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Mein Mann ist gestorben

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    Liebe Briele,

    Du weißt, daß viele hier Deine Beiträge gern lesen. Warum wohl, trotz des eher düsteren Themas?

    Ich wage mal folg. Erklärung: Wir sind hier entweder vom Krebs selbst betroffen oder mitbetroffene Angehörige. Beide Gruppen fühlen sich zu Recht von Deinen Beiträgen angesprochen, wissen sie doch, daß sie, wann auch immer, sich entweder in einer Briele-ähnliche Situation wiederfinden werden oder, nun ja, eine solche verursachen werden. Und da tut es unheimlich gut, an Deinem Beispiel zu sehen, daß man bei allem Leid an so einer Situation auch wachsen kann. Du bist hier, trotz des düsteren Themas, ein Mut-Macher.

    Dennoch denkst Du beim Näherrücken des Todestag Deines Mannes "
    ... an die Worte, die ich anderen in diesen Situationen klugscheißerisch sage und merke wie wenig hilfreich sie sind. Vielleicht muß man sie von anderen gesagt bekommen." Nun denn:

    Jahrestage können auch vollkommen harmlos sein. Bei meinen beiden Toten sind die Geburts- und Todestage sehr nah beieinander. Also fürchte ich an manchen Jahrestagen einen Doppelschlag von Trauer, Schmerz usw. Und was passiert an diesen Tagen, bisher jedenfalls, ohne Ausnahme? Merkwürdigerweise - nichts! Ich weiß inzwischen, daß Trauer und Schmerz jederzeit zuschlagen können, einen manchmal geradezu auffressen, an unverdächtigen Tagen und durch die kleinsten Auslöser. Es bringt nichts, das nicht haben zu wollen. Es hilft, sich dessen bewußt zu sein. Es hilft, sich dem zu stellen - ungefär so wie eine gewisse Briele uns das zeigt.

    Du weißt das ja alles, aber natürlich braucht auch der beste Lehrer mal selber Hilfe.

    Danke jedenfalls, daß Du Deine Drohung aus Deinem Eröffnungsbeitrag, hier "...
    ein letztes Mal zu schreiben" nicht wahr gemacht hast. Du schreibst hier für Dich selbst, schon klar, und trotzdem hilft es mir und anderen. Na, wenn das keine win-win Situation ist.

    Gruß, Rastaman
    Gruß, Rastaman

    Kommentar


      Lieber Harald,

      Ich danke Dir für Deinen Beitrag!
      Ganz oft vermisse ich meine Toten mehr wenn etwas Gutes in meinem Leben ist, wenn mir etwas gelungen ist, jemand was Liebes für mich tut, ich Glück gehabt habe, oder einfach froh bin, Zugleich sind sie mir sehr nah. Es ist so ein Gefühl von freundlichweicher Wehmut. Wenn es nicht so gut läuft, dann bin ich mit meinen Gedanken auch gleich bei ihnen, aber es ist ein anderes Gefühl, da kommt dann Selbstmitleid dazu und es wird eine herbere Variante daraus.
      Ich verstehe sehr gut wenn Deine Frau sagt, ihr Papa würde sich über Euer Erreichtes freuen, ihre Gedanken zu ihm wandern, wenn sie das Gute in Eurem Leben bedenkt.

      Ja, die vielen Abschiede in einem Leben. Die frei gewählten, die vernünftigen, die erzwungenen, welche auch immer - manchmal denke ich, jeder einzelne will eine Art von Würdigung und Beachtung. Was meinst Du?

      Danke für die Sprüche, wobei ich über den von Goethe …. “die Welt ist so leer …” froh bin, weil ich ihn vergessen hatte. Das ist aber weiter nicht schlimm, weil ich die Aussage schon lange verinnerlicht habe. Es tut wahnsinnig gut, da und dort einen Menschen zu wissen mit dem man übereinstimmt und das muß ja nicht in allen Bereichen sein. Eigentlich gibt es kaum etwas was mich glücklicher macht und meistens genügt es wirklich zu wissen, dass da der eine und andere ist, selbst wenn man selten Kontakt hat. Es tut mir gut zu wissen, dass da und dort ein Mensch an mich denkt.

      Unlängst habe ich jemandem erzählt, dass mein Mann andere Menschen nicht gebraucht hat. Er konnte freundlich, interessiert, liebenswürdig auf sie reagieren, aber er hat weder den Kontakt noch das Gespräch gesucht.
      Wenn ich nun Deinen eingefügten Spruch lese, denke ich zum ersten Mal, dass er ja doch außer mir Menschen hatte, mit denen er sich verbunden fühlte, mit denen er übereinstimmte. Es waren Schriftsteller, Philosophen, Musiker, auch Verfolgte, im Schatten lebende Menschen über die er las, und sie sind allesamt, zum Teil schon lange, tot. Da er mir manchmal sagte er fühle sich wie in die Welt hineingeworfen, war es ihm vielleicht hier und jetzt nicht möglich sein “Erdenrund zu einem bewohnteren Garten” zu machen.

      Ich frage mich jetzt öfter als zu seinen Lebzeiten warum er mich wollte, da er doch keinen wirklich brauchte. Er hatte sich sehr um mich bemüht und weil es jeden Menschen (oder jede Frau?) interessiert warum ihn der andere liebt, habe ich das einige wenige Male auch meinen Mann gefragt, in der Erwartung er würde die wunderbarsten Dinge über mich sagen. Er hat mich dann erstaunt angesehen und gesagt, ja weil das so ist und gar nicht anders sein kann.

      Lieber Harald, jetzt habe ich eine Menge geschrieben, was eigentlich nicht in eine Antwort auf Deine Zeilen an mich gehört. Irgendwie aber doch, weil mich der Goethespruch dazu angeregt hat und ich denke es ist für Dich in Ordnung.

      Ich hoffe Du hattest eine gute und schöne Zeit in Hamburg.
      Liebe Grüße
      Briele

      __________________________________________________ _

      Lieber Rastaman,

      Das ist aber nett Dich wieder einmal zu lesen, danke für Deinen Beitrag!
      Als ich das erste Mal im thread hier schrieb, wollte ich mich in aller Dankbarkeit verabschieden und ich hatte noch ein Bedürfnis: es sollten in der Welt ein paar Menschen mehr wissen, dass ein Werner tot ist um den eine Briele trauert. Dann habe ich Antworten bekommen und bemerkt, dass mir die Art eines öffentlichen Tagebuches mehr hilft als das Schreiben nur für mich. Glaub mir, ich habe mehrere Male gegrübelt warum dies so ist.

      Ja, ich brauche es wirklich, dass mir, wenn ich schwächle, in Nöten bin, ein anderer etwas dazu sagt. Das fängt ja schon bei kleinen Dingen an. Hat einer Halsweh, werde ich sofort einen Salbeitee zubereiten, oder zu einem raten. Habe ich selbst Halsweh, verharre ich erst einmal in meinem Weh.

      Und so danke ich Dir für Deine Worte zu den “Tagen”. Du hast ja Recht und eigentlich lief es bei mir bisher auch so ab. Und eben auch die andere Seite, diese kleinen Auslöser…. Heute habe ich ein Gedicht gelesen, so schrecklich kitschig, es wäre mir peinlich die Worte vorzulesen, und doch sind mir augenblicklich die Tränen in die Augen gestiegen.

      Umgekehrt habe ich etwas erlebt, was mir gezeigt hat, dass ich in meiner Trauer weiterkomme. Ich muß die Steuererklärung meines Mannes machen und habe in seinem Schreibtisch nach den Unterlagen gesucht, auch sofort gefunden. Auf der Mappe klebte ein Zettel:
      WICHTIG !! Alle Unterlagen und Hinweise, damit Du es 2014 leichter machen kannst.”
      Ich bin nicht vor Rührung in Tränen ausgebrochen, ich habe gelächelt und leise gesagt, ach du lieber Werner.

      Wir werden es nehmen wie es kommt, nicht? Einmal ist es so und dann halt wieder anders.

      Liebe Grüße
      Briele

      Kommentar


        Zitat von Briele
        da kommt dann Selbstmitleid dazu
        Liebe Briele,

        das kann aber auch durchaus hilfreich sein, wenn sich dann nämlich plötzlich der möglicherweise noch vorhandene Urtrieb regt, und zwar nach dem Motto "mich haut nichts um" oder "jetzt erst recht".

        Zitat von Briele
        Ja, die vielen Abschiede in einem Leben. Die frei gewählten, die vernünftigen, die erzwungenen, welche auch immer - manchmal denke ich, jeder einzelne will eine Art von Würdigung und Beachtung. Was meinst Du?
        Das Wort Trennung wäre wohl eher geeignet für das, was Du wohl ansprichst. Eine Trennung muß nicht Abschied bedeuten. Nach einer vormals intakten Verbindung kann man durchaus noch in Kontakt bleiben. Ausgenommen wohl, wenn man im Bösen auseinanderging.

        Zitat von Briele
        Ich frage mich jetzt öfter als zu seinen Lebzeiten warum er mich wollte, da er doch keinen wirklich brauchte. Er hatte sich sehr um mich bemüht und weil es jeden Menschen (oder jede Frau?) interessiert warum ihn der andere liebt, habe ich das einige wenige Male auch meinen Mann gefragt, in der Erwartung er würde die wunderbarsten Dinge über mich sagen. Er hat mich dann erstaunt angesehen und gesagt, ja weil das so ist und gar nicht anders sein kann.
        Liebe Briele,

        manche Männer sind etwas komplizierter gestrickt, während andere gern ihre Empfindungen immerhin verklausulieren. Aber das ist doch schon etwas. Ich muß zugeben, dass auch mich die so ganz direkte Frage um das warum in Verlegenheit gebracht hätte. Von Freunden habe ich später erfahren, dass meine nunmehr 36 Jahre mit mir verheiratete Frau damals auf die Frage, warum sie ausgerechnet mich, den meist von ihr selbst als langweilig bezeichneten mit grauem Anzug und Krawatte gekleideten Mann auserkoren hätte, spontan ausführte, dass auf mich immer Verlaß gewesen wäre, wenn es galt, Hilfestellung und sogar nächtens Kurierdienste abzuleisten, um z. B. auf der Autobahn mit Panne festsitzende junge Frau heimzufahren. Die außerdem vorhandenen, erst später festgestellten sonstigen Vorzüge bestätigten hernach die Entscheidung, wohl doch die richtige Wahl getroffen zu haben.

        Zitat von Briele
        Ich hoffe Du hattest eine gute und schöne Zeit in Hamburg.
        Liebe Briele,

        es hat ja alles gepasst, strahlendblauer Himmel über Hamburg. Selbst für einen jetzt Buten-Hamburger gab es viel zu begucken. Die Geburtstagsfeier in der Fürst Bismarck Mühle in Hamburg Aumühle konnte mit einer gut gelaunten Stenografenrunde nicht harmonischer ablaufen. Der mehrstündige Rundgang in der Hafen-City mit kleiner Bootsfahrt rundete das Treffen ehemaliger Schnellschreiber ab. Die folgenden Fotos zeigen die Speicherstadt, den Hafen Richtung Landungsbrücken und die immer noch nicht fertig gestellte Elbharmonie.









        "Einbildung verhindert Ausbildung, Ausbildung verhindert Einbildung"
        (Gerhard Uhlenbruck)

        Herzliche Grüße Harald

        Kommentar


          Eigentlich kapiere ich erst jetzt wie gut sich Dankbarkeit anfühlt, vor allem wie hilfreich sie für mich in der Trauer ist, dass sie keine dröge, sondern eine unheimlich klasse Sache ist. Ich hatte wohl immer diese Art von “Rückblick auf den Tag”, was meine katholische Großmutter mir als “Gewissenserforschung” mit auf den Weg gab, aber insgesamt empfand ich Dankbarkeit lange als eine Art von Bringschuld, es kam so moralinsauer rüber, eine “you have to be” Aufforderung. Das mag man nicht und als erstes mußte ich bei dem Thema auch immer an Omas handgestrickte Strümpfe aus Bauernwolle für mich denken, die ich verlässlich jedes Jahr geschenkt bekam. Das kratzte und biss, am Abend hatte ich eins glatt, eins verkehrt in meine Beine rot eingestanzt, ich hasste es, aber weil sie sich ja so viel Mühe für mich gegeben hatte, sollte ich dankbar sein.

          Ich weiß genau wann ich Dankbarkeit ehrlich und ganz bewußt empfand, sie von ganz alleine in mir hochkroch. Man kann so etwas ja nicht willentlich tun. Es war im Sommer 1999, als meine Mama mit ihrem Sterben begann. Gegen Ende des Abendessens waren die Nachrichten im Fernsehen und jeden Tag sah man die schrecklichen Bilder aus dem Kosovo. Da ist mir manchmal meine Hand mit der Teetasse fast erstarrt, nicht nur vor Entsetzen was ich sehe, auch vor Schrecken über mich, wie ich hier so sitze, das letzte Restchen Käsebrot kaue, mir noch Tee nachschenke, während Menschen wadentief in einem Feld im Dreck stehen und das tagelang, in Schubkarren ihre Alten befördern, und bestimmt welche dabei sind, die Krebs haben, krank sind. Und noch viel Schlimmeres geschah jeden Tag, praktisch ein paar hundert Kilometer von mir entfernt.

          Da dachte ich auch, was für ein Glück wir doch haben. Alles was irgendwie möglich ist wird für Mama getan, bekommt sie. Wenn ihr Bettchen viermal pro Tag frisch bezogen werden muß, so geschieht das. Die ausgefallensten
          Getränke, Lutschbonbons die ihr in den Sinn kommen, bemühen wir uns zu beschaffen. Ich kann bei ihr sein. Und als ich erst einmal die Dankbarkeit für mich entdeckt hatte, wuchs sie schnell weiter und tat mir richtig gut.
          Man kann natürlich sagen es ist noch keine echte Dankbarkeit, wenn man dafür das Elend anderer als Auslöser benötigt.

          Ein paar Jahre nach Mamas Tod erlebte eine Freundin mich in einem Trauerloch und sie meinte, weißt Du, ich glaube ich würde deine Trauer gerne auf mich nehmen, das erleben, wenn ich das andere, was du mit deiner Mama gehabt hast, auch gehabt hätte.

          Und so stolpere ich immer wieder über Erlebnisse in Verbindung mit meinen Toten, die mir ein Gefühl von Dankbarkeit für das Gehabte geben. Das hat dann nichts mehr mit Vergleichen zu tun. Ich weiß aber, dass es Geschehnisse, Biographien, Beziehungen gibt, da kann man herum graben wie man will, kommt auf alles Mögliche, aber nicht im Leben auf die Dankbarkeit. Das ist dann halt leider so. Aber sonst lohnt es sich schon nach ihr zu sehen und sie zu erkennen.

          __________________________________________________ ___

          Lieber Harald,

          Herzlichen Dank für Deine Gedanken an mich und für die Fotos. Daß Du in Aumühle warst! Als ich meinen Mann kennengelernt habe, lebte er dort und ich kenne die Gegend im Sachsenwald recht gut, war während sechs oder sieben Jahren oft da. Der Abschied ist mir damals schwer gefallen, aber dann, mir fallen alle Abschiede schwer und seine Entscheidung in eine Wohnung nach Hamburg ziehen, war schon richtig.

          Ich muß lächeln wenn ich lese, dass Deine Frau Dich auf den ersten Blick als ein wenig langweilig bezeichnete. Mein Mann hat oft so am Rande mitbekommen, wenn Bekannte und Freundinnen von mir Zores mit Männern hatten, die ja erst einmal umwerfend und aufregend erlebt worden waren. Da hat er mir dann ins Ohr geflüstert:”… besser ein bißchen ein Langweiliger, nicht?”…. und ich konnte aus tiefstem Herzen sagen - auf jeden Fall!

          Manche behaupten, ob eine Frau und ein Mann gut miteinander sein können, entscheide sich in den ersten 10 Sekunden. Das habe ich nie geglaubt. Und was die Männer betrifft, die vielleicht auf den ersten Blick äußerlich ein wenig langweilig erscheinen, so sind sie meistens die interessanteren und langweilig ja überhaupt nicht. Wenn einer, in welcher Hinsicht auch immer, wie ein Gockel daher kommt, dann hat er es meist bitter nötig.

          Herzlichen Gruß an Deine kluge Frau von einer die diesbezüglich auch meist klug entscheiden hat. Und Dir alles Gute.
          Briele

          P.S. nach vielen Jahren denke ich wieder einmal daran, dass die Sprache in der Gegend um mein Bergdorf eine witzige 4. Steigerung bei Adjektiven kennt und sie auch fleißig in der täglichen Sprache anwendet: Nach dem Superlativ kommt als weitere Steigerung das Wort “bitter”, auch bei positiven Eigenschaften. Und so bin ich oft bitter traurig meinen Mann nicht mehr bei mir zu haben, aber dankbar es mit ihm bitter gut gehabt zu haben.







          .

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            In mir ist ja jetzt so eine latente Nervosität im Hinblick auf das Datum des ersten Todesjahres und das gescheiteste wird wohl sein dies einfach zuzulassen, hinzunehmen. Zugleich fühle ich mich recht gut, zufrieden, anders kann man es nicht sagen. Manchmal kreuze ich gedanklich zwei Finger hinter meinem Rücken.

            Die Zuversicht, ohne meinen Mann gerne und hoffentlich auch gut weiterleben zu können, die habe ich schon lange, ganz ohne sie war ich eigentlich nie. Was in letzter Zeit häufiger aufblitzt ist die Lebensfreude, das macht mich froh und da spür ich dann gleich noch mehr von ihr. Zugleich wird es so sein, und es ist gut dies zu wissen, dass ich bis ans Ende meiner Tage immer wieder in Trauerlöcher plumpsen, ich meine Sehnsucht, meinen Verlust schmerzhaft erleben werde.

            Ich denke über das letzte Jahr nach, wie es war, wie ich war……..

            Nicht zum ersten Mal habe ich die Erfahrung gemacht, dass der Faktor Zeit wirklich am meisten hilft. Auch wenn man sich das am Anfang nicht vorstellen kann und denen, die einem so etwas sagen, am liebsten an die Gurgel springen möchte. Ich gehe das fünfzigste, das hundertste, das dreihundertste Mal zu Bett und habe erneut einen Tag ohne den Verstorbenen verbracht . Mit diesen Gedanken stehe ich wieder und wieder auf und weiß. das wird jetzt immer so bleiben. Aber es wird selbstverständlicher, es ist wie es ist und immer öfter verharren die ersten Gedanken am neuen Tag nicht bei meinem Verlust, ich denke dann an die Möglichkeiten die ich doch für diesen Tag haben kann.

            Vieles von seinen Sachen ist weg und es wird immer mehr ausgedünnt werden. Wenigstens kann ich mir Zeit lassen, gut überlegen, doch am Ende wird dann neben den Büchern, den Schallplatten, eine Gedächtnisschublade herauskommen, wie für meine Eltern. Eigentlich ja für mich, die Toten brauchen so etwas nicht. Mit Papieren, Fotos, Briefen, der Brille, der Uhr, seinem Deodorant, einem Kleidungsstück, kleinen Dingen. Und so wird nach meinem Tod auch mit der Zeit alles weg sein, nur eher ohne Schublade, was mich nicht im geringsten tangiert.
            Es kommt immer weniger Post für Werner und nun, da ich seine Steuererklärung abgegeben habe, wird es vermutlich auch keine behördlichen Zettel und Aufgaben mehr geben.

            Was noch ist, und dies freut mich ungemein, dass die wenigen Menschen die ihn kannten, über ihn sprechen und ihn vermissen.

            Zuerst hat außer dem Schmerz nichts Platz und wenn man so schrecklich traurig ist, dann versinkt, was einem vielleicht helfen könnte, wie die Liebe, die Dankbarkeit, das Erinnern, hinter dem Schmerz. Man fühlt sich ja wie eine einzige Wunde.
            Ich mußte es erst lernen und es braucht seine Zeit, die Liebe anders zu leben. Ohne Gespräche, ohne Berührungen, ach, ohne so vieles! Als der Schmerz des Verlustes nicht mehr so schreiend und spitz war, konnte ich beginnen zu sehen was noch da war. Von ihm in mir und von mir für ihn. Einerseits bleiben meine tiefen Gefühle, meine Liebe zu meinem Mann, aber es wird eine andere Liebe. Sie bleibt ohne Reaktionen, sie kann nicht abgewiesen werden, ich habe das alleinige Sagen. Sie ist verinnerlicht und lebt von Erinnerungen.

            Wenn ein Mensch weg ist, weil er mich nicht mehr mochte oder ich ihn, dann ist auch die Liebe weg. Zumindest bei mir, anders kenne ich es nur vom Hörensagen. Wenn ein Mensch tot ist, dann kann man ihn immer weiter lieben, sich geliebt fühlen. Das ist gut und schön, aber es braucht Zeit es zu begreifen und zu leben. Wahrscheinlich geht es mir auch gut, weil nichts zwischen uns offen geblieben ist, es keine Störungen gibt, die ich weitertragen müsste.

            In einem früheren Beitrag schrieb ich, dass ich mich frage was man für seine Toten noch tun kann und erwähnte, “ihren guten Eigenschaften Leben geben, - die Dankbarkeit - die Liebe - ihrer zu gedenken”. In einer p.N. schrieb mir jemand das Wichtigste sei die Erinnerung. Der Mann hat recht. Erst hatte ich gedacht es sei die Liebe, aber nein, es ist natürlich die Erinnerung. Sie schließt alles mit ein.
            Briele - mit lieben Grüßen.

            P.S. nachdem einige nun mit Vergnügen “84 Charing Cross Road” lesen, habe ich heute eine Empfehlung in eine andere Richtung:
            “Unglücklich sein - eine Ermutigung” von Wilhelm Schmid.
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            @Harald_1933
            Was ist mit Dir? Das klingt nun so, als möchte ich hier von Dir eine Antwort einjammern. Also das ist es wirklich nicht, obwohl ich mich natürlich freue wenn Du mir schreibst. Aber ich merke, dass seit mehreren Tagen hier nirgends etwas von Dir zu lesen ist und das ist doch ungewöhnlich, nicht?
            Man braucht nur ein paar Mal hin und herzuschreiben und schon macht man sich Gedanken um einen Menschen. Irgendwie heikel das anzusprechen, ich mach es jetzt trotzdem, und möchte Dir sagen, ich finde, Du fehlst!
            Liebe Grüße und gute Wünsche
            Briele

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              Liebe Briele,

              Zitat von Briele
              Die Zuversicht, ohne meinen Mann gerne und hoffentlich auch gut weiterleben zu können, die habe ich schon lange, ganz ohne sie war ich eigentlich nie. Was in letzter Zeit häufiger aufblitzt ist die Lebensfreude, das macht mich froh und da spür ich dann gleich noch mehr von ihr.
              wenn sich diese Zuversicht inzwischen manifestiert hat, wird man auch die ab und dann von erneuter Trauer erfüllten Tage leichter hinter sich bringen können, und es wird sich die Lebensfreude auch ohne Deinen Mann mehr und mehr stabilisieren.

              Zitat von Briele
              Aber es wird selbstverständlicher, es ist wie es ist und immer öfter verharren die ersten Gedanken am neuen Tag nicht bei meinem Verlust, ich denke dann an die Möglichkeiten die ich doch für diesen Tag haben kann.
              Damit, liebe Briele, bestätigst Du ja schon selbst das, was ich meine und was Du mit dem Zeitfaktor angedeutet hast. Das Motto des Hundertjährigen aus dem von mir gelesenen Buch "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" von Jonas Jonasson lautete stets: "es ist, wie es ist und es kommt, wie es kommt". Unter dieser Prämisse lässt es sich unbeschwerter leben.

              Zitat von Briele
              Wenn ein Mensch tot ist, dann kann man ihn immer weiter lieben, sich geliebt fühlen. Das ist gut und schön, aber es braucht Zeit es zu begreifen und zu leben. Wahrscheinlich geht es mir auch gut, weil nichts zwischen uns offen geblieben ist, es keine Störungen gibt, die ich weitertragen müsste.
              Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, bedarf es schon einer gewissen Altersweisheit oder besser einer inneren Offenbarung, die nur aus eben dieser erlebten damaligen Harmonie erwachsen konnte.

              Zitat von Briele
              @Harald_1933 - Was ist mit Dir? - ich merke, dass seit mehreren Tagen hier nirgends etwas von Dir zu lesen ist, und das ist doch ungewöhnlich, nicht?
              Liebe Briele,

              in der Tat hat sich an meiner Bereitschaft, auch mal spontan online irgendwo meinen Senf dazuzugeben, nichts geändert. Ein Tapetenwechsel verhinderte allerdings, dass ich im Forum ohne Umstände hätte aktiv werden können. Für Deine liebevolle Erkundung nach meinem Befinden danke ich Dir, beweist sie doch, dass wohl viel mehr im Forum auch dort mitgelesen wird, wo es nicht direkt um PCa geht. In Sachen Klärung von Vertigo gibt es von mir in der Plauderecke wohl heute noch einen Zwischenbericht. Ich bin gestern Abend von Side - siehe hier - nach einem 8-tägigen Aufenthalt zurückgekommen. Die nachfolgenden Fotos zeigen auch mich in der antiken Altstadt.





              "Es gibt ein Alter, in dem eine Frau schön sein muss, um geliebt zu werden. Und dann kommt das Alter, in dem sie geliebt werden muss, um schön zu sein"

              (Francoise Sagan)

              Herzliche Grüße Harald

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                Lieber Harald,
                Danke für Deine Nachricht und die Fotos. Es freut mich, dass es Dir gut geht und Du eine schöne Reise - noch dazu schwindelfrei - gehabt hast und wünsche Dir natürlich, dass dies daheim auch so bleibt. Du kannst sonst ja schlecht dauernd verreisen.

                Wenn es auch abertausende Sprichwörter gibt, so bewundere ich doch Deine Fähigkeit stets welche parat zu haben. Da kann nicht jedes ansprechen, das wäre zuviel verlangt, ganz oft ist das aber schon der Fall gewesen.

                Aber nun hast Du eines für mich ausgesucht - huhu, lieber Harald -, da möchte ich Dich, wenn’s denn möglich ist, ganz herzlich bitten für mich ein anderes zu finden und gebe dieses zurück. Denn weißt Du, Frauen (Die meisten. Jetzt. Hier. In diesem Eckchen der Welt.) definieren sich nicht mehr über Männer. Das hat zwar grausig lange gedauert, aber nun ist es so. Gott, oder den Frauen sei es gedankt.

                Trotzdem hat dieser Sagan’sche Sager etwas bewirkt. Ich habe wieder einmal über die Liebe nach gedacht.
                ….”und dann kommt das Alter, in dem sie geliebt werden muß um schön zu sein”…….
                Nö. Haut so nicht hin. Wenn überhaupt, dann wird vielleicht was draus wenn sie liebt. Denn nur wenn man es selbst tut geschieht etwas in und mit einem. Nun kann man lange darüber philosophieren was wichtiger für einen ist: zu lieben, oder geliebt zu werden. Ist schon klar, beidseitig ist das Beste. Aber andersrum, wenn ich von einem Menschen geliebt werde, und ich liebe nicht zurück, und der Mensch kapiert das nicht, ignoriert meine Signale, dann macht mich das bestimmt nicht schöner, es kann unangenehm bis lästig sein und macht mich im schlimmsten Fall grantig.

                Jetzt kann ich es nicht lassen und will noch etwas zum ersten Teil des Zitats sagen, manchmal bin ich bei solchen Sätzen auf Krawall gebürstet, ist ja nur auf die Sagan gerichtet!!
                ….”es gibt ein Alter, in dem eine Frau schön sein muß, um geliebt zu werden”…..

                Das stammt aus der Zeit in der Männer und Frauen anscheinend wirklich glaubten Begehren ist gleich Liebe. So etwas denken heute nur mehr ganz ganz junge Menschen, oder solche die es nicht besser wissen.

                Nun fällt mir ein jüngerer Mitarbeiter ein, der sich etwas abfällig über das Äußere seiner Kollegin äußerte. Als ich meinte, aber sie ist schrecklich nett, sozusagen innen schön, da sagte er, dann soll sie sich stülpen. Böse, trotzdem witzig. Und später waren sie für eine Zeit lang ein Paar.

                Schöne Ostertage, liebe Grüße und Du bleibst mir hoffentlich weiterhin gewogen, ist ja mit zwei zwinkernden Augen geschrieben worden.
                Briele

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                  Memories - Erinnerungen...



                  Buch der goldenen Geschichten
                  Tage der unbestimmten Wege
                  Jetzt fallen die Herbstblätter wieder
                  und wir treffen uns am Ende
                  Erinnerungen, ohne Reue
                  jetzt ruft uns der Kapellmeister

                  Chorus:
                  Aber solange ich den Morgen sehen kann
                  Wunder, viel mehr als das ich davon berichten könnte
                  ist es ausreichend, um mich noch glauben zu lassen
                  an die Herzen, so weit weg entschwunden...

                  Du führtest mich durch die Seiten
                  geteilt ist wirkliches Glück
                  Verloren im Netz der Veränderungen
                  Dies könnte der letzte Tanz werden,
                  ein Walzer im Regen
                  Bis der Kapellmeister uns retten kommt

                  Chorus:
                  Ja, solange ich den Morgen sehen kann
                  Und im Frühling die blühenden Knospen wiederkommen
                  ist es ausreichend, um mich noch glauben zu lassen
                  das Erinnerungen alles sind

                  Buch der goldenen Geschichten
                  Buch der goldenen Geschichten
                  Tage der alten Lieder
                  Jetzt fallen die Herbstblätter wieder
                  Buch der goldenen Geschichten
                  ...

                  RUNRIG: "Book of golden stories" (day of days)

                  ----------------------------------------------------------

                  Book of golden stories
                  Days of open roads
                  Now the autumn leaves are fallin'
                  We'll meet on the edges
                  Memories, no regrets
                  Now the minstrel boy is callin'

                  Refrain
                  But as long as I can see the morning
                  In miracles, much more than I can say
                  It's enough to keep me still believing
                  In drifting hearts so far away

                  You took me through the pages
                  Good happiness is shared
                  Lost in the web of changes
                  This could be the last dance
                  Waltzing in the rain
                  'Till the Minstrel comes to save us

                  Refrain x2

                  Yes, as long as I can see the morning
                  And blossom comes to bud again in spring
                  It's enough to keep me still believing
                  Your memory is everything

                  Book of golden stories
                  Book of golden stories...
                  days of olden notes
                  Now the autumn leaves are fallin
                  Book of golden stories...
                  Who'll survive and who will die?
                  Up to Kriegsglück to decide

                  Kommentar


                    Zitat von Briele
                    Trotzdem hat dieser Sagan’sche Sager etwas bewirkt. Ich habe wieder einmal über die Liebe nach gedacht.
                    ….”und dann kommt das Alter, in dem sie geliebt werden muß um schön zu sein”…….
                    Nö. Haut so nicht hin. Wenn überhaupt, dann wird vielleicht was draus wenn sie liebt. Denn nur wenn man es selbst tut geschieht etwas in und mit einem.
                    Liebe Briele,

                    das Thema Liebe lässt sich nicht in ein einheitliches Paket verpacken. Da gibt es unendlich viele Varianten in der menschlichen Gesellschaft. Zarah Leander sang einmal "Eine Frau wird es schön durch die Liebe". Kann wohl sein, ist aber wohl nie ernsthaft überprüft worden.

                    Einige nachfolgende Zitate umschreiben das Thema:

                    "Man kann ohne Liebe Holz hacken, Ziegel formen, Eisen schmieden. Aber man kann nicht ohne Liebe mit Menschen umgehen"
                    (Leo Nikolajewitsch Graf Tolstoi)

                    "Du und ich: Wir sind eins. Ich kann dir nicht wehtun, ohne mich zu verletzen"
                    (Mahatma Gandhi)

                    "Es ist besser, für das, was man ist, gehasst, als für das, was man nicht ist, geliebt zu werden"
                    (André Gide)

                    "Geliebt zu werden kann eine Strafe sein. Nicht wissen, ob man geliebt wird, ist Folter"
                    (Robert Lembke)

                    "Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen"
                    (Albert Schweitzer)

                    "Die Erfahrung lehrt uns, dass Liebe nicht darin besteht, dass man einander ansieht, sondern dass man gemeinsam in gleicher Richtung blickt"
                    (Antoine de Saint-Exupery)

                    "Liebe ist nicht das was man erwartet zu bekommen, sondern das was man bereit ist zu geben"
                    (Katharine Hepburn)

                    "Glück ist Liebe, nichts anderes. Wer lieben kann, ist glücklich"
                    (Hermann Hesse)

                    "Es gibt nichts Schöneres, als geliebt zu werden, geliebt um seiner selbst willen oder vielmehr trotz seiner selbst"
                    Victor Hugo)

                    "Liebe ist die einzige Sklaverei, die als Vergnügen empfunden wird"
                    (George Bernard Shaw)

                    "Eine Mutter ist der einzige Mensch auf der Welt, der dich schon liebt, bevor er dich kennt"
                    (Johann Heinrich Pestalozzi)

                    "Liebe ist kein Solo. Liebe ist ein Duett. Schwindet sie bei einem, verstummt das Lied"
                    (Adelbert von Chamisso)

                    "Alter schützt vor Liebe nicht, aber Liebe schützt bis zu einem gewissen Grade vor Alter"
                    (Jeanne Moreau)

                    "Das Wesen wahrer Liebe lässt sich immer wieder mit der Kindheit vergleichen. Beide haben die Unüberlegtheit, die Unvorsichtigkeit, die Ausgelassenheit, das Lachen und das Weinen gemeinsam"
                    (Honore de Balzac)

                    "Wenn man liebt, sucht man die Schuld bei sich, nicht beim anderen"
                    (Richard Burton)

                    "Man ist glücklich verheiratet, wenn man lieber heimkommt als fortgeht"
                    (Heinz Rühmann)

                    Liebe Briele,

                    aus meiner alten handgeschriebenen Kladde noch 2 mich schon vor über 50 Jahren beeindruckende Offenbarungen:

                    Einst war ich nur ein ungetanzter Tanz,
                    Ein nie gesungen Lied, erstickter Klang
                    Und halber Atemzug. O weher Kranz,
                    Den man auf meine junge Stirne zwang.
                    Nun bin ich alles: Tanz und Klang und Sinn
                    Und tiefer Atem, Lied das froh sich hebt;
                    Und weiß: ich bin durch ihn nur was ich bin
                    Und starb um dies und hab um dies gelebt.
                    Mit solchen Kronen krönt er mein Geschick.
                    Er ist durch sich. Ich kann nicht gleiches geben.
                    Doch wenn ich einst, noch flammenden Gesichts,
                    Mir auch gestehen müßte, daß ich nichts
                    Ihm war als nur ein flüchtger Augenblick –
                    Er war ja doch mein ganzes junges Leben
                    ----
                    Ich hörte sagen, es sei
                    im Wasser ein Stein und ein Kreis
                    und über dem Wasser ein Wort,
                    das den Kreis um den Stein legt.

                    Ich sah meine Pappel hinabgehn zum Wasser,
                    ich sah, wie ihr Arm hinuntergriff in die Tiefe,
                    ich sah ihre Wurzeln gen Himmel um Nacht flehn.

                    Ich eilt ihr nicht nach,
                    ich las nur vom Boden auf jene Krume,
                    die deines Auges Gestalt hat und Adel,
                    ich nahm dir die Kette der Sprüche vom Hals
                    und säumte mit ihr den Tisch, wo die Krume nun lag.

                    Und sah meine Pappel nicht mehr.

                    Wegen Urheberrechtsverletzung habe eben herausgefunden, dass das 1. Gedicht von Rudolf Georg Bindung stammt, während das 2. Gedicht Celan zugeschrieben wird.

                    "Liebe ist die stärkste Macht der Welt, und doch ist sie demütigste, die man sich vorstellen kann"
                    (Mahatma Gandhi)

                    Ich wünsche Dir ein ruhiges, sonniges Osterfest.

                    Herzliche Grüße Harald

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                      Lieber LowRoad,
                      Herzlichen Dank für Text, Bild und Link zum Song, den ich gehört habe.
                      Es hat mich an einen Satz erinnert: Das Buch behutsam schließen, es in die Bibliothek des Lebens stellen.

                      Lieber Harald,
                      Danke für die üppige Auswahl, ich schöpfe gerne aus dem Vollen. Ich nehme das von Celan aus Deiner Kladde. Nun habe ich nach langer Zeit in meiner Kladde geblättert, die so alt nicht ist. Nach dem Tod meiner Mutter habe ich Sprüche, Gedanken, Gedichte zum Thema Sterben, Tod, Trauer hineingeschrieben, sogar ein paar eigene. Würde ich das alles in eine neues Schreibbuch übertragen, käme höchstens ein Fünftel hinein. Wie geht es Dir wenn Du in Deiner viel älteren liest?

                      Nun haben wir viel über “die Liebe” geschrieben und ich dachte welcher Spruch, welches Gedicht fällt mir dazu als erstes ein. Es war:

                      Ich habe dich so lieb
                      Von Joachim Ringelnatz

                      Ich habe dich so lieb!
                      Ich würde dir ohne Bedenken
                      eine Kachel aus meinem Ofen schenken.
                      Ich habe dir nichts getan.
                      Nun ist mir traurig zu Mut.
                      An den Hängen der Eisenbahn
                      leuchtet der Ginster so gut.
                      Vorbei - verjährt-
                      doch nimmer vergessen.
                      Ich reise.
                      Alles, was lange währt,
                      ist leise.
                      Die Zeit entstellt alle Lebewesen.
                      Ein Hund bellt.
                      Er kann nicht lesen.
                      Er kann nicht schreiben.
                      Wir können nicht bleiben.
                      Ich lache.
                      Die Löcher sind die Hauptsache in einem Sieb.
                      Ich hab dich so lieb.

                      Herzliche Grüße Briele

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                        Ostern war, im Gegensatz zu Weihnachten, kein Anlass für Wehmut oder Melancholie. Wahrscheinlich weil es mir nie etwas bedeutet hat, meinen Eltern auch nicht und man ist da ja geprägt.

                        Eine österreichische Freundin war für ein paar Tage bei mir; ich hatte länger überlegt ob ich ihr meine Couch anbiete. Ich kenne sie erst seit ein paar Jahren, wir waren selten zusammen, schreiben einander aber viel und häufig. Sie war ein angenehmer Gast und nicht zum ersten Mal habe ich die Erfahrung gemacht, dass man sich durch das Schreiben sehr nahe kommen kann. Werner hätte seine Freude an ihr gehabt, denn sie interessierte sich für die Bücher und meinte nicht, was um Himmels willen ich mit ihnen mache, sondern welchen Schatz ich da habe. Also mir war, als hätte ich sie schon oft bei mir gehabt, alles lief wie geschmiert. Und umgekehrt hatte ich schon Erlebnisse mit Menschen, die ich 20 Jahre und länger kannte, und als sie sich dann zum ersten Mal bei mir länger als nur für ein paar Stunden aufhielten, war ich völlig weg wie schwer ich es fand mit ihnen über Tage zusammen zu sein.

                        Es hat mir Freude gemacht wieder einmal so richtig nett zu frühstücken. Mit gedecktem Tisch, reichhaltigerem Angebot, langen Gesprächen. Diesbezüglich verwildere ich nun vielleicht ein bißchen. Steh am Vormittag auf, sitz im Nachthemd beim Laptop, esse ein Stück Obst, ein Marmeladebrot, trinke eine Tasse Tee, trödle oft so dahin. Es wurde mir angeraten auch für mich alleine etwas zu kochen, das tu ich nun häufiger, aber von großer Tischkultur kann man da nicht sprechen. Ich bräuchte eigentlich einen Bücherständer für den Tisch, dann könnte ich ein wenig eleganter essen und lesen. Es ist gut, dass ich oft Leute zum Essen einlade.

                        Als wir am Dammtor Bahnhof für ihre Rückreise auf den ICE nach München warteten, überkam mich für einen Moment große Traurigkeit, zugleich war mir mein Mann unglaublich präsent. Wir sind da viele Male gestanden, manchmal gemeinsam nach Wien gefahren, oft bin ich alleine abgereist und er blieb zurück. Es war schön ihn wieder so nahe zu spüren und ich habe mich augenblicklich aus dem Dialog mit R. ausgeklinkt und bin innerlich mit ihm ins Gespräch gekommen. Aber Gespräch ist es ja kein wirkliches, sprechen tu nur ich und mir ist, als würde ich seine Gedanken in meine Richtung fühlen. “Hey, hab ich gesagt, da bist du ja mein Liebster, es geht mir gut, hab Dank dafür.” Ich habe wirklich das Gefühl es ganz wesentlich ihm zu verdanken, dass es mir gut geht.

                        Auf dem Heimweg freute ich mich dann, nun wieder alleine zu sein. Ich habe es insgesamt im letzten Jahr gut hin bekommen alleine zu leben, was ja etwas anderes ist als alleine zu sein. Es fällt mir wohl nicht so schwer, weil ich in meinem Leben immer wieder, manchmal über weite Strecken, solo gelebt habe.
                        Rückblickend betrachtet habe ich eigentlich recht lange gebraucht wirklich zu sehen was mir Menschen an Liebe, Zuneigung, Aufmerksamkeit, Wertschätzung, Freundlichkeit im letzten Jahr, und ja nicht nur da, entgegen gebracht haben. Vermutlich habe ich da den einen, die andere, auch etwas gekränkt, indem ich mich manchmal so verhielt, als wäre nun, da ich dies alles nicht mehr von meinem Mann bekomme, es von anderen Menschen von geringem Wert.
                        Jetzt bin ich aber auf einem guten Weg der Wiedergutmachung.

                        In den letzten Tagen war viel von “Schuld und Erlösung” zu lesen, zu hören. Ich habe mich erinnert, dass, kaum konnte ich sprechen, mir meine Großmutter das Vaterunser beibrachte. Weil ich es konnte, bestand dann in der Schule keine Notwendigkeit es zu lesen, zu lernen. Und so war ich 14 oder 15 Jahre alt, als ich das erste Mal den Text las und feststellte, dass ich bei einem Satz eine individuelle Note eingebracht hatte, die ich aber nach wie vor als gelungen betrachte.
                        Wo es heißt: und vergib unsere Schuld wie auch wir vergeben unseren Schuldigern, betete ich: und vergib unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsere Schuld gern.

                        Briele - mit lieben Grüßen
                        __________________________________________________ ___

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                          Zitat von Briele
                          Nun habe ich nach langer Zeit in meiner Kladde geblättert, die so alt nicht ist. Wie geht es Dir wenn Du in Deiner viel älteren liest?
                          Liebe Briele,

                          da werden Erinnerungen wach. Es sind schöne Erinnerungen; lebendig werdende Rückblicke eines Mannes, der die Frauen liebte und immer noch liebt, wenn das auch heute etwas anders abläuft, als damals mit dem unbändigen Drang letztlich nach körperlicher Erfüllung.

                          Aus der Kladde:
                          Die Stunde schlug und deine Hand lag zitternd in der meinen.
                          An meine Lippen streiften schon mit scheuem Druck die deinen.
                          Es zuckten aus dem vollen Kelch elektrisch schon die Funken.
                          Oh fasse Mut und fliehe nicht, bevor wir ganz getrunken.

                          Die Lippen, die mich so berührt, sind nicht mehr deine eignen,
                          sie können doch, so lang du lebst, die meinen nicht verleugnen.
                          Die Lippen, die sich so berührt, sind rettungslos gefangen.
                          Spät oder früh, sie müssen doch sich tödlich heimverlangen.**

                          ** Theodor Storm zugeschrieben.

                          Anstatt Ringelnatz hier mal Tucholsky.

                          Aus China stammt die Aussage: "Kennenlernen ist der Anfang der Trennung"

                          Das Abschied nehmen in jungen Jahren gelang meist ohne Tränen. Udo Jürgens hat das hier vollendet musikalisch und mit Worten zum Ausdruck gebracht.

                          "Höre nie auf zu lächeln; auch dann nicht, wenn du sehr traurig bist, denn du weißt nicht, wer sich vielleicht in dein Lächeln verliebt"
                          (Gabriel Garcia Màrquez)

                          Herzliche Grüße Harald

                          Kommentar


                            Lieben und Geliebt-werden

                            Liebe Briele,

                            was bringt einen, i.S. von innerem Wachstum, weiter: Das Lieben oder das Geliebt-werden? Schon klar, wenn beides zusammen kommt, stellt sich die Frage nicht. Man ist, besonders am Anfang, so sehr im Paradies, oder diesem doch zumindest so nahe, daß sich ganz viele Fragen nicht stellen. Aber später? Und, wie Du weiter oben geschrieben hast, es ist ja selten wirklich fifty-fifty.

                            Ich habe mit Anfang 20 Erich Fromm "Die Kunst des Liebens" gelesen, und seither, so alle 10-15 Jahre noch ein paar mal und es jedesmal anders gelesen. Schönes Buch. Es läuft darauf hinaus, daß, so schön es ist geliebt zu werden, es natürlich das eigene Lieben ist, das einen wachsen läßt.

                            Wie bei vielen klugen Gedanken, Philosphien usw. gilt natürlich die Binse: Eigene Erfahrungen sind durch nichts ersetzbar. Aber eigene Erfahrungen und eine gute "Theorie", und dann von einem so belesenen und intelligenten Menschen wie Erich Fromm, machen, wenn man Freude an sowas hat, die Sache dann richtig "rund".

                            Lohnende Lektüre. Ich habe das Buch nicht hier, aber es ist definiv Zeit, es wieder einmal zu lesen...
                            Gruß, Rastaman

                            Kommentar


                              Lieber Harald,

                              Danke für Deine Zeilen an mich. Meine Kladde ist im Vergleich zu Deiner wohl ein Kläddchen, ich habe nur zwei Jahre oder so nach Mamas Tod hinein geschrieben. Aber als ich nun darin las, war ich überrascht. Vieles fand ich kitschig, rührselig (anrühren lasse ich mich hingegen gerne), also ich konnte kaum verstehen warum ich diese Sprüche, Texte aufgeschrieben habe. Offensichtlich haben sie mich in meiner damaligen Gemütsverfassung angesprochen, sonst hätte ich mir die Mühe ja nicht gemacht.

                              Ich bin ja so gar nicht romantisch, eher als spröde zu bezeichnen, von daher empfinde ich Gedichte generell und Liebesgedichte im speziellen, schnell als schmalzig, bombastisch, kitschig. Aber es gibt für mich natürlich Ausnahmen, so mag ich z.B. das von Tucholsky, hab Dank dafür.

                              Nun möchte ich noch etwas zu dem Spruch von Gabriel Garcia Màrquez sagen, du nimmst es mir hoffentlich nicht übel: grauenvoller Gedanke, ich mußte sofort an Königin Sylvia’s eingestanztes Lächeln denken. Nein, ich will bitte gerne auch traurige, grantige, böse, verzweifelte, ängstliche Gesichter sehen und sie selbst auch haben.

                              Lieber Harald, ab nun sage ich aber nichts mehr zu Sprüchen, ist ja kindisch von mir dauernd herumzustochern. Mein Mann hat manchmal zu mir gesagt, du musst doch nicht alles so wörtlich nehmen! Und ich habe geantwortet, nein, müssen tu ich nicht, aber wollen.

                              Herzliche Grüße Briele

                              Kommentar


                                Lieber Rastaman,

                                Wie konnte ich nur “Erich Fromm und die Kunst des Liebens” - nun, nicht vergessen, aber nicht mehr daran denken! Ich bin echt froh, dass Du darüber schreibst und vielleicht will ich mit dem Lesen nicht bis zum Sommer warten wenn ich im Bergdorf bin. Ich werde es dann erst zum zweiten Mal in meinem Leben lesen und bin schon gespannt wie es sein wird. Danke!

                                Weißt Du, es gibt so manche Dinge, die ich schon länger am Älterwerden angenehm finde. Halt an meinem Älterwerden und ich meine damit ab vierzig. Ich fand es ungeheuer entspannend aus der Phase raus zu kommen, in der ich irgendwie von diesen fifty-fifty Gedanken, die Liebe betreffend, fixiert war. Ich glaube es ist unmöglich, dass über eine lange Zeit sich die Gefühle zwischen zwei Menschen absolut die Waagschale halten. Es geht hin und her, auf und ab und solange dies der Fall ist, ist alles gut.

                                Mein Mann hat gesagt er würde mich stets gleich innig lieben. Ich hatte den Eindruck, dass manchmal meine Liebe zu ihm größer, stärker, intensiver, was weiß ich ist, und dann wieder seine. Nur zum Unterschied von früheren Lieben fand ich, dass das eigentlich wurscht ist. Es liebt sich wirklich um vieles freier und auch schöner wenn man aufhört zu befürchten man könnte sich etwas “vergeben”, oder sich in eine schwache Position bringen, wenn die Soll und Haben Rechnung nicht ausgeglichen ist.

                                Liebe Grüße
                                Briele

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