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PCa: One Disease or Many?

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    #31
    ESMO Meetings 2012

    Auszug aus einem Gespräch zwischen Dr. de Bono und Dr. Howard Scher anläßlich des ESMO Meetings 2012[1]:

    Dr. de Bono: Sie haben viel mit Biomarkern gearbeitet, und Sie sind führend in der Untersuchung von Schmerz-Biomarkern. Außerdem haben wir über Biomarker zur Bildgebung diskutiert. Auch kennen sie unsere Daten zur Immunantwort in Serumdaten. Was ist Ihre Meinung dazu?

    Dr. Scher: Die wirkliche Lektion ist, dass es um mehr bei der Behandlung von Krebs geht, als nur einer Verlangsamung des Wachstums. Wir wissen, dass Krebs sich an die unterschiedlichen Umgebungen in Teilen des Körpers anpasst. Wir wissen, dass insbesondere Prostatakrebs, der Knochen-affin ist, eine einzigartige Interaktion innerhalb des Knochens aufbaut, das eine sehr angenehme Umgebung für ihn darstellt in der die Krebszelle überleben kann. Wir haben Effekte mit Cabozantinib und Dasatinib gesehen. Wir wissen, dass auf das Knochen Stroma zielgerichtete Therapien von Vorteil sein können. Der Einsatz von Bisphosphonaten und der Radionucleotide haben das bestätigt, dabei ergeben sich diese Vorteile ohne das man unbedingt einen Rückgang beim Prostata-spezifischen Antigens sieht. Ähnlich ist es mit den Immunmodulatoren - Sipuleucel-T hat einen Überlebensvorteil gezeigt, PROSTVAC-VF ist jetzt in Phase-III und Ipilimumab auch in Phase-III, und man wird in Kürze darüber berichten. Wir lernen, dass ausrichten der Therapien auf das was wir die "Markenzeichen des Krebses" nennen, Vorteile für die Patienten generieren kann.

    Wo wir noch relativ wenig Forschung haben, ist das Verständnis der Patienten eigenen Immunkompetenz. Wir haben darüber gesprochen, sehen Unterschiede bei gesünderen vs. kränkeren Patienten. David Almos Beobachtung war interessant: Wenn man sich die mononukleären Zellen anschaut, um eine globale Genexpression zu interpretieren, auf der Suche nach Genen, die mit dem Überleben verbunden sind, sind das überwiegend Immunsystem Prädikatoren! Wir fangen an, dass als Immunkompetenz zu realisieren, welche noch genauer definiert werden muss, die ein wichtiger Faktor beim Krankheitsverlauf des Patienten darstellt, und dies wird letztendlich ein Faktor werden, den wir in unseren klinischen Studien kontrollieren müssen.

    --------------------------------------------
    [1]: de Bono, Scher: New Agents Show Activity in Prostate Cancer, 2012 European Society for Medical Oncology (ESMO) Congress
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      #32
      Lieber Andreas,

      auch von mir ein Dankeschön für Deine unermüdlichen Übersetzungen.

      Zitat von LowRoad
      In diesem Sinne: Only the brave can walk alone
      "Wenn wir die Ziele wollen, wollen wir auch die Mittel"
      (Immanuel Kant)

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        #33
        Unsual Forms of Prostate Cancer

        Dr. Myers, ungewöhnliche Erscheinungsformen von Prostatakrebs[1]

        Dies ist eine erneute Präsentation, die aufzeigen will, dass Prostatakrebs eine sehr unterschiedliche Erkrankung ist, und das man sich dabei auch irren kann.

        Eine Vorsicht gebietende Geschichte.

        Ich hatte einen jungen Mann in der Praxis, 60 Jahre alt, im Alter von 53 mit Gleason 8 diagnostiziert, PSA etwa 5. Er wurde operiert, dann ein Rezidiv und Bestrahlung. Routineuntersuchungen bestehend aus Knochenszintigramm (Bone-Scan BS) und Computertomographie (Cat-Scan CT) waren immer negativ. Leider stieg das PSA immer weiter und lag dann über 500[ng/ml], aber niemand fand irgendwo Krebs [Metastasen]. Was also für eine Therapie durchführen? Ich sah einen Befundbericht des behandelnden Arztes vom Frühjahr, der schrieb: da zwar PSA hoch wäre, aber PAP (Prostatic Acid Phosphatase, in DE: SPP) nur etwa 3 [= Normalbereich]. Er kam zum Entschluss, dass das hohe PSA ein Artefakt [~ unechtes Ergebnis] sein muss, und es deshalb keine rationale Grundlage für eine Therapie darstellt. Von Frühjahr, bis er zu uns kam [~ Herbst] stieg das PSA auf etwa 5000[ng/ml]! Die Meinung seiner Ärzte blieb bestehen: da kein Nachweis der Erkrankung vorhanden ist, muss der PSA Wert ein Artefakt sein. Als ich ihn sah, wirke er recht gut, schlank, gesund, sportlich und ohne Symptome! Aber ein MRI Scan [in DE: Magnetresonanztomographie MRT] welches bei Dr.Bravo - Sand-Lake-Imaging durchgeführt wurde, zeigte, dass sein Bauchraum voller Krebs war! Zwei oder drei Läsionen an den Hoden, das wurde alles übersehen! Sicher ist das ein sehr ungewöhnlicher Fall von Prostatakrebs. Ich mach ja schon ewig in Prostatakrebs, kann mich gar nicht mehr erinnern seit wann, passiert wenn man älter wird, aber sowas habe ich noch nie gesehen.

        Der erste Fehler hier war, PAP als Marker für fortgeschrittenen Prostatakrebs zu verwenden, PAP kann sowohl hoch, als auch niedrig oder im Normalbereich liegen. Das alleine reicht nicht.
        Zweitens die Vermutung, dass PSA in diesem Fall ein Artefakt wäre. PSA bei 5000[ng/ml] soll ein Artefakt sein? Das wäre wirklich sehr ungewöhnlich! Dann hat man sich zu sehr auf das CT Ergebnis zur Beurteilung von Weichteilmetastasen verlassen. CT ist dabei wenig effektiv. MRI-Scans sind für Weichteildarstellung viel besser geeignet.

        Man erkennt hier schon ein paar Fehler. Sein PSA war stark steigend. Ich habe bei mir noch keinen lebenden Patienten mit einem PSA über 10.000 gesehen, und seine PSA Verdopplungszeit war derart, dass er das in 6 Wochen erreicht hätte. Daher könnte man prognostizieren, dass er vielleicht noch 6 bis 8 Wochen zu leben hat. Im Kontrast dazu war sein lokaler Onkologe der Meinung das alles wäre nur ein Artefakt, nicht behandlungsbedürftig. Der Punkt den ich hiermit zeigen wollte ist, man sollte Krebs niemals unterschätzen, der erscheint oft in ungewöhnlicher Art, der einen in die Irre leiten kann. Wir begannen mit einer sehr aggressiven Therapie, und den schnellsten Erfolg habe ich immer mit Ketoconazole und Leukine. Spricht der Patient darauf an, zeigt sich meist ein massiver PSA Abfall in 4 bis 6 Wochen. Eine Therapie, die ich gerne nach Lupron® [Eligard] und Casodex® [Bicalutamid] einsetze.

        Ein anderer Vorsicht gebietender Fall:
        Der Patient hatte eine oligometastatische Erkrankung, weniger als 5 Knochenmetastasen. Er wurde bei Dr. Datolli bestrahlt und der Patient hatte ein recht gute Remissionszeit. Plötzlich bildete sich am Schlüsselbein, neben dem Brustbein eine schmerzende Stelle. PSA blieb niedrig. Eine Röntgen-Untersuchung zeigte ein Loch im Knochen [lytische Metastase]. Prostatakrebs bildet normalerweise blastische Metastasen, wo der Knochen dichter erscheint. Hier war ein Loch erkennbar, ähnlich wie bei Brustkrebs oder dem Multiplem-Myelom. Eine Knochenbiopsie zeigte klar Prostatakrebs, kein PSA, kein Testosteronrezeptor, überhaupt kein Androgenrezeptor. Zweitlinien Hormonentzugstherapie mit XTandi® oder Zytiga® erschien unplausibel, da keine entsprechenden Rezeptoren vorhanden waren. Es war ein Gen vorhanden, welches Ansprechen auf Taxotere Chemotherapie vermuten liess. Aber da war noch eine andere Entwicklung erkennbar, ähnlich der Chemoresistenzbildung bei Lungenkrebs, wo man ein Mittel names AFINITOR® [Everolimus] einsezt. Die Kombination von Taxotere und AFINITOR® schien für diesen Patienten den größten Nutzen zu bieten.

        Was ich damit sagen will, Gott liebt die Details. Es ist ein großer Fehler Prostatakrebs als eine einzige Erkrankung anzusehen und alle in die gleiche Kiste einzuordnen, da es diese Kiste überhaupt nicht gibt! Der Schlüssel zur erfolgreichen Behandlung von Prostatakrebs ist das Erkennen der unterschiedlichen Krankheitsausprägungen. Einteilen von Patienten in Gruppen gleichen Verlaufs. Niedrige PSA Rezidive nach Operation ist ein spezielle Klasse, bis hin zu den Extremen, die ich ihnen hier gezeigt habe. Gilt natürlich auch für Patienten. Wenn sie der Meinung sind ihre Erkrankung wäre anders als der Normalfall, sollten sie auch ein individuelle Therapie einfordern. Der Leitlinienansatz, Standard-Of-Care, wird vom Normalfall dominiert, diese Bestimmen mit seinem Verhalten die entsprechenden Therapiekonzepte. Es gibt keine statistische oder logische Begründung dafür, dass Patienten, die nicht in das "Normalkollektiv" passen durch diese Therapieformen ausreichend versorgt werden.

        Egal, die Welt dreht sich weiter. Hoffe es war interessant für euch...
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        [1]: Dr.Myers, Unsual Forms of Prostate Cancer
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          #34
          Hallo Andi&Forum und Intessierte,


          Auch meinen Dank für die Übersetzung.

          Der Patient hatte eine oligometastatische Erkrankung, weniger als 5 Knochenmetastasen. Er wurde bei Dr. Datolli bestrahlt und der Patient hatte ein recht gute Remissionszeit. Plötzlich bildete sich am Schlüsselbein, neben dem Brustbein eine schmerzende Stelle. PSA blieb niedrig. Eine Röntgen-Untersuchung zeigte ein Loch im Knochen [lytische Metastase]. Prostatakrebs bildet normalerweise blastische Metastasen, wo der Knochen dichter erscheint. Hier war ein Loch erkennbar, ähnlich wie bei Brustkrebs oder dem Multiplem-Myelom. Eine Knochenbiopsie zeigte klar Prostatakrebs, kein PSA, kein Testosteronrezeptor, überhaupt kein Androgenrezeptor.
          Eine überaus erfreuliche Entwicklung, welche festzustellen ist in Bezug der Offenlegung dieser Problematik.
          Im Vergleich muß dann die Frage erlaubt sein. Wer macht das hier in Deutschland? Welche Tumorzellpopulation liegt hier vor, hat der Tumor Testo/Androgenrezeptoren die das Funktionieren einer ADT sicherstellen?
          Gleiches muß doch auch bei dem undifferenzierten Einsatz einer Chemo erwartet werden dürfen.
          Diese Fragen und die Bestimmung durch die vorhandenen Biomarker finden bedauerlicherweise wenig oder keine Abnahme/Zuspruch in Deutschland.

          Und eine sich weiter ausdehnende Wissenslücke unserer Schulmediziner, diese Erkenntnisse - aufgrund fehlender Evidenz - abzulehnen.
          Wissenschaftlichliche Publikationen gibt es zuhauf, welche diese Erkenntnisse belegen, ebenso die Existenz der gemischt osteoblastisch/osteolytischen Metastasierung.

          Auch die neurogene Ausbreitung von TZ wird bisher kaum erwähnt.

          Ganz zu schweigen, inwieweit, sich der Knochen/Knochenmark/Knochenbälkchen durch Metastasierung verändern.
          Die wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass der Tumor, die Mitochondrien lahmlegt mit der Folge dass die Killerzellen Krebszellen nicht mehr als Feind ansehen und angehen, geben eindrucksvoll darüber Auskunft, dass der Weisheit letzter Schluß mit den derzeitigenen Therapiekonzepten noch nicht gefunden ist und nur eine Bewegungsdate im Zeitablauf ist.

          Harte Worte, aber einer Lebensverlängerung mit den derzeitigen, neuen Mittel und den Nebenwirkungen im Gepäck müssen und sollen von den Betroffenen als sehr kritisch hinterfragt werden.

          Der große Wurf ist es bisher nicht, Meilensteinchen auf dem langen Weg zur Bewältigung dieser Geißel vielleicht.
          Aus meiner Sicht müssen andere Therapieansätze gefunden werden, evtl. auch die bisherigen wenig, erfolgreichen Therapieansätze überdacht werden.

          Ich weiß, keinen hoffnungsvollen Silberschweif am Horizont mit dem sich so trefflich viele Betroffene ruhig stellen ließen.
          Vielleicht müssen mündige Betroffene mehr wagen und experimentelle Versuche unternehmen auch mit zu überblickenden Risiken leben und sich darauf einlassen.
          Letztlich trägt er alleine die Verantwortung für sich und für Therapien seiner Ärzte mit allen Folgen.

          Nach meinem derzeitigen Wissens- und Erfahrungsstand gehören folgende Ansätze höher gewichtet:

          - die Immunmodulation
          - die Entgiftung
          - die Immunaktivierung
          - die Hyperthermie
          - Therapie + Hyperthermie
          - Radionukleidtherapie als palliative Behandlung mit Trojaner, Seltene Erden und neuere Adhäsionsverfahren, die ausschließlich TZ zerstören.
          - Optimierung der Ressourcen, EEGC, Curkumin, Ingwer, Gamma/Delta Tocotrienol, Quercetin, Salvestrol,
          die gängigen und bekannten NEM setze ich voraus. Sie können alleine in diesem Stadium keinen Krebs wirksam bekämpfen, aber in der Optimierung und im Verbund allemal.

          Aus Anlass meiner nun 5 jährigen Zeit mit nachweislichen Knochenmetastasen und 9 Jahre mit PCa möchte ich meinen Weg in my prostate.eu einstellen, in der Hoffnung, dass sich für evtl. Betroffene einen Nutzen oder sich Denkanstöße ableiten lassen.

          Freundliche Grüsse
          Hans-J.
          Mein PK Verlauf unter: http://www.myprostate.eu/?req=user&id=96

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            #35
            Treatment options post Taxotere®

            Dr. Barken: Treatment options post Taxotere®[1]

            [0:20] Allen:
            Ich habe schon ein paar Knochenmetastasen durch diverse Bildgebungen verifiziert, somit musste ich mit Taxotere anfangen. Bin jetzt fast durch damit. Das hat mein PSA auch um etwa 10 Punkte runter gebracht, auf aktuell so 21 bis 22. Morgen habe ich noch eine Infusion und dann noch eine, dann bin ich erst mal durch damit. Frage mich natürlich, wie geht's jetzt weiter?

            [0:52] Dr. Barken
            Die Frage ist nicht nur "was als nächstes tun", sondern was könnte man parallel machen. Zuerst mal hoffe ich, dass sie ihre Knochendichte sehr intensiv angehen, also entweder Denosumab [Prolia®] oder Aredia® oder ein anderes Bisphosphonat. Ich meine, dass Denosumab eine sehr gute Ergänzung wäre.

            [1:22] Allen:
            Unglücklicherweise kann ich keines dieser Medikamente mehr nehmen. In der VA [Veterans Administration] Klink habe ich Zometa® bekommen, dann wurden ein paar Zähne gezogen wodurch sich eine Osteonekrose gebildet hat. Da mache ich seit Januar dran rum. Eine Seite heilt ganz gut ab, die andere Seite geht so. Der Kiefernchirurg meinte, dass ich wahrscheinlich keines dieser Mittel jemals mehr bekommen könnte.

            [1:58] Dr.Barken:
            Verstehe, dann zumindest Vitamin-D und Calcium Werte beobachten.
            ...
            Der Punkt hier ist, wenn jemand Knochenmetastasen hat, dann sind die Onkologen sehr zurückhaltend mit Therapien. Sie warten, bis sich Knochenschmerzen entwickeln, oder sie sehen Metastasen in Bereichen die bei einem Bruch gefährliche Folgen hätten, z.B. in den Hüftknochen oder der Wirbelsäule, nur dann verwenden sie eine aggressivere Vorgehensweise. Meine Sichtweise ist die, dass Strahlentherapie sehr effektiv bei Knochenmetastasen wirkt, speziell wenn man fokale Ziele hat. Problematischer wird es, wenn man mehrere Läsionen sieht, dann sind Formen systemischer Strahlentherapie sinnvoll. Entweder Samarium [Quadramet®], das ist der traditionelle Ansatz, wünschenswert wäre aber der Einsatz von Radium-223 [Alpharadin® - z.Z. noch nicht zugelassen, Härtefallprogramm nachfragen] Das kann sehr effektiv zur Kontrolle der Knochenläsionen eingesetzt werden. Ich bevorzuge die frühe Verabreichung, um Probleme zu verhindern. Interessant ist auch eine Studie von Oliver Sartor, bei der Taxotere Chemotherapie zusammen mit Samarium kombiniert wurde. Es konnte ein synergistischer Effekt gezeigt werden. Auch das sollte man ggf. berücksichtigen.

            Ein anderes Medikament welches berücksichtigt werden könnte, dringen sie im VA darauf, wäre XL184 [Cabozantinib/Cometriq®]. Eine sehr potente Behandlung, wirkt auf molekularem Wege des Prostatakrebses in den Knochen. Damit konnte man zum ersten Mal eine Rückbildung von Knochenläsionen zeigen. Es gäbe dann natürlich noch viel mehr, sie wissen ja, dass es eine ganze Reihe von Zweitlinien Chemotherapien nach Taxotere gibt. Wenn man einmal Taxotere bekommen hat, qualifiziert man sich auch für Zweitlinien Testosteronentzugstherapien, was wir lieber vor Chemotherapie machen [zwischenzeitlich auch entspr. zugelassen], Zytiga®, MDV3100 [Enzalutamide/XTandi®], und da sind noch ein paar Sachen in der Küche, TAK700, ARN509, TOK001... In naher Zukunft werden recht viele Medikamente verfügbar sein.
            ...
            Allen, ich bin sehr glücklich, dass sie sich aktiv um die Krankheit kümmern und eine Chemotherapie gemacht haben. Ich denke jetzt wäre eine spezielle Bildgebung angeraten um zu sehen, was wo passiert und nicht nur den PSA Wert zu beobachten oder ein Knochenszintigramm [Bone-Scan] zu machen. Man könnte z.B. ein Naf-Pet-Scan zum Auffinden von Knochenläsionen, oder andere Pet-Scans machen. Eine ganze Reihe von Maßnahmen könnte durchgeführt werden. Noch ein allgemeiner Rat, ich weiß nicht ob das für sie zutreffend ist, immer wenn wir Patienten sehen die ausschließlich Knochenmetastasen haben, nicht an anderen Stellen des Körpers, Dr.Kwon von der Mayo Klinik hat dazu einen Fall präsentiert, ein Patienten, Kastrationsresistent mit positiver Knochenszintigramm, Taxotere Versagen, diverse andere Therapien versagten auch. Nähere Untersuchung ergab dann, was ich immer schon gesagt habe, dass die aktive Läsion sich nur innerhalb der Prostata befand, bestätigt durch ein [C11]Pet-Scan. Er empfahl diesem Patienten, aber fürchten sie sich nicht, ich empfehle es ihnen nicht, eine radikale Prostatektomie. Die ihn behandelnden Onkologen sagten ihm, er hätte jetzt nicht mehr viel Optionen, und nun wurde er radikal operiert. Also missverstehen sie das nicht als generelle Empfehlung an Patienten mit Knochenmetastasen eine operative Entfernung der Prostata durchzuführen. Bei diesem Patienten wirke es aber dramatisch gut. Er lag im Krankenhaus und ihm wurden nur noch ein paar Wochen zugestanden. Dr. Kwon berichtete von diesem Pateinten auf dem PCRI Meeting ein Jahr später.

            Ein anderer Ansatz wäre eine immunologisch wirkende Therapie, vielleicht sprechen wir mal miteinander, damit ich das für ihren Fall zurechtschneidern könnte. Da wäre z.B. Ipilimumab[Yervoy®], hat ein paar toxische Nebenwirkungen aber es gibt auch noch andere Sachen. Ich denke, dass das zusammen mit anderen Immuntherapien ganz gut wirken könnte. Noch ein Beispiel, Dr.Oliver Sartor hat Immuntherapie mit einer Strahlentherapie kombiniert. Seine Idee dahinter war, was auch ich schon immer vermutet hatte, wenn man die Knochenläsionen bestrahlt, zerstört man damit Krebszellen, womit Antigene in die Zirkulation gelangen um Immuntherapien zu stimulieren.

            Allen, eins sollte klar sein. Sie können nicht zu einem Arzt gehen, der nur das macht, was in den Leitlinien empfohlen wird. In Ihrer Situation geht ihnen langsam die Munition aus, somit müssen sie jemanden finden, der nicht den Standard macht, sondern ihnen effektiv helfen könnte. Das Problem mit Immuntherapien ist eine geeignete Studie zu finden, bei der man mitmachen könnte.Wir haben z.B. noch gar nicht über Prostvac® gesprochen...

            [9:16] Dr.Barken:
            Zum Schluss meine aller - aller - aller - allerliebste Therapie, die bei Patienten, die schon alles und jedes ohne großen Erfolgt ausprobiert hatten, immer wirkt, speziell bei Knochenschmerzen, was ich ihnen natürlich nicht wünsche, das wäre eine Estrogen-Infusion, Hochdosis. ... DES [Diethylstilbestrol] Infusion ist extrem wirksam um Knochenschmerzen zu stoppen und einen PSA Abfall zu bewirken. Es wirkt so etwa 2 bis 6 Monate. Das mal als Beispiel....

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            [1] Dr. Barken: Treatment options post Taxotere
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              #36
              New Drugs Confusing Your Doctor?

              Dr.Myers: Verwirrend die neuen Medikamente eure Ärzte?

              Also das wird jetzt wahrscheinlich eine interessante Sache. Ihr wisst ja, letztes Jahr gab es mehr als 6000 Veröffentlichungen Prostatakrebs betreffend, und wir haben aufregende neue Medikamente zur Verfügung gestellt bekommen, wie z.B. Xtandi® (Enzalutamide), Zytiga® (Abiraterone), Firmagon® (Degarelix), Jevtana® (Cabazitaxel) - über all das haben wir gesprochen. Ich vermute mal, dass das alles zu verarbeiten schon eine Menge Zeit benötigt. Was ich leider feststellen muss, ist eine wachsende Kluft im Verständnis der Krankheit zwischen den PCA Spezialisten und den allgemein arbeitenden Onkologen bzw. Urologen. Für viele Jahre war die Therapie von Prostatakrebs eine relativ sichere Angelegenheit mit Lupron® oder vergleichbaren Medikamenten und Casodex® (Bicalutamide). Seither hat es aber viele Änderungen gegeben. Es scheint, dass manche Onkologen bzw. Urologen diesen Wandel nicht mitbekommen haben.

              Ein Beispiel um das zu verdeutlichen:
              Es betrifft einen meiner Patienten den ich schon viele viel Jahre mit einer intermittierenden Hormonblocke (IADT) betreue. In den IADT Pausen betrug seine PSA Verdopplungszeit (PSADT) etwa 6 bis 8 Monate, seit Jahren gleichbleibend. Unglücklicherweise verkürzte sich seine PSADT kürzlich auf etwa 3 Wochen! In der Praxis ist die kürzeste PSADT die man gewöhnlich sieht etwa 2 Wochen. Damit wurde klar, der Krebs hat sich in eine aggressivere Form gewandelt. Verdopplungszeiten von 2 bis 3 Wochen sind ungewöhnlich, und so werden die meisten Urologen oder allgemein arbeitende Onkologen solche Fälle gar nicht kennen, oder sie haben vielleicht 2 Fälle in ihrer aktiven Praxiszeit. Hier aber ist es doch keine Frage, dass wir es jetzt mit einem gefährlichen Raubtier zu tun haben, was aggressiver Therapien bedarf. Die medizinische Literatur zeigt eindeutig, dass Lupron® (Leuprolide ) und Casodex® (Bicalutamide) dabei nur geringen Einfluss haben, und eine Kastrationsresistenz sich schnell entwickeln kann. Ein Stadium bei dem einige meiner Kollegen umgehend Chemotherapie versuchen würden, als klinische Studie, oder als individueller Versuch. Wir haben das bisher noch nicht gemacht, aber es klingt schon logisch, da sich eine Resistenz Lupron® gegenüber sehr schnell entwickeln würde, so dass es sich kaum lohnt es erst zu versuchen.

              Wir haben jetzt Firmagon®, was in klinischen Studien bei aggressiven Erkrankungen klare Vorteile gezeigt hat, dann auch noch Zytiga® und Xtandi®. Dieser Patient sollte mit Firmagon® beginnen, um die Krankheit so schnell wie möglich unter Kontrolle zu bekommen. Ich bin kein großer Fan von Casodex® in diesem Stadium, bevorzuge lieber Zytiga® oder Xtandi®. Also riefen wir den Onkologen in seiner Kleinstadt an, aber keiner der ortsansässigen Ärzte benutze bisher Firmagon®. Sie wollten mit Lupron® beginnen und warten bis es unwirksam würde. Keiner von Ihnen kannte die Vergleichsstudie Lupron® vs. Firmagon®, oder deren Ergebnisse. Die Kluft im Verständnis ist wirklich enorm.

              So musste sich der Patient unglücklicherweise jeden Monat hierher anreisen, um die Firmagon® Injektion zu erhalten, was kostenlos durchgeführt wurde um ihm zu helfen. Wir empfahlen ihm dann noch eine Kombinationstherapie mit Xtandi®, bisher nur NACH Chemotherapie zugelassen. So mussten wir mit seiner Versicherung verhandeln, haben seine Daten eingereicht und bekamen grosszügigerweise die Erlaubnis es hier frühzeitig einzusetzen. Zytiga® wäre für dieses Stadium zugelassen, aber es beeinflusst erheblich die Wirkung anderer Medikamente, die dieser Patient wegen Herz/Kreislaufproblemen einnehmen musste. Einer seiner Onkologen frage mich: "...Was, sie benutzen zwei Medikamente gleichzeitig??? Also ich benutze immer nur ein Medikament nach dem nächsten!" Klingt komisch, aber viele kleben an diesem "Eins nach dem Anderen" Ansatz. Ein anderer Kommentar war: "Ist doch besser wir verwenden erst Lupron® und dann Zytiga®, somit haben wir noch eine Option."

              Bei aggressiven Erkrankungen wie dieser hier, ist der erste Schuss der wirksamste, rumspielen kann man sich nicht leisten!

              Ihr Verständnis war klar umrissen und basierte auf dem Verhalten der Mehrzahl der üblichen Prostatakrebs Erkrankten. Keiner war bereit seine Vorgehensweise für diesen aggressiven Fall zu überdenken, eine aggressivere Therapie vorzuschlagen. Ich habe versucht Vergleiche mit Lymphomas (Lymphdrüsenkrebs) anzustellen. Da gibt es Niedrigrisiko-Erkrankungen, die einfach zu behandeln sind, man die Medikamente nacheinander einsetzen kann, aber das kann sich in ein aggressives schnell wachsendes Stadium ändern. Leitliniengerecht wird die Therapie dann in eine angepasste aggressivere Vorgehensweise geändert. Hat aber nichts genutzt, die Leute sind nicht bereit ihr Schubladendenken aufzugeben. Es ist ein Problem in den ländlichen Bereichen.

              Wenn sie einer meiner Patienten sind, dann kann das zum Problem werden, diese wachsende Kluft des Verständnisses. Sind sie kein Patient von mir und haben ein aggressiven Prostatakrebs gehen sie lieber in eine nahegelegene Fachabteilung einer Universität, zu einem Spezialisten für Prostatakrebs, der versteht, dass dieses Stadium nicht durch Standartvorgehensweisen effektiv behandelt werden kann.

              Schönen Tag noch.

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              [1]: Dr.Myers, New Drugs Confusing Your Doctor?
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                #37
                BRCA1/2 Mutations & PARP Inhibitors

                Die Diskussion über den Sinn oder Unsinn einer BRCA1/2 Mutationsanalyse bei Frauen hat hier im Forum einen durchaus kontroversen Verlauf genommen. Frauen die diese Mutation besitzen haben ein erhebliches Erkrankungsrisiko u.a. für Brust- und Eierstockkrebs. Eine prophylaktische Mastektomie, wie sie z.B. durch das Vorgehen von Angelina Jolie in die Öffentlichkeit drang, ist aber immer eine individuelle Entscheidung, die gut überlegt sein sollte!

                Auch Männer können diese BRCA1/2 Mutation besitzen, vor allem, wenn eine familiäre Disposition besteht. Da selbst im Fall, dass Mann diese Mutation besitzt, das Risiko an Brustkrebs zu erkranken gering ist, wird allgemein keine vorsorgliche Gen-Mutations-Bestimmung durchgeführt, selbst nicht bei Risikogruppen. Es hat sich aber gezeigt, dass speziell bei jungen Männern mit hochaggressivem (GS >=8) Prostatakrebs diese Mutation eine Rolle spielen könnte. Eine Mutationsanalyse erscheint mir angebracht wenn entsprechende Voraussetzungen erfüllt sind und eine familiäre Disposition besteht, d.h. Mutter und/oder Schwester erkranken in jungen Jahren (<50) an Brustkrebs.

                Und dann?
                Länger schon diskutiert man, ob es in solchen Fällen nicht sinnvoll wäre einen PARP Inhibitor einzusetzen. Studien laufen dazu, natürlich nicht in Deutschland, das wäre zu einfach. Verschiedene PARP Inhibitoren sind bereits auf dem Markt, der Einsatz wäre aber auf jeden Fall Off-Label!

                John aus dem HW Forum berichtet von ganz guten Ergebnissen für sich:

                John:
                Diagnosed 9/14/2011; Age 47; PSA 5,000+
                Metastatic Stage 4, spread to entire skeleton w/femur fracture
                therapy: Lupron/Casodex/Aredia
                6/4/12: PSA 2.2
                6/27/12: PSA 1.42
                7/24/12: PSA 0.69
                9/25/12: PSA 1.2
                10/11/12: PSA 1.4
                10/10/12: PSA 3.79 (starting tripling Casodex dosage)
                1/14/13: PSA 2.88
                3/11/13: PSA 6.35 (time for Xtandi?)
                5/3/13: PSA 17 (started ABT-888)


                Hintergrund: Ich verwendete eineinhalb Jahre nach meiner Diagnose Lupron® und Casodex®, erreichte dabei ein PSA NADIR von 0,69ng/ml, dann begann der PSA Wert wieder zu steigen. Statt mit Xtandi® oder Zytiga® anzufangen, ging ich in eine klinische Studie mit einem Medikament namens ABT-888, einem PARP-Inhibitor, der Prostatakrebs bei Männern abtöten soll, die positiv auf eine BRCA2-Gen-Mutation getestet wurden. Ich bin sehr glücklich, denn nach zwei Monaten in der Studie ist mein PSA Wert von 17ng/ml auf 2ng/ml gefallen.

                Alle drei meiner Onkologen sind optimistisch, dass dies für mich 'lange Zeit' wirksam sein könnte. Ich habe heute bestätigt bekommen, dass PARP-Inhibitoren bei Männern, die keine BRCA2 Mutation besitzen, unwirksam ist. In der Tat, könnte es sogar gefährlich sein. Aber in meinem Fall ist es wirksam.


                Ich habe auch von anderen klinischen Studien gehört, in denen man eine Kombination mit Taxotere® und PARP Inhibitoren, PARP Inhibitoren mit Zytgia® und schließlich die PARP Inhibitoren mit Xtandi® erprobt. Außerdem arbeitet man auch an neuen Formen der entsprechenden Immuntherapie (unbekannt, aber es ist nicht Provenge®). Die PARP Inhibitoren erscheinen mir soweit sehr effektiv, und ich hoffe, dass es in der Zukunft, wenn die Wirksamkeit der PARP Inhibitoren als Monotherapie bei mir versagt, ich eine Möglichkeit bekomme, es mit einem anderen Mitteln, wie z.B. Zytiga®, zu kombinieren.

                Ich weiß, dass mein Optimismus nur auf einer einzigen Blutprobe basiert, aber im Moment fühle ich, das ich noch für Jahre effektive Therapieoptionen vor mir habe.
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                  #38
                  Düsseldorf Dezember 2013 - Part I

                  'Wie war‘s denn so in Düsseldorf?' Das werde ich gelegentlich gefragt. Gemeint ist das "1. Symposium on Castration Resistant Prostate Cancer", welches am 6/7.Dezember 2013 stattgefunden hat [1].

                  'Durchwachsen', ist dann meine Antwort. Laut Prof. Schostak waren etwa 70 Personen anwesend. Davon waren 5 Patientenvertreter (Günter Feick, Silver Dollar, Udo-E., Christian Ligensa und ich). Dann noch etwa 20-30 Studenten, die im Gefolge der vortragenden Professoren mitangereist waren. Zieht man noch diese etwa 20 Vortragenden bzw. die Chairmen ab, dann bleiben wahrlich nicht viele übrig, die bereit waren das Geld und die Zeit zu investieren um sich über kastrationsresistenten Prostatakrebs zu informieren. Bedenkt man, wie viele Urologen es in Deutschland gibt - für mich enttäuschen!

                  Möglicherweise war aber auch der zu erwartende Erkenntnisgewinn einfach zu gering? Das könnte ich nachvollziehen, denn die wirklich optimistischen Vorträge, die irgendwelche neuen Wege skizzierten waren nur in homöopathischer Dosis erkennbar.

                  Solch einen Beitrag hat der Radioonkologe Prof.Dr.Frederik Wenz aus der Universitätsmedizin Mannheim gebracht. Sein Thema: "Palliative Radiation Therapy in Metastatic Prostate Cancer"

                  Ich möchte euch das in Auszügen hier als Transkriptionsübersetzung vorstellen, denn das das Symposium wurde komplett in englischer Sprache durchgeführt - vielleicht auch ein Grund für das 'Desinteresse'?


                  Prof.Wenz

                  ...aber die letzten paar Jahre hat es einen Paradigmenwechsel gegeben, wie wir metastatischen Krebs behandeln. Die “Pediatric College Association“ hat den Weg bereitet, indem sie bereits metastasierte Erkrankungen mit einer aggressiven Radiotherapie versuch haben zu heilen. Dazu gibt es einige Studienergebnisse in den Radioonkologischen Fachzeitschriften der letzten Jahre.
                  • Steroetactic body radiation therapy: a novel treatment modality
                  • Stereotactic body radiation for oligometastases
                  • extracranial Oligometastases: a subset of metastases curable with Stereaotactic Radiotherapy


                  Also da ist eine Menge Bewegung vorhanden. Wir bewegen uns auf ein neues Konzept der Behandlung von Patienten mit oligometastatischer Erkrankung zu. Ich will ihnen erstmal kurz das Konzept dahinter vorstellen, um dann zu einem Case Report zu kommen. Einem Patienten mit Gleason 9 und metastatischer Erkrankung, den ich seit über 10 Jahren in Behandlung habe. Das soll ihnen zeigen, wie wir uns so einen Ansatz vorstellen können.

                  Vor 10 Jahren hatten wir diese schwarz/weiß Vorstellung von Krebs. Es gab die lokalisierte Erkrankung, behandelbar durch Operation oder Strahlentherapie, und wir hatten metastatische Erkrankungen, die mit systemischen Therapien zu behandeln war. Dazwischen gab es nichts.



                  Inzwischen haben wir gelernt, dass es eher ein Spektrum von Erkrankungen gibt. Krebs in der Frühphase der Metastasierung kann eher als chronische Erkrankung behandelt werden. Ein multitherapeutischer Ansatz mit Kombination von lokalen Therapieformen und systemischem Vorgehen kann erfolgversprechend sein um eine Langzeitkontrolle dieser Stadien zu erreichen.



                  Hier die Ergebnisse einer Studie von Patienten mit 5 oder weniger bekannten Läsionen, die einer Stereotaktischen Strahlentherapie unterzogen wurden. Das ist eine Sammelstudie von ganz unterschiedlichen Erkrankungen incl. Prostatakrebs. Wichtig ist meiner Meinung nach das Ende dieser "Bananenkurve". Wird ein Plateau erreicht? Das Gesamtüberleben nach 4 Jahren (48 Monaten) war etwa 1/3 aller Patienten. Das zeigt, dass man in einem Subset dieser Patienten eine Langzeitremission erreichen kann.

                  Ganz wichtig ist auch, dass wir verinnerlichen, dass wir es mit einer heterogenen Ausprägung der Metastasen zu tun haben. Diese Heterogenität gibt es sowohl im Tumor selbst, aber stärker noch von Metastase zu Metastase. Dieses Wissen wird immer wichtiger, da wir zunehmend die biologischen Signalwege durch gezielte Therapien beeinflussen können. Diese biologische Signalwegblockade kann dann vielleicht 8 von 10 Metastasen kontrollieren, aber vielleicht zwei zeigen sich resistent. Jetzt könnte man die systemische Therapieform wechseln, die aber doch 80% der Metastasen unter Kontrolle hält, oder man ergänzt mit einer lokalen Therapieform für diese beiden Systemtherapieresistenten Metastasen. Dieser Paradigmenwechsel kann mehr und mehr beobachtet werden.
                  ....


                  Case Study:
                  Ich möchte ihnen beispielhaft einen Patienten von mir vorstellen. 66 Jahre alt bei Diagnose im Jahr 2003. Von Beruf managed er ein modernes Technologieunternehmen, ein Power Mann, der auch seine Krankheit selbst zu managen gedenkt. Er fordert ein sehr aggressives Vorgehen bei der Behandlung seiner Krankheit. Nach Diagnose unterzog er sich einer Operation, die ein pT3b N0 Mx Gleason 5+4 zeigte. Wegen nicht vollständig abfallendem PSA Wert bekam er 7 Monate nach der Operation eine adjuvante Bestrahlung der Prostataloge mit 66Gy, was damals der Standard war. Ergänzend erhielt er eine Testosteronunterdrückungstherapie (ADT) mit einem LHRH Analogon. Die ADT wurde über 5 Jahre durchgeführt, länger als von uns vorgeschlagen, aber wie ich ihnen schon berichtete, managte er seine Krankheit selbst.

                  Kurz nach dem Ende dieser ADT hatte er einen PSA Wiederanstieg auf 7.2ng/ml im Oktober 2009. Daraufhin unterzog er sich einer PET/CT Untersuchung, die Lymphknotenbefall im linken Beckenbereich zeigte, worauf er eine Strahlentherapie dieser Knoten einforderte. Das war in den frühen Jahren des Verständnisses von oligometastatischer Erkrankung, somit waren wir ziemlich zögerlich. Im Tumorboard wurde es besprochen, aber da der Patient es sehr entschieden einforderte, boten wir ihm eine entsprechende Bestrahlung der Lymphbahnen an. 57Gy war der damals übliche Ansatz.

                  Das PSA fiel im Verlauf auf 1.2ng/ml ab, stieg aber kurz danach (2 Monate) wieder auf 1.9ng/ml an. Ein weiterer befallender Lymphknoten etwas höher (paraaortal) zeigte sich. Erneut forderte er eine Bestrahlung dieser Stelle, was wiederum ein Abfall des PSA Wertes bewirkte. Das hielt etwa ein halbes Jahr an, dann stieg der PSA Wert aber wieder auf 2.6ng/ml im Dezember 2010 an. Im PET zeigte sich ein weiterer befallener Lymphknoten im Brust-Halsbereich. Wiederum erhielt er eine lokale Strahlentherapie mit 60Gy. Diesmal hielt der PSA Abfall etwas länger an, aber wiederum kam es zu einem Wiederanstieg Anfang 2011.

                  Jetzt überredeten wir ihn zu einer Chemotherapie entsprechend der Leitlinien, was eine wirklich harte Diskussion erforderte, die länger als eine Stunde dauerte. Im Anschluss nahm er Abiraterone, doch im Jahr 2012 kam es zu einem erneuten PSA Anstieg. Das PET zeigte diesmal mediastinal befallene Lymphknoten. Im Mai 2013 erhielt er somit erneut eine Bestrahlung dieser Knoten mit 66Gy.

                  Ich hatte ihn kürzlich (Dez. 2013) in der Konsultation, wo er sich in ausgezeichneter Verfassung (KPS 100%, 77Kg, PSA 0.9ng/ml) zeigte. Als Ruheständler spielt er jeden Tag Golf, und lebt mittlerweile an einem Golfplatz.

                  Eine Einzelfallgeschichte, ein einzigartiger Fall, aber Patienten, die die Krankheit proaktiv managen, speziell bei Prostatakrebs, das wird uns wohl immer öfter begegnen.



                  --------------------------------------------------------
                  Es gibt sie also doch, die Patienten, die sich effektiv selbst um ihre Krankheit kümmern - Respekt. Ich wünsche dem unbekannten Patienten noch viele Tee-Times, und das er sich noch lange auf dem Fairway halten kann, sobald nicht ins Hohe-Rough gerät.

                  Im weiteren Verlauf der Präsentation berichtete Prof. Wenz noch von der aktuellen Vorgehensweise in Mannheim bei unterschiedlichen Krebserkrankungen einschließlich der Atemtriggerung.

                  Prof. Wenz danke ich für diese Präsentation, die uns selbstbestimmten Patienten doch wieder Ein Stück voranbringen kann!

                  Als nächstes möchte ich euch den Vortrag von Prof. Mario Eisenberger (Johns Hopkins Medical Center) vorstellen. Sein Thema: "Cytotoxic treatment options in metastatic castration resistant prostate cancer"
                  Auch einer den wenigen Vorträgen, die einen positiven Ausblick vermitteln konnten. Bis dahin denkt daran:

                  Only the brave can walk alone!
                  --------------------------------------------------
                  [1]: 1. Symposium on Castration Resistant Prostate Cancer, 06.– 07. Dezember 2013
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                    #39
                    Lieber Andi,

                    ich danke Dir für die Übersetzung dieses interessanten Vortrages von Prof. Wenz, zu dem ich nach wie vor regelmäßig Kontakt habe. War er es doch, der sich im Jahre 2007 während der von ihm mitgeplanten IGRT ständig nach meinem Befinden erkundigte, und es sich auch nicht nehmen ließ, wegen der entstandenen Strahlenproktitis medikamentös für Abhilfe zu sorgen. Die aus Vortrag zu erkennenden Behandlungsmöglichkeiten erwecken Hoffnung, wenn es hierfür für mich noch einmal eine Veranlassung geben sollte.

                    "Argumente kommen aus dem Kopf - nicht aus dem Kehlkopf"
                    (Dieter Spöri)

                    Gruß Harald

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                      #40
                      BRCA1/2 Mutations & Platinum Chemo

                      Neben den PARP Inhibitors gibt es offensichtlich noch eine weitere therapeutische Option, die aktuell wahrscheinlich leichter zu erreichen sein dürfte, da die PARP Inhibitors nicht nur Off-Label wären, sondern auch extrem teuer sind. Helen E. Bryant berichtet in einem kleinen Artikel[1] über die Anwendung von Carboplatin bei fortgeschritten metastasiertem Prostatakrebs, und welche interessante Grundlagen dabei untersucht wurden.

                      Eine Platinbasierte Chemotherapie beim Prostatakrebs wird, außer in Fällen von neuroendokriner Differenzierung selten verwendet. Wir identifizierten drei Patienten mit nicht-neuroendokrinem mCRPC mit einem außergewöhnlich gutem Ansprechen auf die Platin-Chemo, was derart definiert ist, dass Patienten mit Prostatakrebs im fortgeschrittenen Stadium, die eine vollständiges oder teilweises Ansprechen für mindestens 6 Monaten erreichen, wenn statistisch nur ≤20% zu erwarten wäre. Um molekulare Veränderungen zu identifizieren, die mit dieser außergewöhnlichen Reaktion verbunden sind, führten wir retrospektiv klinische gezielte Gen-Sequenzierung der Tumor-DNA durch.

                      Abstrakt
                      die molekularen Grundlagen bezüglich Ansprechraten bei spezifischen Therapien wird die Präzision wird mit dem Ziel vorangetrieben, die individuelle Behandlung von Prostatakrebs zu verbessern. Wir identifizierten drei Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC), die ein außergewöhnlich gutes Ansprechen auf eine Platin-Chemotherapie erkennen ließen (nicht als Primärtherapie), trotz Fortschreiten der Krankheit nach vorherigen Standardtherapien. Durch gezielte Gen Sequenzierung der primären und metastatischen Tumore fanden wir, dass alle drei Patienten eine identische Inaktivierung von BRCA2 auf beiden Varianten der Erbfaktoren hatten. BRCA2 ist ein Tumorsuppressorgen, welches kritisch für die homologe DNA-Reparatur ist.

                      Patient Nr. 1 wurde im Alter von 66 Jahren bei einem aPSA von 24.8ng/ml und einem Gleason 4+4 Adenokarzinom diagnostiziert. Entsprechend einer klinischen Studie bekam er eine Hormonentzugstherapie (ADT) gefolgt von einer radikalen Prostatektomie und einer Salvage Bestrahlung. 4 Jahre später wurden bei ihm sowohl Lymphknotenmetastasen, als auch Metastasen in den Knochen und der Leber gefunden. Eine pathologische Untersuchung der Leberbiopsien erbrachte keinen Hinweis auf neuroendokrinen Prostatakrebs. Trotzdem muss man hier aufhorchen, denn (zumeist lytische) Knochen- und Lebermetastasen sind zusammen mit erhöhtem CEA Werten oft ein Hinweis auf anaplatische Tumore, die etwas mehr Aufmerksamkeit bedürfen.

                      Patient 1 erhielt daraufhin eine Docetaxel Chemotherapie, die nur kurz wirkte. Gefolgt von Abiraterone und Enzalutamid, was praktisch ohne Wirkung war, ja die Progression der Metastasen schritt auch während der Therapie fort! Bei einem PSA Wert von etwa 550ng/ml erhielt er dann eine Docetaxel-Carboplatin Kombitherapie, was zu einer kompletten Remission führte. Nach einer 6 monatigen Pause erhielt er wieder diese Kombinationstherapie, die aber diesmal schlecht vertragen wurde, woraufhin sich der Patient entschied in ein Hospiz zu wechseln.



                      Mein Fazit:
                      Auch in scheinbar schwierigen Situationen kann man mit etwas Glück und Geschick noch Lebenszeit gewinnen, wenn man seinen Blickwinkel nicht einschränkt. Was man auch lernen kann ist, dass auch dieser Ansatz endlich ist, und man irgendwann mutige Entscheidungen treffen sollte


                      Patient Nr.2 wurde im Alter von nur 53 Jahren mit einem aPSA von 6.8ng/ml und einem Adenokarzinom, Gleason 5+4 diagnostiziert. Auch er erhielt eine radikale Prostatektomie gefolgt von Salvage-RT + ADT. Nach 5 Jahren entwickelten sich trotzdem Knochenmetastasen. Eine leitliniengerecht eingeleitete ADT wirkte etwa 3 Jahre. Zweitlinien ADT Medikamente wie Abiraterone und Enzalutamide kamen zum Einsatz, wirken aber nur kurz. Eine Docetaxel Chemotherapie zeigte keine Wirkung, woraufhin er über 6 Monate eine Kombination von carboplatin und doxorubicin erhielt. Diese Therapie zeigte gutes Ansprechen:




                      Patient Nr. 3 wurde m Alter von 70 Jahren bei einem aPSA von 4.9ng/ml mit einem Adenokarzinom Gleason 5+5 diagnostiziert. Er wies schon bei der Primärdiagnose eine weitreichende lymphogene Metastasierung auf, weshalb er eine leitliniegerechte ADT angeboten bekam. Diese versagte aber schon nach 6 Monaten. Darüber hinaus entwickelte er zu diesem Zeitpunkt, bei einem PSA von etwa 10ng/ml, auch Metastasen in der Leber. Die routinemäßig durchgeführte Biopsie der Lebermetastasen ergab keinen Hinweis auf eine neuroendokrine Entartung. Wie schon Patient Nr. 1 bekam auch er eine Docetaxel/Carboplatin Chemotherapie, die eine nahezu komplette Remission brachte. Auch hier war Abiraterone nicht wirksam. Der Patient konnte dann mit einer intermittierenden Carboplatin Chemo längere Zeit über Wasser gehalten werden. Wie leider üblich, versagte dann aber auch diese Therapieform irgendwann, und auch die Ergänzung mit Etoposid, einem Topoisomerase II-Hemmer, brachte nur kurzfristig Erfolg. Die daraufhin durchgeführte Chemotherapie mit Paclitaxel war, meiner Meinung nach, entbehrlich. Hier war wohl der Mut den Weg der “Kinder der Nacht“ zu gehen, noch nicht vorhanden. Trotzdem ein interessanter Verlauf:



                      ---------------------------------------------------------
                      [1]: European Urology; Biallelic Inactivation of BRCA2 in Platinum-sensitive Metastatic Castration-resistant Prostate Cancer
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                        #41
                        Oliver Sartor; das Rezidiv nach kurativer Therapie – Part-I

                        Leicht gekürzte Übersetzung eines Interviews mit Oliver Sartor



                        Das Rezidiv

                        Es gibt zwei grundlegende Algorithmen. Der erste beschreibt die Situation nach einer radikalen Prostatektomie. Bei einem Mann ohne Prostata sollte der PSA Wert nicht nachweisbar sein, da man davon ausgeht, dass es nur eine Quelle für das PSA gibt: die Prostata(krebs)zellen. Kann man nach einer Operation das PSA noch nachweisen, dann ist muss von verbliebenen Gewebe ausgegangen werden.
                        Wenn Sie einen gleichmäßigen PSA Anstieg, nach anfangs nicht nachweisbaren Werten, haben, dann bezeichnen wir das als biochemisches Rezidiv. Dabei behandele ich auch schon Männer mit einem PSA Wert von 0,05ng/ml mit Strahlentherapie, weil ich glaube, dass er ein Rezidiv hat wenn seine PSA Werte von nicht nachweisbar kontinuierlich angestiegen sind, beispielsweise: 0,01 - 0,02 - 0,03 - 0,04 - 0,05ng/ml.

                        Es gibt auch Männer mit nachweisbaren PSA Werten nach radikaler Prostatektomie, was nicht auf Krebs zurückzuführen ist. Beispielweise positive Absetzungsränder (R1) von gutartigem Gewebe. Darüber wird selten gesprochen, obwohl es bei etwa 10% der Patienten auftritt. Dann ergeben sich persistierende PSA Werte nach der Operation, die aber nicht oder kaum ansteigend sind. Sehr selten ergeben sich schwankende PSA Werte nach der Behandlung, aus unbekannten Gründen. Aber letztendlich beginne ich an ein Rezidiv zu denken, wenn der PSA Wert nach Operation wieder ansteigt, weil es eine Erklärung geben muss. Es ergeben sich nicht einfach nur ansteigende PSA Werte aus unbekanntem Grund, man muss versuchen jeden PSA Anstieg aufzuklären.

                        Bei Patienten mit einem Rezidiv nach Bestrahlung unterscheiden sich die Salvage Therapie doch erheblich von denen mit einem Rezidiv nach Operation, da es eine relativ einfache und unkomplizierte Bestrahlung gibt, welche eine beträchtliche Anzahl von Männern nach erfolgloser Operation heilen kann. Aber nach der Erstbehandlung mit Strahlen gibt es nichts Vergleichbares. Man könnte eine Salvage Prostatektomie versuchen, aber diese Operation in vorbestrahlten Bereichen führt zu extrem hohen Inkontinenz- und relativ schlechten Heilungsraten, verursacht durch die Bildung von vernarbtem Gewebe nach Bestrahlung, welches schlecht heilt.
                        [Es gibt sicher Optionen außerhalb von Salvage Prostatektomie für die Behandlung eines Strahlentherapie Rezidivs, wie Cryo, HiFu oder IRE, die aber hier nicht das Thema von Oliver Sartor ist. Ich werde versuchen später darauf einzugehen…]

                        Therapie des Rezidiv nach Operation
                        Wenn die Männer ein PSA Rezidiv entwickeln, und man glaubt, dass es auf Krebs zurückzuführen ist, dann ist die Standardbehandlung eine Salvage Strahlentherapie. Dies ist eine ‘blinde‘ Bestrahlung des Gebietes, wo sich die Prostata mit Samenblasen befunden hat. Danach wartet man ab, was passiert.
                        Überraschenderweise funktioniert das ganz gut. Die neuesten Daten dazu stammen aus einer französischen Studie (GETUG-AFU 16). Man behandelte Männer nach Operation mit einem PSA Rezidiv zwischen 0,2 und 2,0ng/ml. Sobald der PSA Wert über 2ng/ml kommt, gehen die Chancen auf Heilung durch Salvage Bestrahlung deutlich zurück. In der GETUG-AFU-16 Studie mit über 700 Patienten wurden diese in zwei Gruppen eingeteilt. Die Hälfte der Patienten bekam eine Salvage-Bestrahlung im herkömmlichen Sinne, und die zweite Hälfte ergänzend dazu eine Hormontherapie. Vor dem Einleitend der Bestrahlung gab es keine besondere Bildgebung - nur diese blinde Bestrahlung, die wir normalerweise verwenden.

                        Fünf Jahre später hatten 62% der Männer aus der Gruppe der alleinigen Salvage Bestrahlung keinen Nachweis einer PSA Progression. Das bedeutet, dass in 62% der Fälle diese blinde Bestrahlung funktioniert hat. Das ist doch ein sehr gutes Ergebnis, bedeutet aber nicht, dass es nicht vielleicht später doch noch zu Rückfällen kommt. Allerdings passieren die meisten Rezidive nach Salvage Therapien innerhalb von 5 Jahren. In der Gruppe der mit ergänzender Hormontherapie behandelten Männer hatten 80% keinen PSA Progress nach 5 Jahren.

                        Letzte Woche hatte ich einen Patienten, ein Ingenieur, ein kluger Kerl. Er konnte einfach nicht glauben, dass eine blinde Bestrahlung ihn heilen würde, weil er nicht verstand, woher wir wussten, wo sein Krebs war. (Die ehrliche Antwort ist, dass wir es auch nicht wissen, wo der Krebs ist, wir bestrahlen nur.) Somit lehnte er die Bestrahlung ab - zu einer Zeit, bei der sie vielleicht heilend gewesen wäre, er aber überzeugt war, dass es erfolglos sein würde. Die Wahrheit aber ist, dass bis zu 62% der Rezidiv Patienten nach Operation mit dieser Art der blinden Bestrahlung geheilt werden können.

                        Es bleiben aber noch Fragen offen. Hinweisen möchte ich auf eine große Studie (RTOG0534), welche 1000 Patienten einschließen soll. Diese werden in drei Behandlungsarme eingeteilt. Die erste Gruppe erhält die Salvage Bestrahlung wie sie momentan der Standard ist, die zweite Gruppe erhält zusätzlich einen Hormontherapie wie in der GETUG-AFU-16 Studie und in der dritten Gruppe wird das Bestrahlungsfeld zusätzlich erweitert, weil momentan niemand das optimale Zielvolumen kennt. Wir wissen lediglich, dass man das Gebiet rund um die Prostata mitbehandeln muss, was bisher auch gut funktioniert, aber nicht optimal sein muss.

                        Bildgebung im Falle eines Rezidivs

                        [to be continued]
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                          #42
                          Oliver Sartor; das Rezidiv nach kurativer Therapie – Part-II

                          Bildgebung im Falle eines Rezidivs
                          Die meisten Patienten sind ziemlich überrascht, wenn sie erfahren, wie hoch ihre PSA Wert im Falle eines Rezidivs sein müsste um bei der normalen Bildgebung wahrgenommen zu werden. Einige Studien sagen, dass der PSA Wert etwa 66ng/ml betragen müsste! Wenn man ein Knochen Szintigramm und/oder ein CT-Scans bei Männern mit sehr niedrigen PSA Werten macht, erhält man mehr falsch positive Befunde als tatsächliche Aufklärung von Metastasen. Im Allgemeinen ist das reine Zeitverschwendung bei Patienten mit einem PSA von 0,2ng/ml oder so. Wir brauchen also eine Bildgebung die sensibler ist, und die haben wir heutzutage.

                          Der erste wirklich sensitivere Scan beim Prostatakrebs mit Zulassung in den Vereinigten Staaten ist das Choline PET/CT an der Mayo Klinik. Das Cholin-PET/CT ist eindeutig empfindlicher sowohl als Knochen-Szintigraphie als auch CT-Scans. Es ist in der Lage dominante Gebiete mit Krebszellen zu finden, die möglicherweise behandelbar sind. Es gibt nicht viele Daten, aber die Ärzte Jeffrey Karnes und Eugene Kwon von der Mayo Klinik versuchen mit Hilfe des Choline PET/CT Scans Leute mit Rezidiven in der Beckenregion einer kurativen Therapie zuzuführen. Dies sind Patienten nach radikaler Prostatektomie oder nach Primärer Bestrahlung und mit PSA Werten >2ng/ml. Dr. Kwon sagte mir, sie hätten bisher etwa 400 Männer untersucht. Dabei fanden sich 52 Patienten mit nur auf den Beckenbereich gestreuter Erkrankung. Das bedeutet, dass etwa einer von acht Patienten eine derartige beckenbezogene Erkrankung hatte. Bei diesen 52 Männern wurde dann eine erweiterte Lymphadenektomie durchgeführt. Bei wiederum etwa der Hälfte dieser 52 Patienten schien die Behandlung in eine länger anhaltende Wirkung zu generieren. Das bedeutet, dass etwa einer von 16 Patienten mit einem biochemischen Rezidiv nach Operation durch eine entsprechende erweiterte Lymphknotenentnahme nach Cholin PET Bildgebung geheilt werden könnte. Wobei man einschränken muss, dass die Nachbeobachtungszeit nicht sehr lange war. Sichere Langzeitaussagen sind noch nicht möglich.

                          PSMA PET-Scan
                          Es gibt direkte Vergleichsstudien, die zeigen, dass die PSMA-Bildgebung empfindlicher ist als eine Cholin-PET/CT-Bildgebung. Die Entwicklung geht hier stetig weiter. Es gibt eine Reihe von kleinen Molekülen die an den PSMA Rezeptor binden können. Eines davon mit der Bezeichnung "DCFPyL" wird an der Johns Hopkins University entwickelt. Es ist ein Tracer der zweiten Generation, welcher wirklich gute Bilder ermöglicht. Eine andere Gruppe aus Heidelberg in Deutschland verwendet einen Tracer mit der Bezeichnung "PSMA-617". Diese kleinen Bindungsmoleküle werden mit unterschiedlichen Isotopen markiert. Gallium-68 ist einer der Favoriten, das klassische F18 wird aber auch eingesetzt.

                          Diese neueren Methoden der Bildgebung sind erheblich empfindlicher. Wenn man damit eine Bildgebung durchführt, wird man natürlich mehr als üblich finden. Die meisten der untersuchten Patienten zeigen eine begrenzte Anzahl von Metastasen im Becken oder außerhalb des Beckens. Dies nennt man oligometastatische Erkrankung. Es gibt verschiedene Definitionen der oligometastatischen Erkrankung. Die einen sagen bis zu drei Läsionen, andere gehen auch hoch auf bis zu fünf. Jedenfalls ist die Anzahl stark begrenzt.

                          Behandlungsoptionen der oligometastatischen Erkrankung
                          Es gab Versuche die gefundenen Läsionen lokal mit Strahlentherapie zu behandeln. Gegebenenfalls ergänzt durch eine Hormon- oder Chemotherapie. Da es relativ wenig valide statistische Daten dazu gibt, kann auch ich schwer einschätzen, welchen Sinn das macht. Weiterhin ist es wichtig zu bedenken, dass all diese Ansätze Nebenwirkungen haben, emotional, finanziell aber auch zusätzliche Toxizität.

                          Wenn wir Strahlung auf Bereiche geben, welche im PET-Scan als metastasenverdächtig beschrieben werden, wissen wir, dass sehr viele dieser Männer ein Rezidiv erleiden werden, da es auch für die neuste Bildgebung nicht möglich ist jede einzelne Tumorzelle dazustellen. Deshalb könnte die Ergänzung durch eine Hormontherapie sinnvoll sein. Manchmal wird auch versucht durch Verwendung dieser empfindlichen Bildgebung Läsionen zu erkennen und auszuschalten, um andere mehr toxische Therapien, wie hormonelle Therapien und Chemotherapie, zu verzögern. Das scheint zu funktionieren. Es gibt nun Daten die zeigen, dass, wenn man selektiv Läsionen bestrahlt, scheint das die Zeit für den Beginn des Androgenentzugs zu verzögern.

                          Alles, was ich bisher über Prostatakrebs Rezidive gesagt habe, gilt natürlich nur für Männer, die eine androgenempfindliche Krankheit haben. Nun gibt es einen erweiterten konzeptionellen Ansatz, wo man Männer mit oligometastatischen Krankheit in zwei Gruppen einteilt: Androgen sensitiv vs. kastrationsresistent. Wir können dann die gleichen Ansätze auch auf das kastrationsresistente Stadium übertragen, wenn es sich dabei um eine oligometastatische kastrationsresistente Erkrankung handelt. Vielleicht wäre es möglich bei diesen Männern eine weitere Therapieeskalation zu verzögern, wenn man die resistenten Läsionen bestrahlt. Das ist natürlich rein hypothetisch und unterliegt momentan einer sehr lebendigen Diskussion.

                          Zwei Beispiele

                          [to be continued]
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                            #43
                            Oliver Sartor; das Rezidiv nach kurativer Therapie – Part-III

                            Zwei Beispiele
                            Hier ein Fall aus meiner Praxis, der die Probleme schön illustriert. Der Patient ging zur Mayo-Klinik und hatte nach einer Bestrahlen von Wirbensäulenmetastasen einen völlig unauffälliges Cholin-PET/CT-Scan. Nach Wiedervorstellung des Patienten bei uns im Johns Hopkins hofften wir vielleicht wiederum nur eine oligometastatische Situation vorzufinden, die behandelbar wäre. Stattdessen wurden aber durch ein PSMA PET-Scan so viele Läsionen diagnostiziert, die wir nicht alle zählen konnten. Dies bringt uns zu einem wichtigen Punkt: Wie definiert man eine oligometastatische Metastasierung im Lichte neuer bildgebender Diagnostik und was sollte man mit dieser Informationen anfangen?

                            Ein anderer Fall, ein Mann aus New Orleans, der zur Mayo Klinik ging, wo man herausfand, dass er eine oligometastatische Erkrankung mit Metastasen in seiner Brust hatte. Nun, das ist nicht immer einfach zu bestrahlen, weil die Lunge und andere wichtigen Organe mit bestrahlt werden. Er hat mich dann gefragt: »Wie lange wird es dauern, bis ich in Schwierigkeiten komme?« Ich sagte zu ihm: »Wir wissen es nicht genau. Es könnte ein paar Monate dauern, oder es könnte ein paar Jahre dauern. " Da sagte er:" Warum schauen wir nicht einfach zu und warten ab, was passiert? " Dieser Mann, nachdem er wusste, dass seine Krankheit metastasiert war und das ich nicht in der Lage war zu definieren, wann er Symptome haben könnte, wollte abwarten, um zu sehen, was passiert. Das ist durchaus akzeptabel.

                            Ich habe Patienten, die Chemotherapie, Hormontherapie und Strahlentherapie bekommen, um ihre oligometastatische Erkrankung zu behandeln. Andere Patienten sagen, "Doc, ich warte jetzt erstmal ab, und wir sehen uns in drei Monaten wieder. Was meinen sie dazu?" Ich kann dem nichts entgegnen, weil wir nicht unbedingt wissen, wie schnell der Krebs wachsen wird. Man könnte auch nur ein paar Läsionen haben, die jahrelang relativ stabil bleiben.

                            Die Symptome, die durch Metastasen verursacht werden, variieren ebenfalls stark je nach Lage. Man kann relativ große retroperitoneale Lymphknoten haben, die keine Symptome verursachen. Die Lage und die Wachstumsrate sind wichtig.

                            Auch will nicht jeder Patient von seinem Krebs geheilt werden; Einige Leute wollen einfach nur mit ihrem Krebs in einem symbiotischen Zustand leben und sich nicht durch den Krebs ihr Leben bestimmen lassen.

                            Andere Patienten dagegen handeln sehr aggressiv; Sie suchen immer nach Optionen. Es gibt eine weitere Gruppe von Patienten, die vollkommen glücklich ist, wenn sie Behandlungen vermeiden können, solange der Krebs bei ihnen keine Symptome verursacht. Es ist genauso wichtig, ihre Wünsche zu respektieren, wie es wichtig ist herauszufinden, wie Menschen geheilt werden können die geheilt werden wollen und bereit sind die hohen Kosten eines Versuchs, geheilt zu werden, zu tragen. Auch wissend, dass wir nicht über Daten verfügen, die eine Heilung sicher erreichbar erscheinen lassen.

                            Die Kosten
                            Normalerweise rede ich, wenn ich über Kosten rede, über Toxizität. Ich habe einen Patienten der eine Oligometastase, durch einen herkömmlichen Scan, nicht durch eines der neueren PET-Scans, erkannt hatte. Ich verschrieb ihm eine Hormontherapie und nach vier Monaten wurde die Läsion bestrahlt. Er hasste die Hormontherapie. Sie trieb ihn in den Wahnsinn. Er bekam Hitzewallungen und wurde deprimiert. Ich musste ihn zur psychologischen Beratung schicken. Trotzdem fühle er sich schrecklich. Drei oder vier Jahre später hat er ein nicht nachweisbaren PSA Wert und sein Testosteron hat sich vollständig erholt. Durch die Behandlung seiner Oligometastase mit der Kombination von Hormontherapie und Bestrahlung, ergab sich ein ziemlich langer therapiefreier Zeitraum ohne gravierende Nebenwirkungen.

                            Diese neueren bildgebenden Verfahren sind ideal für die Suche nach versteckten Läsionen, aber was tun wir, wenn wir sie finden? Wie das in eine bessere Patientenversorgung umsetzt werden könnte, ist ein sich entwickelndes Modell und höchst individualistisch. Es ist nicht nur von der Lage und der Wachstumsrate der Läsionen abhängig, sondern auch von dem, was der Patient sich vorstellt. Es ist nicht einfach, sondern komplex.

                            Ich erkläre den Leuten vor der Bildgebung immer, dass man nicht weiß, was man finden wird und man weiß nicht, wo man etwas finden wird. Man weiß auch nicht wie viele Metastasen gefunden werden. Nachdem was auch immer gefunden wurde, muss ein Behandlungsplan erstellt werden, zugeschnitten auf das was richtig für diesen Patienten ist unter Berücksichtigung seiner Wünsche und natürlich nur mit dessen Einverständnis. Für mich ist das die Kunst, ein guter Arzt zu sein. Wenn jemand mir sagt, dass es ihn nicht wirklich interessieren würde, was wir finden, warum sollte wir ihn dann scannen?

                            Ich glaube, dass wir mit mehr Informationen bessere klinische Entscheidungen treffen können. Ich möchte in der Lage sein, die besten Entscheidungen für meine Patienten zu treffen, und wenn ich weiß, wo der Krebs ist, kann sich ein potenzieller Mehrwert für die Entscheidungsfindung daraus bieten. Das bedeutet nicht, dass es bei jedem und jedes Mal einen Vorteil darstellt - und das bedeutet nicht unbedingt, dass das, was ich denke richtig sein muss.
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                              #44
                              Bei einer Prostataoperation wird geprüft, ob Lymphknoten befallen sind. Wenn ja, so wird eine Lymphadenektomie gemacht um die befallenen Lymphknoten zu entfernen. In diesem Fall geht fast alle Urologen davon aus, dass es sinnvoll ist Metastasen zu entfernen.

                              Wenn diese jedoch bei der Operation nicht entdeckt wurden, sondern erst später mit einem PSMA PET/MRT, so empfiehlt die Leitlinie die Metastasen nicht zu entfernen und nur eine Hormontherapie durchzuführen. Diese Empfehlung berücksichtigt meines Erachtens nicht die heutigen Möglichkeiten die Metastasen mit SBRT/CyberKnife zu bestrahlen, dies meist ohne Nebenwirkungen. Ich selbst möchte den Metastasen jedenfalls nicht beim Wachsen zusehen sondern sie loswerden.

                              Diese neueren bildgebenden Verfahren sind ideal für die Suche nach versteckten Läsionen, aber was tun wir, wenn wir sie finden?
                              Das Bestrahlen der Metastasen ist natürlich deutlich teurer als sie nicht zu behandeln. Dr. Sartor schildert richtig die verschiedenen Überlegungen dazu. Ein Patient, der die Behandlung ablehnt kann dies aber später bereuen, wenn der PSA Wert nicht mehr zu bremsen ist.

                              Die verschieden, möglichen Therapien in einer oligometastischen Situation habe ich ausführlich in meinem KISP TEXT: Lokale Therapien beim metastasierten Prostatakrebs geschildert.

                              Georg

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                                #45
                                One Disease or Many and One Patient or Many?

                                Heute will ich die Frage nach der Heterogenität der Erkrankung mal auf die Patienten ausdehnen, d.h. gibt es erwähnenswerte Unterschiede bei den Patienten. Das klingt rhetorisch, da die Menschen selbstverständlich nicht identisch sind. Gemeint ist aber mehr, ob ihr unterschiedliches Verhalten zu unterschiedlichen Ergebnissen führt. Wer mich kennt weiß, dass ich dem eher zustimmen würde und es auch hier im Thread durch beispielhafte Geschichten versucht habe zu begründen. Eine weitere solche Geschichte macht momentan die Runde. Gemeint ist Dr. Paul Schellhammer, den älteren hier vielleicht noch aus vielen Positionen der American Urologic Association bekannt, dessen Präsident er zwischen von 2007 bis 2008 war.

                                Aber auch Urologen sind nicht frei von Prostatakrebs. Seine Geschichte erschien kürzlich im Turkish Journal of Urology, und fand relativ viel Erwähnung in den Fachforen. Ich will versuchen seine Präsentation kurz zusammenfassend darlegen. Wer möchte darf sich den Originaltext, der frei verfügbar ist, ansehen[1].


                                Dr. Paul F. Schellhammer



                                Er hatte seinen ersten PSA Test im Alter von 50. Der Wert von 2.4ng/ml erregten damals in den 90er Jahren des letzten Jahrhundert keine Besorgnis, da man noch an eine festen Schwellwert von 4ng/ml glaubte, bei dem weitere Untersuchungen erforderlich wären. Heute ist bekannt, dass der Wert in diesem Alter besser unter 1ng/ml hätte sein sollen. 50% aller tödlich verlaufenden Prostatakrebs Erkrankungen haben im Alter von 45-49 einen PSA Wert von >1.6ng/ml und/oder im Alter von 51-55 Jahren einen PSA Wert von >2.4ng/ml [2].

                                Dr. Schellhammers nächster PSA Test war im Jahr 2000 und erbrachte einen Wert von 6.5ng/ml, die daraufhin durchgeführte Biopsie ein Gleason von 4+3. Als Urologe war es verständlich, dass sein Weg die offene Operation war (Roboter assistierte OPs gab es noch nicht). Postoperativ ergab sich ein pT2, N0 aber ein Gleason von 4+4, also doch ein erhebliches Risiko für Metastasierung. Ein Jahr lang blieb sein PSA Wert im nicht nachweisbaren Bereich, kletterte dann aber in den Folgemonaten über 0.2ng/ml auf 0.35ng/ml. Der klare Aufwärtstrend zeigte ihm, das Handlungsbedarf bestand. Er referiert dann den heutigen Stand der Erkenntnis in Bezug auf die Optionen nach biochemischem Rezidiv. Das bedeutet heutzutage allgemein Salvage-Strahlentherapie mit oder ohne Lymphbahnen, mit oder ohne begleitender Hormontherapie (ADT). Das sah man 2001 offensichtlich noch ganz anders. Etwa 13% der Urologen lehnten damals eine Salvage Bestrahlung grundsätzlich ab. Das sieht heute glücklicherweise anders aus. Basierend auf frühen Forschungsdaten entschied Dr. Schellhammer sich nach negativem CT- und Bone-Scan zu einer Salvage-RT der Prostataloge begleitet durch eine 6 monatige Hormontherapie sowie regelmäßige Zometa® Infusionen. Damals glaubte man zumindest Knochenmetastasierung mit dieser Bisphosphonat Therapie verhindern zu können. Das hat sich zwischenzeitlich als falsch herausgestellt, war aber 2001 noch mainstream. Die Salvage-Bestrahlung, trotz überholter 4-Felder Technik, empfand er als tolerabel, die begleitende ADT eher nicht. Somit war er froh aus dieser Behandlung nach einigen Monaten wieder aussteigen zu können.

                                Die Testosteronwerte erholten sich, wie auch sein Körper, was aber leider nur 3 Jahre anhielt. Steigende PSA Werte zeigten wiederum ein Versagen der bisherigen Maßnahmen an – eine emotional sehr belastende Situation, denn “Heilung“ war nun kaum mehr möglich, was er bis dahin doch innerlich erhofft hatte.

                                Er begann eine 3-fache Hormontherapie, bei uns DHB oder ADT3 genannt, also ein LHRH-Agonist (Depotspritze), ein Antiandrogen und ein 5 ARI – der Leibowitz Ansatz. Der PSA Wert fiel in Folge auf 0.2ng/ml, stieg dann aber schon 9 Monate nach Beginn der ADT3 wieder an. Ihm war schon klar, dass dies eine ungünstige Situation war, denn der erreichbare NADIR innerhalb einer ADT ist prognostisch wichtig[18].

                                2008 nach dem Versuch eines Antiandrogen Absetzeffekts, gab es keine richtige Level-1 Evidenz, was zu tun wäre. Man gab ihm den Hinweis auf Östrogen-Pflaster, was er auch begann und bis heute fortsetzte[19]. Das Östrogen verlangsamte seine PSA Verdopplungszeit (PSADT) und, fast noch wichtiger, steigerte sein Wohlbefinden. Er schreibt dazu:

                                …David Byar, der führende Statistiker der VACURG Studie, kam zu dem Schluss, dass DES [Diethylstilbestrol] zusätzlich zur Senkung des Testosterons eine direkte zytotoxische Wirkung auf die Prostatakrebszelle ausübt. Die Estradiol-Gabe über ein transdermales Pflaster umgeht den ersten Durchgang durch die Leber, der für die metabolischen Veränderungen verantwortlich ist, die die kardiovaskuläre Mortalität begünstigen und kann diese Bedenken dramatisch verringern. Östrogen wird in den Leitlinien der großen Onkologiegesellschaften kaum erwähnt. Es wird sträflich übersehen und sehr unterschätzt. Traditionelle ADT entzieht dem Mann das Testosteron und Östrogen wodurch Nebenwirkungen entstehen. Zusätzlich zu seinen zytotoxischen Effekten reduziert/eliminiert Östrogen Hitzewallungen, bewahrt die Knochengesundheit und ist wichtig um die sexuelle Funktion zu unterstützen…
                                Anmerken möchte ich einen anderen anekdotischen Fall, Prof. Richard Wasssersug, der seinen Prostatakrebs seit 18 Jahren mit Östogen-Pflastern therapiert. Details zur Krankengeschichte sind mir aber nicht weiter bekannt. Am 10. Januar 2017 schreibt in einem Kommentar:

                                Note: I should be seen as biased here. Although I carefully do not promote E2 for ADT in the ADT book, I have been on intermittent E2 myself for ADT for close to 18 years and my PSA is currently undetectable…
                                2012 stieg der PSA Wert bei Dr. Schellhammer dann auf etwa 10ng/ml. Ein Bone-Scan zeigte eine einzelne Metastase im dritten Lendenwirbel. Mit metastasiertem, kastrationsresistentem PCA qualifizierte er sich nun für weitere Studien. Eine Knochenbiopsie zeigte eigentlich gute Voraussetzungen für eine Zweitlinien ADT mit Abiraterone oder Enzalutamide. Trotzdem stieg sein PSA Wert nach 6 Monaten unter Abiraterone+Prednisone von 10ng/ml auf 20ng/ml. Es wurde Zeit für neue Optionen.

                                Es war die Zeit wo PROVENGE® eine Immuntherapie erprobt wurde. Seiner Meinung nach war es vielleicht hilfreich unter PROVENGE® dem Immunsystem zu helfen indem man ihm reichlich PCA Zellfragmente anbot, wie sie nach einer Stereotaktischen Bestrahlung (SBRT) entstehen. Ein NaF-PET zeigte eine weitere Metastase in der Lendenwirbelsäule, die zusammen mit der ersten mit 3*9Gy bestrahlt wurden, begleitete durch die PROVENGE® Immuntherapie. Der PSA Wert fiel in den nächsten 30 Monaten auf etwa 1ng/ml, ein schöner Erfolg.

                                Mit einem kleinen Ausblick auf noch mögliche Optionen schließt Dr. Schellhammer seinen Bericht.


                                Erstaunlich, was man mit Eigeninitiative erreichen kann. Bemerkenswert an diesem Weg ist, dass er in jeder Situation immer den aktuellen Forschungstrend aufgenommen hat und versucht hat ihn umzusetzen. Weiterhin bemerkenswert scheint mir zu sein, dass er auch immer danach schaut, ob man eine gewählte Therapie nicht irgendwie unterstützen könnte. Hier beispielweise oligometastatische Knochenmetastasen durch SBRT + Immuntherapie. PROVENGE® ist in Deutschland nicht mehr verfügbar, und Prostvac® wird wohl auch erst Ende 2017 erste Ergebnisse bringen. Bis dahin könnte man unabhängige Immuntherapieanbieter in seine Überlegungen einbeziehen, die heute oft den PD1 Blocker Nivolumab (Opdivo®) niedrig dosiert ergänzen. Eine Option?


                                ------------------------------------------------------------------------------
                                [1]: Paul F. Schellhammer; A Urologist’s Personal View of Prostate Cancer
                                [2]: Vickers, Ulmert; Strategy for detection of prostate cancer based on relation between prostate specific antigen at age 40-55 and long term risk of metastasis: case-control study.
                                [18]: Hussain; Absolute prostate-specific antigen value after androgen deprivation is a strong independent predictor of survival in new metastatic prostate cancer
                                [19]: Ockrim; Transdermal estradiol therapy for advanced prostate cancer--forward to the past?
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