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    Liebe Briele, ich war gestern etwas kurz. Entschuldige bitte.

    Will jede kleine Sache eine Form von Würdigung erfahren, indem ich ihrer bewusst werde, es betrauere, mich verabschiede?

    Ja, wahrscheinlich. Alles, alles, alles kann einen runterreißen, und dann versucht man es mit Erklären, Einordnen - die klassischen Reflexe des vom rohen Leben beleidigten Intellekts.

    Ich bin kein Trauer-Fachmann, aber meine persönliche Theorie geht ungefähr so:
    Direkt nach dem Tod des geliebten Menschen kriecht man auf dem Level Null herum, für Tage, Wochen, Monate. Dann kommt man auf eine sacht ansteigende Ebene, wo es im täglichen Leben etwas besser wird. Simple Tätigkeiten wie Kochen, Abwasch & Co. werden hilfreich. Aber die
    sacht ansteigende Ebene ist - wie im Karst - von Löchern, Abstürzen auf Level Null durchzogen. Im Laufe der Zeit (der berühmten Heilerin) nimmt die Zahl der Löcher ab, aber wenn man sie erwischt, gehen sie wieder runter auf Level Null, und man hat das Gefühl man ist zurück auf Start. Und dann krabbelt man aus dem Loch und kommt zurück auf die sacht ansteigende Ebene, und mit viel Glück werden die Löcher wirklich weniger, aber sie werden immer da sein.

    Und Ja, Ja, Ja - das „man“ und die theoretische Ebene sind auch eine Methode, sich die Gefühle (ein bißchen) vom Leib zu halten. Selbsterhaltungstrieb?

    Ach
    Briele, so lange wir uns selbst so gut beschreiben können, sind wir, hoffe ich jedenfalls, auf einem halbwegs guten Weg.
    Gruß, Rastaman

    Kommentar


      Liebe Briele

      Leider war ich lange nicht da, Urlaub in Andalusien mit meiner Frau und Sohn, so manche Arbeit und, nur ungern zugegeben, das mir doch unheimliche Thema hier...im Augenblick ist es zu dieser Thematik ja alles ganz ruhig bei mir - da mochte ich nicht so recht her kommen und mich mit meinen Ängsten konfrontieren

      Doch dann dachte ich, jetzt muss ich doch endlich mal schauen nach deinen Briefen hier. Und so danke ich dir erst jetzt für deine Worte im Dezember.

      Vielmehr gibt es gerade nicht zu sagen, vielleicht noch, das auch mir das Buch von Yalom: In die Sonne sehen - wirklich eine Hilfe war. Und das mir immer noch gefällt, wie hier die Menschen miteinander umgehen!

      Nun werde ich die nächsten Tage die Links von Harald abarbeiten, sie scheinen wirklich spannend und wertvoll. Dann schau ich wieder mal rein

      LG

      Thomas

      Kommentar


        Lieber Rastaman,

        Ich glaub schon, dass wir auf einem halbwegs guten Weg sind, also ich bin da ziemlich zuversichtlich und ich meine Du kannst es für Dich auch sein. Weißt Du, wenn Du mir schreibst, dann denke ich gleich an Deinen Bruder, diesen Verlust, wahrscheinlich weil Du darüber in Deinem ersten Beitrag an mich geschrieben hast. Und dann kommt mir mein Bruder in den Sinn, um den ich schon einmal, kurz nach Papas Tod große Sorgen haben mußte, und dass es doch eigentlich, so man sich mag und gut versteht, niemanden gibt der einem näher steht als ein Geschwister, mit niemanden ist man mehr verwandt, keinem kann man mehr vertrauen, wer weiß sonst schon so viel von einem und man hat eine gemeinsame Geschichte.

        Einerseits sag ich mir Trauer kann und soll man nicht bewerten, traurig ist traurig, weh tut weh. Aber für mich gibt es doch - wie soll ich es nennen - Abstufungen, Unterschiede. Mir fehlen die Worte wenn ein Kind stirbt, da gibt es auch keine Worte des Trostes, die Trauer wird für immer bleiben. Und ein Geschwister ist auch so wie ein Stück von einem selbst.

        Nein, die Bergtouren werden nie, nie wieder so stattfinden, aber Du wirst da sein, und die Berge, die Erinnerung, die Liebe. Wenn du vielleicht denkst, Mensch, das bild ich mir nur ein, so gibt es doch für einen Moment oder mehrere das Gefühl, er geht nun neben Dir. Das sind so schmerzlich-süße Erlebnisse die eben beides sind, traurig und schön.

        Du beschreibst Deine Trauertheorie beeindruckend, in mehreren Bildern finde ich mich wieder. Was mir im Laufe der Zeit besser gelingt ist, die Löcher schon vorher zu sehen und ich sage mir dann, in jedes muß ich mich nicht plumpsen lassen. Für mich ist auch die Erfahrung beruhigend, dass ich aus ihnen wieder heraus komme und es Inseln für mich gibt.

        Die für mich wichtigste Insel ist hier. Ich weiß nicht wo und wie ich wäre, wenn ich “das” hier nicht hätte. Es war nicht geplant, es hat sich ergeben.
        Nicht nur das Schreiben tut mir gut, auch dass es gelesen wird und vor allem natürlich, dass ich darauf Reaktionen erfahre.

        Mach es weiter gut und ich freu mich wenn Du wieder einmal schreibst!
        Liebe Grüße Briele

        Kommentar


          Lieber Harald,

          Ganz herzlichen Dank für Deinen lieben Gruß und für die Links, besonders für den von SWR2. Ich habe unlängst auch wieder in jenen mit dem Thema “Trauer” gelesen, die Du mir vor ein paar Monaten geschickt hast.

          Es stimmt, ein Wort, ein Satz, ein Text kann weiterhelfen und mir ganz besonders wenn ich direkt angesprochen werde. Wahrscheinlich dringt das tiefer, schenkt man dem erhöhte Aufmerksamkeit, reflektiert man mehr. Mir fällt nämlich gerade auf, dass mir Rastaman oben etwas schrieb, was mich überprüfen lässt, ob ich auch in dem Ausmaß gut für mich sorge wie ich es möchte. Das habe ich in letzter Zeit nicht mehr so im Auge gehabt, aber durch seinen Beitrag an mich, denke ich nun wieder daran.
          Ich finde dafür hat man eine gewisse Verpflichtung und er hat es z.B. gut gemacht, indem er eine Reise geplant hat die er mit seinem Bruder gemacht hat, einen Film sieht, von dem er sich denken kann, dass er ihm nahe gehen wird, dass er weint, so sehr, dass er sich davon erst erholen muß, sich einen Tag dafür zusteht und dann die Reise antritt.

          Was ich jetzt geschrieben habe gehört eigentlich in den Beitrag an Rastaman, aber weil ich - nun ja - nicht mit ihm, aber mit meinem Brief an ihn fertig war, habe ich es hier geschrieben und weil es ein Beispiel ist, daß einem das, was andere erleben und sagen nicht nur ablenken, sondern manchmal sogar weiterbringen kann.

          Lieber Harald, hast Du ein von Dir angelegtes Archiv auf das Du zurückgreifst? Ich habe den Eindruck es ist natürlich nicht alles für jeden, aber dass Du für jeden etwas hast. Vielen Dank.

          Alles Liebe und Gute
          Briele

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            Ich war ziemlich durch den Wind. Ihr habt mir geholfen mit Beiträgen hier, mit p.N.’s, Links, tröstenden Worten und ich danke Euch von Herzen. Es tut mir immer wieder ein wenig leid, wenn sich die guten schönen Gedanken von Euch an mich nicht alle hier vereinen, andere auch was davon hätten. Aber ich will nicht meckern, so gehört der p.N.-Teil halt mir allein.

            Es war natürlich nicht durchgängig herbe, ich habe auf bewährte Mittel zurückgegriffen. Leute eingeladen, neue Rezepte ausprobiert, gekocht, in der Wohnung herum gekramt, wieder sortiert, verschenkt, entsorgt. Ich habe das Angebot einer Großstadt genutzt, lange flotte Gänge gemacht und mir manchmal nette Geschichten für mein Leben ausgedacht. Andere Male bin ich auf eine irgendwie schwere Art dahin getrottet ohne an Bestimmtes zu denken, dann kamen so Gedankenszuckungen: Werner ist tot, Werner ist tot, Werner ist tot. Ob er sich vorstellen hat können wie es mir ohne ihn geht? Wie das für mich ist? Das habe ich mir bei meinen Eltern, besonders bei Mama auch oft gedacht. Was für ein Kummer, dies nicht mit den Menschen besprechen zu können, von ihnen nicht getröstet zu werden!

            Bedenke ich es recht, so war ich erneut in der Phase, in der es mich umtreibt von einer Seite auf die andere. Es ist dies etwas was ich sonst von mir nicht kenne, was ich in meiner Trauer als wirklich sehr irritierende Zugabe empfinde und gerne los wär. Man kann natürlich sagen, der Zustand zeigt, dass sich etwas bewegt (ich) und das ist ja gut, ein Stillstand wäre besorgniserregend.

            Eben war ich noch halbwegs zufrieden mit mir, schon stelle ich wieder dies und jenes in Frage, Dinge, die eigentlich bereits entschieden waren, beackere ich neu. Ich sehe etliche Fehlentscheidungen in meinem bisherigen Leben, hauptsächlich finanzieller Art, Wohnraum betreffend und lasse sie zu sehr Hemmschuh für zukünftige werden. Wie ich überhaupt etwas zaghaft geworden bin, das ist neu und insgesamt bin ich mir manchmal auf eine seltsame Art fremd.

            Lange war es nicht mehr als ein dumpfes Ahnen, mehr und mehr habe ich nun den Eindruck, dass ich nicht nur meine Trauer hin und her wende, sondern auch mein Leben und meinen Tod, mein dereinstiges tot sein.

            Daß das Leben eine gefährliche Sache ist, unweigerlich mit dem Tod endet haben wir hier schon einmal ausgeführt. Alles klar.

            Man neigt ja dazu in seinen Vorstellungen die Menschen in einer Familie chronologisch sterben zu lassen. Die alten zuerst. Daß es leider nicht immer so läuft wissen wir. Ist dem so, dann geht es mir als nächste an den Kragen, in der kleinen Verwandtschaft bin ich jetzt die älteste, es gibt sonst niemand zwischen 60 und 100, ich bin sozusagen, wenn auch noch nicht ganz alt, die Patronin.
            Als Werner im Sterben lag dachte ich, wenn es geht, dann möchte ich bitte nur mehr bei meinem eigenen Sterben dabei sein, nicht mehr bei dem eines anderen. Dies denke ich nach wie vor.

            Bei dem Thema kommt man ziemlich schnell zu den Fragen, die fast alle Kranken umtreibt, nicht nur die, irgendwie hat jeder damit zu tun, weil man Angehöriger, Hinterbliebener, alternd ist, weil man denkt.
            Sollte ich so alt werden wie Werner, oder wie meine Eltern, dann meine ich aus guten Gründen (von denen vermutlich nicht alle gut sein werden) darauf hoffen zu dürfen, dass einem geholfen wird wenn man sagt, jetzt mag ich nicht mehr, jetzt kann ich nicht mehr. Ansonsten hoffe ich, dass es mich in kalter Winterzeit anweht, dass ich noch auf eigenen Füßen eine kleine Strecke gehen kann. Meistens ist es ja so, dass wenn man die Kraft hätte fehlt der Mut, ist der Mut da, fehlt die Kraft.

            Nein, ich bin nicht depressiv, ich bin nicht gefährdet, ich hatte noch nie in meinem Leben den Gedanken es - das Leben - nicht zu packen, mich aufzugeben, es gab wahrlich keinen Grund dafür. Aber man hat dies und das gesehen, miterlebt, man macht sich Gedanken. Ich erinnere ein Buch, das im Bergdorf sein muß, ich habe es nach Mamas Tod gekauft “how to commit suizide”. Wir haben daheim schon früh, da waren sie alle noch pumperlgesund, über das Thema gesprochen und ich habe großspurig gesagt, sie können sich auf mich verlassen, ich würde Tabletten haben, beschaffen. Als Mama mich ansprach, war eine Metastase am Mageneingang und sie konnte gar nichts bei sich behalten, nicht einmal einen Schluck Wasser. Sie wollte Papas Rasiermesser, ich habe es ihr nicht gebracht. Ich hab zu weinen begonnen und sie hat gesagt, ist schon gut, ist schon gut. Sie hat mich nicht bedrängt. Ich habe sie im Stich gelassen.
            Wahrscheinlich sollte man solche Sachen hier nicht schreiben. Man kann den Beitrag sofort löschen!

            Briele

            Kommentar


              Liebe Briele,
              heute bist Du aber wirklich hart drauf. Ich meine den Schluss mit Deiner Mutter. Man könnte es auch umgekehrt sehen: Darf man, auch als Sterbenskranke, von der eigenen Tochter ein Rasiermesser verlangen? Tabletten, okay, aber in so einer Situation kann man, glaub ich, gar nicht alles richtig machen. Ihr beide nicht. Auch wenn Du Jahrzehnte vorher gesagt hast, Du hättest dann im Zweifelsfall Tabletten - ich kann mir eigentlich schlecht einen Menschen vorstellen, der dann gleich loseilt und etwas Passendes besorgt (was übrigens?). Gab es keinen behandelnden Arzt, der über seinen hippokratischen Schatten hätte springen können? Was hast Du davon, wenn Du Dich jetzt anklagst (Ich habe sie im Stich gelassen)? Ich meine die Frage ernst - was immer man tut, es hat immer irgendeinen Nutzen für einen. "Nutzen" ist dabei ja wertneutral gemeint, der Nutzen ist ja nicht immer gut für einen. Er kann einen auch von etwas abhalten, was vielleicht gerade schwer zu tun, zu denken oder zu fühlen ist.
              Fürs Löschen bin ich übrigens überhaupt nicht. Du hast in Deinen Beiträgen eigentlich immer sensibel, selbstkritisch und manchmal durchaus mit Humor geschrieben. Es steht mir natürlich nicht zu, Dir jetzt öffentlich zu schreiben: Briele, ich kenn mich aus mit Selbstmitleid (ein hartes Wort), es ist nicht schlimm, wenn´s einen einmal packt. Aber ich wünsche Dir von Herzen, dass Du aus Deiner gegenwärtigen Stimmung wieder herauskommst!
              Ups, jetzt habe ich es aber doch getan
              Vielleicht musst Du mal wieder - bei Tageslicht - über den Ohlsdorfer Friedhof gehen....

              Herzliche Grüße, Giorgios

              Kommentar


                Doch, liebe Briele, solche Sachen sollte man hier schreiben. Auch und gerade hier!

                Ich werde es nie verstehen, daß die meisten Menschen sich nicht mit ihrer eigenen Endlichkeit beschäftigen mögen, ist diese Endlichkeit bei allen Unwägbarkeiten des Lebens doch das einzige, womit wir alle ganz sicher rechnen können. Bei den meisten Diskussionen hier geht es ja, wie immer bei medizinischen Themen, um Wahrscheinlichkeiten. Bei der Endlichkeit des Lebens nicht. Sie ist 100%ig sicher.

                Genauso wichtig ist die Diskussion des Selbstbestimmungsrechts am Lebensende. Alle Institutionen sind dagegen, die Religionsvereine, die Gesetze, sogar die ärtzliche Standesordung, und wo der letzte Wille nicht direkt verboten werden werden kann, wird es zumindest richtig schwer gemacht, der Hebel wird dann eben bei den potentiellen Helfern angesetzt.

                Als mein Bruder todkrank war, und die ambulanten Palliativ-Docs praktisch täglich vorbeikamen, hat er uns das Versprechen abgenommen, ihn absolut unter gar keinen Umständen in irgendeine Klinik zu bringen. Er war Arzt und wußte wie der Medizin-Apparat (meistens) funktioniert. Im Zweifel mit lebensverlängernden Maßnahmen, no matter what. Die Palliativ-Docs haben ihm recht gegeben, sie konnten nicht mal für ihre eigene Klinik die Respektierung des Patientenwillens garantieren. Ist das nicht furchtbar?

                Ich beneide die Schweizer um ihre Gesetze, dabei geht es da nicht mal um Sterbehilfe, sondern nur um die Hilfe beim Suizid. Noch mehr beneide ich die Holländer und Belgier um ihre Gesetze, wo es um echte Sterbehilfe geht. Und Ja, Mißbrauch ist möglich, wie immer. Aber dafür das Selbstbestimmungsrecht am Lebensende für alle verbieten?

                Ich könnte wüten für Stunden, aber damit würde ich Brieles Thread mißbrauchen. Also Stop, und Dank an Briele für den Denkanstoß.
                Gruß, Rastaman

                Kommentar


                  Lieber Rastaman,

                  Du bist herzlich eingeladen hier zu wüten und zu toben.
                  Wie wahr, die einzige Sicherheit im Leben ist die Tatsache, dass man stirbt. Es ist für mich (seit Jahrzehnten) ein wichtiger Teil von Freiheit, wie ich sie verstehe, dass ich mein Leben beenden kann wann ich es für richtig halte. Und ich krieg einen ganz dicken Hals wenn dann die Nazikeule geschwungen wird, oder es heißt ich mache den lieben Gott traurig.
                  __________________________________________________ __

                  Lieber Giorgios,
                  Huhu, ich geh natürlich nur bei Tag über den Ohlsdofer Friedhof, nicht weil ich mich nachts fürchten würde, sondern weil er dann geschlossen ist.
                  Eigentlich fand ich mich gestern ganz gut drauf und man kann nun natürlich sagen, meine Güte, wie ist sie dann, wenn sie schlecht drauf ist?

                  Weißt Du, ich schätze es, wenn Du Dich mit mir auseinandersetzt, es bedeutet ja immer, dass man es dem anderen wert ist. Und was ich jetzt schreibe geschieht nicht um Kontra zu geben, oder mich zu verteidigen.

                  Meine Anfälle von Selbstmitleid kenne ich, doch gestern war nicht ein Hauch davon da. Ich klage mich nicht an, es ist ein Fakt, dass ich Mama nicht geholfen habe den Leidensweg abzukürzen. Sie hat nichts von mir verlangt. Sie hatte eine Idee, nachdem die Tablettengeschichte ja nicht ging, sie hat sie mit mir besprochen und ich hätte ihr etwas bringen müssen, damit sie es realisieren kann.

                  Und weißt Du was? Mein Problem war nicht so sehr, dass sie es machen will, mein unüberwindbares Problem war, dass es so ein trauriges, einsames Geschäft wäre, sie dabei alleine sein muß, ich nicht bei ihr bin, sie nicht halten kann.

                  Man kann natürlich sagen, solche Dinge muß jeder für sich selbst regeln, da darf man einen anderen nicht damit belästigen. Ich finde es ehrlich gesagt selbstverständlich, auch gut, dass die drei mir wichtigsten Menschen ihre Sorgen und Gedanken mit mir geteilt haben. Eine grässliche Vorstellung sie hätten es nicht getan.

                  Mein Mann ist öfter über den Seiten von Dignitas gesessen. Man muß wohl froh sein, dass es diese Einrichtung gibt, gefallen kann sie einem nicht. Da karrt man dann einen sterbenden Menschen durch halb Mitteleuropa, damit er auf einer Pritsche in einem schäbigen Zimmer hoffentlich in der Lage ist einen Medikamentenmix einzunehmen.

                  Als mein Papa begann zu sterben, war ich besser vorbereitet, doch es ging alles von selbst gut. Und für Werner hatte ich einen Vorschlag, der ihn ungemein erleichterte. Es beunruhigte ihn ein wenig die Vorstellung ich könnte Schwierigkeiten bekommen, aber was sollte mir schon passieren? Das Schlimmste, aber eher Unwahrscheinliche wäre, dass ich in “den Häf’n” (österreichisch für Knast) muß und davor braucht man sich in unseren Breiten nicht wirklich zu fürchten. Natürlich war ich froh, dass es auf der Palliativstation gut und noch einmal gut war, ich nur immer aufpasste, aber nicht eingreifen mußte.

                  Du schreibst von “Nutzen” und ich verstehe was du meinst. Natürlich, und wenn täglich nur fünf Minuten sind, in denen ich mich glücklich fühle und vielleicht gibt es noch den einen Austausch, nahen Moment, tiefen Blick, dann ist es doch wert alles auf sich zu nehmen, auszuhalten. ? Nach meiner Meinung muß das aber jeder für entscheiden dürfen. Es muß ja keiner die Abkürzung nehmen, aber er muß es dürfen und mit (christlicher) Barmherzigkeit sollte dem Menschen dabei so gut es geht geholfen werden.

                  In dem Buch, das ich unlängst erwähnte “In die Sonne schauen” erzählt Yalom von einer Gruppe schwer erkrankter Menschen, die bitter beklagen, dass sie nichts mehr können, so angewiesen sind auf andere. Eine Frau meinte dann, doch, etwas kann ich noch, ich kann anderen vorleben wie man gut stirbt. Das ist toll, vielleicht wird mein Ende so, dass ich das machen kann. Aber vielleicht bin ich dann in einem so elenden Zustand, dass ich nicht mehr, aber auch nicht weniger wünsche, als man einem geliebten Haustier zusteht.

                  Ich möchte einfach die Wahl haben und fände es ungeheuer beruhigend mich darauf verlassen zu können. Weil dies nicht so ist, können dann Menschen wie ich nur hoffen einen anderen Menschen zu haben, der zumindest nicht von vornherein Hilfe ablehnt. Oder man ist gezwungen zu einem Zeitpunkt, an dem man eigentlich noch ganz gut leben kann, zur Tat zu schreiten, was doch schrecklich ist.

                  Liebe Grüße Briele

                  Kommentar


                    Zitat von Briele Beitrag anzeigen
                    ich habe es mir verkniffen hier über Bücher zu schreiben die ich lese.
                    Nein Briele, bitte nicht verkneifen. “In die Sonne schauen - wie man die Angst vor dem Tod überwindet” von Irvin D. Yalom ist ein wunderbares Buch. Eher mehr davon. Ich kann mir schwer einen Menschen vorstellen, der, Interesse an den Grundfragen des Lebens vorausgesetzt, von der Lektüre nicht profitieren kann. Die meisten Einsichten, Anregungen etc. sind geradezu schmerzhaft gut auf den Punkt gebracht, und so dermaßen vernünftig, daß ich, alter Skeptiker, eine Weile dachte, Ja, alles richtig, alles klar, aber da ist doch ein Unterschied zwischen der philosophischen, gedanklichen Erörterung der "letzten Fragen" und der existentielleren Erfahrung derselben Fragen im therapeutischem Kontext, in dem Yalom sie meist entwickelt - bis mir aufging, daß wir in diesem Forum, egal ob Betroffene oder Angehörige, den von Yalom postulierten "Weckruf" natürlich längst hinter uns haben. Wer das jetzt nicht versteht, möge bitte das Buch lesen. Lohnt sich.

                    Ich erlaube mir, hier auch 3 Bücher zu empfehlen. Die beiden von Joan Didion gehören möglichweise zu den weiter oben beschriebenen "meterweise Bücher zu dem Thema Tod und Trauer", die Du gelesen hast. Für alle anderen liefert der Spiegel-Artikel von Klaus Brinkbäumer, den ich selbst als Autor schätze, einen guten Einstieg.

                    Joan Didion:
                    "Das Jahr magischen Denkens"
                    "Blaue Stunden"
                    Joan Didion schrieb zarte und scharfe Essays und Romane, doch ein Star war sie nicht. Dann starb ihr Mann, und Didion verfasste einen Weltbestseller. Sie ist 77 Jahre alt, auch die Tochter ist tot. Ein neues Buch erscheint. Und was bleibt?


                    Beim Buch von Tiziano Terzani: "Noch eine Runde auf dem Karussell - Chronik einer Krankheit" geht es mehr um den Umgang mit seiner Krebserkrankung. Das Buch gehört chronologisch vor sein viel bekannteres "Das Ende ist mein Anfang" und beschreibt seine Erfahrungen erst im heiligen Gral der Krebsmedizin (dem Memorial Sloan-Kettering Cancer Center) und dann bei allen möglichen und unmöglichen Außenseiter-Therapien weltweit. Besonders die indischen Episoden führen dann (Ja natürlich!) auch wieder zu den "letzten Fragen". Ach Indien - unwahrscheinlich, daß ich da noch mal hinreise.

                    Liebe Briele, gib' bitte Bescheid, wenn Du dergleichen nicht in Deinem Thread haben willst.
                    Gruß, Rastaman

                    Kommentar


                      Lieber Rastaman, - und andere Lesende…..

                      Also ich hab es gerne, wenn hier über Bücher geschrieben wird und ich danke Dir für Deine Empfehlungen. So wurde ich jetzt wieder an Joan Didion erinnert und dass ich doch nach “Das Jahr magischen Denkens” eigentlich auch das Buch über ihre Tochter lesen wollte. Und ich kenne nicht “Noch eine Runde auf dem Karussell”.

                      Mir fällt nun auf, dass ich nach Werners Tod selten in Buchhandlungen die Trauerecke aufsuche, nachdem Mama gestorben war, zog es mich ständig dort hin. Vielleicht weil ich etwas Besseres gefunden habe - die Ecke hier!

                      Die meisten Bücher zum Thema sind im Bergdorf, erstaunlich wenige Titel präsent, und momentan scheint mir “In die Sonne schauen” von Yalom ist nicht zu toppen. Trotzdem:

                      “Das Zimmer” von Helen Garner
                      “Die Geschichte meines Todes” von Harold Brodkey
                      “Diktate über Sterben und Tod” Peter Noll
                      “Vom Alter” Norberto Bobbio
                      “Wenn wir uns mitten im Leben meinen” von Sybil Gräfin Schönfeldt
                      “Ein sanfter Tod” Simone de Beauvoir
                      “Noch ein Jahr zu leben” von Stephen Levine

                      An Menschen die im Glauben verankert sind, habe ich schon mehrere Male Bücher von “Georg Schwikart” verschenkt und überzeugende positive Rückmeldungen bekommen.

                      Und hier - ein wirklich gutes, schönes Buch für Kinder, eigentlich für Menschen zwischen 9 und 99: “Matti und sein Großvater” von Roberto Piumini ,http://www.zeit.de/1994/12/gehen-wir-spazieren

                      Es sind hier alle eingeladen zu schreiben, der thread gehört nicht mir, ich habe ihn nur begonnen und hätten nicht andere auch hier geschrieben, dann wär ich doch schon längst verstummt. Man könnte den Threadtitel auch umbenennen, z.B. in "Lamento".

                      Alles Liebe und Gute
                      Briele

                      __________________________________________________ __________________________________________________ _____________________________

                      Ich habe eine ärgerliche Aufregung gehabt, d.h. ich habe mich ärgerlich, aufgeregt gemacht und wusste dabei, dass der Gefühlsaufruhr die Sache doch gar nicht wert ist, ich da übertrieben reagiere, in ein paar Wochen vermutlich nicht einmal mehr daran denken werde. Trotzdem konnte ich es nicht weg schieben, habe schlecht geschlafen, zuviel Süßes gegessen und mich in einen unguten Kreislauf gebracht. Ich habe auch eine unglückliche Wahl getroffen, indem ich die Angelegenheit und meine Reaktion darauf mit einem Menschen besprach, der dafür ungeeignet ist. Nachträglich konnte ich kaum begreifen warum ich mich dazu hinreißen hab lassen.

                      Wie war das früher? Ähnliche Situationen gibt es immer wieder im Leben. Ich war dann nicht so schnell, nicht so umfassend aus dem Ruder, es hat sich nicht oben drauf noch meine Trauer und mein Verlust gesetzt. Und das geht jetzt immer rasend schnell, man könnte meinen die Trauer hockt allzeit bereit da, um sich sofort auf jede bröckelnde Stelle zu stürzen, sich so richtig breit und fett drauf zu lagern, festzusaugen.

                      Ich habe, in dem früheren Leben, Widrigkeiten mit leichterer Hand bewältigt, die eine und andere auch einfach beiseite gewischt. Und im Rücken immer meine Eltern und ja auch lange meinen Werner. Das ist eben weg. Ich bin angreifbarer.

                      In solchen Zeiten sehe ich dann noch dazu öfter als sonst großgewachsene Männer in Cordhosen, Lederjacken, mit grauer Mähne und aufrechtem Gang, oder Magere, Gebeugte, mehr schlurfend als gehend, die Arme auf dem Rücken verschränkt, mit weißen Haaren, die Beine schwer hebend. Manchmal gehe ich ihnen ein paar Schritte hinterher. Dann muß ich über mich lächeln. So wie ich nach Mamas Tod hinter älteren Frauen her war, nun also hinter älteren Herren?

                      Ich kann meine Leute nicht mehr wiederhaben, nicht mein früheres Leben, aber schön langsam möchte ich mehr als alles mich wiederhaben. Auch rufe ich ihnen innerlich manchmal zu - ihr habt keine Ahnung, ihr könnt Euch das überhaupt nicht vorstellen! Nein, hätten sie nicht können, wie auch, sie waren nicht in meiner Situation. Und sie könnten sagen, du hast keine Ahnung wie das ist wenn man stirbt. Ah, aber da habe ich natürlich eine Antwort.

                      Als es mir in diesen Tagen grimmig ging, ich vor Werners Fotografien stand, habe ich eine genommen, mich auf die Couch gelegt und das Bild auf mein Herz. Friede ist über mich gekommen. Das Erlebnis ist jetzt einmal anscheinend nicht wiederholbar, aber es war sehr schön gewesen und es ist es noch immer etwas davon da.

                      Alles Gute für Euch, Extragruß an Giorgios.
                      Briele

                      Kommentar


                        Liebe Briele,

                        danke für den Extragruß, fühle mich (unverdient?) geehrt.
                        Ich habe auch eine Buchempfehlung: György Konrad, "Sonnenfinsternis auf dem Berg", Suhrkamp-Verlag. Kostet im Buchhandel ca. 24 Euro, bei Zweitausendeins 2,95!
                        Es geht um viel Leben - und auch ein wenig Tod. der Autor war knapp über siebzig, als er diesen autobiographischen Roman schrieb. Konrad ist Ungar und allerhand Drangsalierungen erlebt: 1944 knapp der Deportation entgangen, anfangs sehr angetan vom Aufbau eines sozialistischen Staats, aber schnell desillusioniert. Er hatte Berufs- und Publikationsverbot, wurde ständig überwacht und beschnüffelt, aber hat immer weiter geschrieben. Das Buch (und der Autor) hat mir so gut gefallen, weil Konrad sich immer eine Grund-Heiterkeit bewahrt hat. Und auch, was den Tod angeht, bleibt er sehr, sehr gelassen. Ich musste beim Lesen in den letzten Tagen viel an Dich denken, liebe Briele. Hätte ich eine Adresse gehabt, wär mein Exemplar wohl schon bei Dir gelandet. So habe ich es meiner Frau empfohlen - mal sehen, ob es ihr auch gefällt.

                        Jetzt muss ich in die Küche und kochen.

                        Alles Gute an Dich und an alle Mitleser, Giorgios

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                          Von der Lust zu leben

                          Liebe Briele,

                          zum Sonntag hier und hier noch mal was zu Epikur und seinen Gedanken als Wegweiser zu einem glücklichen Leben in heiterer Seelenruhe.

                          "Worüber soll sich der freuen, der an sich selbst keine Freude mehr hat?"
                          (Epikur)

                          Gruß Harald

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                            In diesen Tagen pflüge ich die Wohnung um, in der nächsten kommt das doch recht große Dachbodenabteil dran. Und die Woche drauf der Sperrmüll, dafür gibt es hier eine längere Vorlaufzeit. Gedanklich beschäftige ich mich schon länger damit, wie ich alles so handhaben will. Nebenbei, in einer tieferen Schicht, läuft seit geraumer Zeit ein anderer Gedankenstrang. Der hat sich hoch gearbeitet und präsentiert sich nun in schöner Klarheit: Ich gebe, gönne, leiste, stehe mir ein weiteres Jahr in dieser Wohnung zu. Das gibt mir nicht nur ein Gefühl von Erleichterung, es geht hin in Richtung Glücksgefühl! Fast vergleichbar mit dem Gefühl wenn ein Schmerz nachlässt, ein Kummerklops aufgeweicht ist.

                            Man könnte nun denken, ist ja ein seltsames Timing; Sperrmüll kommen lassen und in der Wohnung bleiben. Aber das fühlt sich für mich gut an.
                            Ich geb weg was ich nicht will, nicht brauche und vom Sperrmülldienst werden die Dinge an eine caritative Einrichtung gegeben und dort verkauft, verschenkt, was weiß ich. Und hier ist alles ein bißchen ausgedünnt. Vor Jahren habe ich einmal noch vier Wochen in einer Wohnung gelebt, in der wirklich nur mehr das Notwendigste stand, alles andere war bereits am anderen Ort. Das hatte was!

                            Nun sage ich Euch etwas, was Ihr vermutlich ohnehin wisst: alles, was man auf den Dachboden oder in den Keller stellt, kann man gleich entsorgen!

                            Liebe Grüße Briele
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                            Lieber Giorgios,
                            naja, der Extragruss war, weil ich bei meinem vorletzten Beitrag vielleicht ein bißchen heftig in Fahrt gekommen bin und es war gar nicht an Deine Adresse gerichtet, lief aber unter der!

                            Danke für den Buchtipp und danke, dass Du es mir sogar geschickt hättest.
                            Ich wollte ohnehin anregen, dass hier bitte auch Bücher empfohlen werden, die einfach gut tun.
                            Dir alles Liebe und Gute
                            Briele
                            __________________________________________________ _____________

                            Lieber Harald,
                            herzlichen Dank für die Grüße, die Links, besonders für das zweite "hier", die Seite kannte ich noch nicht.
                            Ein glückliches Leben in heiterer Seelenruhe - das wünsche ich uns allen.
                            Wie geht es Dir?
                            Liebe Grüße Briele

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                              Ein Gespräch, herrlicher als alles Gold

                              Zitat von Peter Bacher
                              Abendeinladung in eine Villa in München. Kleines Essen, Nachbarn, Freunde, Bekannte, zwölf Personen. Eine Gastgeberin, die an alles gedacht hat, auch bei der Tischordnung, damit es bei den Gesprächen "funkt". Nach fünf Stunden Aufbruch. "Es war so interessant mit Ihnen", sagte die Dame des Hauses. Da muss mich der Teufel geritten haben, denn ich antwortete – zugegeben schnippisch: "Vielen Dank, gnädige Frau, aber ich habe den ganzen Abend keine vier zusammenhängende Sätze sagen können." – "Oh", flötete sie nun, "hoffentlich haben Sie wenigstens viel Neues erfahren, ihr Journalisten seid ja immer scharf auf Neues."
                              Bitte, hier weiterlesen.

                              Ja, liebe Briele,

                              "Wenn sich die Chance zu einem guten Gespräch ergibt, sollte man sofort alles stehen und liegen lassen, das Handy abstellen, um sich alle Zeit der Welt zu nehmen."

                              "Zufriedenheit bringt auch in der Armut Glück; Unzufriedenheit ist Armut auch im Glück"
                              (Laotse)

                              Herzliche Grüße

                              Harald

                              P.S.: In der Plauderecke demnächst ergänzende Hinweise zu meinem aktuellen Befinden, das mir mehr Kopfzerbrechen bereitet als das PCa.

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