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    Streitgespräch Ärzteschaft vs. Pharma-Industrie (vfa)

    Streitgespräch mit Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, und Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller: Es kommt auf die Spielregeln an
    POLITIK: Das Interview

    Die Beziehung von Ärzten zu Pharmaunternehmen sorgt regelmäßig für Negativschlagzeilen. Viel ist von Betrug, Bestechung und Bestechlichkeit die Rede. Wolf-Dieter Ludwig und Birgit Fischer über eine mögliche unverdächtige Annäherung


    Frau Fischer, Sie haben bei Ihrem Amtsantritt gesagt, Sie wollen eine neue Dialogkultur begründen und die Zusammenarbeit mit den Ärzten verbessern. Vielen Kritikern geht die Zusammenarbeit zwischen Pharmaindustrie und Ärzten schon jetzt zu weit.


    Fischer:
    Für den Patienten ist die Therapie des Arztes entscheidend, und Teil dieser Therapie sind oft Arzneimittel. Diese Beziehung zwischen Ärzten und Arzneimittelherstellern sollten wir konstruktiv nutzen. Das geht aber nur, wenn sich beide Seiten austauschen. Und wenn sie versuchen, sich von bestehenden Vorurteilen ein Stück weit zu befreien.


    Herr Professor Ludwig, ist das möglich?


    Ludwig:
    Ein sehr wichtiger Bestandteil vieler Therapiestrategien sind Arzneimittel, insbesondere wenn deren Nutzen durch klinische Studien gut belegt ist. Dies sehe ich genauso wie Sie, Frau Fischer. Ich glaube jedoch, dass es nicht nur Vorurteile sind, die die Beziehung zwischen Ärzten und Arzneimittelherstellern beeinträchtigen.


    Was meinen Sie damit?


    Ludwig:
    Zum Beispiel den Bereich Marketing. Die Produktivität der pharmazeutischen Unternehmen hat in den letzten Jahren erheblich abgenommen, zumindest was die Entwicklung von Arzneimitteln angeht, die einen echten therapeutischen Fortschritt bedeuten. Das hat zwangsläufig dazu geführt, dass man neue Arzneimittel ohne eindeutig nachgewiesenen Nutzen stärker beworben hat beziehungsweise bewirbt. Die in den letzten zehn Jahren zu beobachtende Vielfalt von Marketingaktivitäten und -strategien hat es in den früheren Jahren meiner ärztlichen Tätigkeit nicht gegeben.


    Auch bei der ärztlichen Weiter- und Fortbildung steht häufig eher das Marketing im Vordergrund als die evidenzbasierte Information über neue Arzneimittel. Dabei richtet sich mein Vorwurf keinesfalls nur an die pharmazeutischen Unternehmen, sondern genauso an die Kolleginnen und Kollegen, die nicht immer in der Lage sind, zwischen Werbung und unabhängiger Information zu differenzieren.


    (…)


    Hier geht es weiter…

    http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=109151


    Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig
    (59) ist Chefarzt der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie am Helios-Klinikum Berlin-Buch. Seit 2007 ist er Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ).


    Birgit Fischer (58) wechselte im Mai dieses Jahres vom Chefsessel der Barmer-GEK zur Hauptgeschäftsführung des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller (vfa). Zuvor war die gelernte Diplom-Pädagogin Gesundheitsministerin in Nordrhein- Westfalen.

    #2
    Hier ein aktuelles Beispiel als Beleg für die Aussagen Prof. Ludwigs zu Prodomo-Studien, Marketing & Co.:

    Sepsis-Medikament Xigris vom Markt genommen

    Indianapolis – Nach enttäuschenden Ergebnissen einer klinischen Studie nimmt der US-Hersteller Eli Lilly das Sepsismedikament Xigris (Wirkstoff: Drotrecogin alfa) weltweit vom Markt. Xigris war 2001 (in den USA) und 2002 (Europa) auf der Basis der PROWESS-Studie zugelassen worden. Die Multicenter-Studie an 1.690 Patienten mit schwerer Sepsis war seinerzeit vorzeitig abgebrochen worden, nachdem sich eine niedrige Sterblichkeitsrate (24,7 versus 30,8 Prozent unter Placebo) abgezeichnet hatte.

    Die Daten hatten damals nicht alle externen Gutachter der FDA überzeugt, die sich aber über das unentschiedene Votum (10 zu 10) hinwegsetzte. Es bestanden von Anfang an Zweifel am Design der Studie (NEJM 2002; 347: 1030-1034). Zudem wurde später dem Hersteller vorgeworfen, durch ein gezieltes Marketing, das eine Verknappung des gentechnisch hergestellten Medikamente suggeriert habe, den Verkauf in unlauterer Weise zu fördern (NEJM 2006; 355: 1640-1642).

    Nach und nach trafen die Ergebnisse weiterer randomisierter Studien ein, die die Ergebnisse der PROWESS-Studie nicht reproduzieren konnten. Stattdessen gab es zunehmend Berichte über schwere Blutungen beim Einsatz von Xigris, was die FDA Anfang 2009 zu einer Sicherheitsprüfung veranlasste.

    (...)

    Hier geht es weiter...
    http://www.aerzteblatt.de/nachrichte...t_genommen.htm

    Kommentar


      #3
      Pharma-Marketing: Gastautoren und Ghostwriter

      Und so sah und sieht erfolgreiches Pharma-Marketing aus:

      Mittwoch, 26.10.2011
      Gastautoren und Ghostwriter an jeder fünften Studie beteiligt

      Chicago – Obwohl die meisten medizinischen Fachzeitschriften die Beteiligung von Gastautoren oder Ghostwritern an Studien und anderen Publikationen untersagen, ist die Praxis weiterhin verbreitet. Einer Umfrage im Britischen Ärzteblatt (BMJ 2011; 343: d6128) zufolge ist der Anteil der Publikationen mit Fremdbeteiligung in den letzten Jahre kaum gesunken.

      Gastautoren oder Ghostwritern sind verpönt, weil sie der Lobby-Arbeit von Interessenvertretern Tür und Tor öffnen. Sie gefährden damit auch den Ruf der Journals, die auf Unabhängigkeit bedacht sind. Das International Committee of Medical Journal Editors (ICMJE) hat klare Regeln geschaffen, die eine „unangemessene“ Autorenschaft verhindern sollen.

      Dass die Praxis dennoch verbreitet ist, hatte unter anderem eine Umfrage gezeigt, die das US-amerikanische Ärzteblatt 1998 publiziert hatte: Annett Flanigan von der American Medical Association in Chicago hatte die korrespondierenden Autoren von Studien kontaktiert, die 1996 in sechs führenden Fachzeitschriften publiziert hatten. Bei 29 Prozent der Studien und Übersichten konnte Flanigan eine Beteiligung von Gastautoren oder Ghostwritern ermitteln (JAMA 1998; 280: 222-224).


      (...)


      Hier geht es weiter...



      Respekt, Frau Fischer, den Seitenwechsel von der GKV zum Gegenpol perfekt hingelegt.
      Leider hat sich Frau Fischer zu den wichtigen Problembereichen nicht geäußert.

      Firmeneigenen Studien, insbesondere Zulassungsstudien, kann man erst trauen, wenn die Ergebnisse in unabhängigen Studien reproduziert wurden. Dabei taucht natürlich die Frage auf:
      Wie sieht Unabhängigkeit aus, wenn letztlich alles - Forschung, Kongresse, Fortbildungen usw. - von der Pharma-Industrie finanziert werden?

      Wie sieht es mit der Fachliteratur, den Standardwerken und auch den Leitlinien aus?
      Kann man sich darauf verlassen, daß die angegebenen Autoren tatsächlich auch die Autoren sind?


      Fragen über Fragen. Darauf hätte ich gern von Frau Fischer eine Antwort gesehen.

      Kommentar


        #4
        Zitat von hans.z Beitrag anzeigen
        ...

        Respekt, Frau Fischer, den Seitenwechsel von der GKV zum Gegenpol perfekt hingelegt.
        Leider hat sich Frau Fischer zu den wichtigen Problembereichen nicht geäußert.

        Firmeneigenen Studien, insbesondere Zulassungsstudien, kann man erst trauen, wenn die Ergebnisse in unabhängigen Studien reproduziert wurden. Dabei taucht natürlich die Frage auf:
        Wie sieht Unabhängigkeit aus, wenn letztlich alles - Forschung, Kongresse, Fortbildungen usw. - von der Pharma-Industrie finanziert werden?

        Wie sieht es mit der Fachliteratur, den Standardwerken und auch den Leitlinien aus?
        Kann man sich darauf verlassen, daß die angegebenen Autoren tatsächlich auch die Autoren sind?


        Fragen über Fragen. Darauf hätte ich gern von Frau Fischer eine Antwort gesehen.

        Na, das hätte ich eine Antwort von Frau Fischer, allerdings einer anderen:

        Wir müssen zurück zu einer Arzneimittelforschung, die am Bedarf orientiert ist und nicht am Markt.
        Auch dieses Zitat aus einem Artikel im Ärzteblatt - ein Bericht über: 30 Jahre BUKO-Pharma-Kampagne: Pharmakritiker mit langem Atem.

        Regelrecht beunruhigend, was Herr Kaiser vom IQWIG dort laut Artikel gesagt hat:

        Nach Ansicht von Kaiser bringt es nichts, die Forschung vom privaten in den öffentlichen Bereich zu verlagern. Denn die deutschen Universitäten seien viel zu wenig professionell, um qualitativ hochwertige Studien durchzuführen. Kaiser sieht das Problem grundsätzlicher: „Das wissenschaftliche Arbeiten hat im Medizinstudium keine Bedeutung. Es befähigt auch nicht zum kritischen Denken. Das müsste man ändern.“

        Ich weiss nicht, egal wo man hinhört, es wird immermehr nicht nur in Sonntagsreden als selbstverständlich angenommen, dass sich vieles endlich grundsätzlich ändern muss. Nur, wenns dann darum geht, konkret zu werden (wie setze ich der Finanzindustrie harte, enge Grenzen - etwa mit Hebelung?), werden die alten Ideologien umgesetzt. Recht hat Herr Kaiser, wenn er andere Gesetze fordert, die dann auch zu anderen Studien führen. Aber die Privatisierungen und Deregulierungen der letzten Jahrzehnte müssen UNBEDINGT zurückgeholt werden, sonst haben sämtliche Kollektiv-Systeme, die der Absicherung von Lebensrisiken dienen, keine Zukunft.

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