Hallo Zusammen!
Angeregt durch Helmuts Bericht http://forum.prostatakrebs-bps.de/sh...s-ein-Rckblick und durch ein Referat von PD Dr. Tschada, Chefarzt der Urologie im Diakoniekrankenhaus Mannheim, das er im Mai vor unserer SHG gehalten hatte, habe ich mir darüber Gedanken gemacht, wie es bei mir war und noch ist. Ich möchte hier nicht über Diagnosen und Therapien berichten, sondern über die psychische Verarbeitung meiner Erkrankung.
1. Schockphase
Im März 2009 traf mich die Diagnose fortgeschrittener Prostatakrebs vollkommen unerwartet. In unserer Familie ist Krebs unbekannt. Ich dachte, dass ich ev. einmal an einem Herzinfarkt sterbe wie mein Vater oder dass ich einen Unfall erleide, da ich viel mit dem Auto unterwegs bin und auch gerne das eine oder andere gefährliche Hobby betrieben hatte. Spaßeshalber habe ich früher immer gesagt, dass ich mit 90 durch einen eifersüchtigen Ehemann im Bett meiner Geliebten erdolcht werde.
Doch nun: Krebs!
"Die irren sich!" "Das kann nicht sein!" "Warum ich?" "Was habe ich falsch gemacht?" "Wann sterbe ich?" sind meine Gedanken.
Schnell ist eine Patientenverfügung verfasst, die Finanzen für die Frau und die Kinder geordnet. Nachts, wenn ich nicht schlafen kann, verfasse ich meine eigene Grabrede. Ich versuche auszurechnen, wieviele Tage ich noch zu leben habe. Ohne Ergebnis. In Gedanken nehme ich schon Abschied.
Meine Familie ist für mich da, bedingungslos und immer. Trotzdem fühle ich mich einsam und allein. Ich rede wenig. Dies ist "mein" Tod.
2. Trotzphase
Ich bin arbeitsunfähig. Genau 1 Tag sitze ich auf meiner Couch und denke über meine Situation nach. Dann kommt der Trotz durch. Ich habe nur 2 Möglichkeiten: entweder mich meinem Schicksal ergeben oder kämpfen. Und ich entscheide mich sofort fürs Kämpfen, da ich leben will. Die Alternative gefällt mir gar nicht.
"Das regel ich schon!" "Diesem Sch....-Tumor zeige ich es" "Ich bekämpfe diesen Feind!" "Ich werde noch meine Enkel im Arm halten"
Ich telefoniere mit allen Menschen, die mir im Leben etwas bedeutet haben und knalle ihnen meine Diagnose schonungslos an den Kopf. Auch sie sind geschockt, aber sie reagieren alle vorbildlich. Viele reagieren emotional, andere wieder sagen offen, dass sie dazu gar nichts sagen können, ausser, dass sie bei mir sind. Aber keiner redet dummes Zeug. Alle sind sie für mich, für uns, da.
Ich erkenne auch, dass nicht ich allein erkrankt bin. Auch meine Frau und meine Kinder brauchen und erhalten Zuspruch. Es tut so gut in einer intakten Familie zu leben und wirkliche Freunde zu haben. Ich werde nicht nur für mich kämpfen, sondern auch für sie alle. Ich rede sehr viel über meine Krankheit, aber auch über meine Gefühle. Das tut in einer Weise gut, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. Ich, der Ruhige, der große Schweiger, redet auf einmal.
3. Suchphase
Der Kampf beginnt. Tage- und nächtelang durchstöbere ich das Internet, lese Bücher zu diesem Thema, befrage Jeden, der auch nur ansatzweise etwas mit dem Thema Krebs zu tun hat. Ich besuche Kliniken, Urologen, Onkologen, Naturheilkundler, Kongresse. Ich hole mir Zweit-, Dritt- und Viert-Meinungen. Ich lerne Dr. Strum in Darmstadt kennen. Ich besuche eine SHG.
"Da muss es etwas geben, das mir hilft" "Ich muss nur den Richtigen finden" "Die Schulmedizin weiß nicht alles"
Doch die Fülle an Informationen zur Therapie ist riesig. Einerseits die evidenzbasierte Schulmedizin, die mir sagt, dass sie mich nicht mehr heilen kann, andererseits alle möglichen Institutionen und "Fachleute", die mir eine Heilung in Aussicht stellen. Manches davon ist verlockend, manches einfach absurd und gefährlich. Doch wie das Eine vom Anderen unterscheiden? Ich bin doch nur Laie. Sehr früh befasse ich mich auch mit der psychoonkologischen Seite. Ich lerne, dass die Psyche eine große Rolle spielt.
In dieser Phase wird man gerne zum LEO (Leicht erreichbares Opfer). Der Druck, der auf mir lastet, verführt mich fast dazu, den vielen Versprechungen einfach zu glauben. Doch, wenn man tiefer in die Materie geht, bleibt oft nur heiße Luft. Bitte nicht falsch verstehen! Ich bin durchaus ein Freund der Komplimentär-Medizin und von NEM`s. Aber in meinem Fall bin ich zur Überzeugung gelangt, dass sie nur als Ergänzung zur Schulmedizin dienen können. In einem Fall wurde mir ein teures Medikament angetragen, das bei Tieren sensationelle Remissionen bewirken soll. Meine Recherche dazu ergibt allerdings: Null!
4. Akzeptanzphase
Ich akzeptiere meine Erkrankung. Ich akzeptiere nicht, dass sie mich töten könnte. Der Tumor ist nicht mehr ein tödlicher Feind, der mich von außen wie ein gefährlicher Virus befallen hat, sondern es sind meine eigenen Zellen, die sich aus noch nicht bekannten Gründen einfach bilden und durch das Immunsystem nicht beseitigt werden können. Dies erlaubt mir, meine Therapie zu finden, die bisher erfolgreich ist. Es erlaubt mir, mit meinen Tumorzellen zu reden, wie zu einem missratenen Kind, das man als liebender Vater wieder auf den Pfad der Tugend führen möchte. Ich versuche eine tödliche Krankheit in eine chronische Krankheit zu überführen. Ob es gelingt, kann nur die Zukunft zeigen.
Ich komme langsam zur Ruhe und nehme meine Tätigkeit in einer SHG auf. Das in kurzer Zeit erlangte Wissen möchte ich an andere weitergeben und neues dazu gewinnen. Es ergibt für mich einen Sinn im Leben. Auch suche ich bewußt durch diese Tätigkeit den Kontakt zu Ärzten und Betroffenen, in der Hoffnung, sie könnten mir und anderen helfen. Ich finde in der SHG neue Freunde.
Ich lerne zusammen mit meiner Frau, dass ein fast testosteronloser Mann, ein Neutrum, trotzdem Spaß am Sex haben kann. Aber ich leide darunter, dass mein früher so sportlicher Körper verweiblicht, aufschwemmt, fett wird. Die Kraft schwindet, die Gelenke schmerzen. Hier bezahle ich den größten Preis.
Ich kann mir nun in Ruhe Gedanken machen, wie es nach Versagen der DHB weitergehen soll. Es gibt einige Optionen. Es beruhigt mich zu wissen, was in meinem Körper vorgeht und wie ich darauf reagieren kann. Die Zukunft ist wieder klarer und freundlicher geworden.
Liebe Grüße
Günter
Angeregt durch Helmuts Bericht http://forum.prostatakrebs-bps.de/sh...s-ein-Rckblick und durch ein Referat von PD Dr. Tschada, Chefarzt der Urologie im Diakoniekrankenhaus Mannheim, das er im Mai vor unserer SHG gehalten hatte, habe ich mir darüber Gedanken gemacht, wie es bei mir war und noch ist. Ich möchte hier nicht über Diagnosen und Therapien berichten, sondern über die psychische Verarbeitung meiner Erkrankung.
1. Schockphase
Im März 2009 traf mich die Diagnose fortgeschrittener Prostatakrebs vollkommen unerwartet. In unserer Familie ist Krebs unbekannt. Ich dachte, dass ich ev. einmal an einem Herzinfarkt sterbe wie mein Vater oder dass ich einen Unfall erleide, da ich viel mit dem Auto unterwegs bin und auch gerne das eine oder andere gefährliche Hobby betrieben hatte. Spaßeshalber habe ich früher immer gesagt, dass ich mit 90 durch einen eifersüchtigen Ehemann im Bett meiner Geliebten erdolcht werde.
Doch nun: Krebs!
"Die irren sich!" "Das kann nicht sein!" "Warum ich?" "Was habe ich falsch gemacht?" "Wann sterbe ich?" sind meine Gedanken.
Schnell ist eine Patientenverfügung verfasst, die Finanzen für die Frau und die Kinder geordnet. Nachts, wenn ich nicht schlafen kann, verfasse ich meine eigene Grabrede. Ich versuche auszurechnen, wieviele Tage ich noch zu leben habe. Ohne Ergebnis. In Gedanken nehme ich schon Abschied.
Meine Familie ist für mich da, bedingungslos und immer. Trotzdem fühle ich mich einsam und allein. Ich rede wenig. Dies ist "mein" Tod.
2. Trotzphase
Ich bin arbeitsunfähig. Genau 1 Tag sitze ich auf meiner Couch und denke über meine Situation nach. Dann kommt der Trotz durch. Ich habe nur 2 Möglichkeiten: entweder mich meinem Schicksal ergeben oder kämpfen. Und ich entscheide mich sofort fürs Kämpfen, da ich leben will. Die Alternative gefällt mir gar nicht.
"Das regel ich schon!" "Diesem Sch....-Tumor zeige ich es" "Ich bekämpfe diesen Feind!" "Ich werde noch meine Enkel im Arm halten"
Ich telefoniere mit allen Menschen, die mir im Leben etwas bedeutet haben und knalle ihnen meine Diagnose schonungslos an den Kopf. Auch sie sind geschockt, aber sie reagieren alle vorbildlich. Viele reagieren emotional, andere wieder sagen offen, dass sie dazu gar nichts sagen können, ausser, dass sie bei mir sind. Aber keiner redet dummes Zeug. Alle sind sie für mich, für uns, da.
Ich erkenne auch, dass nicht ich allein erkrankt bin. Auch meine Frau und meine Kinder brauchen und erhalten Zuspruch. Es tut so gut in einer intakten Familie zu leben und wirkliche Freunde zu haben. Ich werde nicht nur für mich kämpfen, sondern auch für sie alle. Ich rede sehr viel über meine Krankheit, aber auch über meine Gefühle. Das tut in einer Weise gut, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. Ich, der Ruhige, der große Schweiger, redet auf einmal.
3. Suchphase
Der Kampf beginnt. Tage- und nächtelang durchstöbere ich das Internet, lese Bücher zu diesem Thema, befrage Jeden, der auch nur ansatzweise etwas mit dem Thema Krebs zu tun hat. Ich besuche Kliniken, Urologen, Onkologen, Naturheilkundler, Kongresse. Ich hole mir Zweit-, Dritt- und Viert-Meinungen. Ich lerne Dr. Strum in Darmstadt kennen. Ich besuche eine SHG.
"Da muss es etwas geben, das mir hilft" "Ich muss nur den Richtigen finden" "Die Schulmedizin weiß nicht alles"
Doch die Fülle an Informationen zur Therapie ist riesig. Einerseits die evidenzbasierte Schulmedizin, die mir sagt, dass sie mich nicht mehr heilen kann, andererseits alle möglichen Institutionen und "Fachleute", die mir eine Heilung in Aussicht stellen. Manches davon ist verlockend, manches einfach absurd und gefährlich. Doch wie das Eine vom Anderen unterscheiden? Ich bin doch nur Laie. Sehr früh befasse ich mich auch mit der psychoonkologischen Seite. Ich lerne, dass die Psyche eine große Rolle spielt.
In dieser Phase wird man gerne zum LEO (Leicht erreichbares Opfer). Der Druck, der auf mir lastet, verführt mich fast dazu, den vielen Versprechungen einfach zu glauben. Doch, wenn man tiefer in die Materie geht, bleibt oft nur heiße Luft. Bitte nicht falsch verstehen! Ich bin durchaus ein Freund der Komplimentär-Medizin und von NEM`s. Aber in meinem Fall bin ich zur Überzeugung gelangt, dass sie nur als Ergänzung zur Schulmedizin dienen können. In einem Fall wurde mir ein teures Medikament angetragen, das bei Tieren sensationelle Remissionen bewirken soll. Meine Recherche dazu ergibt allerdings: Null!
4. Akzeptanzphase
Ich akzeptiere meine Erkrankung. Ich akzeptiere nicht, dass sie mich töten könnte. Der Tumor ist nicht mehr ein tödlicher Feind, der mich von außen wie ein gefährlicher Virus befallen hat, sondern es sind meine eigenen Zellen, die sich aus noch nicht bekannten Gründen einfach bilden und durch das Immunsystem nicht beseitigt werden können. Dies erlaubt mir, meine Therapie zu finden, die bisher erfolgreich ist. Es erlaubt mir, mit meinen Tumorzellen zu reden, wie zu einem missratenen Kind, das man als liebender Vater wieder auf den Pfad der Tugend führen möchte. Ich versuche eine tödliche Krankheit in eine chronische Krankheit zu überführen. Ob es gelingt, kann nur die Zukunft zeigen.
Ich komme langsam zur Ruhe und nehme meine Tätigkeit in einer SHG auf. Das in kurzer Zeit erlangte Wissen möchte ich an andere weitergeben und neues dazu gewinnen. Es ergibt für mich einen Sinn im Leben. Auch suche ich bewußt durch diese Tätigkeit den Kontakt zu Ärzten und Betroffenen, in der Hoffnung, sie könnten mir und anderen helfen. Ich finde in der SHG neue Freunde.
Ich lerne zusammen mit meiner Frau, dass ein fast testosteronloser Mann, ein Neutrum, trotzdem Spaß am Sex haben kann. Aber ich leide darunter, dass mein früher so sportlicher Körper verweiblicht, aufschwemmt, fett wird. Die Kraft schwindet, die Gelenke schmerzen. Hier bezahle ich den größten Preis.
Ich kann mir nun in Ruhe Gedanken machen, wie es nach Versagen der DHB weitergehen soll. Es gibt einige Optionen. Es beruhigt mich zu wissen, was in meinem Körper vorgeht und wie ich darauf reagieren kann. Die Zukunft ist wieder klarer und freundlicher geworden.
Liebe Grüße
Günter
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