Hier ein Beitrag aus der heuten "Süddeutschen":
Sterbehilfe auf dem Parkplatz
Dignitas unterstützt jetzt auch Freitod im Auto
Die Nachbarn atmeten auf. Ende September wurde der Sterbehilfeorganisation Dignitas der Mietvertrag gekündigt. Sie hatte in der Zürcher Gertrudstraße 84 eine kleine Dachwohnung unterhalten. Fast jeden zweiten Tag kam ein Fremder dort an, und meist schon wenige Stunden später trugen sie ihn im Sarg wieder hinaus. Fast immer waren es Schwerstkranke, Querschnittgelähmte oder Menschen, die Angst hatten, langsam zu ersticken, wenn ihre Krebskrankheit weiter fortschreite. Doch Dignitas fand einen Weg. Nach der Kündigung leistete die Organisation Sterbehilfe auf einem Parkplatz, was in der Schweiz große Empörung ausgelöst hat. Politiker fordern ein Ende des "Sterbetourismus". Die Zürcher Staatsanwaltschaft erwägt, der Sterbehilfe an Ausländern einen Riegel vorzuschieben.
Dignitas hatte in der Gertrudstraße gegen Geld stets einen Helfer bereitgestellt sowie einen Becher mit dem bitteren Natrium-Pentobarbital. Das ist ein Barbiturat und führt, richtig dosiert, innerhalb weniger Minuten zum Koma und dann zu einem schmerzlosen Tod. Die meisten Lebensmüden kamen aus Deutschland. Anders als dort ist in der Schweiz die passive Beihilfe zum Freitod straflos, wenn sie nicht aus selbstsüchtigen Motiven erfolgt. Auch manche Schweizer Ärzte verschreiben das tödliche Mittel.
Nach der Kündigung stand Dignitas-Gründer und -Generalsekretär Ludwig Minelli vor einem Problem. Nirgendwo wollten Nachbarn und Behörden die Sterbewohnungen haben. Selbst in seinem eigenen Haus am Rand von Zürich darf Minelli keine Sterbebegleitung mehr anbieten: Das Baurecht verbiete die gewerbliche Nutzung, ist den Behörden eingefallen. Der nächste Schritt war, dass sich die Lebensmüden ein Hotelzimmer mieteten. Beinahe jeder Fall wurde bald danach bekannt. Seit Beginn dieser tödlichen Odyssee ist Dignitas bei den Eidgenossen stärker in der öffentlichen Diskussion als zu Zeiten der Gertrudstraße. Den Schweizern wird bewusst, dass diese Form der Sterbehilfe nicht immer ein Akt der Barmherzigkeit ist, sondern eine professionelle - und keineswegs billige - Dienstleistung.
Am Mittwoch wurde bekannt, dass Dignitas in zwei Fällen auf einem Parkplatz tätig wurde. In einem Fall war es ein 65-jähriger Mann aus Bayern, der seit langem an unheilbarem Muskelschwund gelitten haben soll. Minelli sagt, der Mann habe Probleme beim Atmen gehabt, will aber auf keinen Fall, dass der Tote für Zeitungsleser identifizierbar wird. Der Zweite war ein 50-Jähriger aus Baden-Württemberg. Er hatte, so Minelli, starke Schmerzen wegen einer Wirbelsäulen-Abnormalität. Ausgezeichnet gehe es ihm, habe der Mann kurz vor seinem Freitod zu Minelli gesagt, "weil in Kürze alles vorbei ist". In beiden Fällen sei es der ausdrückliche Wunsch der Männer gewesen, im Auto zu sterben. "Denkbar ist, dass sie Kosten sparen wollten", setzt der 75-jährige Dignitas-Chef hinzu.
Beide Fälle werden Andreas Brunner, den Chef der Züricher Oberstaatsanwaltschaft, in seiner Absicht bestärken. Der will Sterbehilfe, speziell an Ausländern, einschränken und Organisationen wie Dignitas stärker an die Zügel nehmen. Über menschenwürdiges Sterben könnten nicht Dritte urteilen, sondern jeder nur für sich selbst, kontert Ludwig Minelli. Eines wird der Dignitas-Chef jedoch sicher nicht verhindern können: Seine Organisation wird künftig öffentlich mehr Klarheit über ihre Finanzen schaffen müssen. Gerd Zitzelsberger
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.257, Donnerstag, den 08. November 2007 , Seite 1
Gruß
Wassermann
Sterbehilfe auf dem Parkplatz
Dignitas unterstützt jetzt auch Freitod im Auto
Die Nachbarn atmeten auf. Ende September wurde der Sterbehilfeorganisation Dignitas der Mietvertrag gekündigt. Sie hatte in der Zürcher Gertrudstraße 84 eine kleine Dachwohnung unterhalten. Fast jeden zweiten Tag kam ein Fremder dort an, und meist schon wenige Stunden später trugen sie ihn im Sarg wieder hinaus. Fast immer waren es Schwerstkranke, Querschnittgelähmte oder Menschen, die Angst hatten, langsam zu ersticken, wenn ihre Krebskrankheit weiter fortschreite. Doch Dignitas fand einen Weg. Nach der Kündigung leistete die Organisation Sterbehilfe auf einem Parkplatz, was in der Schweiz große Empörung ausgelöst hat. Politiker fordern ein Ende des "Sterbetourismus". Die Zürcher Staatsanwaltschaft erwägt, der Sterbehilfe an Ausländern einen Riegel vorzuschieben.
Dignitas hatte in der Gertrudstraße gegen Geld stets einen Helfer bereitgestellt sowie einen Becher mit dem bitteren Natrium-Pentobarbital. Das ist ein Barbiturat und führt, richtig dosiert, innerhalb weniger Minuten zum Koma und dann zu einem schmerzlosen Tod. Die meisten Lebensmüden kamen aus Deutschland. Anders als dort ist in der Schweiz die passive Beihilfe zum Freitod straflos, wenn sie nicht aus selbstsüchtigen Motiven erfolgt. Auch manche Schweizer Ärzte verschreiben das tödliche Mittel.
Nach der Kündigung stand Dignitas-Gründer und -Generalsekretär Ludwig Minelli vor einem Problem. Nirgendwo wollten Nachbarn und Behörden die Sterbewohnungen haben. Selbst in seinem eigenen Haus am Rand von Zürich darf Minelli keine Sterbebegleitung mehr anbieten: Das Baurecht verbiete die gewerbliche Nutzung, ist den Behörden eingefallen. Der nächste Schritt war, dass sich die Lebensmüden ein Hotelzimmer mieteten. Beinahe jeder Fall wurde bald danach bekannt. Seit Beginn dieser tödlichen Odyssee ist Dignitas bei den Eidgenossen stärker in der öffentlichen Diskussion als zu Zeiten der Gertrudstraße. Den Schweizern wird bewusst, dass diese Form der Sterbehilfe nicht immer ein Akt der Barmherzigkeit ist, sondern eine professionelle - und keineswegs billige - Dienstleistung.
Am Mittwoch wurde bekannt, dass Dignitas in zwei Fällen auf einem Parkplatz tätig wurde. In einem Fall war es ein 65-jähriger Mann aus Bayern, der seit langem an unheilbarem Muskelschwund gelitten haben soll. Minelli sagt, der Mann habe Probleme beim Atmen gehabt, will aber auf keinen Fall, dass der Tote für Zeitungsleser identifizierbar wird. Der Zweite war ein 50-Jähriger aus Baden-Württemberg. Er hatte, so Minelli, starke Schmerzen wegen einer Wirbelsäulen-Abnormalität. Ausgezeichnet gehe es ihm, habe der Mann kurz vor seinem Freitod zu Minelli gesagt, "weil in Kürze alles vorbei ist". In beiden Fällen sei es der ausdrückliche Wunsch der Männer gewesen, im Auto zu sterben. "Denkbar ist, dass sie Kosten sparen wollten", setzt der 75-jährige Dignitas-Chef hinzu.
Beide Fälle werden Andreas Brunner, den Chef der Züricher Oberstaatsanwaltschaft, in seiner Absicht bestärken. Der will Sterbehilfe, speziell an Ausländern, einschränken und Organisationen wie Dignitas stärker an die Zügel nehmen. Über menschenwürdiges Sterben könnten nicht Dritte urteilen, sondern jeder nur für sich selbst, kontert Ludwig Minelli. Eines wird der Dignitas-Chef jedoch sicher nicht verhindern können: Seine Organisation wird künftig öffentlich mehr Klarheit über ihre Finanzen schaffen müssen. Gerd Zitzelsberger
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.257, Donnerstag, den 08. November 2007 , Seite 1
Gruß
Wassermann
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