Fortsetzung
Durch neue, beschleunigte Methoden in der DNA-Sequenzierung ist es heute möglich, den molekularbiologischen Ursprüngen einer Metastase auf die Schliche zu kommen. Ein Tumor besteht aus einer sehr heterogenen Zellpopulation. Diese Heterogenität entsteht durch die hohe intrinsische Instabilität im Genom der Tumorzellen, das durch Chromosomenaberrationen und epigenetische Veränderungen einem stetigen Wandel unterzogen ist. Zellklone mit einem hohen Metastasierungspotential zeichnen sich durch eine besonders hohe genetische Instabilität aus.
Durch intrinsischen Selektionsdruck innerhalb der Tumorzelle (zum Beispiel durch die Aktivierung von wachstumshemmenden Signalwegen) und extrinsischen Selektionsdruck außerhalb der Tumorzelle (durch die dem Tumor „feindliche“ Umgebung) werden besonders anpassungsfähige Zellklone innerhalb des Tumors selektioniert (Gupta/Massagué, 2006). Erlangen diese Zellklone die Fähigkeit, die Grenzen des Tumors zu überwinden, können sich Metastasen entwickeln. Die Anzahl der Metastasen ist zunächst begrenzt und relativ stabil. Treten in diesem Stadium im Genom der wenigen Metastasen jedoch erneut Instabilitäten auf, können die bestehenden Metastasen zum Herd für neue Metastasen werden. Gelingt es, die Zellklone im oligometastatischen Stadium zu zerstören, kann es theoretisch möglich sein, die Progression der Erkrankung zu stoppen und die Behandlung von einer palliativen in eine kurative zu verwandeln (Tree et al., 2013).
Noch weiter vor in die molekularbiologischen Tiefen des oligometastatischen Stadiums drangen Lussier et al.. Sie konnten zeigen, dass sich das Metastasierungspotential eines oligometastatischen Tumors anhand eines mikroRNA-Expressions-Musters voraussagen lässt. Sie untersuchten die Gewebeproben von Patienten, die sich im oligometastatischen Stadium mit maximal fünf Metastasen befanden und die an allen aktiven Manifestationen der Tumorerkrankung stereotaktisch bestrahlt worden waren. In der Studie von Lussier et al. unterschieden sich die Patienten, die in einem oligometastatsichen Erkrankungsstadium blieben (deren Tumor somit ein niedriges Metastasierungspotential hatte), anhand einer spezifischen mikroRNAExpression im Gewebe des Primärtumors und der Metastasen von den Patienten, die im weiteren Verlauf Polymetastasen entwickelten. Die Autoren schlagen aufgrund dieser Ergebnisse vor, oligometastatische Patienten anhand dieses spezifischen mirkoRNA-Musters im Gewebe für eine gezielte Therapie der Metastasen auszuwählen (Lussier et al., 2011).
Zu den neuen Erkenntnissen zum oligometastatischem Tumorstadium kamen Neuerungen in der Bildgebung dazu, die es ermöglichen, Patienten mit wenigen Metastasen besser zu selektionieren.
Ein wichtiger Nachteil speziell der Cholin-PET-CT ist die geringe Sensitivität und Spezifität in der Entdeckung von Tumorrezidiven bei niedrigen PSA Werten, unter anderem weil in diesen Fällen der Cholin-Stoffwechsel nicht immer erhöht ist (Picchio et al., 2011).
Speziell für die Entdeckung von Rezidiven und Metastasen des Prostatakarzinoms gibt es eine neue vielversprechende PET-CT-Methode, die sich die Überexpression des Zelloberflä- chenproteins PSMA zu Nutze macht. Das prostataspezifische Membran-Antigen (PSMA) ist ein von Prostatakarzinomzellen verstärkt exprimiertes Membran-Antigen, dessen Expression besonders bei metastasierten und bei hormonrefraktären Tumoren hochreguliert ist (Chang, 2004). Bei der PSMA-PET-CT binden radioaktiv markierte PSMA-Liganden an dieses Ober- flächenprotein der Tumorzellen. In einer vergleichenden Studie konnten Afshar-Oromieh et al. zeigen, dass die Gallium-68-PSMA PET-CT für Manifestationen des Prostatakarzinoms eine statistisch signifikant bessere Erkennungsrate hat als die herkömmliche 18F-Fluormethylcholin PET-CT, insbesondere bei niedrigen PSA-Werten (Afshar-Oromieh et al., 2014).
Einteilung des oligometastatischen Stadiums
Ein oligometastatisches Stadium kann sich aus verschiedenen Situationen heraus entwickeln. Entsprechend unterscheidet man drei Gruppen. Zum einen Patienten, die bei der Erstdiagnose schon Oligometastasen haben. Zum zweiten Patienten, die ursprünglich multiple Metastasen hatten, die aber nach einer zytoreduktiven Therapie nur noch eine oligometastatische Anzahl von Metastasen haben. Diese Patientengruppe kann sich in Zukunft durch Verbesserungen in der systemischen Therapie vergrößern. Und drittens Patienten, die nach einer kurativen lokoregionalen Therapie ein oligometastatsiches Krankheitsrezidiv entwickeln (Tree et al., 2013).
Letzteres Stadium wird von Niibe et al. als Oligorezidiv bezeichnet. Ist der Primarius kontrolliert, kann laut Niibe et al. durch eine gezielte Therapie aller Metastasen ein kurativer Ansatz verfolgt werden. Ist dies dagegen nicht der Fall, so ist das Therapieziel die Lebensverlängerung (Niibe/Hayakawa, 2010).
Wann liegt ein oligometastatisches Stadium vor?
Die Frage, wie viele Metastasen in einem oligometastatischen Stadium maximal vorliegen dürfen, wird in der Literatur kontrovers beantwortet. Einer der frühsten Vorschläge zur Stratifi- zierung von Knochenmetastasen stammt von Soloway et al.. Sie konnten in ihrer Studie mit 166 Prostatakarzinom-Patienten, die alle mit einer Hormontherapie behandelt wurden, zeigen, dass das Ausmaß der Knochenmetastasierung ein wichtiger prognostischer Faktor für den Therapieerfolg und für das Gesamtüberleben ist. Patienten mit maximal fünf Knochenmetastasen hatten ein signifikant besseres Gesamtüberleben als Patienten, die in verschiedenen Abstufungen mehr als fünf Metastasen hatten. Soloway et al. entwickelten daraufhin ein Klassfikationssystem, mit dem Patienten je nach „Extent of Disease“ (EOD) in fünf verschiedene Gruppen eingeteilt werden können. Ausgang für die Einteilung ist ein Knochenszinitgramm.
Bei einem EOD Grad 0 liegen gutartige Knochenveränderungen vor, bei einem EOD Grad I maximal fünf Knochenmetastasen (die weniger als halb so groß wie die Hälfte eines Wirbelkörper sind), bei einem EOD Grad II 6-20 Knochenmetastasen, bei einem EOD Grad III > 20 Knochenmetastasen aber weniger als im „Superscan“-Stadium und bei einem EOD Grad IV liegt das „Superscan“- Stadium vor, in dem sich in mehr als 75 % von Rippen, Wirbel und Beckenknochen Metastasen befinden. Das „Extent of Disease“ korrelierte mit dem Gesamtüberleben der Patienten:
Patienten mit einem EOD Grad I (mit einem 2-Jahres-Überleben von 94 %), die nach heutigem Verständnis oligometastatisch sind, unterschieden sich im 2-Jahres-Gesamtüberleben signifikant von den Gruppen II, III und IV (74 % bzw. 68 % bzw. 21 %) (Soloway et al., 1988). Auch Singh et al. ziehen in ihrer Studie die Grenze für ein oligometastatisches Stadium bei fünf Metastasen. Sie folgten in ihrer Studie dem Krankheitsverlauf von 369 ProstatakarzinomPatienten, die zu Beginn alle keine Fernmetastasen hatten. Im Verlauf entwickelten 20 % Metastasen. Singh et al. konnten zeigen, dass die Patienten mit maximal fünf Metastasen signifikant länger lebten, als Patienten mit mehr als fünf Metastasen (5-Jahres-Überlebensrate 73 % bzw. 45 %, 10-Jahres-Überlebensrate 36 % bzw. 18 %, p-Wert = 0,02). Fünf Knochenmetastasen war bei ihnen die niedrigste Grenzzahl, ab der sich ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen feststellen ließ.
Auch das metastasenfreie Überleben ab Erstdiagnose war in der Gruppe mit ≤ 5 Metastasen signifikant besser (45 % bzw. 21 % nach 5 Jahren, p-Wert = 0,02). Singh et al. folgern daraus, dass die Patienten mit multiplen Metastasen einen aggressiveren Tumor mit größerem metastatischem Potential und einer höheren Wachstumsrate haben. Die Ergebnisse der Studie sind für sie ein Appell, das Zeitfenster bei oligometastatischen Patienten für eine aggressive Therapie zu nutzen (Singh et al., 2004). Andere Arbeiten in der Literatur begrenzen das oligometastatische Stadium auf zwei bis drei Metastasen (Ewend et al., 2005) oder schlagen maximal vier Metastasen (Kavanagh et al., 2006) als Obergrenze vor. Die vorliegende Arbeit folgt der Definition von Singh et al. und schließt maximal fünf Knochenmetastasen in das oligometastatische Stadium ein.
Gezielte Therapie der Metastasen
Patienten mit Oligometastasen haben eine bessere Prognose als Patienten mit multiplen Metastasen. Durch eine gezielte Therapie der Metastasen kann die Prognose weiter verbessert werden, da auf diese Weise ein Progress der Erkrankung verhindert werden kann. Etablierte Methoden für die gezielte Therapie von Metastasen (in der englischsprachigen Literatur Metastasis-directed Therapy, kurz MDT, genannt) sind die chirurgische Resektion und die Strahlentherapie. Für Tumorentitäten wie das kolorektale Karzinom, das Sarkom oder das Nierenzellkarzinom ist die gezielte Therapie von Oligometastasen schon Standard. Die chirurgische Entfernung von oligometastatischen Leber- oder Lungenmetastasen hat sich beispielsweise beim kolorektalen Karzinom etabliert und geht mit einer verbesserten lokalen Kontrolle und mit einer Verbesserung des Gesamtüberlebens einher (Ost et al., 2015).
Mittlerweile hat sich auch die stereotaktische Radiotherapie etabliert (im Englischen Stereotactic Body Radiotherapy (SBRT) genannt.) Tree et al. konnten in ihrem systematischen Review zeigen, dass die Behandlung von Oligometastasen mittels SBRT sicher und effektiv ist. Das Review schloß Studien ein, in denen extrakranielle Oligometastasen unterschiedlicher solider Primärtumoren stereotaktisch bestrahlt wurden. Es zeigte sich, dass die SBRT zu einer sehr guten lokalen Kontrolle der Metastasen führte (bei ca. 80 % der behandelten Metastasen) und dass 20 % der Patienten 2-3 Jahre nach der Bestrahlung noch immer ohne Krankheitsprogress waren.
Die Nebenwirkungen der Bestrahlung waren in den meisten Studien moderat, in einigen Studien traten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen ≥ Grad 3 auf. Rubin et al. vermuten sogar, dass die SBRT dabei langfristig effektiver sein könnte als chirurgische Methoden. Denn die SBRT ist mit einer geringeren Morbidität verbunden und lässt sich auch ambulant durchführen, was sie ökonomisch interessant macht (Rubin et al., 2006). Doch nicht jeder Patient mit Oligometastasen eignet sich für eine MDT. Entscheidend für den Erfolg einer gezielten Therapie von Oligometastasen ist, dass der Primärtumor kontrolliert ist. Auch ein guter Allgemeinzustand der Patienten ist ein wichtiger Faktor, der, wie in dieser Arbeit noch gezeigt, den Erfolg einer gezielten Therapie erheblich beeinflusst. Moreno et al. fordern in ihrem Review, den Allgemeinzustand als eines der Hauptkriterien für eine ablative Therapie bei oligometastasierten Prostatakarzinom-Patienten aufzunehmen (Moreno et al., 2014).
Metastasis-directed Therapy, kurz MDT, genannt.
Die MDT beim metastasierten Prostatakarzinom
In der Therapie des metastasierten Prostatakarzinoms ist die gezielte Behandlung von Oligometastasen ein relativ neuer Ansatz. Es gibt zahlreiche Studien, die belegen, dass eine MDT bei Oligometastasen des Prostatakarzinoms ein erfolgreiches Therapiekonzept ist. Trotzdem fehlt es an randomisierten und kontrollierten Studien, um die MDT als Standardtherapie bei Oligometastasen etablieren zu können. Die Studien sind heterogen in Hinblick auf die Studienkollektive, den Zeitpunkt des Auftretens der Oligometastasen (synchron mit dem Primärtumor oder metachron), die Lokalisation der Oligometastasen (Lymphknoten-, Knochen- oder viszerale Metastasen), die Therapiemodalität (Radiotherapie oder chirurgische Resektion) und auf die adjuvante Therapie (ablative Hormontherapie, Chemotherapie).
In den meisten Studien handelt es sich bei den mittels MDT behandelten Oligometastasen um Lymphknotenmetastasen, gefolgt von Knochenmetastasen und viszeralen Metastasen. Die Heterogenität der Behandlungsmethoden wird in dem systematischen Review von Ost et al. deutlich. Hier wurde die aktuelle Studienlage zur Therapie von ProstatakarzinomPatienten, die nach einer kurativen Therapie des Primärtumors ein oligometastatisches Rezidiv entwickelt haben, analysiert. Die am häufigisten verwendete Methode war die Bestrahlung der Metastasen (bei zwei Drittel aller Patienten), bei einem Drittel der Patienten wurden die Metastasen operativ reseziert. Bei den Metastasen, die operativ reseziert wurden, handelte es sich immer um Lymphknotenmetastasen. Am häufigsten wurden Lymphknotenmetastasen behandelt (bei 78 % der Patienten), gefolgt von Knochen- (21 %) und viszeralen Metastasen (1 %). Als adjuvante Behandlung begleitend zur MDT erhielten 61 % aller Patienten eine ablative Hormontherapie. Insgesamt lag das progressionsfreie Überleben 1-3 Jahre nach der gezielten Behandlung der Oligometastasen bei 50 % (Ost et al., 2015).
Vorteil MDT: Aufschub einer systemischen Therapie
Die gezielte Bestrahlung oder Resektion der Metastasen in einem frühen Stadium kann den lokalen und systemischen Progress der Erkrankung aufhalten. Damit verbunden ist ein entscheidender Vorteil: Durch eine MDT kann die Notwendigkeit einer systemischen Therapie hinausgezögert werden und damit können neue systemische Therapiekonzepte für fortgeschrittene Krankheitsstadien aufgespart werden.
Und drittens gibt es Vermutungen, dass eine ablative Hormontherapie zu einem Progress der Erkrankung beiträgt, indem sie eine epithelial-mesenchymale Transition (EMT) im Prostatakarzinomgewebe induziert (Sun et al., 2012). Durch die EMT erwerben epitheliale Zellen mesenchymale Eigenschaften, die sie zur Migration und Invasion befähigen:
Eine EMT kann die Entstehung einer Kastrationsresistenz begünstigen und den Progress der Erkrankung fördern.
Durch eine gezielte Behandlung von Oligometastasen kann der Beginn einer ablativen Hormontherapie mit ihren negativen Nebeneffekten erfolgreich hinausgezögert werden. In der Studie von Berkovic et al. konnte bei 24 Patienten mit einem oligometastatischen Rezidiv eines Prostatakarzinoms durch eine SBRT der Beginn einer ablativen Hormontherapie im Median um 38 Monate hinausgezögert werden (Berkovic et al., 2013). In der Studie von Decaestecker et al. konnte eine wiederholte stereotaktische Bestrahlung der Oligometastasen in Knochen, Lymphknoten oder Viscera den Beginn einer systemischen Therapie im Median um 25 Monate hinauszögern. Zu den neuen systemischen Therapien, deren Einsatz aufgespart werden kann, gehört die Behandlung mit Abirateron.
Abirateron, ein steroidales Antiandrogen, blockiert ein Schlüsselenzym in der Androgensynthese (das CYP17A1-Enzym) und kann damit sowohl die gonadale als auch die extragonadale Androgenproduktion unterbinden und eine maximale Hormonsuppression bewirken. Das Antiandrogen ist zugelassen bei Männern mit einem kastrationsresistentem Prostatakarzinom, bei denen eine Chemotherapie noch nicht indiziert ist oder bei denen die Erkrankung während und nach einer Chemotherapie mit Docetaxel progredient ist (AWMF et al., 2016).
Hintergrund für die Zulassung war eine eine große randomisierte Studie, die zeigte, dass Abirateron in der Kombination mit Prednisolon bei CRPC-Patienten, bei denen es trotz einer Docetaxel-Chemotherapie zu einem Krankheitsprogress gekommen war, das mediane Gesamtüberleben signfikant verlängert (15,8 Monate vs. 11,2 Monate in der Placebo-plus-Prednisolon-Gruppe, p-Wert < 0,0001) (Fizazi et al., 2012).
Oligometastasen des Knochens: Aktuelle Therapieansätze
Alle Therapiekonzenpte sind palliativ. Durch eine perkutane Bestrahlung, die Gabe von systemischen Radionuklide oder osteotropen Medikamente können jedoch mit Knochenmetastasen verbundene Komplikationen, die Skeltal-related Events, verhindert werden (AWMF et al., 2016).
wird fortgesetzt
hierzu werden die Informationen die mir der ehemalige Leiter der Forschungsgruppe "Steriotaktische Bestrahlung" in Heidelberg am 25.01.19 in Bad Godesberg gab mit einfließen.
Durch neue, beschleunigte Methoden in der DNA-Sequenzierung ist es heute möglich, den molekularbiologischen Ursprüngen einer Metastase auf die Schliche zu kommen. Ein Tumor besteht aus einer sehr heterogenen Zellpopulation. Diese Heterogenität entsteht durch die hohe intrinsische Instabilität im Genom der Tumorzellen, das durch Chromosomenaberrationen und epigenetische Veränderungen einem stetigen Wandel unterzogen ist. Zellklone mit einem hohen Metastasierungspotential zeichnen sich durch eine besonders hohe genetische Instabilität aus.
Durch intrinsischen Selektionsdruck innerhalb der Tumorzelle (zum Beispiel durch die Aktivierung von wachstumshemmenden Signalwegen) und extrinsischen Selektionsdruck außerhalb der Tumorzelle (durch die dem Tumor „feindliche“ Umgebung) werden besonders anpassungsfähige Zellklone innerhalb des Tumors selektioniert (Gupta/Massagué, 2006). Erlangen diese Zellklone die Fähigkeit, die Grenzen des Tumors zu überwinden, können sich Metastasen entwickeln. Die Anzahl der Metastasen ist zunächst begrenzt und relativ stabil. Treten in diesem Stadium im Genom der wenigen Metastasen jedoch erneut Instabilitäten auf, können die bestehenden Metastasen zum Herd für neue Metastasen werden. Gelingt es, die Zellklone im oligometastatischen Stadium zu zerstören, kann es theoretisch möglich sein, die Progression der Erkrankung zu stoppen und die Behandlung von einer palliativen in eine kurative zu verwandeln (Tree et al., 2013).
Noch weiter vor in die molekularbiologischen Tiefen des oligometastatischen Stadiums drangen Lussier et al.. Sie konnten zeigen, dass sich das Metastasierungspotential eines oligometastatischen Tumors anhand eines mikroRNA-Expressions-Musters voraussagen lässt. Sie untersuchten die Gewebeproben von Patienten, die sich im oligometastatischen Stadium mit maximal fünf Metastasen befanden und die an allen aktiven Manifestationen der Tumorerkrankung stereotaktisch bestrahlt worden waren. In der Studie von Lussier et al. unterschieden sich die Patienten, die in einem oligometastatsichen Erkrankungsstadium blieben (deren Tumor somit ein niedriges Metastasierungspotential hatte), anhand einer spezifischen mikroRNAExpression im Gewebe des Primärtumors und der Metastasen von den Patienten, die im weiteren Verlauf Polymetastasen entwickelten. Die Autoren schlagen aufgrund dieser Ergebnisse vor, oligometastatische Patienten anhand dieses spezifischen mirkoRNA-Musters im Gewebe für eine gezielte Therapie der Metastasen auszuwählen (Lussier et al., 2011).
Zu den neuen Erkenntnissen zum oligometastatischem Tumorstadium kamen Neuerungen in der Bildgebung dazu, die es ermöglichen, Patienten mit wenigen Metastasen besser zu selektionieren.
Ein wichtiger Nachteil speziell der Cholin-PET-CT ist die geringe Sensitivität und Spezifität in der Entdeckung von Tumorrezidiven bei niedrigen PSA Werten, unter anderem weil in diesen Fällen der Cholin-Stoffwechsel nicht immer erhöht ist (Picchio et al., 2011).
Speziell für die Entdeckung von Rezidiven und Metastasen des Prostatakarzinoms gibt es eine neue vielversprechende PET-CT-Methode, die sich die Überexpression des Zelloberflä- chenproteins PSMA zu Nutze macht. Das prostataspezifische Membran-Antigen (PSMA) ist ein von Prostatakarzinomzellen verstärkt exprimiertes Membran-Antigen, dessen Expression besonders bei metastasierten und bei hormonrefraktären Tumoren hochreguliert ist (Chang, 2004). Bei der PSMA-PET-CT binden radioaktiv markierte PSMA-Liganden an dieses Ober- flächenprotein der Tumorzellen. In einer vergleichenden Studie konnten Afshar-Oromieh et al. zeigen, dass die Gallium-68-PSMA PET-CT für Manifestationen des Prostatakarzinoms eine statistisch signifikant bessere Erkennungsrate hat als die herkömmliche 18F-Fluormethylcholin PET-CT, insbesondere bei niedrigen PSA-Werten (Afshar-Oromieh et al., 2014).
Einteilung des oligometastatischen Stadiums
Ein oligometastatisches Stadium kann sich aus verschiedenen Situationen heraus entwickeln. Entsprechend unterscheidet man drei Gruppen. Zum einen Patienten, die bei der Erstdiagnose schon Oligometastasen haben. Zum zweiten Patienten, die ursprünglich multiple Metastasen hatten, die aber nach einer zytoreduktiven Therapie nur noch eine oligometastatische Anzahl von Metastasen haben. Diese Patientengruppe kann sich in Zukunft durch Verbesserungen in der systemischen Therapie vergrößern. Und drittens Patienten, die nach einer kurativen lokoregionalen Therapie ein oligometastatsiches Krankheitsrezidiv entwickeln (Tree et al., 2013).
Letzteres Stadium wird von Niibe et al. als Oligorezidiv bezeichnet. Ist der Primarius kontrolliert, kann laut Niibe et al. durch eine gezielte Therapie aller Metastasen ein kurativer Ansatz verfolgt werden. Ist dies dagegen nicht der Fall, so ist das Therapieziel die Lebensverlängerung (Niibe/Hayakawa, 2010).
Wann liegt ein oligometastatisches Stadium vor?
Die Frage, wie viele Metastasen in einem oligometastatischen Stadium maximal vorliegen dürfen, wird in der Literatur kontrovers beantwortet. Einer der frühsten Vorschläge zur Stratifi- zierung von Knochenmetastasen stammt von Soloway et al.. Sie konnten in ihrer Studie mit 166 Prostatakarzinom-Patienten, die alle mit einer Hormontherapie behandelt wurden, zeigen, dass das Ausmaß der Knochenmetastasierung ein wichtiger prognostischer Faktor für den Therapieerfolg und für das Gesamtüberleben ist. Patienten mit maximal fünf Knochenmetastasen hatten ein signifikant besseres Gesamtüberleben als Patienten, die in verschiedenen Abstufungen mehr als fünf Metastasen hatten. Soloway et al. entwickelten daraufhin ein Klassfikationssystem, mit dem Patienten je nach „Extent of Disease“ (EOD) in fünf verschiedene Gruppen eingeteilt werden können. Ausgang für die Einteilung ist ein Knochenszinitgramm.
Bei einem EOD Grad 0 liegen gutartige Knochenveränderungen vor, bei einem EOD Grad I maximal fünf Knochenmetastasen (die weniger als halb so groß wie die Hälfte eines Wirbelkörper sind), bei einem EOD Grad II 6-20 Knochenmetastasen, bei einem EOD Grad III > 20 Knochenmetastasen aber weniger als im „Superscan“-Stadium und bei einem EOD Grad IV liegt das „Superscan“- Stadium vor, in dem sich in mehr als 75 % von Rippen, Wirbel und Beckenknochen Metastasen befinden. Das „Extent of Disease“ korrelierte mit dem Gesamtüberleben der Patienten:
Patienten mit einem EOD Grad I (mit einem 2-Jahres-Überleben von 94 %), die nach heutigem Verständnis oligometastatisch sind, unterschieden sich im 2-Jahres-Gesamtüberleben signifikant von den Gruppen II, III und IV (74 % bzw. 68 % bzw. 21 %) (Soloway et al., 1988). Auch Singh et al. ziehen in ihrer Studie die Grenze für ein oligometastatisches Stadium bei fünf Metastasen. Sie folgten in ihrer Studie dem Krankheitsverlauf von 369 ProstatakarzinomPatienten, die zu Beginn alle keine Fernmetastasen hatten. Im Verlauf entwickelten 20 % Metastasen. Singh et al. konnten zeigen, dass die Patienten mit maximal fünf Metastasen signifikant länger lebten, als Patienten mit mehr als fünf Metastasen (5-Jahres-Überlebensrate 73 % bzw. 45 %, 10-Jahres-Überlebensrate 36 % bzw. 18 %, p-Wert = 0,02). Fünf Knochenmetastasen war bei ihnen die niedrigste Grenzzahl, ab der sich ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen feststellen ließ.
Auch das metastasenfreie Überleben ab Erstdiagnose war in der Gruppe mit ≤ 5 Metastasen signifikant besser (45 % bzw. 21 % nach 5 Jahren, p-Wert = 0,02). Singh et al. folgern daraus, dass die Patienten mit multiplen Metastasen einen aggressiveren Tumor mit größerem metastatischem Potential und einer höheren Wachstumsrate haben. Die Ergebnisse der Studie sind für sie ein Appell, das Zeitfenster bei oligometastatischen Patienten für eine aggressive Therapie zu nutzen (Singh et al., 2004). Andere Arbeiten in der Literatur begrenzen das oligometastatische Stadium auf zwei bis drei Metastasen (Ewend et al., 2005) oder schlagen maximal vier Metastasen (Kavanagh et al., 2006) als Obergrenze vor. Die vorliegende Arbeit folgt der Definition von Singh et al. und schließt maximal fünf Knochenmetastasen in das oligometastatische Stadium ein.
Gezielte Therapie der Metastasen
Patienten mit Oligometastasen haben eine bessere Prognose als Patienten mit multiplen Metastasen. Durch eine gezielte Therapie der Metastasen kann die Prognose weiter verbessert werden, da auf diese Weise ein Progress der Erkrankung verhindert werden kann. Etablierte Methoden für die gezielte Therapie von Metastasen (in der englischsprachigen Literatur Metastasis-directed Therapy, kurz MDT, genannt) sind die chirurgische Resektion und die Strahlentherapie. Für Tumorentitäten wie das kolorektale Karzinom, das Sarkom oder das Nierenzellkarzinom ist die gezielte Therapie von Oligometastasen schon Standard. Die chirurgische Entfernung von oligometastatischen Leber- oder Lungenmetastasen hat sich beispielsweise beim kolorektalen Karzinom etabliert und geht mit einer verbesserten lokalen Kontrolle und mit einer Verbesserung des Gesamtüberlebens einher (Ost et al., 2015).
Mittlerweile hat sich auch die stereotaktische Radiotherapie etabliert (im Englischen Stereotactic Body Radiotherapy (SBRT) genannt.) Tree et al. konnten in ihrem systematischen Review zeigen, dass die Behandlung von Oligometastasen mittels SBRT sicher und effektiv ist. Das Review schloß Studien ein, in denen extrakranielle Oligometastasen unterschiedlicher solider Primärtumoren stereotaktisch bestrahlt wurden. Es zeigte sich, dass die SBRT zu einer sehr guten lokalen Kontrolle der Metastasen führte (bei ca. 80 % der behandelten Metastasen) und dass 20 % der Patienten 2-3 Jahre nach der Bestrahlung noch immer ohne Krankheitsprogress waren.
Die Nebenwirkungen der Bestrahlung waren in den meisten Studien moderat, in einigen Studien traten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen ≥ Grad 3 auf. Rubin et al. vermuten sogar, dass die SBRT dabei langfristig effektiver sein könnte als chirurgische Methoden. Denn die SBRT ist mit einer geringeren Morbidität verbunden und lässt sich auch ambulant durchführen, was sie ökonomisch interessant macht (Rubin et al., 2006). Doch nicht jeder Patient mit Oligometastasen eignet sich für eine MDT. Entscheidend für den Erfolg einer gezielten Therapie von Oligometastasen ist, dass der Primärtumor kontrolliert ist. Auch ein guter Allgemeinzustand der Patienten ist ein wichtiger Faktor, der, wie in dieser Arbeit noch gezeigt, den Erfolg einer gezielten Therapie erheblich beeinflusst. Moreno et al. fordern in ihrem Review, den Allgemeinzustand als eines der Hauptkriterien für eine ablative Therapie bei oligometastasierten Prostatakarzinom-Patienten aufzunehmen (Moreno et al., 2014).
Metastasis-directed Therapy, kurz MDT, genannt.
Die MDT beim metastasierten Prostatakarzinom
In der Therapie des metastasierten Prostatakarzinoms ist die gezielte Behandlung von Oligometastasen ein relativ neuer Ansatz. Es gibt zahlreiche Studien, die belegen, dass eine MDT bei Oligometastasen des Prostatakarzinoms ein erfolgreiches Therapiekonzept ist. Trotzdem fehlt es an randomisierten und kontrollierten Studien, um die MDT als Standardtherapie bei Oligometastasen etablieren zu können. Die Studien sind heterogen in Hinblick auf die Studienkollektive, den Zeitpunkt des Auftretens der Oligometastasen (synchron mit dem Primärtumor oder metachron), die Lokalisation der Oligometastasen (Lymphknoten-, Knochen- oder viszerale Metastasen), die Therapiemodalität (Radiotherapie oder chirurgische Resektion) und auf die adjuvante Therapie (ablative Hormontherapie, Chemotherapie).
In den meisten Studien handelt es sich bei den mittels MDT behandelten Oligometastasen um Lymphknotenmetastasen, gefolgt von Knochenmetastasen und viszeralen Metastasen. Die Heterogenität der Behandlungsmethoden wird in dem systematischen Review von Ost et al. deutlich. Hier wurde die aktuelle Studienlage zur Therapie von ProstatakarzinomPatienten, die nach einer kurativen Therapie des Primärtumors ein oligometastatisches Rezidiv entwickelt haben, analysiert. Die am häufigisten verwendete Methode war die Bestrahlung der Metastasen (bei zwei Drittel aller Patienten), bei einem Drittel der Patienten wurden die Metastasen operativ reseziert. Bei den Metastasen, die operativ reseziert wurden, handelte es sich immer um Lymphknotenmetastasen. Am häufigsten wurden Lymphknotenmetastasen behandelt (bei 78 % der Patienten), gefolgt von Knochen- (21 %) und viszeralen Metastasen (1 %). Als adjuvante Behandlung begleitend zur MDT erhielten 61 % aller Patienten eine ablative Hormontherapie. Insgesamt lag das progressionsfreie Überleben 1-3 Jahre nach der gezielten Behandlung der Oligometastasen bei 50 % (Ost et al., 2015).
Vorteil MDT: Aufschub einer systemischen Therapie
Die gezielte Bestrahlung oder Resektion der Metastasen in einem frühen Stadium kann den lokalen und systemischen Progress der Erkrankung aufhalten. Damit verbunden ist ein entscheidender Vorteil: Durch eine MDT kann die Notwendigkeit einer systemischen Therapie hinausgezögert werden und damit können neue systemische Therapiekonzepte für fortgeschrittene Krankheitsstadien aufgespart werden.
Und drittens gibt es Vermutungen, dass eine ablative Hormontherapie zu einem Progress der Erkrankung beiträgt, indem sie eine epithelial-mesenchymale Transition (EMT) im Prostatakarzinomgewebe induziert (Sun et al., 2012). Durch die EMT erwerben epitheliale Zellen mesenchymale Eigenschaften, die sie zur Migration und Invasion befähigen:
Eine EMT kann die Entstehung einer Kastrationsresistenz begünstigen und den Progress der Erkrankung fördern.
Durch eine gezielte Behandlung von Oligometastasen kann der Beginn einer ablativen Hormontherapie mit ihren negativen Nebeneffekten erfolgreich hinausgezögert werden. In der Studie von Berkovic et al. konnte bei 24 Patienten mit einem oligometastatischen Rezidiv eines Prostatakarzinoms durch eine SBRT der Beginn einer ablativen Hormontherapie im Median um 38 Monate hinausgezögert werden (Berkovic et al., 2013). In der Studie von Decaestecker et al. konnte eine wiederholte stereotaktische Bestrahlung der Oligometastasen in Knochen, Lymphknoten oder Viscera den Beginn einer systemischen Therapie im Median um 25 Monate hinauszögern. Zu den neuen systemischen Therapien, deren Einsatz aufgespart werden kann, gehört die Behandlung mit Abirateron.
Abirateron, ein steroidales Antiandrogen, blockiert ein Schlüsselenzym in der Androgensynthese (das CYP17A1-Enzym) und kann damit sowohl die gonadale als auch die extragonadale Androgenproduktion unterbinden und eine maximale Hormonsuppression bewirken. Das Antiandrogen ist zugelassen bei Männern mit einem kastrationsresistentem Prostatakarzinom, bei denen eine Chemotherapie noch nicht indiziert ist oder bei denen die Erkrankung während und nach einer Chemotherapie mit Docetaxel progredient ist (AWMF et al., 2016).
Hintergrund für die Zulassung war eine eine große randomisierte Studie, die zeigte, dass Abirateron in der Kombination mit Prednisolon bei CRPC-Patienten, bei denen es trotz einer Docetaxel-Chemotherapie zu einem Krankheitsprogress gekommen war, das mediane Gesamtüberleben signfikant verlängert (15,8 Monate vs. 11,2 Monate in der Placebo-plus-Prednisolon-Gruppe, p-Wert < 0,0001) (Fizazi et al., 2012).
Oligometastasen des Knochens: Aktuelle Therapieansätze
Alle Therapiekonzenpte sind palliativ. Durch eine perkutane Bestrahlung, die Gabe von systemischen Radionuklide oder osteotropen Medikamente können jedoch mit Knochenmetastasen verbundene Komplikationen, die Skeltal-related Events, verhindert werden (AWMF et al., 2016).
wird fortgesetzt
hierzu werden die Informationen die mir der ehemalige Leiter der Forschungsgruppe "Steriotaktische Bestrahlung" in Heidelberg am 25.01.19 in Bad Godesberg gab mit einfließen.
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