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    #76
    The Inner Light (The Beatles - George Harrison)

    Ohne aus meiner Tür zu gehen
    Kann ich alle Dinge auf Erden wissen.
    Ohne aus meinem Fenster zu sehen
    Kann ich die Wege des Himmels kennen.

    Je weiter man reist, umso weniger weiß man
    Umso weniger weiß man in Wirklichkeit.

    Ohne aus deiner Tür zu treten
    Kannst du alle Dinge auf Erden wissen.
    Ohne aus deinem Fenster zu sehen
    Kannst du die Wege des Himmels kennen.

    Je weiter man reist, umso weniger weiß man
    Umso weniger weiß man in Wirklichkeit.

    Komme an ohne zu reisen
    Sehe alles ohne zu schauen
    Tue alles ohne zu tun
    Liebe alles ohne zu TRAUERN.

    [George Harrison, The Inner Light, Past Masters Vol.2, Nr 6 ~ Single "Lady Madonna/The Inner Light 1968]
    Song writen by George Harrison in 1968. Beatiful live version. Anoushka Shankar: sitar / Jeff Lynne: lead vocal, acoustic guitar / Rajendara Prasanna: shahna...

    (c)1968 Words & Music George HarrisonTrack 6 on album "Past Masters Vol. 2"Arr. stagwolf~~~~~~~~~Without going out of my door I can know all things on earthW...




    Einen beschaulichen 2. Advent allerseits,
    Gruss,
    WJ

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      #77
      @ Orixa!
      Lieber Thomas,

      Ich bedanke mich spät für Deinen Brief an mich, aber umso herzlicher. Es hat mir nicht an Zeit gefehlt, nein gefehlt hat es an nichts, aber was Du schriebst hat mich auf eine gute Art sehr nachdenklich gemacht. Und klänge es nicht überheblich, so möchte ich fast sagen, vielleicht kann ich an einem Punkt durch Deine Anregung mich sogar in eine bessere Richtung hin bewegen.

      Es geht um das Bewusstsein, dass wir Menschen alle ein “WIR” sind. Also da hapert es bei mir, schnell will ich von jemanden nichts mehr wissen, bzw. gleich von Anfang an gar nicht. Und doch habe ich von jeher so ein Grundgefühl in mir, wie soll ich es nennen - so eine Art schwesterlicher Verbundenheit - mit anderen. Aber wirklich empfinden, bzw. zulassen tu ich das Gefühl meistens nur wenn es mir passt, d.h. wenn mir das Gegenüber genehm ist.

      Vor ein paar Tagen hatte ich eine unerwartete Begegnung mit einem betrunkenen Obdachlosen. Es war am frühen Abend im Vorraum einer Bank, ich wollte mir gerade die Kontoauszüge ausdrucken. Er hat mich nicht bedroht, er war rüde, er hat mich erschreckt. Er legte sich sofort auf den Boden, ich habe mit harter Stimme meine Empörung ausgedrückt.
      Dann bin ich nicht sofort abgerauscht, sondern noch einen Moment an der Tür gestanden. Er hob den Kopf, öffnete ein Auge und grunzte …. Wollt’ dich nicht erschrecken….. Und ich sagte…. iss ja gut…. und ging.

      Draußen habe ich gleich an meinen lieben Werner gedacht. Wie wäre es verlaufen wenn er dabei gewesen wäre? Erst hätte er vermutlich auch empört, eher erschrocken reagiert, doch als der Mann am Boden war hätte er ihm einen Geldschein zugesteckt. Ich hätte, wegen der Höhe des aufgedruckten Betrages gesagt, also das ist jetzt übertrieben und er hätte geantwortet, ich könnte doch der sein, der da liegt, ist doch nur ein Zufall dass es anders ist.

      So war er nämlich. Und ich sollte nicht nur Gulasch kochen weil er es gerne mochte, mir ein Buch kaufen, das er gelesen hätte, all dies ist nicht wirklich wichtig. Ich sollte versuchen seine guten Eigenschaften lebendig zu halten.

      Denn genau dies habe ich auch nach dem Tod meiner Eltern getan. Meine Mama konnte sich so absolut dem Menschen zuwenden, ihre volle Aufmerksamkeit schenken, mit dem sie gerade zu tun hatte. Genauso aufmerksam war sie bei jeder Tätigkeit, wenn sie einen Brief schrieb hatte sie gutes Papier, nahm die Füllfeder, hatte eine schöne Briefmarke und so war es beim Kuchen backen, wobei auch immer.
      Papa war in allem verlässlich, versuchte alles zu bedenken, in wichtigen Dingen hatte er eine unglaubliche Ordnung. Ach, die beiden sind mir in so vielen Dingen keine strengen, aber liebe Vorbilder.

      Wenn ich darüber nachdenke hat es jedoch auch einige Zeit gedauert bis ich mir vornahm ihren guten Eigenschaften Leben zu geben. Und nun, lieber Thomas, kann ich es durch Deine Worte bei und für meinen Werner ganz bewusst vielleicht eher tun. Danke!

      Rituale sind für mich einmal mehr, einmal weniger wichtig. Doch manche sind ein Fixpunkt. Sie tun mir gut, sie verbinden mich, sie geben mir Halt.

      Es ist für mich, für jeden Trauernden wichtig, was Du im letzten Absatz schreibst: in Verbindung bleiben, ins Hier und Jetzt zurückkommen.
      Dazu passt ein Textauszug, den ich eben gelesen habe:

      …….. Weihnachten soll uns darum, wie jedes Fest, nicht bloß eine Rückschau, sondern ein inneres Aufraffen und Zusammenfassen allen guten Willens in uns sein. Denn denen, “die eines guten Willens sind” gilt die Verheißung.
      Eines guten Willens sind wir nicht, wenn wir nur um Verlorenes trauern, uns nur des Unwiederbringlichen erinnern. Wir sind es nur, wenn wir des Besten, Lebendigsten in uns selber bewusst werden und der Stimme dieses Bewusstseins folgen. Wer daran ernstlich denkt, wer in sich das Gelöbnis erneuert, seinem Besten treu zu bleiben, der ist in der rechten Stimmung, das Fest zu feiern……..
      (Hermann Hesse - zu Weihnachten 1917)


      Alles Liebe und Gute für Dich, für jeden der heute hier liest und allen einen schönen dritten Adventsonntag.

      Briele

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        #78
        @Wolfjanz

        ich habe "the inner light" nicht gekannt und den song nun bereits einige Male gerne gehört. Vielen Dank für die Links, auch daß Du den Text reingestellt hast.
        Liebe Grüße und alles Gute
        Briele

        Kommentar


          #79
          Liebe Briele,

          nach wie vor liest die Forumsgemeinde gern Deine von Herzen kommenden Zwischenberichte. Zum dritten Advent stelle ich für Dich eine sicher auch Dir bekannte, aber in einem anderen Gewande zu sehende Variante von den "Die vier Kerzen" hier ein.

          "Nur im ruhigen Teich spiegelt sich das Licht der Sterne"
          (Chinesisches Sprichwort)

          Gruß Harald

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            #80
            Darf auch ich hier DANKE sagen lieber Harald für die von Dir eingestellten : 4 Kerzen-Version.....
            Daß mir der Hund das Größte sei , sagst Du als Mensch sei Sünde.
            Der Hund ist mir im Sturme treu - der Mensch nicht mal im Winde.

            Kommentar


              #81
              Zitat von Harald_1933 Beitrag anzeigen
              Liebe Briele,

              nach wie vor liest die Forumsgemeinde gern Deine von Herzen kommenden Zwischenberichte. Zum dritten Advent stelle ich für Dich eine sicher auch Dir bekannte, aber in einem anderen Gewande zu sehende Variante von den "Die vier Kerzen" hier ein.

              "Nur im ruhigen Teich spiegelt sich das Licht der Sterne"
              (Chinesisches Sprichwort)

              Gruß Harald
              Hallo Harald, ich nehme mal an, Du bist der gewählte Sprecher der Forumsgemeinde. Falls nicht, teilt Dir die Forumsgemeinde wenigstens regelmäßig mit, was sie gerne liest?
              Du hast mich zwar nicht gefragt, sprichst aber offenbar auch in meinem Namen.
              In der Sache kann ich auch nicht widersprechen: tatsächlich lese ich gerne und mit Gewinn Brieles Beiträge. Aber das würde ich lieber selbst kundtun. Und Du sprichst dann für Dich...

              Trotzdem viele Grüße von Giorgios (aber nicht von der ganzen Forumsgmeinde)

              Kommentar


                #82
                Lieber Harald_1933
                Danke für den Link zu den vier Kerzen. Da man im Leben ja nie alles bekommt, habe ich mich für eine entschieden die ich mir am meisten wünsche.
                Das Lesen des Links war eine kleine Übung in Geduld, ich habe bemerkt, dass ich schnell hibbelig werde wenn etwas recht langsam geht. Zugleich beklage ich öfter, dass heutzutage alles so rasend schnell sein muß.

                Ich freue mich natürlich wenn jemand meine Beiträge gerne liest, so wie ich mich über Rückmeldungen freue, aber, lieber Harald, ich dachte mir beim Lesen Deiner Zeilen gleich - hm - das kann er doch so nicht sagen, er kann doch nicht für andere sprechen.

                Liebe Grüße Briele
                __________________________________________________ ____

                Lieber Giorgios,
                Danke für Deinen Beitrag. Es ist in der Tat so, dass mir natürlich nur die persönliche Reaktion des Einzelnen etwas bedeutet. Umgekehrt würde ich ja auch nicht meinen, dass die gesamte Forumsgemeinde meinen thread als überflüssig empfindet, schriebe mir einer dass er so empfindet.

                Liebe Grüße Briele

                Kommentar


                  #83
                  Als ich unlängst bei einer Einladung über meine Beschäftigung mit Werners Büchern erzählte meinte eine Frau, eine Witwe, ich solle unbedingt alle Bücher durchblättern bevor ich sie weggebe. Sie fände nämlich nach wie vor in Büchern 50 und 100 Markscheine und wisse nicht ob ihr Mann diese für sie hinterlegt, oder sie als Lesezeichen verwendet hat.

                  Nun, das brauche ich nicht zu befürchten, bzw. zu erhoffen. Was ich aber manchmal finde, das ist ein Brief von mir. Es ist seltsam mit dem Lesen alter Briefe. Bei jenen, die an mich gerichtet sind, habe ich das Gefühl sie erst gestern gelesen zu haben, an die von mir geschriebenen habe ich kaum eine Erinnerung, empfinde sie fast fremd.
                  Gestern fand ich einen, den ich Werner in der Weihnachtszeit geschrieben hatte, da haben wir uns zwei Jahre gekannt. Ich schreibe über meine Gedanken zu Weihnachten und dass ich es nun ja fast bedaure mich so weit davon entfernt zu haben, da es für ihn anscheinend wichtig ist.

                  Mein Mann und ich haben die letzten 14 Weihnachten gemeinsam verbracht, auch die Adventszeit und ich hatte nicht den Eindruck, dass dabei für ihn ein Mangel und für mich ungewünschtes Übermaß war. Da passte alles. Ohne es näher aufzuzählen war es rundum gelungen. Ich weiß nun nicht warum ich meinte für ihn sei Weihnachten besondern wichtig, genauso wenig ist mir klar warum ich es für mich klein dachte. Es stimmt nicht immer alles was man von anderen, von sich selbst denkt. Übrigens sagte er einige Male nur ein Mann könne ein echter, ein wahrer Romantiker sein.

                  Anderes Thema.
                  Ich habe hier schon geschrieben wie leid es mir tut, dass ich nicht mehr träume, mich nicht an meine Träume erinnere. Weil ich mein ganzes Leben lang gewohnt bin richtige Geschichten zu träumen und ich davon ausgegangen bin, dass mich nun neben meinen Eltern auch mein Mann im Traum besuchen. Sechs Monate war nichts, in den letzten Wochen hatte ich am Morgen manchmal eher ein Gefühl, nicht mehr als ein glimpse.

                  Jetzt habe ich nach mehr als sechs Monaten das erste Mal eine Geschichte geträumt. Es gibt ja kaum etwas Langweiligeres als Träume erzählt zu bekommen, seht es mir bitte nach wenn ich diesen nun doch aufschreibe:

                  Ich war an einem Flughafen angekommen, sollte einen Bus erreichen und riskierte ihn zu versäumen weil ich unbedingt noch etwas Süßes kaufen mußte. Den Bus sah ich durch das Fenster und der Fahrer gab mir durch Handzeichen zu verstehen - gemach, gemach.
                  Als ich den Bus bestieg war ich erstaunt, dass im Inneren die Sitzreihen nicht hintereinander waren, sondern in ein paar Reihen die ganze Längsseite des Busses mit Fauteuils und Sofas ausgestattet war. In der ersten Reihe saßen ca. 15 Leute, auch ein paar Frauen und mein Mann führte das große Wort.
                  Wir sahen einander an, erfreut, so wie es ja immer war, wenn wir einander zufällig in der Stadt oder in einem Bus trafen. Aber nicht so grenzenlos erleichtert und überrascht wie man jetzt denken könnte. Ich war völlig baff dass er soviel redete, das tat er nie. Zum Teil hörte es sich so an wie LowRoad hier schreibt, also fachlich einsA. Aber er sprach auch über sehr Persönliches, über alle Tiefen die diese Erkrankung mit sich bringen kann und er nahm sich kein Blatt vor dem Mund. Es war mir unangenehm und ich sagte zu ihm, bezahlst du bitte mein ticket, ich setze mich weiter nach hinten.

                  Er nahm meine Hand zog mich auf den Platz neben sich und sagte: “bleib doch hier, warum willst du nach hinten, (und mit einer Handbewegung in die Runde) hier sind doch deine Leute, das hier ist das Forum, du mußt bei uns bleiben.

                  Und sprach weiter. Ich blickte in die Runde und dachte, das ist ja ein Ding, nun weiß jeder wer ich bin und ich von keinem wer er ist. Eine Frau lächelte mir zu. Sie hatte die Arme verschränkt, bewegte den Zeigefinger mehrmals so heimlich in Richtung des Mannes, der neben ihr saß. Zugleich formte sie tonlos mit den Lippen den Namen des Mannes und als sie merkte, dass ich den Namen verstanden hatte lächelte sie zufrieden.

                  Indes war mein Mann noch immer bei seinem Vortrag, ich hatte meinen Arm unter seinem, so wie das meistens war, wenn wir im Bus saßen. Ich zwickte ihn ganz leicht in den Unterarm, in der Hoffnung ihn stoppen zu können. Er sagte ganz laut, das darfst du nicht, du darfst mich da nicht zwicken, das ist area of radiotherapie. (Er sagte es wirklich auf Englisch) das ist verboten. Ich sagte, aber dort habe ich ja nicht gezwickt. Und alle guckten mich böse an und echoten, das darfst du nicht, das ist verboten. Und ich , aber ich hab doch gar nicht, hab ich doch nicht getan. Bis ich mit klopfendem Herzen erwachte.


                  Nun würde ich natürlich nicht ungern die Frau kennenlernen, die mich den Namen ihres Mannes heimlich wissen ließ.

                  Ganz liebe Grüße
                  Briele

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                    #84
                    Liebe Briele, lieber aufmerksamer Giorgios,

                    es hätte sich für mich angeboten, den Vorwurf an meine Adresse wegen der übertriebenen, unvorsichtigen und tatsächlich unberechtigten Formulierung "Forumsgemeinde" schlicht zu überlesen. Das war auch von mir so vorgesehen, denn ich wollte diesen Thread, nämlich den Briele-Thread nicht unnötig belasten. Nachdem Briele ähnlich empfunden hat wie Giorgios, soll nun Asche auf mein Haupt rieseln, um dem Fauxpas gerecht zu werden.

                    "Lasse nie zu, dass du jemandem begegnest, der nicht nach der Begegnung mit dir glücklicher ist"
                    (Mutter Teresa)

                    Gruß Harald

                    Kommentar


                      #85
                      ...kann er vielleicht doch

                      Hallo liebe Briele,

                      Ich freue mich natürlich wenn jemand meine Beiträge gerne liest, so wie ich mich über Rückmeldungen freue, aber, lieber Harald, ich dachte mir beim Lesen Deiner Zeilen gleich - hm - das kann er doch so nicht sagen, er kann doch nicht für andere sprechen.
                      ...kann er vielleicht doch. Indem er einfach aus den hier zustimmenden Äußerungen eine Tendenz formuliert.

                      Winfried

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                        #86
                        Liebe Mitleser,
                        und genau diese Mitleser von Briele`s Thread hat Harald wohl gemeint und ich habe das auch so empfunden. Er hat ja auch nicht "alle Forumsmitglieder" geschrieben und dies würde ja auch keinen Sinn machen.
                        Gehen wir mal davon aus, dass die meisten Leser in diesem Thread die Beträge gerne lesen, weil sie ihnen gefallen und das wollte Harald wohl ausdrücken. Wer anderer Meinung ist muß ja nicht mitlesen.
                        Allen Forumsmitgliedern wünsche ich jedenfalls ein schönes Weihnachtsfest und ein (möglichst) gesundes Jahr 2014. Liebe Grüße, Carlos

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                          #87
                          Ihr Lieben, hier,

                          Ich danke für Eure Beiträge, die viel Wertschätzung ausdrücken.
                          Lieber Harald, Asche auf dem Haupt braucht’s nun wirklich keine!
                          Es ist ja eigentlich klar, dass Du die Leser dieses threads gemeint hast. Zugleich weiß ich um die Empfindlichkeiten die schnell in einem Forum entstehen können. Nu ist aber auch alles gesagt - hoffe ich.
                          Übrigens sind bei den Sprüchen, Gedanken, die Du Deinen Texten anhängst oft welche dabei, die mich sehr ansprechen. Heute und jetzt habe ich einen:

                          Ruhig sein, nicht ärgern, nicht kränken
                          Ist das allerbeste Schenken;
                          Aber mit diesem Pfefferkuchen
                          Will ich es noch mal versuchen.
                          Theodor Fontane

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                            #88
                            Liebe Briele,

                            auch ich danke Dir für Deine Beiträge. Ich habe schon immer eine Schwäche für gute Schreibe, und Du kannst gut schreiben. Aber natürlich ist es nicht nur das.

                            Jedes Mal, wenn ich unter "neue Beiträge" einen von Dir sehe freue ich mich auf, ja wie soll ich das nennen, lohnende Lektüre. Ich habe immer noch so viel mit meinen weiter oben geschilderten 2 Todesfällen in 2010 zu tun (die sich immer noch wie vor 3 Monaten anfühlen), daß Deine Überlegungen unendliche eigene Phantasie, Erinnerungen, Überlegungen, Gefühle anregen. Die Sache mit der Stimme beispielsweise. Ich kenne die Empfindung, daß die Stimme eines Gestorbenen ganz weg ist, aber deine Schilderung hat mir bewußt gemacht, daß ich einerseits fast täglich mit meinem Bruder rede, und in seinem Fall ist mir die Stimme deutlich präsent, und daß ich andererseits die realen Unterhaltungen unglaublich vermisse. Ach, natürlich vermisse ich nicht nur die Unterhaltungen, sondern den ganzen Menschen.

                            Obwohl ich weiß, daß Deine Beiträge weh tun werden, freue ich mich darauf, sie zu lesen. Ist das nun masoschistisch? Vielleicht helfen sie ein kleines bißchen, meinen eigenen "Kram" zu sortieren. Ist das nun egoistisch?


                            Wie auch immer - Danke und Dir alles Gute
                            Gruß, Rastaman

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                              #89
                              Lieber Rastaman,

                              Ich freue mich sehr über Deine Zeilen an mich und denke mir, wie doch oft das eine das andere bedingt. Also ich meine, da gibt es einen Beitrag und nur weil jener geschrieben wurde, kommt ein anderer zustande. Auf jeden Fall wäre es für mich schade gewesen Deinen nicht zu erhalten. Hab Dank!

                              Nein, es ist bestimmt weder masochistisch, noch egoistisch wenn Du meine Texte gerne liest. Teile meiner Trauer, die Fragen die ich mir stelle, halt der Umgang damit, sind vielleicht Deiner ähnlich oder bringen etwas zum Schwingen.

                              Nach Mamas Tod war ich geradezu zerrüttet vor lauter Schmerz. Mein Mann ist meiner Verzweiflung bemüht, aber hilflos gegenüber gestanden.
                              Ich habe meterweise Bücher zu dem Thema Tod und Trauer gelesen, manchmal gab es eine Zeile, eine Seite, etwas, was mir gut getan, weiter geholfen hat. Ich habe dann erfahren, dass es Hilfe von Fachleuten gibt. Psychologische Hilfe wollte ich nicht, ich habe zwei “Trauerseminare” besucht, die waren für die Katz und dann habe ich einen Termin bei Charon, einer Einrichtung für Trauernde vereinbart.

                              Manchmal braucht es nur einen Satz und die Dame dort sagte den für mich richtigen für diese Phase. Sie sagte, dieser schreckliche Schmerz wird vergehen, die Sehnsucht, der Verlust wird bleiben. Und ich dachte, das ist schon in Ordnung, wenn alles verloren geht, so will ich wenigstens die Sehnsucht behalten. Im Laufe der Jahre ist das Gefühl der Sehnsucht, des Verlustes nicht mehr bitter, es ist eher Melancholie.

                              Ich hatte Versuche mit Selbsthilfegruppen, die ich nicht hilfreich fand. Und dann, fünf Jahre nach Mamas Tod, kam ich auf eine feine Sache. Ich wollte nie einen Computer, aber 2005 bekam ich meinen ersten Laptop und schnell entdeckte ich die Welt des Internets, fand Foren, in denen ich nach Informationen für meinen Mann suchte und stieß dabei auf ein Hinterbliebenenforum.

                              Es hat mir so unglaublich gut getan mich mit Leuten auszutauschen die trauern, auch wenn Mamas Tod nun fünf Jahre zurück lag. Ich habe Trost erfahren, ich konnte andere trösten, oft hat mir ein Gedanke, eine Erfahrung von anderen geholfen, es war ein Geben und Nehmen. Das Wort "Trauerbewältigung" war vorher Theorie gewesen, jetzt erlebte ich es in dem Austausch von Erfahrungen. Ehrlich gesagt hätte ich es nicht für möglich gehalten. Also es war für mich das, was Du in besseren Worten beschreibst.

                              Ich wünsche Dir alles Gute.
                              Liebe Grüße Briele

                              P.S.
                              Nun kommt mir der Gedanke, dass in diesem thread natürlich auch andere über ihre Trauer schreiben können. Das ist ja selbstverständlich, aber ich denke eben, dass ich vielleicht eine Einladung aussprechen sollte, was hiermit geschieht.

                              Kommentar


                                #90
                                Nach meinem letzten Beitrag habe ich weiter nachgedacht was mich in meinen Trauerzeiten weiter gebracht hat. Es war wirklich immer das Wort: das gesprochene, gehörte, gelesene, geschriebene und ganz oft eher einfache Aussagen. Wie zum Beispiel der oben erwähnte Satz, dass die Sehnsucht und der Verlust bleiben werden.

                                Geradezu banal war die Bemerkung eines Arztes. Es war der x-te Kardiologe, bei dem ich wegen meiner Herzrhythmusstörungen war, für die es keine medizinische Erklärung gab. Ich sagte, meine Mutter ist gestorben, mein Leben ist aus dem Rhythmus und jetzt halt auch mein Herz. Er meinte, das ist natürlich traurig und bedauerlich, aber daran sei nun nichts zu ändern. Das war mir wohl auch klar, aber so ausgesprochen, drehte sich mein Traueruhrwerk doch ein Rädchen weiter. Jeder, dem ich davon erzählte war empört, fand den Arzt herzlos. Aber für mich war es richtig gewesen.

                                Zufällig (oder ja auch nicht) hatte ich in letzter Zeit einige Gespräche mit Menschen die in großer Sorge um ihre trauernden Angehörigen sind.
                                Mehr denn je denke ich, dass die meisten Trauernden irgend etwas oder jemanden benötigen. Ich schreibe das jetzt nicht aus besserwisserischen Gründen, es liegt mir am Herzen weil mir hier Frauen von ihrer Angst um ihren Partner schreiben und Männer die sich um ihre Frauen sorgen. Manchmal finde ich es ein bißchen schade, dass sie nicht im thread schreiben, aber ich verstehe es, ich hätte zu Werners Lebzeiten auch nicht öffentlich über meine Sorgen und Ängste berichten wollen.
                                Das einzige was wirklich den Schmerz mildert ist wahrscheinlich nur der Faktor Zeit. Insgesamt bin ich halbwegs zufrieden wie ich mich so durchwurschtle, einmal besser, dann geht’s wieder schlechter. Immer wieder überkommt mich - ich kann es nicht anderes bezeichnen - das blanke Entsetzen, dass ich ihn nie mehr sehen werde, sprechen, berühren kann, jetzt immer ohne seine Zuwendung und die meiner Eltern weiterlebe. Es ist dies ungeheuerlich.

                                Als ich unlängst über die verloren gegangen Stimmen schrieb, erhielt ich eine Nachricht, die ich am liebsten hier einfügen möchte, aber das geht natürlich nicht. XY schrieb, er könne sich auch nicht an die Stimmen der Verstorbenen erinnern und begann dann für sich zu überprüfen, inwieweit er sich an die Gesichter erinnern konnte. Das ging gut, dann fiel ihm auf, dass seine Kopfbilder mit vorhandenen Fotografien identisch waren. Dachte er an bestimmte Szenen für die es keine Fotos gab, dann fehlten nicht nur die Stimme, auch die Gesichtszüge, er erinnerte nur Abläufe, sowie die Umgebung. Er vermutet die Erinnerung wurde durch vorhandene Fotos überlagert.

                                Das finde ich interessant. Es wird auch oft behauptet Erinnerungen an die frühe Kindheit seien meist keine eigenen, sondern gespeist durch wiederholte Erzählungen Erwachsener. Ich habe aber viele sehr konkrete Bilder und Erinnerungen im Kopf, für die es weder Fotos noch Erzählungen anderer gibt. Inwieweit denkt man ohne Bilder und wie verlässlich sind sie? Bis vor ein paar Stunden hätte ich gesagt meine inneren Bilder passen verlässlich zu den Erinnerungen.
                                Doch dann dachte ich an Onkel Erwin, den jüngsten Bruder meiner Mutter. Ein paar Monate vor Kriegsende hatte er Fronturlaub, er saß viel vor dem Fenster, blickte auf die Berge, die er alle mehrfach bestiegen hatte, weinte viel und sagte er würde nicht wiederkommen. Er war 21 und ist dann wirklich gefallen. Ich sehe ihn da sitzen, ich sehe ihn weinen, ich sehe meine verzweifelten Großeltern, seine hilflosen Schwestern. Es gibt kein Foto und ich war noch nicht einmal auf der Welt. Ich denke öfter an ihn, denn wenn ich es nicht mache, tut es kein Mensch mehr.
                                Ich kenne nur die Erzählungen meiner Mama und habe mir meine eigenen Bilder gemacht, die seit Jahrzehnten unverändert in meinem Kopf sind.

                                Nachdenkliche Grüße von Briele

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