Hallo!
Die relativ verhaltene Reaktion auf meinen Bericht zur Selbstbestimmung im Alter bestärkt mich in meiner Ansicht, dass die Mehrzahl der Menschen Gedanken an das Sterben verdrängt und hilflos reagiert, wenn sie damit konfrontiert wird. Dies bedeutet keinesfalls, dass ich ausschließlich Zustimmung erwarte, wohl aber mehr konkrete Argumente pro oder contra, um eine ernsthafte Diskussion zu ermöglichen. Einige davon möchte ich nachstehend nochmals aufgreifen.
Wiederholt wird der Einwand gebracht, dass eine ärztliche Suizidbegleitung nicht Aufgabe eines Arztes sein kann. Eine überzeugende Begründung hierfür kann ich nicht erkennen.
Die Berufung auf den Hippokratischen Eid greift wohl zu kurz. Dieser wurde vor 2.500 Jahren verfasst, zu jener Zeit wurden die Menschen 30, höchstens 40 Jahre alt und litten an Krankheiten, die sie rasch dahinrafften, da sie nicht behandelbar waren. Lebensverlängernde Maßnahmen, wie Chemotherapie, künstliche Ernährung oder Beatmung kannte man ebenso wenig wie ein wirtschaftlich orientiertes Gesundheitswesen. Die Ablehnung der aktiven Sterbehilfe sowie der Abtreibung hatte in diesem Zusammenhang einen ganz anderen Stellenwert wie heute. In dem zeitgemäß modifizierten "Genfer Ärztegelöbnis" werden diese beiden Begriffe auch nicht mehr explizit erwähnt.
Dort heißt es: "Ich werde jedem Menschenleben von seinem Beginn an Ehrfurcht entgegenbringen und selbst unter Bedrohung meine ärztliche Kunst nicht in Widerspruch zu den Geboten der Menschlichkeit anwenden".
Damit sind wir beim Begriff der Menschlichkeit.
Was ist menschlicher: Einen Schwerstkranken durch weitere Chemo und Apparatemedizin gegen seinen Willen noch 6 Monate am "Leben" zu erhalten oder ihn auf seinen ausdrücklichen und bewusst formulierten Wunsch hin gehen zu lassen?
Und wir müssen die Ehrfurcht vor dem Leben näher betrachten:
Wo bleibt die Ehrfurcht vor dem Leben, wenn Hunderttausende von Menschen durch Kriege, Terror, Verfolgung, Machtstreben und Hunger - alles vom Menschen verursachte Zustände - sterben? Ist es nicht scheinheilig, wenn wir für unser eigenes Leben mehr Ehrfurcht fordern?
Zurück zum Arzt: Er wäre aus meiner Sicht der kompetenteste Akteur, um in der letzten Lebensphase den sterbewilligen Patienten zu begleiten und mit ihm gemeinsam und verantwortungsvoll den letzten Schritt zu vollziehen. Wenn ein Arzt dies aus grundsätzlichen Überlegungen ablehnt, so ist dies natürlich zu akzeptieren, aber dann sollte dies auch vorher bekannt sein.
Unverständlich ist mir, warum die Suizidbegleitung durch freiwillige Sterbehelfer vorzuziehen sein soll und weshalb man deren emotionale Belastung nicht auch dem Arzt zumuten darf.
Ein weiterer diskussionswürdiger Punkt ist die Aussage, es sei egoistisch, sich so einfach "vom Acker zu schleichen" und damit auch Versprechen aufzukündigen, die wir nahestehenden Menschen einmal gegeben haben.
Dies wäre zutreffend, wenn sich ein Mensch ohne jegliche Vorankündigung vor einen Zug werfen würde. Es gibt natürlich solche Fälle, aber dies geht völlig an dem vorbei, was ich meine.
Ich plädiere ja gerade dafür, sich frühzeitig mit der Problematik auseinanderzusetzen und selbstverständlich auch den Partner und Kinder mit einzubeziehen. Das Wissen um und das Verständnis für die Probleme des Partners ist wichtiger Bestandteil einer guten Lebensgemeinschaft, wie sie wohl nur in langen Jahren reifen kann. Sie sollte im Ernstfall auch der Belastung gewachsen sein, den Partner loszulassen, wenn das Leid nicht mehr erträglich erscheint.
Nachdenklich macht mich auch die von snoopy1958 eingebrachte berührende Geschichte vom Leiden und Sterben eines geliebten Hundes, der Bestandteil der Familie war.
Zitat: Nur ein Hund? Für mich war es ein Lebewesen, was mir unendlich viel bedeutet hat und nicht mal 2,5 Jahre alt werden durfte.
Jeder Leser wird die Entscheidung, das Tier einschläfern zu lassen, als richtig bewerten und die gut geschilderten Empfindungen der Besitzer nachempfinden können.
Die Geschichte führt mich aber zwangsläufig zur Frage:
Warum gewähren wir Tieren einen leichten Tod?
Kann es sein, dass wir ihr Leben so viel minderwertiger betrachten, dass es keiner Ehrfurcht bedarf?
Die Frage lautet wohl besser: Betrachten wir unser eigenes Leben soviel höherwertiger, dass wir solch einen elementaren Unterschied machen?
Kann ein Grund für die Ablehnung der Sterbehilfe mit darin liegen, dass der Mensch seine Bedeutung gewaltig überschätzt und sich als Herrscher auf dieser Welt betrachtet, für den andere Gesetze gelten?
(Es wäre doppelt töricht, denn in Wirklichkeit ist er auf dem besten Weg, seinen eigenen Lebensraum zu zerstören!).
Viele Fragen werden unbeantwortet bleiben; lediglich etwas mehr Bescheidenheit könnte hilfreich sind.
Die relativ verhaltene Reaktion auf meinen Bericht zur Selbstbestimmung im Alter bestärkt mich in meiner Ansicht, dass die Mehrzahl der Menschen Gedanken an das Sterben verdrängt und hilflos reagiert, wenn sie damit konfrontiert wird. Dies bedeutet keinesfalls, dass ich ausschließlich Zustimmung erwarte, wohl aber mehr konkrete Argumente pro oder contra, um eine ernsthafte Diskussion zu ermöglichen. Einige davon möchte ich nachstehend nochmals aufgreifen.
Wiederholt wird der Einwand gebracht, dass eine ärztliche Suizidbegleitung nicht Aufgabe eines Arztes sein kann. Eine überzeugende Begründung hierfür kann ich nicht erkennen.
Die Berufung auf den Hippokratischen Eid greift wohl zu kurz. Dieser wurde vor 2.500 Jahren verfasst, zu jener Zeit wurden die Menschen 30, höchstens 40 Jahre alt und litten an Krankheiten, die sie rasch dahinrafften, da sie nicht behandelbar waren. Lebensverlängernde Maßnahmen, wie Chemotherapie, künstliche Ernährung oder Beatmung kannte man ebenso wenig wie ein wirtschaftlich orientiertes Gesundheitswesen. Die Ablehnung der aktiven Sterbehilfe sowie der Abtreibung hatte in diesem Zusammenhang einen ganz anderen Stellenwert wie heute. In dem zeitgemäß modifizierten "Genfer Ärztegelöbnis" werden diese beiden Begriffe auch nicht mehr explizit erwähnt.
Dort heißt es: "Ich werde jedem Menschenleben von seinem Beginn an Ehrfurcht entgegenbringen und selbst unter Bedrohung meine ärztliche Kunst nicht in Widerspruch zu den Geboten der Menschlichkeit anwenden".
Damit sind wir beim Begriff der Menschlichkeit.
Was ist menschlicher: Einen Schwerstkranken durch weitere Chemo und Apparatemedizin gegen seinen Willen noch 6 Monate am "Leben" zu erhalten oder ihn auf seinen ausdrücklichen und bewusst formulierten Wunsch hin gehen zu lassen?
Und wir müssen die Ehrfurcht vor dem Leben näher betrachten:
Wo bleibt die Ehrfurcht vor dem Leben, wenn Hunderttausende von Menschen durch Kriege, Terror, Verfolgung, Machtstreben und Hunger - alles vom Menschen verursachte Zustände - sterben? Ist es nicht scheinheilig, wenn wir für unser eigenes Leben mehr Ehrfurcht fordern?
Zurück zum Arzt: Er wäre aus meiner Sicht der kompetenteste Akteur, um in der letzten Lebensphase den sterbewilligen Patienten zu begleiten und mit ihm gemeinsam und verantwortungsvoll den letzten Schritt zu vollziehen. Wenn ein Arzt dies aus grundsätzlichen Überlegungen ablehnt, so ist dies natürlich zu akzeptieren, aber dann sollte dies auch vorher bekannt sein.
Unverständlich ist mir, warum die Suizidbegleitung durch freiwillige Sterbehelfer vorzuziehen sein soll und weshalb man deren emotionale Belastung nicht auch dem Arzt zumuten darf.
Ein weiterer diskussionswürdiger Punkt ist die Aussage, es sei egoistisch, sich so einfach "vom Acker zu schleichen" und damit auch Versprechen aufzukündigen, die wir nahestehenden Menschen einmal gegeben haben.
Dies wäre zutreffend, wenn sich ein Mensch ohne jegliche Vorankündigung vor einen Zug werfen würde. Es gibt natürlich solche Fälle, aber dies geht völlig an dem vorbei, was ich meine.
Ich plädiere ja gerade dafür, sich frühzeitig mit der Problematik auseinanderzusetzen und selbstverständlich auch den Partner und Kinder mit einzubeziehen. Das Wissen um und das Verständnis für die Probleme des Partners ist wichtiger Bestandteil einer guten Lebensgemeinschaft, wie sie wohl nur in langen Jahren reifen kann. Sie sollte im Ernstfall auch der Belastung gewachsen sein, den Partner loszulassen, wenn das Leid nicht mehr erträglich erscheint.
Nachdenklich macht mich auch die von snoopy1958 eingebrachte berührende Geschichte vom Leiden und Sterben eines geliebten Hundes, der Bestandteil der Familie war.
Zitat: Nur ein Hund? Für mich war es ein Lebewesen, was mir unendlich viel bedeutet hat und nicht mal 2,5 Jahre alt werden durfte.
Jeder Leser wird die Entscheidung, das Tier einschläfern zu lassen, als richtig bewerten und die gut geschilderten Empfindungen der Besitzer nachempfinden können.
Die Geschichte führt mich aber zwangsläufig zur Frage:
Warum gewähren wir Tieren einen leichten Tod?
Kann es sein, dass wir ihr Leben so viel minderwertiger betrachten, dass es keiner Ehrfurcht bedarf?
Die Frage lautet wohl besser: Betrachten wir unser eigenes Leben soviel höherwertiger, dass wir solch einen elementaren Unterschied machen?
Kann ein Grund für die Ablehnung der Sterbehilfe mit darin liegen, dass der Mensch seine Bedeutung gewaltig überschätzt und sich als Herrscher auf dieser Welt betrachtet, für den andere Gesetze gelten?
(Es wäre doppelt töricht, denn in Wirklichkeit ist er auf dem besten Weg, seinen eigenen Lebensraum zu zerstören!).
Viele Fragen werden unbeantwortet bleiben; lediglich etwas mehr Bescheidenheit könnte hilfreich sind.
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