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Paradigmenwechsel bei der Hormontherapie II

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    #46
    Hallo LowRoad,
    hervorragend, sehr interessant ist Dein letzter Beitrag, und ich freue mich schon auf die Fortsetzung. Ich habe dazu noch eine Frage, und zwar handelt es sich um eine Übersetzung oder ist es eine Eigenschöpfung aus Recherchen?
    Gruß Knut.

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      #47
      Hallo Lowroad. Meine Anerkennung zu Deiner hervorragenden Recherche und Fragestellung. Wäre es aber nicht besser, Du machtes damit einen eigenen Thread auf, da neu Interessierten nicht zugemutet werden sollte, alles Vorhergehende noch zu lesen?
      Die Frage der sofortigen oder verzögerten Hormontherapie interessiert mich als von der Fragestellung direkt Betroffener natürlich sehr, denn seit Beginn meiner Beschwerden im November 2009 wehre ich mich fast schon verzweifelt gegen die gutgemeinten Absichten meiner behandelnden Ärzte, bei mir eine Hormontherapie zu beginnen. Die Diverrgenz zur herrschenden Lehrmeinung ist sogar noch größer geworden, nachdem die Charité mir anlässlich einer TUR-P einen Gleason 4+5 attestiert hat und die Ärztin im Krankenhaus mir auf mein Einwände wegen der Nebenwirkungen die Kastration angeboten hatte, von der sie sagte, dass dies jetzt so gut gemacht werden könne, dass äußerlich nichts zu sehen sei.
      Mein Widerstand gründet sich aber in Wirklichkeit nicht so sehr auf die Nebenwirkungen der Hormontherapie sondern viel mehr auf die Forschungsergebnisse der Cytopathologie, insbes. aber auf die Lehre von Patrick Walsh, nachlesbar in seinem Buch Guide to Surviving Prostate Cancer, wo er im Abschnitt über die Hormontherapie S. 439 "When Should You Begin Hormonal Therapy" ausführlich und überzeugend darlegt, dass es keinen Sinn macht sondern nur schadet, Hormontherapie v o r dem Beginn krebsinduzierter Beschwerden zu beginnen. Er bezieht sich hierbei auf "a study done by the Veterans Administration Cooperative Urological Research Group". "The study", schreibt er, "though not originally intended for this purpose, turned into a comparison of early hormonal therapy versus delayed treatment. There was no difference in survival between the men who started hormonal therapy late and the men who had been on it all along." Er bewertet die schon ältere Studie als "rock solid and still holds up today".

      Du hast, wie ich aus Deinen Beiträgen sehe, sehr guten Zugang zu amerikanischen Quellen und wärest besser in der Lage als ich, zu der von Dir gestellten Frage zu verlässlichen Schlussfolgerungen zu kommen. Die Antwort, wer hier Recht hat, ist einigermaßen brisant, da die vorherrschende Lehrmeinung, auch bei Privatärzten wie Scholz, Myers, die in der Regel besser informiert sind als das urologische Fußvolk, in der frühzeitigen Hormontherapie einen Überlebensvorteil sieht.

      Völlig getrennt hiervon sollte man betrachten die Hormontherapie als Ersttherapie (DHB)bei Niedrig-Risiko-Krebs, wo nach Leibowitz kurativer Erfolg zu erzielen ist, sowie begleitende Hormontherapie bei Bestrahlung oder zwecks Verkleinerung der Tumormasse vor radikaler Behandlung. In diesen Fällen steht der Einsatz der Hormontherapie außer Zweifel.

      Gruß, Reinardo

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        #48
        Lieber Reinhard,
        diesmal stimmen wir in unseren Ansichten ziemlich überein bis auf eine Ausnahme, die auch LowRoad in seinem Beitrag anders als Du beurteilt, und zwar

        Völlig getrennt hiervon sollte man betrachten die Hormontherapie als Ersttherapie (DHB)bei Niedrig-Risiko-Krebs, wo nach Leibowitz kurativer Erfolg zu erzielen ist
        - Nehmen wir einmal Deine Ausgangsbasis mit GS 2 + 3 und PSA 8,9, was doch als Niedrig-Risiko-Krebs anzusehen ist. Dir hat die DHB nicht den erhofften kurativen Erfolg gebracht. Was ist denn nun für die DHB als die Grenze anzunehmen etwa GS 4 oder gar GS 3?

        - Nehmen wir einmal HorstK. Horst sagt in einem anderen Thread schon etwas resigniert/verzweifelt „JA, so kann's geh'n...
        ...verheißungs- und schwungvoll gestartet und nach 4 Therapien (DHB, RPE, Rezidiv-u.Lymphknoten-OP und Strahlentherapie) metastasiert gelandet.“
        und an anderer Stelle „Meine DHB waren verlorene Jahre.“
        Das ist auch meine Meinung, und diese geht noch weiter, denn ohne DHB wären seine Chancen für einen kurativer Erfolg aussichtsreicher gewesen, und zwar frei nach Tribukait und Altmeister Böcking, der es mit seiner so „geliebten“ Aussage, „Die Guten machen Platz für die Bösen“ auf den Punkt gebracht hat. Übrigens haben die Verläufe bei Horst und bei Ludwig und später bei Ralf meine Zweifel an der DHB geweckt, so dass ich parallel zur DHB einen kurativen Ansatz mit der Protonenbestrahlung gewählt habe.

        - Leichter Themenwechsel. Nehmen wir jürgvw. Als ich Labrie las, musste ich sofort an Jürg denken, der seine Hormontherapie nach dem Protokoll von Labrie durchgeführt hat, und zwar bis sie nicht mehr gewirkt hat. Dann folgte Chemo mit Taxotere, also ein Ablauf gemäß S3 Leitlinie.
        Nach den hier vorgetragenen Horrorszenarien müsste Jürg schon längst tot sein- entschuldige bitte Jürg. Seine Überlegungen, seine Planung, seine Durchführung und seine Ergebnisse kann jeder in den KISP-Texten nachlesen.

        Ich habe mich sowieso gewundert, warum Jürgs Therapieablauf, seine Erfolge nicht im Forum diskutiert wurden. Vielleicht, weil es nur in der Leitlinie steht?
        Gruß Knut.
        Zuletzt geändert von knut.krueger; 03.07.2011, 23:25. Grund: Namensberichtigung

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          #49
          Lieber Knut,

          es ist sehr freundlich, dass Du an mich denkst, und ich habe natürlich nichts dagegen, immer noch nicht ein Opfer der Horrorszenen geworden zu sein. Präzisieren muss ich aber, dass es die Leitlinien S3 zurzeit meiner Diagnose im Jahr 1999 noch nicht gab (zumindest nicht in der heutigen Form). Ich werde als Einwohner einer zweisprachigen Stadt (Deutsch/Französisch) von einem französischprachigen Urologen behandelt, der seine Ausbildung an einer schweizerischen Universität der Westschweiz bekam, wo Prof. Labrie einen grossen Stellenwert hatte. Das erklärt die HB2 als Ersttherapie, obwohl das schon damals den schweizerischen Richtlinien nicht entsprach (aber wohl der Diagnose mit Fernmetastasen gerecht wurde).

          Ich glaube auch, dass es für mich von Vorteil war, relativ früh zu einer Onkologin gewechselt zu haben (beim Uro, einem ausgezeichneten Mann, bekomme ich immer noch meine Eligard), die ohne grosse Umstände bereit war, mit mir auch Ketoconazol zu versuchen - mit erfreulichem Erfolg. Auch die von ihr vorgeschlagene Taxtotere-Therapie war erfolgreich, doch kommt nun auch bei mir der Moment, wo ich ernsthaft überlegen muss, was geschehen soll, wenn die zweite Taxotere-Phase die Wirkung verliert. Abirateron lässt ja immer noch auf sich warten und ist zudem verwandt mit Ketoconazol, das ich schon ausgereizt habe.

          Diese Fragen werde ich mit meiner Onkologin in den nächsten Monaten gründlich diskutieren und darüber berichten, und zwar nicht nur bei Erfolg, sondern auch beim nie auszuschliessenden Misserfolg. Bei dieser Diskussion wird S3 wichtig, aber sicher nicht sakrosankt sein...

          Beste Grüsse und Wünsche an alle

          Jürg
          Zuletzt geändert von RalfDm; 06.07.2011, 09:03. Grund: Wunsch des Verfassers
          Meine vollständige PK-Geschichte findet sich hier:
          http://www.myprostate.eu/?req=user&id=37

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            #50
            ...Er bezieht sich hierbei auf "a study done by the Veterans Administration Cooperative Urological Research Group". "The study", schreibt er, "though not originally intended for this purpose, turned into a comparison of early hormonal therapy versus delayed treatment. There was no difference in survival between the men who started hormonal therapy late and the men who had been on it all along." Er bewertet die schon ältere Studie als "rock solid and still holds up today"...
            Hallo Reinardo,
            vielen Dank für Dein Lob. Ich weiss natürlich, dass Du einen speziellen Weg gehst und auch gehen willst, den Du in den von Dir beschrieben Papieren bestätigt siehst. In Deinem Verweis auf Patrick Walsh bezieht sich dieser auf die Studie der "Veterans Administration Cooperative Urological Research Group" (VACURG), welche ich ebenfalls in meine Betrachtung (siehe oben) aufgenommen hatte. Vielleicht bin ich nicht ganz einverstanden mit dem Fazit von Patrick Walsh, weshalb ich diese Studie, es sind eigentlich 3, noch mal genauer beleuchten möchte.

            VACURG-I startete 1960(!) und untersuchte, ob frühe oder verzögerte Hormonblockade mittels Kastration, 5mg Östrogen (DES = Diethylstilbestrol), oder Placebo längeres Gesamtüberleben bringt. Wie ich gezeigt hatte, brachte diese Studie vergleichbare Gesamtüberlebensraten bei cT3, cT4 Patienten, die als palliativ angesehen keine lokale Therapieform angeboten bekamen. Bei Patienten, die als pT1 oder pT2 diagnostiziert wurden, wurde vor Hormontherapie die Prostata operativ entfernt.

            StageIIIIIIIV
            TreatmentPx+PPx+EPx+PPx+EPEO+PO+EPEO+PO+E
            Number of patients60608594262265266257223211203216
            Cancer of prostate328246183525105829782
            Cardiovascular20252532881129510855765659
            Other causes7109124350544829232940
            Total deaths30374246177180184181189181182181

            Px = Radical prostatectomy
            P = Placebo
            E = 5mg Diethylstilbestrol daily
            O = Orchiectomy

            Wie man sieht, dass pT1 Patienten unter Hormontherapie ein schlechteres Gesamtüberleben haben, als wenn sie Placebo bekommen hätten. Dies resultiert hauptsächlich aus den zusätzlichen Herzinfakarkt + Tod durch "other causes". Das die krankheitsspezifische Sterblichkeit bei pT1 gering ist, hat +/- DES darauf praktisch keinen Einfluss. Bei pT2 wird es spannender, die krankheitsspezifische Sterblichkeit liegt bei +/- DES bei 8/2, also ein klarer Vorteil, der jedoch durch andere Todesursachen wettgemacht wird. Bei pT3 bzw. pT4 ist das vergleichbar, wobei sich hier nochzeigt, dass DES wirksamer wie chirurgische Kastration ist.

            Fazit: Frühe Östrogen-Therapie ist wirksam und verlängert das krankheitsspezifische Überleben, aber erhöht die Rate der nicht krankheitsspezifischen Todesfälle.

            Bei Veröffentlichung der Ergebnisse gab es eine Menge Kritik, da man die Todesursache nicht klar nachvollziehen konnte. Ebenso war der Gesundheitszustand der Patienten in den einzelnen Armen nicht erkennbar, oder ob diese entspr. ordnungsgemäss behandelt worden wären. Es blieben Fragen offen. Die Todesursache ist auch nicht immer einfach festzustellen. Beispielhaft beschrieben wird ein stark metastasierter Patient, der weil bettlägerig eine Lungenentzündung bekam, und dann in Folge eines Herzinfarktes starb. Was war jetzt die Todesursache?

            VACURG-II nahm dann (ab 1967), wegen der hohen Rate an Herz-Kreislaufproblemen im 5mg DES Arm, die Dosis auf 1mg bzw. 0,2mg zurück und es wurde keine begleitende Kastration durchgeführt, also DES vs. Placebo. Die Todesursache wurde etwas genauer spezifiziert:

            Deaths by Stage, Treatment, and Cause, Prostate Study 2
            StageIIIIV
            TreatmentPlacebo0.2 DES1.0 DES5.0 DESPlacebo0.2 DES1.0 DES5.0 DES
            Number of patients7573737353525554
            Cancer of prostate1193321281714
            Cardiovascular151418311071010
            Other causes11191479147
            Total deaths3742354140363131


            Interessante Daten, wie ich meine. Man sieht, dass 1mg DES Wirkung bei PCA hat, ohne die Herz-Kreislauftodesrate wesentlich zu erhöhen, im Gegensatz zu 5mg DES. Die unklare Todesrate "Other causes" wirkt hier ausgleichend, aber es fehlen weiterhin exakte Erklärungen. Leider sind die Teilnehemerzahlen deutlich kleiner und die Nachbeobachtungszeit kürzer.

            Fazit: Liegt kein Herz-Kreislaufrisko vor (meist jüngere Patienten) hat früher Einsatz von 1mg (später bis 3mg) DES bei fortgeschrittenen Erkrankungsstadien klare Überlebensvorteile. Sonst nicht.

            Um die Nebenwirkungen der Östrogen Therapie zu umgehen geht man heutzutage weg von oralen Östrogenen, hin zu Östrogen-Pflastern bzw. subkutaner Depotapplikation. Damit lassen sich recht stabile nebenwirkungsarme Krankheitsverläufe zeigen, die ich hier mal durch Prof. Wassersug beschreiben lasse:

            ...Yes, there is an alternative to Lupron (and that class of drugs): transdermal estradiol. My suggestion is that you take the Wibowo et al. 2011 paper, attached here, and the list of references below to you MD and ask him/her why s/he didn't suggest transdermal estradiol. I have been on it for over a decade, with no bone dimeralization, no hot flashes, no evidence of cognitive impairment, sexual interest retained, etc. If there is strong history of breast cancer in your family though, it would need to be monitored. The one side effect is nipple sensitivity and some gynecomastia. There are ways to deal with that, although not all men find it a problem.
            (R.Wassersug 29-MAY-2011)

            ...but after failing Zoladex, Casodex, Keto and Taxotere, by Doc put me on DES to see if it would work. He wanted to keep Zytiga as a backup. DES seems to be working for now. After 6 weeks my PSA went from 13.6 to 6.0....Steve Bryan
            (07-JUN-2011)

            Vielleicht auch ein Weg für Dich? Wie auch immer, ich drück Dir die Daumen!
            Bedenk man dann noch, dass man DES mit LDK oder als ADT2 mit Bicalutamid kombinieren könnte, was weitere Vorteile bringt, erscheinen Patric Walshs Ansichten nicht mehr ganz zeitgemäss.
            Who'll survive and who will die?
            Up to Kriegsglück to decide

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              #51
              Hallo LowRoad:-

              Nochmals Dank für Deine Analyse. Ich muss gestehen, dass ich mich mit derVACURG Studie schwer getan habe, weil die Fragestellungen eigentlich nicht unser Problem betrafen und das Ergebnis betr. früher oder später Hormontherapie, wie Walsh schreibt, nur ein Nebenprodukt dieser Studie war. In seiner einleitenden Zusammenfassung schreibt der kommentierende David P. Byar, dass die Orchiektomie im Vergleich mit Östrogen keinen Überlebensvorteil bringt und die Kombination Orchiektomie plus Östrogen gegenüber Östrogen alleine auch keinen Überlebensvorteil bringt. Überträgt man das auf die heute zur Anwendung kommende Hormontherapie, lässt sich nur sagen, dass man mit Hormontherapie dasselbe Ergebnis erzielt wie mit der Orchiektomie und eine Hormontherapie kombiniert mit Orchiektomie ist ohnehin nicht üblich.
              Die Toxizität hoher Dosen Östrogen ist bekannt, worauf Du ja auch bereits hingewiesen hattest.
              David P. Byar schreibt aber auch, die generelle Empfehlung aus der Studie sei es, mit der Östrogen-Behandlung erst zu beginnen, wenn Symptome auftreten, und zwar dann mit der Niedrig-Dosis von 1.0 DES täglich. Hinterfragen könnte man diese Ergebnisse nur mit dem Argument, dass Östrogene ein breiteres Wirkungsspektrum aufweisen als unsere Hormontherapie, also hormonresistente Krebszellen miterfassen, allerdings sicherlich auch nur selektiv.

              Interessant für unsere Frage fand ich die auf S. 1128 Vol. 32 Fig.1 Überlebenskurven für Patienten der Stadien III und IV, d. h. nicht vorbehandelte Patienten mit lokal fortgeschrittener Erkrankung (III) und nicht vorbehandelter Patienten mit Fernmetastasen (IV). Mein Eindruck ist zunächst, dass es nicht gut war, diese Gruppen zusammenzufassen. Die Kurven hinsichtlich der Überlebenszeit von Patienten mit Fernmetastasen zeigen aus diesem Grunde ein zu günstiges Überleben. Vergleicht man hier jedoch die Placebo-Gruppe mit der Östrogen-Gruppe, dann zeigt sich klar, dass bei diesen beiden Gruppen von Patienten gar nichts zu tun, die schlechteste Strategie wäre. Man sieht aber auch, dass die Orchiektomie schlechter abschneidet als die Östrogen-Therapie, eben weil Östrogene ein breiteres Wirkungsspektrum haben als ADTs.

              Die Studie ist sehr von den Todesfällen des Herz-Kreislaufsystems nach Einnahme von Östrogenen bestimmt. Ein klares Ergebnis für oder gegen die frühe oder verzögerte Hormontherapie kann ich aus der Kommentierung von David P. Byar allerdings nicht erkennen und bin nun doch auf die Beurteilung durch Patrick Walsh zurückgeworfen, welche auf den Seiten 473 – 475 in seinem Guide zu lesen ist. Hier finden sich nun allerdings Überlebenskurven aus der Studie, welche in der Kommentierung von David P. Byar nicht enthalten sind, die Grundaussage von Patrick Walsh aber klar bestätigen: Does Early Hormonal Therapy Prolong Life? The answer is NO

              Es werden gegenübergestellt: sofortige Orchiektomy versus verzögerte Therapie bei lokal fortgeschrittenem Krebs und sofortige Orchiektomie versus verzögerte Therapie bei metastatischem Krebs. Verzögerte Therapie bedeutet: mit Hormontherapie erst beginnen bei Einsetzen krebsinduzierter Beschwerden Die Kurve bestätigt im Fällen von metastatischem Krebs die Aussage von Tribukait, dass etwa 20% der in diesem Stadium Erkrankten 5 Jahre und länger überleben können, ohne jedoch nach einer Erklärung zu suchen.
              Ich bedaure, dass ich aus technischen Gründen diese beiden Überlebenskurven hier nicht wiedergeben kann. Vielleicht kannst Du Dir diese Kurven aus einer anderen Quelle beschaffen und dazu noch einmal etwas sagen.

              In Deinem Beitrag erwähnst Du Labrie und Leibowitz und deren These von dem kurativen Potenzial der Hormontherapie und deren Einsatz als Ersttherapie. Ich bin überzeugt, dass die zur Leibowitz’schen DHB (Dreifachen Hormonblockade) gelegentlich von Ärzten und ehemaligen Patienten geäußerte Kritik unbegründet ist und in nicht ausreichender Kenntnis dessen Therapieprotokolls oder der pathologischen und biologischen Voraussetzungen für diese Therapie seine Ursache hat. Schon ex definitione muss die Hormontherapie kurativ sein, wenn der Krebs ausschliesslich oder mindestens fast ausschließlich hormonsensibel ist, was bei Gleason 2+3 bis 3+3 der Fall sein kann. Dass z.B. mein Krebs bei Erstdiagnose Gleason 2+3 bereits Zellen eines noch höheren Gleason enthielt, hat Professor Böcking in einer nachträglich erstellten DNA-Analyse nachgewiesen. Es zeigt sich hier auch klar die Aussagekraft einer DNA-Analyse zusätzlich zur Gleason-Bestimmung. Professor Böcking hat mich persönlich gut beraten. Seine Kritik an Leibowitz verstehe ich auch nur als ein politisch korrektes Vehikel, um der vorherrschenden Ärztemeinung wegen ihres derzeit unverantwortlichen Umgangs mit Hormontherapie entgegenzutreten.

              Deine Hinweise zur Tumorlast und zum Zeitpunkt der Hormonresistenz in Abhängigkeit vom Stadium der Erkrankung können wir vielleicht gesondert diskutieren, um diesen Thread nicht zu sehr auszuweiten.


              Ich schließe aus Deinem Beitrag, dass Du den frühen Einsatz der Hormontherapie favorisierst. Bei längerer Anwendung ist die Hormontherapie für das Lebensgefühl und den Knochenbau jedoch eine Katastrophe und die Schäden sind nicht reparabel. Da wäre es doch ein Segen, wenn die Erkenntnis sich durchsetzte, dass, ausgenommen die in meinem vorhergehenden Beitrag genannten Sonderfälle, mit Hormontherapie erst begonnen werden muss, wenn sich Beschwerden einstellen.

              Es würde mich freuen, wenn wir weiterhin zu diesem Thema uns informieren könnten.

              Gruß, Reinardo

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                #52
                Hormontherapie "früh oder verzögert" Teil-2

                Hormontherapie ist keine harmlose Therapieform und eine Entscheidung, es jetzt zu nutzen oder später sollte sorgfältig überdacht werden. Wir fürchten uns alle vor dem Kastrationsresistenten Krankheitsstadium, da dies die Therapieoptionen dann stark einengen. Verzögerte ADT oder zumindest intermittierende ADT (IADT) sollte dieses Stadium hinausschieben und uns ein längeres Überleben ermöglichen. Eine Studie aus Bern unterstützt diese Theorie der Zellselektion, ohne jedoch zu untersuchen, welche Konsequenzen dies z.B. auf das Überleben hat:

                CONCLUSIONS: Our results suggest that AD therapy selects for S/P[stem/progenitor]- and NE[neuroendocrine]-like PCa cells in vitro and in vivo, which are able to reinitiate a tumor. Restoration of androgenic signaling in these cells induces the outgrowth of a more differentiated cellular phenotype. As AD resistant cells can even be proliferative without androgens, AD therapy may select for the outgrowth of a more malignant cellular phenotype leading to castration resistance.
                Das hört sich erst mal bedrohlich an, aber was bedeutet das für die Krankheitsentwicklung, Krankheitsspezifische- und Gesamtsterblichkeit?

                Ein starker Verfechter der “verzögerten ADT“ ist Tribukait und seine Kollegen. Sie haben die DNA-Zytometrie mit entwickelt und in diversen Papieren der Öffentlichkeit vorgestellt.


                Peritetraploide DNA-Verteilung, unbehandelt (gepunktete Linie) vs. mit ADT (unbekannter Art) behandelt.

                Tribukait ist leider der einzig mir bekannte Forscher, der das entsprechend untersucht hat. Die Studienergebnisse sind somit nicht derart nachvollziehbar, z.B. was Ausgangssituation der Patienten, Krankheitsfortschritt ect. Angeht, als dass man das als Tatsache hinnehmen müsste. Es fehlen multizentrische Verifikationen dieses Sachverhaltes.

                Was mich etwas stutzig macht, ist die Tatsache, dass Patienten mit peritetraploide DNA-Verteilung, etwa Gleason 8 entsprechend, unbehandelt statistisch knapp 14 Jahre überleben. Das würde viele hier sehr freuen! Nicht nur durch die geringe Patientenzahl scheinen doch erhebliche Verzerrungen in den Daten enthalten zu sein.

                Zincke und Kollegen hat die Ploide teilweise in seinen Studien aufgenommen. Er konnte z.B. zeigen, dass Männer mit nicht dipolider DNA ein 10 Jahres Überleben von 10% vs. 62% hatten, wenn sie neben RPE sich noch einer Kastration unterzogen, also frühe Hormonblockade durchführten! Dies würde Tribukaits Aussagen widersprechen!
                (Zincke H: Combined surgery and immediate adjuvant hormonal treatment for stage D1 adenocarcinoma of the prostate: Mayo Clinic Experience. Semin Urol 8:175-183, 1990)

                Man sollte nicht die Tatsache ignorieren, dass je länger die Prostatakrebsentwicklung unbehandelt voranschreitet sich die Entwicklung zur Androgen-Unabhängigkeit vollzieht. Gibt man dem Krebs genügend Zeit und Wachstumsfaktoren, vollzieht sich zwangsläufig die Entwicklung hin zur Androgen-Unabhängigkeit. Mehr Tumormasse bedeutet kürzeres Ansprechen der Hormontherapie. Versagen der ADT incl. Zweitlinientherapie mit Keto+DES führt zu erheblich gefährlicherem Erkrankungsstadium. Jetzt stehen Chemotherapie ect. Auf dem Programm, die Lebenserwartung verkürzt sich massiv. Die Zeit bis zum Entstehen der Kastrationsresistenz scheint ein wichtiger Marker für die Wirksamkeit der ADT zu sein. IADT, also intermittierende Hormontherapie verlängert die Zeit bis zur Kastrationsresistenz, aber auch des Überlebens? Das scheint leider nicht immer so zu sein. Die Zeit bis zum Eintritt in ein kastrationsresistentes Erkrankungsstadium ist nicht unbedingt mit längerem krankheitsspezifischem Überleben (PCSM) verbunden. Dazu eine interessante Phase-III Studie, die 2011 vorgestellt wurde.

                Klotz und Kollegen beobachteten 1369 Patienten nach RT Versagen über 6,9Jahre. 690 erhielten IADT2, 696 ADT2, also dauerhafte zweifache (LHRH Analog + Antiandrogen). Gesamtüberlaben war etwa gleich: 8.8 Jahre (IADT2) vs. 9.1 Jahre (ADT2). Krankheitsspezifische Todesfälle waren 122 (IADT2) vs. 97 (ADT2). Andere Todesursachen: 134 (IADT2) vs. 146 (ADT2). Die Entwicklung eines kastrationsresistenten Stadiums dauerte im IADT2 Arm durchschnittlich 20% länger!
                Es ist schon erstaunlich, dass sich trotz 20% längerer Hormonsensitivität ein kürzeres krankheitsspezifischen Überleben ergab. Eine Therapie, die dieses Krankheitsstadium verzögert, scheint nicht zwangsläufig mit längerem Überleben im Zusammenhang zu stehen. Wir müssen somit weiterhin das Krankheitsspezifische- bzw. das Gesamtüberleben als Endpunkt betrachten.


                Kommen wir zurück zu “früh vs. verzögert“ im Rezidivfall. Hier gibt es eine wirklich interessante Studie von Messing vorgestellt 1999. Zwischen 1988 und 1993 wurden 100 Männer aufgenommen, die nach einer radikalen Prostatektomie (RPE) <=pT2, jedoch befallene Lymphknoten hatten. Innerhalb von 12 Wochen nach Operation wurden die Männer randomisiert. Eine Gruppe erhielt eine sofortige Hormonblockade (HB1), der Rest wurde weiterhin auf Krankheitsfortschritt beobachtet, und bekam dann eine Hormonblockade. SRT war wohl damals noch kein Thema!? Das Ergebnis:



                Frühe ADT hat hier klar Vorteile, aber es zeigt sich auch, dass frühe ADT nur für etwa 30 bis 40% der Männer Vorteile hatte. Diese herauszufiltern wäre ein grosser Fortschritt.

                Noch eine Studie, noch mal aus Bern. 985 neu diagnostizierte Patienten mit cT0-cT4 N0-N2 aber ohne Fernmetastasen (M0) wurden in zwei Arme aufgeteilt. 493 bekamen eine sofortige Hormontherapie (HB1, Kastration oder LHRH Analoga - buserelin 6.3 mg/2 Monatlich), die restlichen 492 bekamen diese erst bei Auftreten von Symptomen oder “Krankheitsfortschritt“ wie behandlungsbedürftige Metastasen, Knochenbrüche, Lähmungserscheinungen oder behandlungsbedürftige Schmerzen. Nur etwa 60% der im “verzögerte ADT“ Arm benötigten eine nachfolgende Behandlung, was allerdings daran lag, dass 40% innerhalb von 12 Jahren verstarben. Nimmt man diese 60% behandlungsbedürftige, bekamen sie nach etwa 3 Jahren verspätet ihre Hormontherapie.

                Sofortige ADT n=492Verzögerte ADT n=493
                ÜberlebensstatusAnzahl%Anzahl%
                Überleben 23547,820942,4
                Tod25752,228457,6
                Todesursache
                Prostata Krebs9419,19920,1
                Herz-Kreislauf-Erkrankung8817,99719,7
                Zweittumor255,1326,5
                Lungenerkrankungen163,3183,7
                Erkrankung des Magen-Darm-Traktes91,8112,2
                Neurologische Erkrankung71,440,8
                Nieren Erkrankung30,610,2
                Andere10,240,2
                Unbekannt, wahrscheinlich kein PCA61,271,4
                Unbekannt 81,6112,2


                Man erkennt, dass das Gesamtüberleben bei sofortiger ADT etwa 11% besser ist als bei verzögerter ADT. Das krankheitsstpezifische Überleben erscheint nicht so ausgeprägt (5%). Verwunderlich ist, dass gerade die Herz-Kreislaufspezifische Todesursache, im “verzögerte ADT“ Arm höher war, was allen bisherigen Erkenntnissen widerspricht.
                Dieser Sachverhalt und andere führten zu etlichen Kritiken, die ich hier nicht weiter ausführen will.

                Als Ergebnis der hier exemplarisch vorgestellten Studien könnte man sagen, die frühe ADT hat Vorzüge was Überleben an betrifft, aber erhebliche Nebenwirkungen, die die positiven Effekte der ADT teilweise wieder zunichte machen. Individualisierung ist erforderlich!

                --- wird fortgesetzt ---
                Who'll survive and who will die?
                Up to Kriegsglück to decide

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                  #53
                  Hallo LR,
                  auch Teil 2 ist eine hervorragende Recherche. Anmerken möchte ich nur, dass

                  Was mich etwas stutzig macht, ist die Tatsache, dass Patienten mit peritetraploide DNA-Verteilung, etwa Gleason 8 entsprechend, unbehandelt statistisch knapp 14 Jahre überleben
                  DNA-Verteilung und Gleason nur miteinander korrelieren, d.h. bei GS 6 gibt es aneuploide sowie bei GS 10 diploide Verteilungen. Ludwig hat da eine Statistik, die er sicherlich bei Wunsch wieder einstellen würde. Für mich war deshalb die Ploidie immer so faszinierend, weil sie die Antwort gibt/geben kann, warum jemand mit GS 9 jemanden mit GS 6 überleben kann.
                  Gruß Knut.
                  Zuletzt geändert von knut.krueger; 08.07.2011, 11:24. Grund: Satzstellung

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                    #54
                    Hallo Knut,
                    ja natürlich, da hast Du recht, das ist eine grobe Verallgemeinerung - wie so Vieles in unserer Situation, gepaart subjektivem Empfinden. Mit Einzelfällen kann man alles belegen. Würde es begrüssen wenn Ludwig, oder wer auch immer, hier ergänzende Infos einbringt.

                    Was ich zeigen wollte ist, dass es schon erstaunlch ist, dass bei Tribukait Patienten mit peritetraploide DNA-Verteilung unbehandelt(!) statistisch knapp 14 Jahre überleben. Zincke hat abweichende Ergebnisse erbracht, die sich auch mit der übrigen Studienlage decken. Leider gibt es in diesem Zusammenhang zu wenig Verlässlichkeit - oder anders gesagt zu niedrige Evidenz.

                    Bin Dir auch noch die Beantwortung Deiner Frage nach Eigenleistung/Fremdleistung schuldig. Ist ja ein aktuelles Thema ;-) und ich muss gestehen, dass ich die Inspiration durch einen Beitrag von RALFINAZ bekam, dann aber selbst recherchiert hatte, da er mir doch zu einseitig beurteilt hat.

                    Den Fortgeschrittenen alles Gute, und ein schönes Wochenende.
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                    Up to Kriegsglück to decide

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                      #55
                      Hallo LR,
                      vielleicht gibt es jetzt im Forum eine Renaissance der DNA-Ploidie, denn es handelt sich nicht um Einzelfälle sondern es gibt schon ordentliche wissenschaftliche Untersuchungen, die den überlegenen Prognosewert der Ploidie zum GS zeigen. In meinem Fundus habe ich die nachstehenden Unterlagen zur Korrelation von Ploidie zum GS gefunden. Soweit ich mich erinnere hat Ludwig Unterlagen, die eine Stufe feiner, nämlich noch in tetraploid, unterteilen:




                      Nachstehender Link http://www.moffitt.org/CCJRoot/v6n6/pdf/article5.pdf bringt eine Rezidivprognose nach Ektomie. Hier habe ich noch eine ähnliche, vielleicht sogar etwas bessere Untersuchung von Dr. Maria Pretorius, Oslo, als PDF. Wer daran interessiert ist, kann dies bei mir knut.krueger@web.de per Mail anfordern.
                      In diesem Link http://prostata-shg-bretten.de/Email...nd%20stage.pdf
                      findet man unter conclusion interessante Hinweise zur unterschiedlichen Behandlung des PCas abhängig von der Ploidie.
                      Was können wir aus obiger Tabelle ersehen?
                      Bei GS 6 haben 38 % eine abnormale DNA, wobei wir aber schon die tetraploiden extra betrachten müssen, da diese noch eine akzeptable Prognose haben. Schätzungsweise bleiben 15 % echte aneuploid übrig, die kaum Chancen auf dauerhafte Heilung haben.
                      Bei GS 9-10 gibt es noch 13 % diploide Verteilung, und diese Gruppe hat trotz des hohen GS sehr gute kurative Erfolgsaussichten. Sollte bei Diagnose der PK schon systemisch sein, dann spricht diese Gruppe hervorragend auf Hormontherapie an. Für die immer wieder im Forum aufgestellte Forderung nach einer individuellen Therapieplanung, ist die DNA-Ploidie also ein hervorragendes schon heute vorhandenes Instrument.
                      Schließen möchte ich mit meinem alten Slogan zur Ploidie: Sie kostet dem Patienten nichts, sie tut ihm nicht weh und bringt ihm nur mehr Informationen für eine sichere Therapieentscheidung.
                      Gruß Knut.

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                        #56
                        Hallo LowRoad.

                        Auch für diesen Beitrag Anerkennung und Dank. Ich weiss, wieviel Zeit und Engagement es erfordert, die Vorarbeit für solche Arbeiten zu leisten - und oft ist die wenige Resonanz nicht ermutigend. Bitte verstehe auch, dass ich nicht Dich meine, wenn ich etwas Kritisches sage, sondern die Gremien oder Gruppierungen, welche die von Dir zitierten Studien initiiert und veröffentlicht haben.

                        Zunächst fällt mir auf, dass alle diese Studien zu beweisen versuchen, dass die sofortige Therapie gegenüber der verzögerten einen Überlebensvorteil bringt, aber keine der neueren Studien beweist das Gegenteil. Ist es überhaupt heutzutage vorstellbar, dass eine Studie veröffentlicht wird, welche mit dem Ergebnis daherkäme, dass sofortiger Therapiebeginn k e i n e n Überlebensvorteil bringt?
                        Die VACURG Studie, ebenso wie die Studie von Tribukait, auf welche ich mich oft berufe, haben das Siegel der Glaubwürdigkeit, weil es frühe Studien waren und die Initiatoren damals nicht wissen konnten, wohin die Studie führen soll, muss, weil sonst keine Veröffentlichung erfolgt.

                        Die Studie von Messing erfasste nur 100 Patienten, alle nach Operation und Lymphadenektomie, aber positivem Befund in den entnommenen Lympfknoten. Wenn bis zum Stichtag 3 Patienten in der Sofort-Therapie-Gruppe und 16 Patienten in der Verzögerte-Therapie-Gruppe an ihrem Prostatakrebs gestorben sind, dann ist das kein Ergebnis eiiner großen Zahl. Die Randomisierung so kleiner Gruppen bringt keine Sicherheit gleichartiger Voraussetzungen.
                        Die Ergebnisse der Mayo-Klinik klingen schon plausibler. Hier zeigte sich ein Überlebensvorteil erst nach 10 Jahren und auch nur bei Patienten mit diploider DNA. In der Berner Studie sind bis zum Stichtag 94 Patienten der Sofort-Therapie an Prostatakrebs gestorben, in der Verzögert-Gruppe 99 Patienten, wahrlich kein überzeugender Unterschied. Vermessen ist es aber doch wohl auch, das "Gesamt-Überleben" in die Ergebnisbewertung der Studie einzubeziehen, denn es ist bei diesen neueren Studien nicht einzusehen, dass andere Todesursachen von der Wahl der Therapie mitbestimmend waren.

                        Und man stelle sich auch einmal vor, 7 - 10 Jahre eine belastende Hormontherapie durchzuhalten nur in der vagen Hoffnung auf einen kleinen Überlebensvorteil! Ich jedenfalls habe mich anders entschieden und denke trotz Verschlechterung meines Gleason nicht daran, ohne Not nochmals eine Hormontherapie zu beginnen.

                        So bleibt bestehen, was Walsh, auch ein Schüler von Labrie, auf Seite 474 seines Guide als Kommentar zu den dort gezeigten vergleichenden Überlebenskurven schreibt: "These two graphs show the results from the Veterans Administration Cooperative Research Study 1, of 984 men with prostate cancer. The men were randomly assigned either to immediate surgical castration or were given placebo therapy and followed closely until their cancer progressed, at which point they underwent definitive hormonal therapy. With follow-up intervals up to nine years, there is no difference in survival in the men who received early versus later treatment. This study must be addressed by anyone who tries to argue that early hormonal therapy prolongs life - because if it does, then what's wrong with this carefully executed, long-term study of almost one thousand men?"

                        Ich freue mich aber auf Deinen dritten Beitrag.

                        Gruß, Reinardo

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                          #57
                          Hallo Rainardo,
                          die Beharrlichkeit mit der Du an Pat Wlashs "eigenwilliger" Interpretation der VACURG Daten festhältst ist beachtlich. Messings gute randomisierte Studie mit 100 Patienten ist Dir zu schwach besetzt, wohingegen Tribukaits praktisch undokumentierte Studie mit 66 Männer für Dich "Gesetz" ist. Eine ähnliche Studie wie Messing sie gemacht hat, wurde auch in Japan durchgeführt. Mit ähnlichen Ergebnissen:

                          CONCLUSION: It may be suggested that early androgen deprivation adjuvant therapy benefits patients with nodal metastases who have undergone radical prostatectomy and lymphadenectomy, compared with those who received deferred treatment, although in a retrospective nonrandomized study.
                          Nun ja, ich will es noch mal mit anderen Worten, bzw. mit Worten Anderer versuchen. Wilt und Kollegen haben eine Meta Analyse mit 4 randomisierten Studien zu diesem Thema durchgeführt. 2167 Fälle wurden berichtet (Review of The Cochrane Library).

                          ...The percent overall survival at 1, 2, 5, and 10 years for the early treatment group was 88%, 73%, 44%, and 18%. For the deferred therapy group the percent overall survival was 86%, 71%, 37%, and 12%...
                          Wenn man bedenkt, dass hier auch T1/T2 Patienten enthalten waren, bei denen die frühe ADT kontraproduktiv ist, beachtliche Ergebnisse. In dieser Art wirst Du viele Untersuchungen finden, die meist einen Vorteil bei Gesamtüberleben zeigen. Einige wenige Studien zeigen keinen Vorteil, aber keine Studie zeigt einen Nachteil bei T3/T4 oder N1/M1 Patienten!

                          Krankheitsspezifisches Überleben:


                          Gesamtüberleben:


                          Reinardo, Du lehnt die ADT auch wegen der Nebenwirkungen ab, die diese Therapie mit sich bringt. Auch hier muss man immer fragen wie das Nutzen/Schadensverhältnis ist. Wie viel zusätzliche Lebenszeit ist evt. geringere QOL wert? Frühe ADT verzögert die krankheitsspezifischen Komplikationen, das ist ja auch was wert:

                          ...immediate ADT delayed symptomatic progression and reduced the overall numbers of patients experiencing pain at any point. Immediate therapy also reduced the risk of serious complications including spinal cord compression, ureteric obstruction, and the development of extraskeletal metastases. (D. Kirk. Timing and choice of androgen ablation 2004)
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                            #58
                            Hallo Knut,
                            danke für die Tabelle, die meine Auffassung bestätigt, dass Ploide schon mit Gleason korreliert, und die gezeigte Gesamtüberlebenszeit von knapp 14 Jahren schon "erstaunlich" ist. In dem von Dir referiertem Papier von Eppstein & Kollegen wird die Ploide wie folgt beschrieben:

                            CONCLUSIONS
                            ...with accurate grading of prostate cancer performance of DNA ploidy on needle biopsy does not add to the prediction of pathological stage or grade. Just as sampling error limits even the most careful needle Gleason grading, tumor heterogeneity and sampling error hinder ploidy on needle biopsy as a prognostic tool... Ploidy on biopsy may be useful in planning treatment when accurate Gleason grading of needle biopsy is a concern.
                            das hört sich nicht besonders vielversprechend an. Natürlich kann man die Ploide der Biopsie Stanzen machen lassen. Das ergibt ein weiteres Steinchen im grossen Mosaikbild der Erkrankung, aber auch nicht mehr. Es gibt wohl Übertherapie, aber Überdiagnose - wohl kaum, ohne Berücksichtigung der Kosten/Nutzen Relation! Gleason, PSA, PSADT, CGA, NSE, CEA, bAP, Becken-MRT, Bonkhoff-Marker, Ploide ect. ect. das ergibt das Gesamtbild. Manches hat direkten Einfluss auf die Therapie, manches ist eher Erkenntnisgewinn.

                            Auf das Thema zurückkommend, möchte ich aber anmerken, dass ich hier den Sonderfall "palliative Situation" besprochen haben wollte, also wenn dissiminierte Metastasierung vorhanden sind. Kurative Ansätze ausgeschöpft wurden. Metastasen zeigen sich oft heterogen, wo will man da Stanzen entnehmen? Die PSADT hat sich, zusammen mit Serummarkern, als Prognosefaktor erster Wahl erwiesen.
                            Who'll survive and who will die?
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                              #59
                              Hallo LR,

                              danke für die Tabelle, die meine Auffassung bestätigt, dass Ploide schon mit Gleason korreliert
                              Korreliert ist richtig, aber wenn Du dies als Bestätigung Deiner ersten Aussage

                              dass Patienten mit peritetraploide DNA-Verteilung, etwa Gleason 8 entsprechend
                              siehst, dann ist dies falsch. In Deiner ersten Aussage ordnest Du die peritetraploide Verteilung einem festen GS zu wie in einer mathematischen Beziehung y = ax. Es besteht aber zwischen Gleason Score und DNA Ploidie nur eine Korrelation, d.h. eine statistische Beziehung. Diese sagt aus, dass bei niedrigen GS Werten mehr diploide als aneuploide und bei hohen GS Werten mehr aneuploide als diploide Verteilungen zu finden sind. Im Klartext heißt dies, dass bei jedem GS alle Formen von DNA Verteilungen vorkommen können. Dies war mir noch einmal wichtig aufzuzeigen, da nur darüber die bessere Prognoseaussage der Ploidie verständlich wird.

                              - Nehmen wir Deine Aussagen zu Tribukait. Seine Statistiken beziehen sich nur auf die DNA Verteilungen, wahrscheinlich über FNAB ermittelt. In der diploiden Statistik sagt Tribukait, dass 14 Jahre Beobachtungszeit nicht ausgereicht haben, um für die Gruppe mit Hormonblockade einen Überlebensvorteil im Vergleich zur Gruppe ohne Behandlung WW nachzuweisen. Dabei beachte bitte, dass auch im WW-Arm 35 % mit GS 8 – 10 dabei waren!

                              - Nehmen wir Hans-J. Hans hat erfreulicher Weise eine Ploidiebestimmung vorgenommen mit dem Resultat Tribukait C aber mit ausgeprägten diploiden und tetraploiden Stammlinien. Hans sein Therapieweg ist schon ungewöhnlich und nicht alltäglich. Der erste große Therapieabschnitt endet aber auch mit einer Hormontherapie, die Prof. Böcking aufgrund Tribukait C vehement abgelehnt hätte. Wie aufgrund der starken diploiden und tetraploiden Stammlinien zu erwarten, erreicht Hans einen niedrigen PSA-Nadir < 0,05. Dr. Bliemeister, ein Anhänger der DNA Ploidie, bezeichnet dies als PSA-Kosmetik, wobei mir nicht bekannt ist, was er alternativ empfehlen würde. Ein wichtiger Aspekt ist natürlich auch, dass man sich bei den durchgeführten Therapieschritten selber wohl fühlt.
                              Ich habe auch einmal überlegt, was ich mit Tribukait C unternommen hätte. Es war das Jahr 2008 (bei Hans), so dass ich zu den, wie es Hans so schön definiert hat, Brückenbauern unter den Ärzten gegangen wäre. Wenn mir die Vorschläge und Ausführungen nicht zugesagt hätten, dann wäre ich nach Kalifornien zu Dr. Leibowitz gegangen- dies ist wohl die wahrscheinlichste Variante, da er über einen großen Erfahrungsvorsprung und in USA über andere Möglichkeiten verfügt.

                              - Nehmen wir Deine Aussage
                              Natürlich kann man die Ploide der Biopsie Stanzen machen lassen. Das ergibt ein weiteres Steinchen im großen Mosaikbild der Erkrankung, aber auch nicht mehr.
                              Das ist schlichtweg falsch, denn ich gehe davon aus, dass Dir bis jetzt nicht bewusst war, dass in den Statistiken wie von Tribukait, wo nach DNA Verteilungen verifiziert wird, bei diploider Verteilung mehr als ein Drittel GS 8 – 10 enthalten sind, dass ein Patient mit GS 10 und diploider Verteilung mit WW 14 Jahre überlebt oder Rezidiv frei ist nach kurativer Behandlung, während der andere mit GS 6 und dem Pech der aneuploiden Verteilung nach 14 Jahren mit zwei erfolglosen Therapien metastasiert um sein Überleben kämpft.

                              Kritisch dagegen sehe ich den Wirrwarr an Markern zur PCa Beurteilung, da wohl kaum einer eine Evidenz nachweisen kann. Diese scheinen mir weniger Prognose- sondern eher Verdienstfaktoren der Labors zu sein, und dies ganze Sammelsurium fällt dann wohl unter den Begriff „Die Biologie des Prostatakarzinoms“, was immer man darunter verstehen mag.
                              Und im Gegensatz dazu kommt die DNA Ploidie schlicht und einfach mit einer klaren, überschaubaren Prognoseaussage daher

                              - Diploid: Man kann sich entspannt im Lehnstuhl zurücklegen.

                              - Tetraploid: Eine sorgfältige Therapieplanung ist angesagt.

                              - Aneuploid: Besch…..!

                              Lieber LR, ab dem hypothetischen Teil habe ich natürlich wieder überpointiert. Aber ich wollte noch einmal zeigen, welches Potential in der Ploidie schlummert, wobei ich die Möglichkeit des Therapiemonitoring noch vergessen habe zu erläutern. Die Crux ist natürlich, dass die verantwortlichen Wissenschaftler in Deutschland es versäumt oder es nicht verstanden haben, für den entsprechenden Widerhall in den verantwortlichen Gremien zu sorgen. Leider ist es so, dass nur noch wenige Urologen in Deutschland mit der Ploidie etwas anfangen können. Deshalb war dies auch meine letzte Hommage an/auf/für/über die Ploidie.

                              Du hast natürlich Recht, auf die eigentliche Thematik Deiner Ausführungen hinzuweisen, wobei aber Tribukait/Ploidie Elemente in Deiner Darstellung waren, und ich nur nicht ganz korrekte Erläuterungen- vielleicht etwas ausschweifend- berichtigt habe.

                              Zum Thema Metastasierung möchte ich nur zwei Anmerkungen machen, und zwar

                              - Nach Böcking metastasiert ein diploider Tumor nicht.

                              - Das PSA-Screening sollte eingeführt werden, um über die Früherkennung den Anteil des fortgeschrittenen PKs zu reduzieren.

                              Gruß Knut.
                              Zuletzt geändert von knut.krueger; 14.07.2011, 19:02. Grund: Rechtschreibung

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                                #60
                                Hallo Knut,
                                also die Ploide korreliert mit dem Gleason, sie ist nicht identisch, das wäre mathematisch unkorrekt. Dieser spitzfindige Hinweis wäre für mich noch wesentlicher, wenn ich nicht "etwa Gleason 8 entsprechend" geschrieben hätte. Du meist also, dass diploider DNA Gleason 8-10 Männer mit WW, also ohne jegliche Behandlung, >14Jahre überleben würden. Kannst Du dafür die Evidenz darlegen?

                                Meiner Kenntnis nach, ist das krankheitsspeziische Überleben (50% Todesrate) bei Gleason 8-10 ca. 6 Jahre:



                                wobei teilweise ADT eingesetzt wurde, was Deiner (unbelegten) Meinung nach nachteilig für die Patienten wäre. Weit weg von den von Dir proklamierten 14 Jahren. (20-Year Outcomes Following Conservative Management of Clinically Localized Prostate Cancer; Peter C. Albertsen, MD, MS; James A. Hanley, PhD; Judith Fine, BA JAMA. 2005;293:2095-2101)

                                Bezüglich Poide bin ich vielleicht auch voreingenommen, das muss ich gestehen. Als ich auf der Suche nach Ersttherapien den Docs die Ploide unter die Nase gehalten habe, haben die nur mit der Schulter gezuckt. So gesehen, war das für mich nur Erkenntnisgewinn, wohingegen z.B. die Bonkhoff Marker direkten Therapieeinfluss hatten.

                                Ich denke, meine Aussage:
                                ...Das ergibt ein weiteres Steinchen im großen Mosaikbild der Erkrankung, aber auch nicht mehr...
                                entspricht der allgemeinen Praxisrealität und ist somit richtig. Du kritisierst diesen Zustand, aber so ist das nun mal. Ich hätte auch manches gerne anders, muss oft zähneknirschend Pragmatismus zeigen.

                                - Nach Böcking metastasiert ein diploider Tumor nicht.
                                (und Metastasen metastasieren auch nicht) schön wär's:

                                ...Among diploid tumors, 45.5% were localized carcinomas (Stage B), 36.4% were characterized by invasion outside the prostate (Stage C), and 18.2% formed pelvic nodal or distant metastases (Stages D1 and D2)...
                                Who'll survive and who will die?
                                Up to Kriegsglück to decide

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