Veränderungen, die hier zum Tragen kommen und die bislang ungeklärt sind. Aneuploidie ist nur ein Ausdruck dieser Veränderungen, die zu einer Dysfunktionalität der Steuerungsmechanismen einer regulären Zellteilung führten.
Ein aneuploider Tumor ist durch eine Zellkernstruktur gekennzeichnet, in der sich Chromosomen verdoppelt haben, Chromosomenbruchstücke fehlen oder sich hinzuaddiert haben. Es gibt interessante zytologische Untersuchungen, die belegen, dass bei aneuploiden Tumoren auffällig häufig bestimmte Chromosomensegmente fehlen oder von Änderungen betroffen sind. Alterationen des Chromosoms 7 wurden in einer Studie bei 96% der Patienten mit schlechter Prognose gefunden(1). Ebenso wurden bei beschleunigter Tumorprogression Schädigungen des Chromosoms 8 festgestellt(2). Auch der Verlust von Chromosom 17 scheint eine bedeutende Rolle zu in der Tumorentwicklung spielen (3). Die Geninformationen sitzen zu Tausenden auf den Chromosomen. Es fällt nicht schwer sich vorzustellen, dass eine bestimmte Struktur chromosomaler Destruktion solche strategischen, das Aggressivitätspotential des Tumors tangierende Informationen treffen kann oder auch nicht. Das Tumorsuppressorgen PTEN sitzt z.B. auf Chromosom 10q23. In logischer Konsequenz gilt die folgende Sichtweise: Entscheidend ist bei der Aneuploidie nicht die Aberration per se, sondern die Frage, welche molekularbiologischen bzw. biochemischen Prozesse durch die Deformation der diploiden Chromosomen betroffen sind und eine progressionsrelevante Beeinträchtigung hervorrufen.
Um ein Bild zu bemühen: Ein Haus mag durch ein Erdbeben stark beschädigt sein bis hin zur Einsturzgefahr. Es kann aber nach wie vor bewohnbar sein, d.h. die Elektrizität, die Wasserversorgung, Schlaf- und Kochgelegenheiten können durchaus noch mehr oder weniger funktionsfähig und verfügbar sein. Genauso scheint es mir mit der Ploidie zu sein. Sie signalisiert lediglich eine physikalische Veränderung und erlaubt allenfalls eine statistische Aussage über die Wahrscheinlichkeit funktionell-biologischer Beeinträchtigungen.
In der Cytopathologie gibt es eine Richtung, die leider die falsche Vorstellung nährt, als würde eine mittels Ploidie nachgewiesene sukzessive Malignisierung den Weg des hormonabhängigen Tumors zum hormonunabhängigen aufzeichnen. In der Konsequenz wird bei tetraploiden Tumoren vor einer Hormontherapie gewarnt und ihr sogar Schädlichkeit attestiert. Ein wiederholter HB-Zyklus wird zum risikoreichen Roulettespiel erklärt. Um diese weitreichende Therapierestriktion zu bekräftigen, wurde ihr die griffige Parole „Die Guten schaffen Platz für die Bösen“ zur Seite gestellt. Nach heutigem Stand scheint mir diese These eher populistisch denn wissenschaftlich fundiert. In der Konsequenz müßte man auch gegen antiagionistische und antiinflammatorische Supplemente zu Felde ziehen, denn bei Wirksamkeit werden wohl auch hier primär die weniger schlecht differenzierten Tumoranteile zurückgedrängt. Auch hier findet die inkriminierte Selektion statt.
Die Herausbildung einer Androgenresistenz und die ploidale Malignisierung sind zwei völlig unterschiedliche pathologische Kategorien. Meine obigen Ausführungen sollten dies verdeutlichen, wobei diese auch nur die genetische, intrazelluläre Sicht beleuchtete.
Eine Hormontherapie kann u. U. schnell an ihre Grenzen stoßen. Genauso richtig ist, dass die Leibowitzsche DHB oder allgemein eine ADT durchaus in der Lage ist, eine „Heilung“ herbeizuführen. Es gibt Patienten, die nach chemischer oder chirurgischer Kastration (also dauerhafte ADT) noch nach 20 Jahren lebten. In Japan ist die Haupttherapie über alle Stadien nach Stand von 2007 mit 60% die PADT (Primäre Androgendeprivation). Nach aktuellen Zahlen hatten 86%, in anderen Statistiken bis zu 96% der Geringrisikopatienten und selbst noch 40% der Hochrisikopatienten ein progressionsfreies Krankheitsüberleben von 10 Jahren. Natürlich wäre allemal interessant zu wissen, wie sich bei diesen „Langzeitgeheilten“ analog die Ploidie darstellt und entwickelte. Sicherlich nicht alles diploide Verteilungen und ein Großteil hätte auch AS machen können.
Die Sachlage scheint jedoch zu bestätigen: Ob und wie schnell sich eine Progression einstellt oder gar ein AUPK herausbilden könnte, das entscheidet in erster Linie nicht der Status der Ploidie, sondern dies wird entschieden mit der Frage, wie das System der Androgenrezeptoren geartet ist und sich unter Androgenentzug verhält. Ich halte es für einen Irrweg von Vertretern der Cytopathologie, wenn sie ADT allenfalls für diploide Tumoren zulassen will. Es gibt aus meiner Sicht keine eherne Zwangsläufigkeit zur Herausbildung von Hormontaubheit, die womöglich mit einen ersten Zyklus DHB oder HB3 bereits initiiert worden wäre.
Wir müssen vielleicht die Vorstellung über Bord werfen, wonach AUPK nur durch bereits androgenunabhängige Zellpopulationen in initialen Tumoren entsteht, die unter Hormontherapie selektiert werden. Heute wissen wir, dass Zellpopulationen selbst im androgendepriviertem Milieu weiterexistieren können, weil sie das entzogene Androgen in der Lage sind selbst zu produzieren. Und dies können vermutlich diploide wie tertraploide Zellen.
Grüße aus Rudersberg
Hartmut
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