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Mein Mann ist gestorben

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    #16
    Liebe Briele!

    Ich bin tief beeindruckt von Deinen Worten.

    Dies gilt zunächst der Tatsache, dass Du in Deinem tiefen Schmerz noch darüber nachdenkst, ob Du anderen Betroffenen bzw. deren Angehörigen durch Deine Texte Angst machen könntest.

    Es gilt in hohem Maß auch der Fähigkeit, Deine Empfindungen eindrucksvoll und feinsinnig zu beschreiben.

    Schreiben setzt Denken voraus, über die Verarbeitung von Schmerz und Trauer zu schreiben, erfordert intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Psyche. Dabei noch an die Bedürfnisse Anderer zu denken zeugt von Stärke und hoher Sensibilität,.

    Du stehst keinesfalls mit leeren Händen da, sondern Du zeigst mit Deinen Schilderungen in hervorragender Weise einen Weg, mit Lebenskrisen umzugehen.

    In einem sachlich geprägten Forum wie diesem kann dies ein äußerst wertvolles Beispiel sein und dazu anregen, seelischen Belastungen nachzuspüren, statt sie zu verdrängen und darüber zu sprechen oder zu berichten.

    Für "starke" Männer könnte es Erleichterung bringen, für das Forum Bereicherung sein.

    Dir weiterhin alles Gute und herzliche Grüße
    Helmut

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      #17
      Zitat Briele:
      "..
      Vermutlich ist es wirklich egal wo ich bin, muß mich selbst ja überall hin mitnehmen und Werner ist nirgends.
      .."

      Nein, liebe Briele, Dein Werner ist näher bei Dir als Du denkst!

      Alles Gute für die Zukunft!!

      Gruss,
      T.P.
      "Komm mit mir ins Land der Psyche; etwas Besseres als den Tod findest Du allemal."
      Gerd Unterstenhöfer

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        #18
        Herzlichen Dank für die lieben Antworten, sowie für die p.N.s, die Buchvorschläge

        Lieber @Helmut(i)
        Man kann nur jedem Kranken und Angehörigen wünschen, dass er irgend etwas findet, was Trost und Erleichterung bringt. Bei mir ist es das „Wort“. Ich brauche Menschen die mir zuhören, Bücher zu dem Thema und es tut mir gut darüber zu schreiben.
        Unlängst, in bitteren Nachtstunden, habe ich mein Tagebuch gelesen, das ich im Sommer 2012 begonnen hatte. Es war seltsam. Befragt, wie das letzte Jahr so war, hätte ich gesagt es hat wohl herbe Zeiten gegeben, aber alles in allem ging es ganz gut. Und nun, beim Lesen meiner doch ziemlich regelmäßigen Eintragungen, war es so, als sei das letzte Jahr durchgängig sehr schwer gewesen.

        Ist die Erinnerung in ein mildes Licht getaucht, rede ich mir das letzte Jahr besser als es war, oder habe ich nur dann in das Tagebuch geschrieben, wenn ich ein Ventil gebraucht habe? Das frage ich mich und weiß es gibt keine Antwort, wobei es ja auch nicht wichtig ist. In einem bin ich sicher: Werner hat auch im letzten Jahr gerne gelebt.

        Momentan ist so ziemlich jedes Thema ambivalent, irgendwie schwanke ich von einer Meinung zur anderen, alles ist richtig, nichts stimmt und so kenne ich mich gar nicht. Das hat mir

        Lieber @Tedham Porterhouse
        unter anderem Deine Aussage …“dein Werner ist näher bei dir als du denkst“….. klar gemacht. Ich selbst habe in einem meiner ersten Beiträge hier geschrieben wie umfangen ich mich von ihm fühle, wie ich alles Gute was ich erfahre ihm zuschreibe. Das gilt nach wie vor. Zugleich gibt es ein Gefühl des Entsetzens, dass ich ihn nie mehr sehen, hören, spüren werde, er für immer weg ist und ich mir das andere vielleicht nur konstruiere.
        __________________________________________________

        Ich wünsche mir so oft um vieles gescheiter zu sein oder ein bißchen blöder, ich stelle mir vor, dann wäre das Leben einfacher weil es bessere Antworten gäbe, bzw. erst gar keine Fragen. Nun ist es wie es ist und ich plage mich mit Fragen und Zweifeln herum auf die mir in Wirklichkeit keine Antwort so richtig genügt. In mir ist so etwas wie kindliche Hoffnung, dass es nach dem Tod etwas gibt, wobei das „Nichts“ ja auch nicht unbedingt die schlechteste Variante wäre.
        Jetzt sind es bald drei Monate dass Werner tot ist. In Hamburg (Wohnung) habe ich recht viel geseufzt, das war mir aufgefallen. Hier (allein in einem Haus) klage ich manchmal laut. Jetzt nicht so laut wie ein Klageweib, aber ich erschrecke dann doch. Irgendwie ist da ein Bedürfnis, aber es fehlt die Erlaubnis.

        Vor einer Woche wäre der 100ste Geburtstag meines Papas gewesen. Ich bin trotz brüllender Hitze (allerdings in aller Herrgottsfrüh) in die Kleinstadt gefahren, in der er lange gelebt hat und ich auch in meiner Kindheit. Ich habe eine fast zweistündige „Gedächtniswanderung“ durch die Stadt gemacht, vorbei an allen Häusern und Plätzen, die eine Bedeutung in seinem Leben hatten. Es war schön und als ich wieder heimfuhr dachte ich mir, das einzige was wir für unsere Toten tun können, ist ihrer zu gedenken.

        Unlängst sagte ich zu einer Freundin, abgesehen davon, dass ich plötzlich ein alleinstehender Mensch bin, interessiert es nun keinen mehr wirklich wo ich bin, wohin ich gehe, was ich tu. „Sei froh“…. meinte sie. Ich war darüber nicht erstaunt, es war ein weiteres Beispiel, dass auch diese Sache zwei Seiten hat.

        Liebe Grüße und gute Wünsche
        von der Briele

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          #19
          Liebe Briele, du schreibst:

          "Vor einer Woche wäre der 100ste Geburtstag meines Papas gewesen. Ich bin trotz brüllender Hitze (allerdings in aller Herrgottsfrüh) in die Kleinstadt gefahren, in der er lange gelebt hat und ich auch in meiner Kindheit. Ich habe eine fast zweistündige „Gedächtniswanderung“ durch die Stadt gemacht, vorbei an allen Häusern und Plätzen, die eine Bedeutung in seinem Leben hatten. Es war schön und als ich wieder heimfuhr dachte ich mir, das einzige was wir für unsere Toten tun können, ist ihrer zu gedenken."

          Da gibt es einen John Lennon-Song, der zu dieser Thematik passt wie die Faust aufs Auge. Das Lied heißt:

          IN MY LIFE (Rubber Soul)



          There are places I remember
          All my life, though some have changed
          Some forever not for better
          Some have gone and some remain
          All these places have their moments
          With lovers and friends I still can recall
          Some are dead and some are living
          In my life I've loved them all


          Gruss & Alles Gute für die Zukunft!

          ((°J°))
          "Komm mit mir ins Land der Psyche; etwas Besseres als den Tod findest Du allemal."
          Gerd Unterstenhöfer

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            #20
            Hallo, hier bin ich wieder

            Es zieht mich hierher und ich habe nachgedacht warum ich lieber hier schreibe als in meinem „Tagebuch“. Hier lesen dann ein paar Menschen und für ein paar Sekunden registrieren sie, dass es einmal einen Werner gab um den nun eine Briele trauert.
            Ansonsten habe ich den Eindruck, dass es ganz schön schnell geht und ein Mensch nicht unbedingt vergessen ist, aber kaum mehr über ihn gesprochen wird.

            Lieber@Tedham Porterhouse, danke für den Text. Die Beatles waren „in meiner Zeit“, ich hatte den Text aber nicht mehr im Kopf und es tat gut ihn wieder zu lesen, auch das Lied zu hören. Hab Dank!

            Ich bin jetzt überhaupt mehr bei der Musik aus früheren Jahren, spiele Platten die ich lange nicht mehr gehört habe. Es ist ja ein sensibles Gebiet, man muß da ein bißchen aufpassen. Nach Mamas Tod habe ich jahrelang keine Opern gesehen oder gehört, das waren Töne die auf das innigste mit ihr verbunden waren. Es war unglaublich wie ein einziger Ton ganze Gefühlskaskaden in Bewegung bringen konnte, meistens schmerzhaftester Art. Und nun, nach Werners Tod, mag ich jetzt einmal nicht die Musik wählen, die ihm viel bedeutete, d.h. die klassische Musik.

            Und so bin ich bei der Musik die ich früher mochte: Roaring sixties, französische Chansons und immer wieder den Canto General. Ich kann es hier hillernd laut spielen, störe keinen und diese Musik schwingt keine traurigen Saiten in mir an, es ist eine Musik aus meinen heilen Jahren.
            Aber ich möchte mir die andere Musik wieder zurück erobern, sie mir ermöglichen.

            In den letzten Tagen war ich für eine kurze Reise mit zwei Freundinnen unterwegs. Es sind zwei unaufgeregte Frauen, wir sind ein gutes Reiseteam und alles war angenehm. Aber gestern war Donnerstag, Werners Sterbetag, drei Monate ist es jetzt her und um die Mittagszeit habe ich dann auf dem Rücksitz im Auto ganz lange leise vor mich hingeweint. Nichts und niemand kann mich dann trösten. Meine Freundin erzählte mir, dass ihre Mutter an einem Samstag gestorben war und ihre vierjährige Tochter ein halbes Jahr an jedem Samstag stundenlang weinte.

            Daheim angekommen machte ich weiter, stand vor den Bildern meiner Eltern, meinem Werner und weinte “alle tot, alle tot, alle tot”. Schön langsam habe ich den Eindruck es bekommt mir am besten einfach an einem Ort zu bleiben, den Tag in einer gewissen Monotonie zu durchleben.
            Aber etwas in mir sträubt sich dagegen. Ich will mich fordern, herausfordern, stellen, Dinge ausprobieren. Wie alles ist auch dies ambivalent. Ich freue mich im Herbst wieder in Hamburg zu sein, ich fürchte mich davor.

            Es gibt Dinge, die beginne ich erst jetzt zu verstehen. Es war mir immer völlig unverständlich wie ein schon älterer Mensch sich nach dem Tod des Partners schnell wieder neu an einen anderen bindet. Dies werde ich nicht wollen, aber ich sehe nun Gründe warum es mancher wünscht. Zum Beispiel, dass sich wer freut, dass man heimkommt. Bitte sagt nicht, dafür kann man auch einen Hund haben.

            Ich habe im Forum bittere Beiträge einer Tochter gelesen, die über Ärzte und Pflegepersonal klagt. Da bin ich dann wieder schrecklich froh, dass wir so viel Glück hatten. So wie es Zeiten gibt, in denen ich finde, dass wenn es schon sein musste, es in fast jeder Beziehung gut ging.

            Aber dann gibt es auch das Gegenteil. Ich frage mich warum und woran er letzten Endes gestorben ist und wollte doch keine Obduktion, war erleichtert, dass dies nicht sein musste. Habe ich etwas verabsäumt. Und so drehe ich mich im Kreis.

            Zum Schluß noch etwas skurril Witziges, Werner hätte sich darüber kaputt gelacht:
            In Österreich darf man die Urne in der Wohnung aufbewahren, es war aber recht kompliziert und langwierig sie von Hamburg hierher zu bekommen. Schließlich mußte ich ein Formular unterzeichnen, in dem ich um die “Bewilligung ansuche, die Leichenasche von W. in einer Sonderbestattungsanlage im Wohnhaus Nr…. zu bestatten” Beizulegen ist ein Foto von dem abschließbaren Schrank, der Vitrine in der die Urne ist, sowie eine Beschreibung in welchem Raum im Haus.
            Als ich das auf dem Gemeindeamt erledigte wurde ich gefragt ob die Sonderbestattungsanlage nur für W. ist. ???? Ich wurde gefragt ob auch für mich ….. und als ich meinte es fiele mir nun schwer ein Foto meiner eigenen Urne beizubringen, erntete ich nur verständnisloses Kopfschütteln.

            Liebe Grüße und macht es gut.
            Briele

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              #21
              Gedanken einer Witwe

              Gestern waren meine traurigen Nachbarinnen bei mir, der Mann und Papa ist vor ein paar Wochen gestorben. Er hatte Krebs, die Diagnose war vor einem halben Jahr, er war noch nicht 60. Die Töchter sind um die zwanzig, ich mag sie sehr. Seit sie schreiben gelernt haben, korrespondieren wir regelmäßig, ich nehme an das kommt heutzutage eher selten vor.
              Als ich Mitte Juli hier her kam, zeichnete sich das Ende schon ab. Ehrlich gesagt bin ich im ersten Moment innerlich zurück gezuckt, war mir nicht sicher ob ich ihnen beistehen kann und will. Aber sie suchten meine Nähe und meinten kein Mensch würde sie so gut verstehen wie ich. Ich weiß, was uns derzeit verbindet ist die Trauer. Wir können gemeinsam weinen, einfach nur beieinander sitzen und schweigen, brauchen nichts erklären.

              Nicht zum ersten Mal in meinem Leben mache ich die Erfahrung, dass es auch einem selbst in jeder Lebenslage etwas bringt, wenn man anderen beisteht. Von Hamburg hierher gekommen wollte ich eigentlich nur meine Wunden lecken, nun kam es anders.

              Die drei Frauen trauern, ich trauere, vieles ist ähnlich: die Selbstvorwürfe, Versäumnisse, das Entsetzen des “nie mehr wieder, nie mehr wieder”, der schmerzhafte Verlust, die Sehnsucht, die Angst, den Ton der Stimme zu verlieren. Aber ein großer Unterschied ist natürlich das Alter. Das von Werner und mir, das der drei Frauen. Bei mir fällt das Hadern weg, es gibt keinen Anlass dazu.
              Dazu kommen bei ihnen die Sorgen des Alltags.

              Warum träume ich nicht mehr? Mein ganzes Leben habe ich mich an jedem Morgen an die Träume erinnert, es waren richtige Geschichten mit einem Anfang und einem Ende. Ich habe sie nie interpretiert, wozu auch, aber sie haben mich (meistens) erfreut und es war einfach schön wenn mich meine Eltern im Traum besuchten. Seit Werners Tod, aus, Schluß,
              vorbei. Vor ein paar Tagen wache ich allerdings von einem auf, in dem es keine Bilder, sondern Geräusche und einen Gedanken gab. Ich hörte Werner würgen und dachte mir, das kann doch jetzt nicht sein. Das war alles. Vielleicht sind meine Träume ja schrecklich und es ist eine Gnade, wenn ich am Morgen nichts von ihnen weiß.

              Unlängst rief mich ein Mitbewohner des Hauses in Hamburg an und fragte, ob ich mich auf Hamburg freue. Ich sagte, es sei halb, halb. Halb freu ich mich, halb hab ich Angst, es sei ja keiner da. Da meinte er, mein Mann sei nicht da, sonst alle. Still dachte ich, wenn Werner nicht da ist…..
              Aber später kam ich mir wie eine undankbare Kröte vor. Es ist ja wahr, es sind außer Werner noch alle da und nicht nur das, sie denken an mich.

              Ich mag Sonntage nicht, hab sie nie gemocht und keine wirkliche Erklärung dafür. Jetzt setzt sich an diesen Tagen meine Trauer, meine Sehnsucht, mein Gefühl der Verlassenheit dick und fett obendrauf. Ich komme mir besonders alleine vor. So alt kann ich gar nicht werden, um diesem Kummer mit Vernunft zu begegnen.

              Nach dem Tod meiner Eltern hatte ich mir angewöhnt ganz bewusst Bilder im Kopf abzurufen z.B. Mama, wie ich ihr die Haare eindrehe, ihren Haaransatz im Nacken, der immer dunkel blieb, die Narbe an ihrer Schläfe, ihre sommersprossigen Arme, wie sie die Unterlippe einzieht wenn sie eine heikle Arbeit macht. Es ist wie ein Abrufen von Vokabeln. Vielleicht würde ich ohnehin nichts vergessen, vielleicht halte ich mit dieser Übung die Erinnerung frisch. So werde ich es bei meinem Mann auch machen.

              Es ist wie es ist.

              Dazu Erich Fried:
              ….Nicht nichts ohne dich,
              aber nicht dasselbe.
              Nicht nichts
              ohne dich,
              aber vielleicht weniger.
              Vielleicht nicht nichts ohne dich,
              Aber nicht mehr viel.

              Liebe Grüße
              Briele

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                #22
                irrtümlich zweimal abgesandt

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                  #23
                  Liebe Briele,
                  du schreibst noch besser wie Reinardo, der hat´s schon drauf, aber Du setzt noch einen zu

                  Schreib doch ein Buch über Dein Leben und Du hast eine "sinnstiftende Aufgabe" und veröffentlichen kannst Du es im i-net als e-book, cheerz

                  Einen schönen Restsonntag wünscht
                  T.P.
                  Es gab mal eine Andrea hier im Forum, deren junger Michael in Köln an heftigem PK gestorben ist, die konnte auch schreiben und wie..
                  "Komm mit mir ins Land der Psyche; etwas Besseres als den Tod findest Du allemal."
                  Gerd Unterstenhöfer

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                    #24
                    Lieber Tedham Porterhouse,

                    danke für Deinen Beitrag. Wenn es niemanden stört, dann schreibe ich lieber hier weiter. Ich bin nämlich der Meinung, daß zu viele Menschen ein Buch über ihr Leben schreiben, die es nicht so wirklich drauf haben. Und wirklich drauf habe ich es auch nicht. Trotzdem danke für das Kompliment.
                    Liebe Grüße und alles Gute
                    von der Briele

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                      #25
                      ...... und wieder ein Sonntag .....

                      Wenn ich sagen muß “mein Mann ist verstorben, oder, Werner ist tot” dann erschrecke ich nicht nur, es kommt mir irgendwie ungehörig vor, ich denke mir, so etwas sollte ich nicht sagen, das gehört sich nicht.

                      Mitte Oktober treffe ich mich mit einer von mir sehr geschätzten älteren Dame in Hamburg, da bin ich dann schon fast zwei Wochen wieder dort. Heute schrieb sie, sie hoffe, dass dann auch meine Seele angekommen sei, denn nach einer indianischen Weisheit reise diese langsamer als der Körper. Ich habe darüber nachgedacht und ihr geschrieben, dass ich eher ein Stück davon in Hamburg gelassen habe und nun hoffe, es bei meiner Wiederkehr vorzufinden.

                      Ich beschäftige mich jetzt manchmal nicht mit “letzten Dingen“, aber mit den vorletzten. Krame viel herum, verschenke, entsorge Dinge, ordne Papiere, lege Mappen an, informiere meinen Bruder.

                      Auch bei diesem Thema denke ich dann viel an Werner. Jahrelang habe ich ihn immer wieder gebeten seinen Schreibtisch durchzusehen, alles zu ordnen. Das habe ich getan wenn es ihm gut ging und auch gesagt, dass ich ihn nicht darauf ansprechen möchte wenn er schlecht beisammen ist.
                      So ungefähr eineinhalb Jahre vor seinem Tod hat er damit begonnen. Das waren oft traurige und berührende Momente. Als er die Briefe seiner verstorbenen Frau vernichtete, die Schublade in der verschiedene Todesanzeigen waren leerte, die ungute Testamentsgeschichte aufs Neue durchlas, alles Mögliche. Schließlich sahen wir gemeinsam Fotoalben durch. Fast alle Abgebildeten waren tot. Und dann legte er eben diese von mir erbetene Mappe an, in der dann ordentlich alles war was ich benötigte.

                      Nun mache ich es für meine Person.
                      Meinen Schmuck habe ich in Schächtelchen gegeben und dazu geschrieben wer ihn bekommen soll. Weil ich schon dabei war, wollte ich gleich beim Wohnungsinventar weitermachen, habe mich dann aber eingebremst Zettelchen anzubringen, denn eigentlich will ich jetzt auch nicht wie in einem Auktionshaus leben.

                      Ich habe einen Papierschredder gekauft. Nein, Werners Briefe sind heilig. In Hamburg gäbe es auch meine an ihn, ich könnte die Korrespondenz zusammenfügen. Aber ich kann mir nicht vorstellen sie zu lesen. Es gibt jedoch viele hunderte Briefe von Menschen in meinem Leben, die mir wichtig waren, wichtig sind. In den letzten Jahren denke ich immer wieder darüber nach ob ich diese Briefe nicht besser vernichte. Andere alleinstehende Menschen raten mir dazu. Bis jetzt habe ich jedoch nur alte Versicherungspapiere geschreddert.

                      Es gibt ein paar neue Fotos von mir. Traurige Augen, waidwunder Blick, nach innen gewandt, ein verletzter Zug um den Mund, eine Haltung als würde ich gleich den nächsten Schlag erwarten.

                      Wo bist du mein Liebster, siehst du mich, hörst du mich, spürst du mich?
                      Briele

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                        #26
                        ...............die Antwort ..nein.....aber der Glaube dran das es sein könne steckt in jedem von uns....
                        Gruß von mir

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                          #27
                          In den letzten Wochen misslingen mir immer wieder Dinge, dazu kommen stets neue Aufregungen, Ärgernisse, Behördendinge, die ich schon längst abgeschlossen glaubte, beginnen aufs Neue. Vermutlich war das ja immer so in meinem Leben, es ist einfach ein stetes Hin und Her, Auf und Ab. Aber nun stecke ich solche Dinge schlechter weg, irgendwie vertrage ich nichts Zusätzliches, das Leben fragt jedoch nicht danach.

                          Doch jetzt ist etwas passiert was mich wirklich trifft. Ich habe ein Dokument versehentlich gelöscht, es muß in den letzten Wochen geschehen sein, es ist das Tagebuch, das ich im letzten Jahr bis zu Werners Tod führte. Gestern, am späten Abend habe ich es bemerkt und bin dann stundenlang vor dem Laptop gesessen, habe gesucht, gesucht. Es ist wohl passiert als ich in letzter Zeit Dateien und Dokumente auf einen neuen Stick speicherte und so manches löschte.

                          Ich neige nicht dazu Geschehnisse übersinnlich zu deuten, ich versuche dann eher einen Punkt zu finden wo ein positiver (oder auch negativer) Aspekt sein könnte. Aber jetzt empfinde ich ein Gefühl von Verlust, dazu schrecklichen Ärger über meine Blödheit.

                          Im Sommer habe ich das gesamte Tagebuch einmal durchgelesen. Das Tagebuch war von August 2012 bis Mai 2013 meine Klagemauer gewesen. Meine Gedanken, Gefühle, mein Kummer, meine Sorgen, der Zustand, all dies war beschrieben. Und auch mein zeitweises Unverständnis, mein Gefühl nicht mehr zu können, ungerecht behandelt zu werden, Streitereien, meine Ängste vor der Zukunft, das manchmal auftretende Gefühl von Zorn, mein schlechtes Gewissen darüber - eben auch all dies! Als ich die Texte wieder las, war ich vor überrascht. Anscheinend hatte ich Manches bereits ausgeblendet.

                          Und nun ist alles weg. Nicht im Kopf, aber ich kann nicht mehr darauf zurückgreifen und werde mehr und mehr vergessen. Nicht nur einmal hatte ich geschrieben, es wird dir bestimmt einmal leid tun auch aufzuschreiben was nicht so lieb und gut ist (d.h. ich). Und einmal - beim Lesen vor ein paar Wochen erschien es mir nachträglich kindisch, trotzig - schrieb ich, es sei schon richtig auch aufzuschreiben was nicht gut ist, was mir schwer fällt, es könnte dann bei der Trauer vielleicht hilfreich sein.

                          Wahrscheinlich werde ich noch einige Zeit daran herumkauen. Jedoch gibt es einen ganz kleinen, noch dünnen Gedanken in mir, dass es vielleicht auch gut ist, bzw. der Verlust nicht so groß ist und diese “Klagemauer” ja nicht weiter bestehen muß, man sie ohnehin einreissen hätte können. Dieses letzte schwere Jahr ist vorbei, für ihn, für mich, da muss nicht jeder Gedanke daran aufbewahrt werden. Aber leid tut es mir trotzdem diese Erinnerungen nicht mehr zu haben.

                          Liebe Grüße
                          Briele

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                            #28
                            Erinnerungen...

                            "Gut, ich werde verdammt sein
                            Hier kommt wieder dein Geist
                            Aber das ist nicht unüblich
                            Weil Vollmond ist
                            Und du wirst anrufen
                            Und nun sitz' ich hier
                            Die Hand am Telefon
                            Höre eine Stimme von der ich weis
                            Dass sie ein paar Lichtjahre entfernt ist
                            Mir geht's immer schlechter


                            Wenn ich mich an deine Augen erinnere
                            Sie waren blauer als Rotkehlcheneier
                            Meine Poesie wäre lausig sagtest du
                            Von wo aus rufst du an?
                            Von einer Bude im mittleren Westen.
                            10 Jahre ist es nun her
                            Ich kaufte dir Manschettenknöpfe
                            Und auch du brachtest mir etwas


                            Wir beide wissen was Erinnerungen bringen können
                            Sie bringen Diamanten und Rost
                            ..."

                            Joan Baez, Diamonds and Rust
                            Who'll survive and who will die?
                            Up to Kriegsglück to decide

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                              #29
                              Zitat von Briele Beitrag anzeigen
                              Und nun ist alles weg.
                              Hallo Briele,

                              das muss nicht sein. Einfach gelöschte (z. B. mithilfe der "Entf"-Taste) Dateien finden sich im Papierkorb wieder, nur mit "Shift + Entf" sind sie dort nicht mehr zu finden. Sie sind aber immer noch auf der Festplatte vorhanden und lassen sich mit geeigneter Software auffinden und wiederherstellen, wenn der entsprechende Speicherplatz auf der FP noch nicht durch neuere Dateien überschrieben ist. Hier findest Du eine kostenlose Wiederherstellungs-Software.

                              Ralf

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                                #30
                                Liebe Briele,

                                wenn Du mit der von Ralf genannten Wiederherstellungssoftware nicht weiter kommst, dann gibt es Firmen, die sich auf die Datenrettung spezialisiert haben. Die stellen teilweise Daten von verbrannten Computern wieder her.

                                Du solltest den Computer möglicht wenig benutzen, i.S. von Dateien (auch Downloads) speichern, Lesen im Internet dürfte nicht schaden, da der Speicherort, an dem die Datei nach wie vor liegt, nur nach dem Löschen nicht mehr in der Verzeichnisliste angezeigt wird, nicht überschrieben werden sollte.

                                Mich würde es tierisch ärgern, so eine Datei zu verlieren. Überinterpretiere das aber nicht - meistens ist ein Mißgeschick kein Wink des Schicksals, sondern einfach nur ein Mißgeschick.

                                Die o.g. Spezialfirmen sind für Dein Problem wahrscheinlich eine Nummer zu groß und teuer. In jedem besseren Computerladen solltest Du einen willigen Helfer finden, der gegen kleines Geld Dein Problem löst (versehentlich gelöschte Dateien sind mit die häufigsten Fehler - passiert auch nicht nur Laien).

                                Alles Gute
                                Zuletzt geändert von Rastaman; 10.09.2013, 16:40. Grund: Ergänzung
                                Gruß, Rastaman

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