Durch mir wohl gesonnene Kollegen ist mir der DKG Jahresbericht 2014 zur "Ergebnisqualität aller Prostatakarzinomzentren" in die Hände gefallen (dankeschön), und den will ich für euch kurz zusammenfassen. Dies auch, weil sich ergänzende Informationen durch einem Bericht des “WidO“ (Ergebnisqualität aller Prostatakarzinomzentren) und einem etwas merkwürdigen Kommentar unseres BPS Chefs Günter Feick ergeben.
Zuerst mal zum DKG Jahresbericht 2014:
Oft werden Patienten, auch von uns, auf die zertifizierten Prostatakrebszentren hingewiesen, in der Hoffnung, dass man sich dort ganz besonders gut mit der Sachlage auskennt, und es hohe Fallzahlen, also viel Erfahrung, gibt. Ist dies tatsächlich so, oder wird dieses Prüfsiegel nur als Marketing Argument missbraucht? Am 31. Dezember 2012 waren 92 Zentren DKG zertifiziert. In diesen 92 Zentren werden aber nur 31,4% aller Prostatakarzinomprimärfälle in Deutschland behandelt. Die meisten Fälle waren lokal begrenzte Stadien, lediglich 8% waren lokal fortgeschritten, und weitere 5% fortgeschritten bzw. metastasiert. Eigentlich eine erfreulich kleine Zahl von primär nicht mehr heilbaren Erkrankungen, auch dank dem, aktuell etwas in Verruf geratenen, PSA-Test – aber das ist hier nicht das Thema. Die radikale Prostatektomie (RPE) dominiert die Primärtherapie bei den lokalen Stadien, gefolgt von der Strahlentherapie. Die Anzahl der Patienten, die eine Active Surveillance (AS) erhalten haben, ist 2012 gegenüber 2010 angestiegen von median 2,5% auf 12,1% - was meiner Meinung nach immer noch nur einen Teil der für AS qualifizierten Männer betrifft.
Besonders auffällig ist der Rückgang der durchgeführten primären Strahlentherapien, einschließlich begleitender ADT bei hohem Risikoprofil. “ Hier fällt ein Rückgang von 88,1% 2010 und 85,7% 2011 auf 27,3% 2012 auf,…“ und weiter “ Erwähnenswert ist hierbei, dass zwischen 2010 und 2012 im Minimum zwischen 0 und 1,6% der Patienten strahlentherapeutisch behandelt wurden, d. h., dass in manchen Zentren offensichtlich so gut wie keine Expertise mit der definitiven Strahlentherapie vorhanden ist…“ Ich frage mich nun, ob es denn dem Anspruch eines Prostatakrebszentrums genügt, wenn man sowieso nur die RPE, oder eventuell noch AS anbieten kann, oder will? Das ist sicher auch ein Problem der geringen Fallzahlen, die vom DKG schon niedrig angesetzt wurden. Es wird lediglich gefordert, dass >100 Patienten pro Jahr behandelt werden, der Mittelwert liegt bei 159 Patienten im Jahr. Nimmt man mal die 6 größten Kliniken raus, dann erkennt man schon, dass alle anderen Häuser doch sehr aktiv um Patienten kämpfen müssen, um auf über 100 pro Jahr, und 50 RPEs pro Jahr zu kommen. Ob man da noch von viel Erfahrung mit der Krankheit ausgehen kann?
Wünschenswert, und auch so vermittelt, ist eine Tumorkonferenz, wo sich Fachleute aller Gebiete (Urologen, Strahlentherapeuten, internistischen Onkologen und Pathologen) zusammensetzen, und die beste individuelle Therapie erarbeiten. Ich finde, dass dies doch eigentlich die primäre Überlegung eines betroffenen Mannes ist, wenn er sich in ein Prostatakarzinomzentrum begibt. Dies wird eigentlich auch gut erreicht, wobei die Teilnahme von Strahlentherapeuten nicht immer gesichert ist.
Ergebnisqualität:
Ist das Thema, was für uns Betroffene doch absolut im Fokus stehen sollte, und nicht, ob der Nachtisch schmackhaft und das Fernsehprogramm erträglich war! Leider wird das nach wie vor sehr stiefmütterlich behandelt, so finden sind im Jahresbericht 2014 der DKG lediglich 5 Seiten, die sich mit der Ergebnisqualität beschäftigen. Dabei geht es erstmal nur um die operativen Komplikationen wie “Revisionsoperationen (Nachblutung, Darmverletzung, endoskopische Behandlung von Anastomosenstrikturen, Lymphozelendrainage bei drohender Thrombose, Harnleiterverletzung etc.)…“. Die genannten Zahlen sind soweit nicht ungewöhnlich, wenn auch verbesserungsfähig. Auch wird die Wundinfektionsrate, die kleiner als 5% sein sollte, eigentlich überall eingehalten.
Was aber ist nun mit den uns interessierenden Ergebnissen wie Inkontinenz, Impotenz und Rezidivfreiheit, oder sogar dem Gesamtüberleben??? Diese Daten werden möglicherweise erhoben, aber nicht veröffentlicht, was rein rechtlich die Erhebung in Frage stellen müsste!
Schade, jetzt wissen wir immer noch nicht, ob die 30% Patienten, die in zertifizierten Prostatakarzinomzentren behandelt wurden wirklich einen Vorteil daraus generieren konnten!
Der AOK Bericht:
Einen anderen, rein auf die Sachverhalte gerichteten Bericht stellt das Wissenschaftliche Institut der AOK vor. Hier geht es nicht primär um Zertifizierung, sondern um die reale Welt, so wie sie ist.
Interessant ist beispielsweise, dass etwa 1/3 aller operierten Patienten innerhalb eines Jahres wieder in eine Klinik aufgenommen werden müssen, leider ohne Nennung von Gründen.
Weiterhin fallen die “Nebendiagnosen“ auf, die durch die Erkrankung erst erfasst werden. Hier wird das ganze Elend alter Männer offensichtlich, die ihre Lebensqualität ein Stück weit in Bier und Schnitzel definieren:
Hypertonie 47%
Nicht insulinabhängige Diabetes 12%
Störung des Lipidstoffwechsels 10%
Störung des Elektrolythaushaltes 9%
Chronische Herzkrankheiten 9%
Adipositas 8%
Betrachtet wurde noch die Gesamtkomplikationsrate, die zwischen den vom AOK Bericht erfassten Kliniken unterschiedlich ist. Hier wäre schön zu wissen, welche Kliniken denn hohe bzw. geringe Komplikationsraten aufweisen.
Zu dem AOK Bericht hat unser lieber Günter Feick einen Kommentar verfasst:
Das verwundert mich denn doch, kritisiert der DKG Jahresbericht doch gerade, dass diese Daten nicht veröffentlicht wurden (siehe oben), also eventuell gar nicht erhoben wurden?! Günter, wenn du mehr weißt, dann lass uns bitte an diesem Wissen teilhaben!
Selbst wenn wir diese Daten hätten, könnten wir nicht mit Bestimmtheit sagen, ob nun die zertifizierten Prostatakrebszentren besser wären, als die Kliniken im Outback, oder spezielle Prostatakrebskliniken.
In den USA, wo man mit privaten Daten freizügiger umgeht, was wiederum andere Probleme schafft, wurde dies mal untersucht, ich hatte berichtet…
Zuerst mal zum DKG Jahresbericht 2014:
Oft werden Patienten, auch von uns, auf die zertifizierten Prostatakrebszentren hingewiesen, in der Hoffnung, dass man sich dort ganz besonders gut mit der Sachlage auskennt, und es hohe Fallzahlen, also viel Erfahrung, gibt. Ist dies tatsächlich so, oder wird dieses Prüfsiegel nur als Marketing Argument missbraucht? Am 31. Dezember 2012 waren 92 Zentren DKG zertifiziert. In diesen 92 Zentren werden aber nur 31,4% aller Prostatakarzinomprimärfälle in Deutschland behandelt. Die meisten Fälle waren lokal begrenzte Stadien, lediglich 8% waren lokal fortgeschritten, und weitere 5% fortgeschritten bzw. metastasiert. Eigentlich eine erfreulich kleine Zahl von primär nicht mehr heilbaren Erkrankungen, auch dank dem, aktuell etwas in Verruf geratenen, PSA-Test – aber das ist hier nicht das Thema. Die radikale Prostatektomie (RPE) dominiert die Primärtherapie bei den lokalen Stadien, gefolgt von der Strahlentherapie. Die Anzahl der Patienten, die eine Active Surveillance (AS) erhalten haben, ist 2012 gegenüber 2010 angestiegen von median 2,5% auf 12,1% - was meiner Meinung nach immer noch nur einen Teil der für AS qualifizierten Männer betrifft.
Besonders auffällig ist der Rückgang der durchgeführten primären Strahlentherapien, einschließlich begleitender ADT bei hohem Risikoprofil. “ Hier fällt ein Rückgang von 88,1% 2010 und 85,7% 2011 auf 27,3% 2012 auf,…“ und weiter “ Erwähnenswert ist hierbei, dass zwischen 2010 und 2012 im Minimum zwischen 0 und 1,6% der Patienten strahlentherapeutisch behandelt wurden, d. h., dass in manchen Zentren offensichtlich so gut wie keine Expertise mit der definitiven Strahlentherapie vorhanden ist…“ Ich frage mich nun, ob es denn dem Anspruch eines Prostatakrebszentrums genügt, wenn man sowieso nur die RPE, oder eventuell noch AS anbieten kann, oder will? Das ist sicher auch ein Problem der geringen Fallzahlen, die vom DKG schon niedrig angesetzt wurden. Es wird lediglich gefordert, dass >100 Patienten pro Jahr behandelt werden, der Mittelwert liegt bei 159 Patienten im Jahr. Nimmt man mal die 6 größten Kliniken raus, dann erkennt man schon, dass alle anderen Häuser doch sehr aktiv um Patienten kämpfen müssen, um auf über 100 pro Jahr, und 50 RPEs pro Jahr zu kommen. Ob man da noch von viel Erfahrung mit der Krankheit ausgehen kann?
Wünschenswert, und auch so vermittelt, ist eine Tumorkonferenz, wo sich Fachleute aller Gebiete (Urologen, Strahlentherapeuten, internistischen Onkologen und Pathologen) zusammensetzen, und die beste individuelle Therapie erarbeiten. Ich finde, dass dies doch eigentlich die primäre Überlegung eines betroffenen Mannes ist, wenn er sich in ein Prostatakarzinomzentrum begibt. Dies wird eigentlich auch gut erreicht, wobei die Teilnahme von Strahlentherapeuten nicht immer gesichert ist.
Ergebnisqualität:
Ist das Thema, was für uns Betroffene doch absolut im Fokus stehen sollte, und nicht, ob der Nachtisch schmackhaft und das Fernsehprogramm erträglich war! Leider wird das nach wie vor sehr stiefmütterlich behandelt, so finden sind im Jahresbericht 2014 der DKG lediglich 5 Seiten, die sich mit der Ergebnisqualität beschäftigen. Dabei geht es erstmal nur um die operativen Komplikationen wie “Revisionsoperationen (Nachblutung, Darmverletzung, endoskopische Behandlung von Anastomosenstrikturen, Lymphozelendrainage bei drohender Thrombose, Harnleiterverletzung etc.)…“. Die genannten Zahlen sind soweit nicht ungewöhnlich, wenn auch verbesserungsfähig. Auch wird die Wundinfektionsrate, die kleiner als 5% sein sollte, eigentlich überall eingehalten.
Was aber ist nun mit den uns interessierenden Ergebnissen wie Inkontinenz, Impotenz und Rezidivfreiheit, oder sogar dem Gesamtüberleben??? Diese Daten werden möglicherweise erhoben, aber nicht veröffentlicht, was rein rechtlich die Erhebung in Frage stellen müsste!
Bedauernswert ist, dass nach mittlerweile 8 Jahren Zertifizierung von Prostatakarzinomzentren nach wie vor keine Daten zu Kontinenz und Potenz nach RPE, Strahlentherapie oder Brachytherapie vorhanden sind…
Angesichts des nicht unerheblichen Kostenfaktors einer Zertifizierung mit regelmäßigen Rezertifizierungen und Überwachungsaudits wäre es wünschenswert, wenn von der DKG bzw. OnkoZert Module zur Verfügung gestellt würden, die eine bessere Auswertung von onkologischen Ergebnissen (PSA-Rezidiv) sowie von Kontinenz- und Potenzdaten ermöglichen.
Angesichts des nicht unerheblichen Kostenfaktors einer Zertifizierung mit regelmäßigen Rezertifizierungen und Überwachungsaudits wäre es wünschenswert, wenn von der DKG bzw. OnkoZert Module zur Verfügung gestellt würden, die eine bessere Auswertung von onkologischen Ergebnissen (PSA-Rezidiv) sowie von Kontinenz- und Potenzdaten ermöglichen.
Der AOK Bericht:
Einen anderen, rein auf die Sachverhalte gerichteten Bericht stellt das Wissenschaftliche Institut der AOK vor. Hier geht es nicht primär um Zertifizierung, sondern um die reale Welt, so wie sie ist.
Interessant ist beispielsweise, dass etwa 1/3 aller operierten Patienten innerhalb eines Jahres wieder in eine Klinik aufgenommen werden müssen, leider ohne Nennung von Gründen.
Weiterhin fallen die “Nebendiagnosen“ auf, die durch die Erkrankung erst erfasst werden. Hier wird das ganze Elend alter Männer offensichtlich, die ihre Lebensqualität ein Stück weit in Bier und Schnitzel definieren:
Hypertonie 47%
Nicht insulinabhängige Diabetes 12%
Störung des Lipidstoffwechsels 10%
Störung des Elektrolythaushaltes 9%
Chronische Herzkrankheiten 9%
Adipositas 8%
Betrachtet wurde noch die Gesamtkomplikationsrate, die zwischen den vom AOK Bericht erfassten Kliniken unterschiedlich ist. Hier wäre schön zu wissen, welche Kliniken denn hohe bzw. geringe Komplikationsraten aufweisen.
Zu dem AOK Bericht hat unser lieber Günter Feick einen Kommentar verfasst:
…“Es wäre irreführend, sich allein auf die AOK-erhobenen Daten für einen Qualitätsvergleich der Prostatakrebs operierenden Kliniken zu verlassen. Vielmehr sind patientenrelevante Endpunkte, wie tumorfreies Überleben, Gesamtüberleben, Inkontinenz, Impotenz und Lebensqualität zu messen und zu vergleichen“, so Günter Feick, Vorsitzender des BPS, am Freitag in Bonn. Hierfür hat das International Consortium for Health Outcomes Measurement (ICHOM) unter Beteiligung des BPS Qualitätsindikatoren definiert, die auch in den Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) zertifizierten Prostatakrebszentren obligatorisch gemessen werden…
Selbst wenn wir diese Daten hätten, könnten wir nicht mit Bestimmtheit sagen, ob nun die zertifizierten Prostatakrebszentren besser wären, als die Kliniken im Outback, oder spezielle Prostatakrebskliniken.
In den USA, wo man mit privaten Daten freizügiger umgeht, was wiederum andere Probleme schafft, wurde dies mal untersucht, ich hatte berichtet…
Kommentar