Hallo Forum,
es gibt hier im fulltext einen hochinteressanten Aufsatz zu den "Modewellen" in der Krebsforschung, der zwar schon aus dem Jahre 2005 datiert, der aber von einem Oldie der Szene geschrieben wurde und einige Jahrzehnte überblickt.
Aufgrund glücklicher Umstände liegt uns der Aufsatz übersetzt vor, sodass (Wink_mit_dem_Zaunpfahl) Interessierte sich auf den üblichen Wegen melden können. Echt nicht nur fürs verhagelte Wochenende eine Super-Lektüre!
Der Autor:
Henry Harris, es gibt einen Wiki-Eintrag von ihm, ist 1925 geboren und war Leiter der Oxford-Pathologie. Als er in Rente ging, gabs ihm zu Ehren ein Symposium, dessen Beiträge 1994 unter dem Titel "The legacy of cell fusion" als Buch erschienen sind und das immer noch beziehbar ist.
The legacy of cell fusion - Das Vermächtnis der Zell-Fusions-Experimente: Diese hatte Harris in den 60ern schon gemacht und damals war schon klar, dass die Geschichte mit den Mutationen aus dem Zellkern heraus nicht die die ganze Geschichte sein konnte. Wenn maligne Zellen mit gesunden Zellen fusioniert wurden und dann ihr malignes Gehabe einstellten, warf das Fragen auf (und wirft das immer noch Fragen auf, denn nach wie vor grassiert die Zellkern-Mutations-Geschichte).
Im einleitenden summary des Aufsatzes heisst es:
"Trotz der spektakulären Beiträge zum Kenntnisstand durch die Molekularbiologie während des letzten Jahrhunderts, hat die Krebsforschung keine anerkannte Erklärung zum Ursprung der malignen
Tumoren geliefert. Die unverdrossen zu molekularen Bedingungen untersuchten Modelle reflektierten
größtenteils Modewellen, und die Zeit hat ihre Unzulänglichkeiten offenbart:
der Krebs wird
(1) nicht verursacht durch den direkten Einfluss von Onkogenen,
(2) nicht ausführlich durch Verschlechterung von Tumor-Suppressor-Genen erklärt,
(3) nicht angetrieben durch Mutationen, die den Zellzyklus kontrollieren,
(4) nicht reguliert durch die Abhängigkeit der malignen Tumoren von ausreichender Blutzufuhr, und
(5) nicht durch Versagen des programmierten Zelltodes ausgelöst.
Aber jetzt gibt es schlüssige Beweise, dass Krebse ihren Ursprung in Mutationen haben, welche die
Ausführung kritischer Schritte beim Prozess der normalen Differenzierung blockieren. So betrachtet,
ist Krebs nicht ursprünglich eine Erkrankung der Zellvervielfältigung, sondern eine Erkrankung der Differenzierung.
Dem Beweis für diese Ansicht sollte nun nachgegangen werden."
Soweit erstmal,
Grüsse aus HH,
Rudolf
es gibt hier im fulltext einen hochinteressanten Aufsatz zu den "Modewellen" in der Krebsforschung, der zwar schon aus dem Jahre 2005 datiert, der aber von einem Oldie der Szene geschrieben wurde und einige Jahrzehnte überblickt.
A long view of fashions in cancer research
Der Autor:
Henry Harris, es gibt einen Wiki-Eintrag von ihm, ist 1925 geboren und war Leiter der Oxford-Pathologie. Als er in Rente ging, gabs ihm zu Ehren ein Symposium, dessen Beiträge 1994 unter dem Titel "The legacy of cell fusion" als Buch erschienen sind und das immer noch beziehbar ist.
The legacy of cell fusion - Das Vermächtnis der Zell-Fusions-Experimente: Diese hatte Harris in den 60ern schon gemacht und damals war schon klar, dass die Geschichte mit den Mutationen aus dem Zellkern heraus nicht die die ganze Geschichte sein konnte. Wenn maligne Zellen mit gesunden Zellen fusioniert wurden und dann ihr malignes Gehabe einstellten, warf das Fragen auf (und wirft das immer noch Fragen auf, denn nach wie vor grassiert die Zellkern-Mutations-Geschichte).
Im einleitenden summary des Aufsatzes heisst es:
Despite the spectacular contributions to knowledge made by molecular biology during the last half century, cancer research has not delivered an agreed explanation of how malignant tumours originate. The models assiduously investigated in molecular terms largely reflect waves of fashion, and time has revealed their inadequacy:
cancer is
(1) not caused by the direct action of oncogenes,
(2) not fully explained by the impairment of tumour suppressor genes,
(3) not set in motion by mutations controlling the cell cycle,
(4) not governed by the dependence of malignant tumours on an adequate blood supply and
(5) not triggered by a failure of programmed cell death.
But there is now strong evidence that cancers may have their origin in mutations that
block the execution of critical steps in the process of normal differentiation. Cancer, thus seen, is not initially a disease of cell multiplication, but a disease of differentiation.
The evidence for this point of view should now be explored.
cancer is
(1) not caused by the direct action of oncogenes,
(2) not fully explained by the impairment of tumour suppressor genes,
(3) not set in motion by mutations controlling the cell cycle,
(4) not governed by the dependence of malignant tumours on an adequate blood supply and
(5) not triggered by a failure of programmed cell death.
But there is now strong evidence that cancers may have their origin in mutations that
block the execution of critical steps in the process of normal differentiation. Cancer, thus seen, is not initially a disease of cell multiplication, but a disease of differentiation.
The evidence for this point of view should now be explored.
"Trotz der spektakulären Beiträge zum Kenntnisstand durch die Molekularbiologie während des letzten Jahrhunderts, hat die Krebsforschung keine anerkannte Erklärung zum Ursprung der malignen
Tumoren geliefert. Die unverdrossen zu molekularen Bedingungen untersuchten Modelle reflektierten
größtenteils Modewellen, und die Zeit hat ihre Unzulänglichkeiten offenbart:
der Krebs wird
(1) nicht verursacht durch den direkten Einfluss von Onkogenen,
(2) nicht ausführlich durch Verschlechterung von Tumor-Suppressor-Genen erklärt,
(3) nicht angetrieben durch Mutationen, die den Zellzyklus kontrollieren,
(4) nicht reguliert durch die Abhängigkeit der malignen Tumoren von ausreichender Blutzufuhr, und
(5) nicht durch Versagen des programmierten Zelltodes ausgelöst.
Aber jetzt gibt es schlüssige Beweise, dass Krebse ihren Ursprung in Mutationen haben, welche die
Ausführung kritischer Schritte beim Prozess der normalen Differenzierung blockieren. So betrachtet,
ist Krebs nicht ursprünglich eine Erkrankung der Zellvervielfältigung, sondern eine Erkrankung der Differenzierung.
Dem Beweis für diese Ansicht sollte nun nachgegangen werden."
Soweit erstmal,
Grüsse aus HH,
Rudolf
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