Liebe Leser,
Obwohl ich hier selten geschrieben habe, so gut wie keine Kontakte hatte, ist es mir jetzt doch ein Bedürfnis ein letztes Mal zu schreiben, mich für alles zu bedanken was ich hier an Hilfe erfahren durfte.
Mein lieber Mann Werner ist am 23. Mai verstorben. Im Januar war er 81 Jahre alt geworden. Die letzten 10 Tage verbrachte er in der Palliativen Abteilung des UKE Hamburg und mir war, als arbeiten dort keine Menschen, sondern Engel. Daheim ging es trotz Unterstützung einer ambulanten palliativ-care Einrichtung einfach nicht mehr. Er hat nie genug Medikamente eingenommen, war getrieben von der Sorge sie könnten am Ende nicht reichen und diese Angst konnte ihm nichts und niemand nehmen. Neben der Krebserkrankung war er ja geplagt von einem ausgeprägten restless-leg Syndrom, was er manchmal als die schrecklichere Krankheit empfand.
Über die Wochen, vielleicht sogar Monate, hatte er mich mehr und mehr als seine Gegnerin empfunden, die seine Ängste nicht verstand, die nie Ruhe gab mit den Medikamenten. Und ich konnte keine Ruhe geben, bei dem Elend, das ich dauernd sah und erlebte. Neben all meinen Ängsten und Sorgen war es mir ein ganz großer Kummer, dass ich, wenn es so weitergeht, mir dann nur mehr wünschen würde, dass alles bald ein Ende hat.
Eine Schwester der ambulanten palliativ-care Einrichtung übernahm dann die Initiative, fragte ihn ob er in ein Hospiz möchte und er meinte, er würde lieber daheim bleiben, sähe aber ein, dass es nicht mehr geht. Ich verhielt mich passiv, sagte nicht ja, sagte nicht nein, war wie paralysiert vor Entsetzen. Es ging dann schnell. Hospizplatz war keiner frei, doch bereits für den kommenden Tag einer im UKE.
Es ist dann unmittelbar darauf, praktisch von einer Minute auf die andere etwas passiert, was ich nicht für möglich gehalten hätte, wofür ich unsagbar glücklich und dankbar bin: wir konnten augenblicklich wieder so zueinander sein, wie wir es immer waren - liebevoll, zärtlich, zugewandt.
Nachdem die Nächte zuvor ohne Rast und Ruh waren, war es in der letzten Nacht daheim noch anstrengender für uns beide, dass am Morgen der schreckliche Abschiedsschmerz von der Wohnung in den Hintergrund trat. Wir waren fix und fertig und warteten nur mehr auf den Rettungswagen.
Es würde zu weit führen über die Einrichtung der Palliativ-Abteilung des UKE zu schreiben. Ich kann nur sagen, es war für uns die beste Entscheidung und - so kritisch ich bin - es gibt nichts was ich zu bemängeln hätte.
Man hat mit ihm die Medikamentation besprochen, ihn gefragt ob er mit den Vorschlägen einverstanden ist, und er akzeptierte alles. So konnte die schreckliche Unruhe eingedämmt werden, er war nahezu schmerzfrei, auch seine Panikattacken verbunden mit Luftnot konnten behoben werden.
Man hatte auch mich immer im Blick, das tat gut.
Ich war täglich viele Stunden bei ihm. Letzten Samstag dachte ich er würde sterben und blieb die Nacht bei ihm. Dann gab es drei Tage, in denen ich mir gut vorstellen konnte, dass er noch einige Monate leben wird. Wir waren in zwei Hamburger Hospizeinrichtungen angemeldet.
Doch Mittwoch Morgen rief mich die Ärztin an, er sei kaum ansprechbar, völlig desorientiert und ich möge kommen.
Ich saß dann 27 Stunden neben ihm. Er konnte nicht mehr sprechen, hat aber durch Hand- und Kopfbewegungen signalisiert, dass er versteht. Zweimal hat er mir gezeigt, dass er mich umarmen will.
Nach den vielen Stunden hat man mir mehrfach gesagt, ich müsse jetzt einfach heimgehen und ein paar Stunden schlafen und ich wollte nicht gehen, konnte aber auch nicht mehr da sitzen. Sie versprachen mir ständig nach ihm zu sehen und ich fuhr heim. Ich hatte zweieinhalb Stunden geschlafen, neben mir war das Handy, das Festnetztelefon und ich habe beide nicht läuten gehört als man mich vom Krankenhaus angerufen hatte. Die Schwester sagte mir dann, sie war bei ihm gewesen als sie sah, dass es nun zu Ende gehen wird. Zu diesem Zeitpunkt rief sie nicht an, weil klar war, ich würde den Weg nicht schaffen, nicht einmal wenn ich nur im Krankenhauspark gewesen wäre. Er war im Schlaf gestorben, zu einem Zeitpunkt als ich auch geschlafen hatte.
Man hat mir dutzendfach erklärt, dass Menschen oft sterben wenn der Angehörige weg ist, aber ich kann es mir noch nicht verzeihen.
Meine Lieben hier, ich möchte Euch aber auch sagen, dass es nach der Diagnose noch eine ganz lange Zeit gut gehen kann. Mein Mann erhielt die Diagnose 1997, bei der Operation stellte sich heraus, dass der Krebs bereits aus der Kapsel ausgetreten war. Er hatte bis 2005 eine völlig beschwerdefreie Zeit. Als 2005 das Rezidiv, anschließend die Knochenmetastasen festgestellt wurden, war er dennoch bis 2011 nahezu ohne Schmerzen. Ich schreibe dies, weil es doch auch Mut macht, dass man durchaus die Chance hat noch viele Jahre gut zu leben.
Dieses Forum habe ich 2005 kennengelernt, es war das Jahr, in dem ich das erste Mal einen Computer hatte. Ich habe im Laufe der Jahre hunderte Beiträge, Information kopiert und in einer Datei gespeichert, mir gedacht, vielleicht brauchen wir das einmal. Es gab viele Beiträge, die habe ich gar nicht verstanden, da fehlen mir einfach die Voraussetzungen.
Aber wenn ich eine Frage stellte, habe ich immer sofort Antworten erhalten und dafür bedanke ich mich noch einmal ganz herzlich. Es war für mich stets ein beruhigender Gedanke hier eine Anlaufstelle zu haben.
Nun muß ich ohne meinen Mann weiterleben. Er war der liebenswürdigste, warmherzigste, freundlichste, großzügigste Mensch den ich je kannte. Einen Tag bevor er starb, sagte er zu einer Schwester, dass er sich große Sorgen um mich macht, weil ich nun ganz alleine bin, in Hamburg niemanden habe und ob man sich auch nach seinem Tod noch ein wenig um mich kümmern würde.
Nehmt mir diesen wahnsinnig langen Beitrag bitte nicht übel.
Ich wünsche Euch - den Kranken, den Angehörigen alles Liebe, alles Gute.
Briele
Obwohl ich hier selten geschrieben habe, so gut wie keine Kontakte hatte, ist es mir jetzt doch ein Bedürfnis ein letztes Mal zu schreiben, mich für alles zu bedanken was ich hier an Hilfe erfahren durfte.
Mein lieber Mann Werner ist am 23. Mai verstorben. Im Januar war er 81 Jahre alt geworden. Die letzten 10 Tage verbrachte er in der Palliativen Abteilung des UKE Hamburg und mir war, als arbeiten dort keine Menschen, sondern Engel. Daheim ging es trotz Unterstützung einer ambulanten palliativ-care Einrichtung einfach nicht mehr. Er hat nie genug Medikamente eingenommen, war getrieben von der Sorge sie könnten am Ende nicht reichen und diese Angst konnte ihm nichts und niemand nehmen. Neben der Krebserkrankung war er ja geplagt von einem ausgeprägten restless-leg Syndrom, was er manchmal als die schrecklichere Krankheit empfand.
Über die Wochen, vielleicht sogar Monate, hatte er mich mehr und mehr als seine Gegnerin empfunden, die seine Ängste nicht verstand, die nie Ruhe gab mit den Medikamenten. Und ich konnte keine Ruhe geben, bei dem Elend, das ich dauernd sah und erlebte. Neben all meinen Ängsten und Sorgen war es mir ein ganz großer Kummer, dass ich, wenn es so weitergeht, mir dann nur mehr wünschen würde, dass alles bald ein Ende hat.
Eine Schwester der ambulanten palliativ-care Einrichtung übernahm dann die Initiative, fragte ihn ob er in ein Hospiz möchte und er meinte, er würde lieber daheim bleiben, sähe aber ein, dass es nicht mehr geht. Ich verhielt mich passiv, sagte nicht ja, sagte nicht nein, war wie paralysiert vor Entsetzen. Es ging dann schnell. Hospizplatz war keiner frei, doch bereits für den kommenden Tag einer im UKE.
Es ist dann unmittelbar darauf, praktisch von einer Minute auf die andere etwas passiert, was ich nicht für möglich gehalten hätte, wofür ich unsagbar glücklich und dankbar bin: wir konnten augenblicklich wieder so zueinander sein, wie wir es immer waren - liebevoll, zärtlich, zugewandt.
Nachdem die Nächte zuvor ohne Rast und Ruh waren, war es in der letzten Nacht daheim noch anstrengender für uns beide, dass am Morgen der schreckliche Abschiedsschmerz von der Wohnung in den Hintergrund trat. Wir waren fix und fertig und warteten nur mehr auf den Rettungswagen.
Es würde zu weit führen über die Einrichtung der Palliativ-Abteilung des UKE zu schreiben. Ich kann nur sagen, es war für uns die beste Entscheidung und - so kritisch ich bin - es gibt nichts was ich zu bemängeln hätte.
Man hat mit ihm die Medikamentation besprochen, ihn gefragt ob er mit den Vorschlägen einverstanden ist, und er akzeptierte alles. So konnte die schreckliche Unruhe eingedämmt werden, er war nahezu schmerzfrei, auch seine Panikattacken verbunden mit Luftnot konnten behoben werden.
Man hatte auch mich immer im Blick, das tat gut.
Ich war täglich viele Stunden bei ihm. Letzten Samstag dachte ich er würde sterben und blieb die Nacht bei ihm. Dann gab es drei Tage, in denen ich mir gut vorstellen konnte, dass er noch einige Monate leben wird. Wir waren in zwei Hamburger Hospizeinrichtungen angemeldet.
Doch Mittwoch Morgen rief mich die Ärztin an, er sei kaum ansprechbar, völlig desorientiert und ich möge kommen.
Ich saß dann 27 Stunden neben ihm. Er konnte nicht mehr sprechen, hat aber durch Hand- und Kopfbewegungen signalisiert, dass er versteht. Zweimal hat er mir gezeigt, dass er mich umarmen will.
Nach den vielen Stunden hat man mir mehrfach gesagt, ich müsse jetzt einfach heimgehen und ein paar Stunden schlafen und ich wollte nicht gehen, konnte aber auch nicht mehr da sitzen. Sie versprachen mir ständig nach ihm zu sehen und ich fuhr heim. Ich hatte zweieinhalb Stunden geschlafen, neben mir war das Handy, das Festnetztelefon und ich habe beide nicht läuten gehört als man mich vom Krankenhaus angerufen hatte. Die Schwester sagte mir dann, sie war bei ihm gewesen als sie sah, dass es nun zu Ende gehen wird. Zu diesem Zeitpunkt rief sie nicht an, weil klar war, ich würde den Weg nicht schaffen, nicht einmal wenn ich nur im Krankenhauspark gewesen wäre. Er war im Schlaf gestorben, zu einem Zeitpunkt als ich auch geschlafen hatte.
Man hat mir dutzendfach erklärt, dass Menschen oft sterben wenn der Angehörige weg ist, aber ich kann es mir noch nicht verzeihen.
Meine Lieben hier, ich möchte Euch aber auch sagen, dass es nach der Diagnose noch eine ganz lange Zeit gut gehen kann. Mein Mann erhielt die Diagnose 1997, bei der Operation stellte sich heraus, dass der Krebs bereits aus der Kapsel ausgetreten war. Er hatte bis 2005 eine völlig beschwerdefreie Zeit. Als 2005 das Rezidiv, anschließend die Knochenmetastasen festgestellt wurden, war er dennoch bis 2011 nahezu ohne Schmerzen. Ich schreibe dies, weil es doch auch Mut macht, dass man durchaus die Chance hat noch viele Jahre gut zu leben.
Dieses Forum habe ich 2005 kennengelernt, es war das Jahr, in dem ich das erste Mal einen Computer hatte. Ich habe im Laufe der Jahre hunderte Beiträge, Information kopiert und in einer Datei gespeichert, mir gedacht, vielleicht brauchen wir das einmal. Es gab viele Beiträge, die habe ich gar nicht verstanden, da fehlen mir einfach die Voraussetzungen.
Aber wenn ich eine Frage stellte, habe ich immer sofort Antworten erhalten und dafür bedanke ich mich noch einmal ganz herzlich. Es war für mich stets ein beruhigender Gedanke hier eine Anlaufstelle zu haben.
Nun muß ich ohne meinen Mann weiterleben. Er war der liebenswürdigste, warmherzigste, freundlichste, großzügigste Mensch den ich je kannte. Einen Tag bevor er starb, sagte er zu einer Schwester, dass er sich große Sorgen um mich macht, weil ich nun ganz alleine bin, in Hamburg niemanden habe und ob man sich auch nach seinem Tod noch ein wenig um mich kümmern würde.
Nehmt mir diesen wahnsinnig langen Beitrag bitte nicht übel.
Ich wünsche Euch - den Kranken, den Angehörigen alles Liebe, alles Gute.
Briele
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