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    Können Vitamin E, Selen oder Sojasupplemetierungen empfohlen werden?

    Prävention bei Prostata-Ca - Verhindern Vitamin-E, Soja und Selen eine maligne Progression? - SpringerMedizin

    Können Vitamin E, Selen oder Sojasupplemetierungen empfohlen werden? - Nein, sagen unsere Autoren!
    In Asien ist die Rate an Prostatakarzinomen deutlich geringer als in den wesentlichen Industrienationen: Das dort breit konsumierte Sojaeiweiß wird damit in Verbindung gebracht. In einer Studie wurde dieser Vermutung nachgegangen.

    Fragestellung:
    Das Prostatakarzinom ist die häufigste Krebserkrankung bei Männern in der westlichen Hemisphäre. Die hochgradige intraepitheliale Neoplasie der Prostata ist eine mögliche Vorläuferläsion eines invasiven Prostatakarzinoms (HGPIN). Die Übergangsraten in ein invasives Karzinom liegen zwischen 15% und 65%.
    Sowohl In-vitro-Untersuchungen als auch epidemiologische Daten zeigen, dass es einige Mikro- oder Makronährstoffe gibt, die das Potential haben, die Entwicklung eines Prostatakarzinoms zu verhindern. Die Rationale für den Einsatz von Vitamin E im Sinne einer Chemoprävention bei Prostatakarzinomen war die ATBC-Studie [1].
    In Asien ist die Rate an Prostatakarzinomen deutlich geringer als in den wesentlichen Industrienationen: Das dort breit konsumierte Sojaeiweiß wird damit in Verbindung gebracht. Die Assoziation von Selen und seltenerem Auftreten von Prostatakarzinomen geht auf eine Studie bei Hauttumoren zurück, bei der unter der Einnahme von 200 μg Selen eine signifikant verringerte Inzidenz an Prostatakarzinomen aufgetreten war.

    Patienten und Methoden:
    Die Studie wurde mit 303 Männern in zwölf kanadischen Zentren durchgeführt. Einschlusskriterium war eine bestätigte hochgradig intraepitheliale Neoplasie der Prostata in mindestens einer von zwei Biopsien. Randomisiert erhielten die Männer über eine Zeitraum von drei Jahren als Nahrungsergänzung täglich entweder jeweils 40 g Sojaprotein, 800 Einheiten Vitamin E und 200 μg Selen (n=156) oder Placebo (147) verteilt auf zwei Einzeldosen. Prostatabiopsien wurden 6, 12, 24 und 36 Monate nach der Randomisation durchgeführt. Primärer Endpunkt der Studie war das krankheitsfreie Überleben im Hinblick auf ein invasives Prostatakarzinom.

    Ergebnisse:
    Von September 1999 bis September 2004 wurden insgesamt 310 Patienten rekrutiert. Die primäre Intention-to-treat-Analyse bezog sich auf 303 Patienten: 156 im Interventionsarm und 147 im Placeboarm.
    53,4 % der Männer im Interventionsarm und 56,4 % im Placeboarm hatten über den gesamten Zeitraum ihre Medikation korrekt eingenommen. Aber auch unter den Patienten, die die Nahrungsergänzung nicht zweimal täglich zu sich genommen hatten, lag die mediane Compliance über 85 %. Die demografischen Daten beider Patientengruppen waren vergleichbar. Als Nebenwirkungen wurden Flatulenz und Diarrhö beschrieben, die aber in der Regel mild verliefen (Grad 1 und 2).
    Insgesamt entwickelten 80 (26,4 %) der Männer ein invasives Prostatakarzinom. Die mediane Anzahl der betroffenen Läsionen und die Gleason-Score-Verteilung waren in beiden Gruppen vergleichbar. Die Nahrungsergänzung hatte keinen Einfluss auf die Entwicklung eines invasiven Prostatakarzinoms. Die jährliche Inzidenz lag in der Interventionsgruppe bei 0,16 (95%KI 0,11–0,20) und in der Placebo-Gruppe bei 0,15 (95%KI 0,10–0,19). Das progressionsfreie ZweiJahresÜberleben betrug 68,9 % bzuw. 73,4 % (Hazard Ratio 1,03; 95%KI 0,67–1,61).

    Tab. Häufigkeit eines invasiven Prostatakarzinoms
    Nahrungsergänzung Placebo Gesamt
    Parameter (n=156) (n=147) (N=303)
    Invasives Prostatakarzinom 41 (26,3 %) 39 (26,5 %) 80 (26,4 %)
    Median betroffene Stanzen 1(1–3) 1(1–4) 1
    Gleason Score 6(5–7) 6(3–8) 6
    Personenjahr im Follow-up 264,47 264,32 528,78
    Jährliche Inzidenzrate 0,16 0,15 0,15

    Schlussfolgerung (Kommentar von Dr. Christoph Stoll, Bayreuth und Dr. Jutta Hübner, Frankfurt/Main):
    Die Studie kann die Hypothese, dass eine Kombination aus Vitamin E, Sojaprotein und Selen den Übergang einer hochgradig intraepithialen Neoplasie der Prostata in ein invasives Karzinom verhindert, nicht bestätigen.
    „Trotz großer Mühe wenig Aussagekraft im Hinblick auf die Fragestellung“
    Kommentar von Christoph Stoll, Bayreuth, und Jutta Hübner, Frankfurt/Main
    Prostatakarzinome stehen nicht nur an vorderster Front der krebsbezogenen Todesursachen. Auch bei kurativer Therapie ist das Prostatakarzinom wesentlich für eine deutlich reduzierte Lebensqualität der betroffenen Männer verantwortlich.
    Insgesamt ist die Studie sicher sehr konsequent und mit einer zentralen pathologischen Begutachtung der Histologie auch sauber durchgeführt worden. Dennoch konnte nicht nachgewiesen werden, dass die Nahrungsergänzung mit einer Kombination aus Soja, Vitamin E und Selen über den langen Zeitraum von drei Jahren in der beschriebenen Dosierung im vorliegenden Kollektiv die Entwicklung eines Prostatakarzinoms positiv zu beeinflussen vermag. Die Autoren konstatieren, dass die Anzahl der untersuchten Patienten wohl doch zu gering gewesen sei, um die entsprechende Frage zu beantworten, da die Progressionsraten höher eingeschätzt wurden als sich im Nachhinein herausstellte. Außerdem wäre durch eine höhere Dosierung des Sojaeiweißes eher ein klinischer Effekt zu erwarten gewesen.
    Aus unserer Sicht ist das Ergebnis, für den Aufwand, der betrieben wurde, relativ gering. Der Schlusssatz müsste eigentlich lauten: „Wir haben uns beim Studiendesign viel Mühe gegeben, aber eigentlich konnten wir die Frage, die wir gestellt haben, nicht wirklich beantworten. Zumindest konnte unter den von uns gewählten Bedingungen kein Vorteil für die mit Vitamin E, Soja und Selen behandelte Gruppe ermittelt werden. Um die Frage, die wir uns gestellt haben, in diesem Zusammenhang beantworten zu können, müsste die Studie unter Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse erneut durchgeführt werden.“

    Eine grundsätzliche Frage steht meines Erachtens weiterhin im Raum: Wie untersuchen wir komplexe Zusammenhänge in einem überschaubaren Zeitraum mit vertretbarem Aufwand? Auch die SELECT-Studie ergab nach einer langen Beobachtungszeit keinen Vorteil für die Supplementierung von Vitamin E und Selen in einer weitgehend unselektionierten Patientengruppe zur Verhinderung von Prostatakarzinomen [2, 3]. Die aktuelle Studie wurde an einem Hochrisikoklientel durchgeführt, ohne dass die Intervention zu einer Risikoverminderung geführt hat.
    Außerdem sind Vitamin E und Selen keine harmlosen Nahrungsergänzungsmittel. Wenn man die publizierten Daten sichtet, so steht ein erhöhtes Diabetes-Risiko (Selen), eine erhöhte Rate an Herzinsuffizienzen ggf. sogar eine erhöhte Mortalität (Vitamin E) zur Diskussion [4, 5, 6]. Dabei hat die SELECT-Studie einen weiteren entscheidenden Hinweis gegeben, der in zukünftigen Studien berücksichtigt werden sollte: Auch in der Prävention sollte ein zielgerichteter Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln erprobt werden. Nur bei einem nachgewiesenen Mangel scheint eine Substitution sinnvoll. In der SELECT-Studie hatte ein großer Teil der Probanden einen Selenspiegel im oberen Normbereich — dann ist die zusätzliche Gabe offenbar schädlich.
    Grundsätzlich sollten wir uns die Frage stellen: Sind es nicht eher komplexe Verhaltens- und Ernährungsmuster, die zu einem günstigeren Gesundheitsprofil mit weniger „Krebs“ führen? Es ist nicht die eine „Pille“ , durch die es dann weniger Krebs bzw. mehr Heilungen und weniger Rezidive gibt. Viel eher scheinen komplexe Verhaltensanpassungen (mehr Bewegung, ein anderes Essverhalten, weniger Nikotingenuss und Alkoholkonsum, Reduzierung von Umweltfaktoren) sich langfristig positiv auszuwirken. Aber auch diese führen sicher nicht zu schnellen Ergebnissen. Zudem ist auch das wieder nur eine Hypothese, die einer weiteren Bearbeitung bedarf.
    Können wir Vitamin E und Selen sowie Sojasupplementierung empfehlen, wenn uns unsere Patienten fragen? Nein — nicht zur Prävention eines Prostatakarzinoms. Wer aus allgemeinen ernährungsphysiologischen Gründen über die Einnahme von Vitamin E und Selen nachdenkt, sollte sich am Tagesbedarf (DGE) orientieren. „Viel hilft viel“ scheint auch in diesem Fall nicht zu stimmen. Aber warum Pillen schlucken? Vielleicht tut’s auch ein Obst- oder Gemüsesaft, ein Obstsalat oder ein Stück Lachs bzw. gebratener Tofu!

    Literatur

    1. Albanes D, Heinonen OP, Huttunen JK et al. Am J Clin Nutr. 1995;62(6 Suppl):1427S–30S.
    2. Lippman SM, Klein EA, Goodman PJ et al. JAMA 2009; 301(1): 39–51.
    3. Hatfield DL, Gladyshev VN. Mol Interv. 2009;9(1):18–21.
    4. Lonn E, Bosch J, Yusuf S et al. JAMA 2005; 293:1338–47.
    5. Bjelakovic G, Nikolova D, Gluud LL et al. JAMA 2007;297(8): 842–57.
    6. Miller ER 3rd, Pastor-Barriuso R, Dalal D et al. Ann Intern Med. 2005;142(1):37–46
    7. Lippman SM, Goodman PJ, Klein EA et al. J Natl Cancer Inst 2005;97:94–102.

    Zeitschrift: InFo Onkologie 2011/7
    publiziert am: 10.1.2012 17:30 Autor: Dr. Christoph Stoll, Dr. Jutta Hübner Quelle: Info Onkologie 2011; 14 (7): 10-11 basierend auf: Fleshner NE, Kapusta L, Donnelly B et al. Progression from high-grade prostatic intraepithelial neoplasia to cancer: a randomized trial of combination vitamin-E, soy, and selenium. J Clin Oncol. 2011;29(17):2386-90.
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