Heute Abend bin ich nach einem netten Beisammensein mit einer Freundin recht guter Dinge mit dem Bus heimgefahren. Ich dachte über unsere Gespräche nach und plötzlich fiel mein Blick auf eine Männerhand, die sich am Haltegriff vor meinem Sitz festhielt. Der Daumen mit Nagel löste im Bruchteil einer Sekunde das Bild von Werners Daumen aus, verwandelte sich in seinen. Am liebsten hätte ich mein Gesicht, oder wenigstens meine Hand auf die fremde Männerhand gelegt. Als ich hochblickte sah ich einen Menschen der nicht die geringste Ähnlichkeit mit meinem Mann hatte und plötzlich sah die Hand auch aus was sie war, nämlich total fremd.
Diese kleine Sache hat mich wieder aufgewühlt und weil es meistens so banale Dinge sind auf die man sich in keinster Weise vorbereiten kann, fühlt man sich ungeschützt, ausgeliefert. Es haut mich innerlich um, gibt mir das Gefühl komplett zurückgeworfen zu sein. Kleine Erlebnisse dieser Art lösen sofort automatisch eine Kaskade anderer Trauergefühle aus: wilde Sehnsucht, das Gefühl von Verlassenheit, Verzweiflung und nach wie vor ganz viel Selbstmitleid. Dieses gipfelte heute sogar in den Gedanken, dass ich ja nicht nur eine Witwe bin, ich bin auch ein armes altes Waisenkind! Aber da mußte ich dann doch ein wenig über mich lächeln.
Seit einer Woche beschäftige ich mich mit Werners Bibliothek, es ist ja praktisch jeder Raum der Wohnung eine solche. Im Schätzen bin ich wohl nicht gut, erst dachte ich an 2000 Bücher, dann an 3000 und mittlerweile ist mir klar dass diese Zahlenannahmen lächerlich niedrig angesetzt sind.
Ich finde es ein unglaubliches Vorgehen seine Bibliothek praktisch auseinander zu reissen, es ist brutal, ich habe das Gefühl etwas Unrechtes zu tun. Am liebsten würde ich 1:1 alles ins Bergdorf transportieren, hinbekamen, inklusive der Bücherwände. Es geht nicht, es ist unsinnig, was ich jetzt mache, muß einfach sein. Wat mut dat mut.
Nun nehme ich jedes Buch in die Hand und frage mich ob ich es je werde lesen wollen, das allein ist ja schon eine traurige Auslese. Bei mir sieht es jetzt unglaublich aus. Überall stapeln sich am Boden Bücher: jene die ich will, jene, an denen Werner sehr hing, andere die ich versuchen werde zu verkaufen, schließlich Stapel von Büchern die Freunde mögen werden und einige hunderte habe ich bereits mit meinem Einkaufstrolly zur nahen Kirche für den Weihnachtsbasar gekarrt. Ich weiß, dies ist der erste Durchgang, der zweite folgt wenn ich diese Wohnung dann wirklich auflöse. An diesem Wochenende habe ich frei.
Er hat seine Bücher mit soviel Liebe, Verstand und Umsicht geordnet, das wusste ich immer. Aber wenn ich es jetzt so geballt sehe, dann rührt mich das an und ich finde mein Tun verwerflich.
Es gibt auch Situationen, da stehe ich kopfschüttelnd da: wenn ich in einem Buch die astronomische Rechnung des Antiquariats sehe, wenn es eine Gesamtausgabe gleich zweimal gibt, halt in verschiedenen Ausgaben. Aber dann denke ich, es war sein Geld, seine Entscheidung, er hatte Freude damit, es war ihm wichtig. Ich kenne eine Frau, die nach lebenslanger Ehe Rechnungen von Schmuckstücken fand, die sie nie erhalten hatte. Also da sind mir dann meine Funde schon lieber.
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@W.Rellok
Lieber Winfried,
Danke für Deine freundlichen Worte. Ich habe ja nicht den Eindruck eine beachtliche Entwicklung gemacht zu haben, es haut mich immer wieder gewaltig hin und her und auch zurück. Aber das Schreiben hier tut mir gut, auch eine Ecke für mich außerhalb der Wohnung zu haben in der ich mich wohl gelitten fühle, eine Art Zufluchtsort.
Google sagt mir nicht was “Irxenschmalz” genau bedeutet, bitte sag du es mir!.
Liebe Grüße Briele
Diese kleine Sache hat mich wieder aufgewühlt und weil es meistens so banale Dinge sind auf die man sich in keinster Weise vorbereiten kann, fühlt man sich ungeschützt, ausgeliefert. Es haut mich innerlich um, gibt mir das Gefühl komplett zurückgeworfen zu sein. Kleine Erlebnisse dieser Art lösen sofort automatisch eine Kaskade anderer Trauergefühle aus: wilde Sehnsucht, das Gefühl von Verlassenheit, Verzweiflung und nach wie vor ganz viel Selbstmitleid. Dieses gipfelte heute sogar in den Gedanken, dass ich ja nicht nur eine Witwe bin, ich bin auch ein armes altes Waisenkind! Aber da mußte ich dann doch ein wenig über mich lächeln.
Seit einer Woche beschäftige ich mich mit Werners Bibliothek, es ist ja praktisch jeder Raum der Wohnung eine solche. Im Schätzen bin ich wohl nicht gut, erst dachte ich an 2000 Bücher, dann an 3000 und mittlerweile ist mir klar dass diese Zahlenannahmen lächerlich niedrig angesetzt sind.
Ich finde es ein unglaubliches Vorgehen seine Bibliothek praktisch auseinander zu reissen, es ist brutal, ich habe das Gefühl etwas Unrechtes zu tun. Am liebsten würde ich 1:1 alles ins Bergdorf transportieren, hinbekamen, inklusive der Bücherwände. Es geht nicht, es ist unsinnig, was ich jetzt mache, muß einfach sein. Wat mut dat mut.
Nun nehme ich jedes Buch in die Hand und frage mich ob ich es je werde lesen wollen, das allein ist ja schon eine traurige Auslese. Bei mir sieht es jetzt unglaublich aus. Überall stapeln sich am Boden Bücher: jene die ich will, jene, an denen Werner sehr hing, andere die ich versuchen werde zu verkaufen, schließlich Stapel von Büchern die Freunde mögen werden und einige hunderte habe ich bereits mit meinem Einkaufstrolly zur nahen Kirche für den Weihnachtsbasar gekarrt. Ich weiß, dies ist der erste Durchgang, der zweite folgt wenn ich diese Wohnung dann wirklich auflöse. An diesem Wochenende habe ich frei.
Er hat seine Bücher mit soviel Liebe, Verstand und Umsicht geordnet, das wusste ich immer. Aber wenn ich es jetzt so geballt sehe, dann rührt mich das an und ich finde mein Tun verwerflich.
Es gibt auch Situationen, da stehe ich kopfschüttelnd da: wenn ich in einem Buch die astronomische Rechnung des Antiquariats sehe, wenn es eine Gesamtausgabe gleich zweimal gibt, halt in verschiedenen Ausgaben. Aber dann denke ich, es war sein Geld, seine Entscheidung, er hatte Freude damit, es war ihm wichtig. Ich kenne eine Frau, die nach lebenslanger Ehe Rechnungen von Schmuckstücken fand, die sie nie erhalten hatte. Also da sind mir dann meine Funde schon lieber.
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@W.Rellok
Lieber Winfried,
Danke für Deine freundlichen Worte. Ich habe ja nicht den Eindruck eine beachtliche Entwicklung gemacht zu haben, es haut mich immer wieder gewaltig hin und her und auch zurück. Aber das Schreiben hier tut mir gut, auch eine Ecke für mich außerhalb der Wohnung zu haben in der ich mich wohl gelitten fühle, eine Art Zufluchtsort.
Google sagt mir nicht was “Irxenschmalz” genau bedeutet, bitte sag du es mir!.
Liebe Grüße Briele
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