In der Sendung ging es um Nutzen oder Schaden der Krebsfrüherkennung ("Vorsorge" ist und bleibt ein falscher Begriff, weil es bis auf seltene Ausnahmen eine Vorsorge nicht gibt). Zu Wort kam auch Prof. Lothar Weißbach, und ich habe festgestellt, dass das, was er zur Früherkennung (er sagte "Früherkennung"!) zu sagen hatte, zu Anlass für Missdeutungen bezüglich seiner Einstellung dazu sein kann, wenn man nicht genau aufpasst. Ich habe mal mitgeschrieben:
Gleich im Vorspann sagt Prof. Weißbach:
""Ich rate Ihnen, voller Skepsis zur Früherkennung zu gehen, voller Skepsis die ärztliche Empfehlung wahrzunehmen. Der zweite Weg führt entweder zu einem anderen Arzt – Zweitmeinung, davon halte ich ganz viel! – oder aber in die Selbsthilfegruppe, wo ebenfalls ganz kompetente "Laien" sitzen."
Später im Film sagt er:
"Die Früherkennung nutzt dem Medizinbetrieb. Der Medizinbetrieb ist ohne Früherkennung zur Zeit schwer denkbar." (es folgen Ausführungen zur Behandlungskaskade beim Brustkrebs, wie wir es ähnlich beim Prostatakrebs kennen). Und weiter: "Wenn wir das auf den Prostatakrebs übertragen – der Prostatakrebs – seine Entfernung ist heute die häufigste Maßnahme im stationären Bereich." ... "In den Prostatakrebszentren der Deutschen Krebsgesellschaft registriere ich eine schlimme Entwicklung. Da werden Mindestzahlen angegeben, das bedeutet, da müssen soundsoviele Operationen durchgeführt werden, damit man das Zertifikat beibehält. Das führt dazu, dass man die Indikation zu weit stellt. Indikation heißt, dass man einen Tumor einer aggressiven Behandlung zuführt, ohne dass das notwendig ist." ... "Auch die aktive Beobachtung ist ein mutiger Entschluss, den man dem Patienten vermitteln muss. Er muss ja mit Krebs leben. Er geht da hin zum Arzt und glaubt, dass der Arzt ihm jetzt eine Maßnahme anbietet "weg mit dem Krebs!" und identifiziert das mit einer Heilung – weit gefehlt! Die Krebse, die wir heute im Frühstadium behandeln, sind ja nicht alle geheilt. Ein Drittel kommt wieder, hat ein Rezidiv. Das sagen wir nur häufig nicht bei der Aufklärung!"
Also, nach meiner Interpretation sagt Prof. Weißbach sinngemäß folgendes:
"Geh' zur Früherkennung, aber sei skeptisch gegenüber dem, was der Arzt Dir im Fall eines Krebs-positiven Befundes rät. Mach Dich per Zweitmeinung und/oder durch Kontaktaufnahme zu einer Selbsthilfegruppe weiter schlau. Der Arzt und das Prostatakrebszentrum können ein wirtschaftliches Interesse daran haben, Dich aggressiver zu behandeln als in Deiner Situation notwendig. Glaube nicht daran, wenn Dir hundertprozentige Heilung versprochen wird; die tatsächliche Heilungswahrscheinlichkeit beträgt nur 66 %."
Der im Film mit seinem Fall gezeigte ehemalige Lübecker Kultursenator Henning Koscielski hat sich offenkundig nicht die Zeit genommen sich schlau zu machen und hat überhaupt nicht verstanden, was seine Ärzte ihm sagten. Zwischen Diagnose und OP vergingen gerade einmal sechs Tage. Im Übrigen schafft der Film in diesem Fall mehr Verwirrung als Klarheit darüber, was damals eigentlich passiert ist. Die Rede war – anders als im Film dargestellt – nach der Diagnose ganz bestimmt nicht davon, dass "nur die halbe Prostata" entfernt wird, sondern wohl eher davon, dass auf einer Seite (der krebsbefallenen) die Nerven nicht erhalten werden könnten. Dabei oder bei der OP hat man möglicherweise die Seiten verwechselt, so dass die Nervenbündel beider Seiten durchtrennt und natürlich die komplette Prostata entfernt wurden. Die Schilderung des Falls trägt mehr zur Verwirrung bei als etwas zur Sinnhaftigkeit der Prostatakrebs-Früherkennung herzugeben.
Der Film wird gerade per E-Mail im Kreis der Hotline-Berater diskutiert. Paul Enders, Berater und einer der beiden Stellvertretenden Vorsitzenden des BPS, schrieb dazu folgendes Lesenswerte, das ich hier zitiere, weil Paul in diesem Forum nicht aktiv ist:
"Auch ich habe mir die Sendung angesehen. Sie war aus meiner Sicht einigermaßen sachlich, wenn man von den beiden Prostatakrebsfällen absieht. Ein lokal fortgeschrittener Tumor erfolgreich potenzerhaltend operiert ist wohl eine Ausnahme. Ein Patient, der vor der OP nicht darüber informiert ist (aus welchem Grund auch immer), dass die ganze Prostata entfernt wird, entspricht auch nicht gerade dem Standard.
Dass die Früherkennung nicht generell allen nützt, ist unbestritten. Vor allem profitieren Risikogruppen und alle, die an einem Prostatakrebs mittleren und hohen Risikos erkrankt sind, sofern der Krebs nicht schon zu weit fortgeschritten ist.
Wir müssen hier unterscheiden zwischen einem Nutzen für die Gesamtheit der Männer (Statistik) und einem Nutzen für den Einzelnen. Das wird deutlich, wenn man die Ergebnisse der Studien für alle oder für positiv Diagnostizierte betrachtet.
Ein genereller Nutzen hinsichtlich des Gesamtüberlebens (das sollte aber nicht das ausschließliche Kriterium sein) konnte bisher auf Grund zu weniger Daten nicht nachgewiesen werden. Deshalb soll nach der aktualisierten Leitlinie die Früherkennung Männern angeboten werden, die dies nach einer Aufklärung über Vor- und Nachteile wünschen. Nach einer Diagnose muss außerdem nicht notwendigerweise eine Behandlung folgen.
Auf Basis der Leitlinie wurde inzwischen eine Laieninformation zum Thema Früherkennung des Prostatakarzinoms erstellt. Sie wird in den nächsten Tagen veröffentlicht werden (morgen ist letzte Einspruchsfrist für die Autoren zu Änderungen) In dieser Information wird auch sehr ausführlich auf die Studienergebnisse eingegangen, die von den Medien in letzter Zeit immer wieder zitiert und zum Teil (bewusst??) missinterpretiert wurden. Zusätzlich wird eine sog. Wartezimmerinformation (Kurzinfo auf 2 DIN-A4-Seiten ) erstellt. Beide Dokumente sollen bis zum Krebskongress im Februar als Druckversion vorliegen.
Mein Fazit: Früherkennung JA, wenn der Wunsch besteht und ausreichend über mögliche Konsequenzen informiert wurde.
Bei allen Studienergebnissen nicht vergessen: Jährlich versterben in Deutschland ca. 12.000 Männer an Prostatakrebs! (im Straßenverkehr weniger als 4.000 Menschen aller Altersgruppen)."
Gleich im Vorspann sagt Prof. Weißbach:
""Ich rate Ihnen, voller Skepsis zur Früherkennung zu gehen, voller Skepsis die ärztliche Empfehlung wahrzunehmen. Der zweite Weg führt entweder zu einem anderen Arzt – Zweitmeinung, davon halte ich ganz viel! – oder aber in die Selbsthilfegruppe, wo ebenfalls ganz kompetente "Laien" sitzen."
Später im Film sagt er:
"Die Früherkennung nutzt dem Medizinbetrieb. Der Medizinbetrieb ist ohne Früherkennung zur Zeit schwer denkbar." (es folgen Ausführungen zur Behandlungskaskade beim Brustkrebs, wie wir es ähnlich beim Prostatakrebs kennen). Und weiter: "Wenn wir das auf den Prostatakrebs übertragen – der Prostatakrebs – seine Entfernung ist heute die häufigste Maßnahme im stationären Bereich." ... "In den Prostatakrebszentren der Deutschen Krebsgesellschaft registriere ich eine schlimme Entwicklung. Da werden Mindestzahlen angegeben, das bedeutet, da müssen soundsoviele Operationen durchgeführt werden, damit man das Zertifikat beibehält. Das führt dazu, dass man die Indikation zu weit stellt. Indikation heißt, dass man einen Tumor einer aggressiven Behandlung zuführt, ohne dass das notwendig ist." ... "Auch die aktive Beobachtung ist ein mutiger Entschluss, den man dem Patienten vermitteln muss. Er muss ja mit Krebs leben. Er geht da hin zum Arzt und glaubt, dass der Arzt ihm jetzt eine Maßnahme anbietet "weg mit dem Krebs!" und identifiziert das mit einer Heilung – weit gefehlt! Die Krebse, die wir heute im Frühstadium behandeln, sind ja nicht alle geheilt. Ein Drittel kommt wieder, hat ein Rezidiv. Das sagen wir nur häufig nicht bei der Aufklärung!"
Also, nach meiner Interpretation sagt Prof. Weißbach sinngemäß folgendes:
"Geh' zur Früherkennung, aber sei skeptisch gegenüber dem, was der Arzt Dir im Fall eines Krebs-positiven Befundes rät. Mach Dich per Zweitmeinung und/oder durch Kontaktaufnahme zu einer Selbsthilfegruppe weiter schlau. Der Arzt und das Prostatakrebszentrum können ein wirtschaftliches Interesse daran haben, Dich aggressiver zu behandeln als in Deiner Situation notwendig. Glaube nicht daran, wenn Dir hundertprozentige Heilung versprochen wird; die tatsächliche Heilungswahrscheinlichkeit beträgt nur 66 %."
Der im Film mit seinem Fall gezeigte ehemalige Lübecker Kultursenator Henning Koscielski hat sich offenkundig nicht die Zeit genommen sich schlau zu machen und hat überhaupt nicht verstanden, was seine Ärzte ihm sagten. Zwischen Diagnose und OP vergingen gerade einmal sechs Tage. Im Übrigen schafft der Film in diesem Fall mehr Verwirrung als Klarheit darüber, was damals eigentlich passiert ist. Die Rede war – anders als im Film dargestellt – nach der Diagnose ganz bestimmt nicht davon, dass "nur die halbe Prostata" entfernt wird, sondern wohl eher davon, dass auf einer Seite (der krebsbefallenen) die Nerven nicht erhalten werden könnten. Dabei oder bei der OP hat man möglicherweise die Seiten verwechselt, so dass die Nervenbündel beider Seiten durchtrennt und natürlich die komplette Prostata entfernt wurden. Die Schilderung des Falls trägt mehr zur Verwirrung bei als etwas zur Sinnhaftigkeit der Prostatakrebs-Früherkennung herzugeben.
Der Film wird gerade per E-Mail im Kreis der Hotline-Berater diskutiert. Paul Enders, Berater und einer der beiden Stellvertretenden Vorsitzenden des BPS, schrieb dazu folgendes Lesenswerte, das ich hier zitiere, weil Paul in diesem Forum nicht aktiv ist:
"Auch ich habe mir die Sendung angesehen. Sie war aus meiner Sicht einigermaßen sachlich, wenn man von den beiden Prostatakrebsfällen absieht. Ein lokal fortgeschrittener Tumor erfolgreich potenzerhaltend operiert ist wohl eine Ausnahme. Ein Patient, der vor der OP nicht darüber informiert ist (aus welchem Grund auch immer), dass die ganze Prostata entfernt wird, entspricht auch nicht gerade dem Standard.
Dass die Früherkennung nicht generell allen nützt, ist unbestritten. Vor allem profitieren Risikogruppen und alle, die an einem Prostatakrebs mittleren und hohen Risikos erkrankt sind, sofern der Krebs nicht schon zu weit fortgeschritten ist.
Wir müssen hier unterscheiden zwischen einem Nutzen für die Gesamtheit der Männer (Statistik) und einem Nutzen für den Einzelnen. Das wird deutlich, wenn man die Ergebnisse der Studien für alle oder für positiv Diagnostizierte betrachtet.
Ein genereller Nutzen hinsichtlich des Gesamtüberlebens (das sollte aber nicht das ausschließliche Kriterium sein) konnte bisher auf Grund zu weniger Daten nicht nachgewiesen werden. Deshalb soll nach der aktualisierten Leitlinie die Früherkennung Männern angeboten werden, die dies nach einer Aufklärung über Vor- und Nachteile wünschen. Nach einer Diagnose muss außerdem nicht notwendigerweise eine Behandlung folgen.
Auf Basis der Leitlinie wurde inzwischen eine Laieninformation zum Thema Früherkennung des Prostatakarzinoms erstellt. Sie wird in den nächsten Tagen veröffentlicht werden (morgen ist letzte Einspruchsfrist für die Autoren zu Änderungen) In dieser Information wird auch sehr ausführlich auf die Studienergebnisse eingegangen, die von den Medien in letzter Zeit immer wieder zitiert und zum Teil (bewusst??) missinterpretiert wurden. Zusätzlich wird eine sog. Wartezimmerinformation (Kurzinfo auf 2 DIN-A4-Seiten ) erstellt. Beide Dokumente sollen bis zum Krebskongress im Februar als Druckversion vorliegen.
Mein Fazit: Früherkennung JA, wenn der Wunsch besteht und ausreichend über mögliche Konsequenzen informiert wurde.
Bei allen Studienergebnissen nicht vergessen: Jährlich versterben in Deutschland ca. 12.000 Männer an Prostatakrebs! (im Straßenverkehr weniger als 4.000 Menschen aller Altersgruppen)."
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