Ich fürchte, das entspricht dem allgemeinen Standard, oder bin ich da an ein besonders schlampiges Institut geraten?
Bessere Erkennung befallener Bereiche
Das Vorgehen bei der Baugrunderkundung in meiner Branche, der Offshore-Windtechnik, weist gewisse Parallelen mit der Erkennung des Prostatakrebses auf. Deshalb beschreibe ich dies hier näher:
Auch dort erfolgt eine Vermessung mit reflektionsakustischen Methoden (Analogie zu Ultraschall). Mit Hilfe dieses bildgebenden Verfahrens (Längsschnitte, die im Idealfall abgrenzbare Schichten darstellen) werden Probenahmepunkte festgelegt. Dort werden u.a. Bodenproben genommen (Analogie zu Stanzbiopsien), und diese im Labor untersucht.
Ganz selbstverständlich wird dabei die Lage der Bohrlöcher und die Anordnung der Bodenproben eines Bohrlochs genau festgehalten, so dass man anschließend u.a. genau weiß, in welcher Tiefe welche Bodenart vorkommt.
Als nächster Schritt erfolgt eine Zuordnung der so gewonnenen Erkenntnisse zu den reflektionsakustischen Messergebnissen: Die Seismik lässt meist Schichten erkennen und erlaubt gewisse Vermutungen über die Bodenart. Aber erst mit Hilfe der Klassifizierung aus den Bohrungen können dann bestimmten Schichten die entsprechenden Eigenschaften zugewiesen werden. Damit kann über die eigentlichen Bohrpunkte hinaus eine begründete Vermutung getroffen werden, welche Bodenart wo in welcher Tiefe vorliegt.
Bei der Baugrunderkundung in meiner Branche werden die Schichten noch von einem Bearbeiter selbst am Bildschirm in den nur mäßig umgewandelten Graustufen der Reflektionsakustik identifiziert. Noch wesentlich fortgeschrittener ist die Öl- und Gasindustrie, die ihre reflektionsakustischen Messergebnisse mit aufwändigen Programmen analysiert, um bessere Erkenntnisse über potentielle Lagerstätten zu gewinnen.
Die Urologie bleibt demgegenüber bei der Identifizierung von Tumoren meilenweit zurück, wenn bei der mit transrektalem Ultraschall gesteuerten Biopsie
- nicht die Lage der Stanze in Relation zum Organ protokolliert wird,
- nicht die Position des Stanzmaterials (und der Tumorbereiche) entlang der Stanzstrecke protokolliert wird, sondern dieses (in meinem Fall, Krankenhaus in Berlin Lichtenberg) in beliebiger Ausrichtung zur Histologie gegeben wird
- kein Ultraschallbild gewonnen und abgespeichert wird, das die Lage der Stanze im Organ darstellt. Das wäre hier eigentlich wohl recht leicht möglich, weil ja zwischen den einzelnen Stanzungen Ultraschall-Aufnahmen erfolgen, mit denen gezielt wird, um die Stanze im richtigen Teil der Prostata vorzunehmen. (Demgegenüber erfolgen in meiner Branche die akustischen Aufnahmen - hier des Meeresgrundes - Monate vorher und müssen nachträglich den „Stanzen“ bzw. Bodenproben zugeordnet werden.)
Meiner Meinung sollte es zunächst zum Standard werden,
- dass bei der Stanzbiopsie regelmäßig ein dreidimensionales, d.h. schichtenweises Ultraschall-Bild der gesamten Prostata aufgenommen und abgespeichert wird,
- dass die Lage der Stanzungen (Biopsien) protokolliert wird und jeweils ein Ultraschallbild gewonnen wird, das genau die Lage der Stanze darstellt,;
- dass nach der Histologie eine Zuordnung der festgestellten Gewebearten zunächst zu der entsprechenden Schicht des Ultraschallbildes, anschließend auch in räumlicher Hinsicht, erfolgt.
Während bislang regelmäßig nur der Karzinomanteil in den Stanzen angegeben wird, würde mit vorstehender Vorgehensweise eine bessere Abschätzung möglich sein, welcher Anteil des gesamten Organs befallen ist.
Unter anderem können zwei Ergebnisse eintreten:
- Es lässt sich ein räumlicher Zusammenhang zwischen der Lage von Tumorzellen in der Stanze und einem im Ultraschallbild erkennbaren Bereich herstellen: Dann besteht die begründete Vermutung, dass der im Ultraschallbild erkennbare Bereich insgesamt durch das Karzinom verursacht wird. Insbesondere wird man dann bei Karzinombefunden in mehreren Stanzen erkennen bzw. abschätzen können, ob diese aus verschiedenen Stellen desselben Tumorbereichs stammen, oder von verschiedenen Bereichen.
- In anderen Fällen wird man keinen derartigen Zusammenhang herstellen können, oder jedenfalls nicht für einen Teil des Tumormaterial in den Stanzen. Dies könnte im Fall recht kleiner Tumorbereiche in den Stanzen darauf hindeuten, dass es sich insgesamt um kleine Bereiche handelt, die jedenfalls im Ultraschall noch nicht erkennbar sind.
Eine „Vermessung“ der Lage der Stanzen ermöglich auch einen späteren Vergleich mit anderen bildgebenden Verfahren (z.B. MRI).
Unerlässlich wird die Lagebestimmung des Tumors und damit der Position der Stanzen, wenn eine kurative Behandlung der Prostata in Betracht kommt, bei der im Rahmen einer fokalen Therapie lediglich die befallenen Bereiche behandelt (d.h. abgetötet) werden sollen, während andere Teile der Prostata unverletzt bleiben und so eine Heilung angestrebt wird.
Wahrscheinlich wird man für die Biopsien mit Lagebestimmung und Ultraschallauszeichnung eine besondere Ziffer der Gebührenordnung für Arzte einführen müssen, um dem besseren Verfahren zur Durchsetzung zu verhelfen. Es wäre vorteilhaft, wenn bei der Gelegenheit die bisherige Vorgehensweise eine deutlich abwertende Bezeichnung (z.B. „ohne Aufzeichnung der Stanzposition“) erhält, damit zum einen nicht aus Gewohnheit Verschreibungen im alten Stil fortgeführt werden, zum anderen der Patient auch hellhörig wird, wenn etwas „fehlt“. Das würde wohl die Überweisung an Spezialisten fördern, die eine bessere Stanztechnik dereinst durchführen können.
Zusammenfassung
Mit nur mäßig gesteigertem apparativem Aufwand könnte die Aussagekraft von Ultraschall-gesteuerten Stanzbiopsien wesentlich verbessert werden. Erforderlich ist eine räumliche Zuordnung von Stanzen bzw. histologischen Ergebnissen mit den Ultraschallaufnahmen. Dies gilt insbesondere bei relativ frühen Stadien des Prostatakarzinoms, also wenn dieses nur in relativ kleinen Prozentsätzen der Stanzen (und erwartungsgemäß auch der Prostata) vorkommt.
Die bessere Lagebestimmung kann zu einer besseren Abschätzung der Abmessung von Karzinomen beitragen, vor allem, wenn diese sich bereits in der Ultraschallaufnahme abzeichnen, aber ohne die Stanze noch nicht eindeutig zuzuordnen sind. Für eine kurative Behandlung der Prostata mit fokaler, auf das Karzinom beschränkter Einwirkung, ist eine Lagebestimmung unabdingbar, und wenn „von Anfang an“ die Position von Stanzen dokumentiert ist, reduziert das den Umfang von Folgeuntersuchungen bzw. erhöht die Zielsicherheit.
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