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    #16
    Mein damaliger Urologe hat kurz aufgelacht, als ich mit ihm meine Entscheidung gegen die Op diskutierte und beiläufig meinte, dass ja wohl mit 30-50 Impotenz zu rechnen sei: wohl eher 80%, war seine Reaktion. Das habe ich sehr geschätzt, aber er war weiterhin für die Op und ich dagegen (wobei die Potenz für mich drittrangig war). Ernst genommen habe ich das auf jeden Fall, denn die simpelste Internetsuche liefert die Information auch. Wer heutzutage sich auf Youtube bunte Filmchen angucken kann und bei amazon Elektronik (-schrott) bestellt sollte auch auf die Website des BPS oder anderer seriösen Einrichtungen gelangen können, ohne Abitur oder IQ über 80.

    Lutz, wenn du willst, dass der Arzt nur auf Verlangen ehrlich ist, liegst du völlig daneben. Es muss genau umgekehrt laufen. Der Arzt hat bereits die natürliche Tendenz alles zu beschönigen, denn wer will schon schlechte Nachrichten überbringen (die auch noch schlecht fürs Geschäft sind)? Diese Tendenz sollte der Arzt möglichst unterdrücken, denn sonst ist die Enttäuschung nachher umso größer - wie die Forumsdiskussionen zeigen. Die Op ist dann aber bezahlt.

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      #17
      So verschieden sind die Menschen.

      Während viele die milden Ansagen der Mediziner (die man je nach Temperament schonend, motivierend oder eben weichgespült nennen kann) bevorzugen, erwarte ich ausdrücklich eine komplette, schonungslose Aufklärung. Ich bin sofort weg, wenn ich das Gefühl habe, daß die Risiken und Nebenwirkungen schöngeredet werden. Noch schneller wäre ich weg, wenn Mediziner, wie wir es hier häufig lesen, einem einfach etwas verordnen, ohne Alternativen, vor allem ohne vernünftige vorgeschaltete Diagnostik.

      Ist wohl eine Einstellungssache. Mir sind auch Handwerker lieber, die bei einem angedachten "Eingriff" an einem alten Haus sagen, das könne durchaus 10,000,- Euro kosten, als die, die sagen, können wir wohl für 5.000,- hinkriegen. Ich freue mich lieber, wenn's dann bloß 8.000,- kostet, während ich mich nach der 5000er Ansage über eine Rechnung von 6000,- ärgern würde. Die Analogie werden nicht alle mögen, ich finde sie durchaus naheliegend...

      Edit: Ich sehe grade, daß Martin es besser (weil auf der medizinischen Schiene bleibend) ausgedrückt hat. Danke.
      Gruß, Rastaman

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        #18
        Zitat von MartinWK Beitrag anzeigen
        ...
        Lutz, wenn du willst, dass der Arzt nur auf Verlangen ehrlich ist, liegst du völlig daneben. Es muss genau umgekehrt laufen.
        ...
        Jein, würde ich da sagen.
        Ein Freund von mir ist in diesem Jahr innerhalb kurzer Zeit an Lungenentzündung verstorben. Er hatte ein paar Wochen vorher eine Krebsdiagnose von einem Onkologen erhalten, den ich auch schon vor vier Jahren mal aufgesucht hatte. Dieser Onkologe machte mir damals, ohne dass entsprechende Untersuchungsergebnisse vorlagen, ordentlich Angst, dass ich wohl einen neuroendokrinen Tumor hätte und es somit für mich ganz böse aussähe. Zwei Wochen lang lebte ich wie in Trance, bis dann die Entwarnung kam.
        Nachdem mein Freund bei diesem Onkologen zur Biopsie des Tumors, ein Lymphom, gewesen ist, war sein Lebensmut auf Null gesunken. Ich kann jetzt nicht beweisen, dass wegen dieser Situation das Immunsystem meines Freundes so stark geschwächelt hat, dass aus einer einfachen Erkältung eine tödliche Lungenentzündung wurde, aber ich vermute da ganz stark einen Zusammenhang. Er war ansonsten immer topfit und die genaue Krebsdiagnose lag noch gar nicht vor. Es gab auch noch keinen Therapieplan.
        Sagen wir mal so, der Arzt sollte erkennen, was er seinem Patienten an "Wahrheit" zumuten kann, damit dieser, übertrieben gesagt, nicht schon vorher vor Angst stirbt.
        Es gibt sicher Patienten, denen man sagen kann, dass sie nur noch 3 Wochen haben und ihre Angelegenheiten regeln sollten. Die machen das dann und sterben dann.
        Andere dagegen könnten sich aus Frust schon vorher selbst umbringen, obwohl vielleicht die Prgnose dann doch gar nicht hätte stimmen müssen.
        Ich finde, ein Arzt hat da schon eine sehr große Verantwortung.
        Gruß
        Lutz
        Liebe Grüße Lutz --- > Mein Profil bei myProstate < --- > Erlebnisberichte meiner Therapien <

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          #19
          Hallo Rastaman,
          ich liebe Analogien und stimme dir da auch gerne zu.
          Aber du sagst es ja selbst: So verschieden sind die Menschen.
          Gruß
          Lutz
          Liebe Grüße Lutz --- > Mein Profil bei myProstate < --- > Erlebnisberichte meiner Therapien <

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            #20
            Mit der absoluten und relativen Wahrheit ist das so eine Sache, ich habe mehrfache eine Ausbildung zum Ersthelfer gemacht, ein altgedienter Sanitäter hat mal das Dilemma beschrieben, er hat als Ersthelfer immer alles herunter gespielt um den Patienten zu beruhigen. Das finde ich für den Akutfall auch für absolut in Ordnung. Bein einer Erkrankung möchte ich aber ehrlich informiert werden, sonst trifft der Arzt die Entscheidung und ich fühle mich im Nachhinein entmündigt. Natürlich habe ich mich im Internet informiert aber es ist doch nicht so, das Dr. Google einem abgewogene klare Empfehlungen liefert. Natürlich haben auch Ärzte ihre Absichten, ich denke mein Urologe erhält keine Einweisungsprämie, ich war auch nicht in dem Krankenhaus, mit dem sein MVZ zusammenarbeitet sondern in der regional bestens beurteilten Klinik. Der Operateur sagt beide Wege (OP, Bestrahlung) führen mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Ziel und macht mir sogar kurzfristig einen Termin in der Strahlenklinik aus. Die Strahlenärztin berät mich auch neutral, meint wenn ich so auf Zahlenmaterial stehe, sollte ich mich von ihrem Chef beraten lassen, der würde für die Bestrahlung plädieren. Aber für Brachy-Therapie müsste ich einen Beratungstermin in Erlangen ausmachen – keine Ahnung wann da Termine frei sind. Sie gibt das Statement ab, die Jüngeren würden sich operieren, die Älteren bestrahlen lassen – ihre Empfehlung: OP! Die 40 Termine für die externe Bestrahlung schrecken mich auch ab. Anfang September sind noch zwei Da Vinci-OP Termine frei – es wird nervenerhaltend operiert. Mein ehemaliger Hausarzt ist für OP, mein aktueller neutral und beschwichtigend: „Bei einem Zufallsbefund (mpMRT) kommt meistens bei einer Biopsie nichts heraus.“ Ich will echt nicht hören, dass ich mich unzureichend oder einseitig informiert hätte und intellektuell nicht in der Lage wäre Informationen einzuordnen. Zum Schluss fangen mich die Argumente, Zweitwaffe behalten, nervenschonende OP und die ärztlichen Empfehlungen die mehr Richtung OP gingen. Mit dem jetztigen Wissen würde ich mich für Brachy-Therapie und externe Betrahlung entscheiden in der Hoffnung die Potenz wäre besser, Rezidiv- und Überlebenswahrscheinlichkeit wären deutlich besser und ich würde mich weniger verstümmelt fühlen.

            Gruß, Karl

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              #21
              Das übertriebene Berücksichtigen der von Person A lediglich vermuteten Empfindlichkeit von Person B läßt sich nicht durch die allgemein gültige Feststellung, A und B seien verschieden ("Kalenderblattweisheit"), rechtfertigen. Aus dem Vorenthalten von Wahrheit entstehen am Ende mindesten so große Probleme wie beim Gegenteil. Das sieht man sowohl bei Staaten, die die Wahrheit unterdrücken, als auch im persönlichen Umgang, wenn wohlmeinende Mitmenschen glauben, einem Leid ersparen zu müssen: manche Informationen hätte man besser gehabt, und hadert dann später mit der "netten" Person; und es wird als Bevormundung empfunden. In Bezug auf einen Arzt ist das genau das väterliche Verhalten, was wir uns nicht wünschen sollten, und schadet dem Vertrauensverhältnis. Lutz, ich gebe dir recht: übertriebene Schrecken an die Wand zu malen ist auch falsch, vielleicht will der Arzt dadurch den "Rastaman-Effekt" bewirken, vielleicht zeigen, wie "objektiv" und nüchtern er ist.

              Es gibt Situationen, wo der Arzt lügen darf: wenn der Tod in Stunden sicher ist muss er das nicht unbedingt verkünden, und kann sogar Hoffnung machen. Bei einem Katholiken kann das nach hinten losgehen, wenn dieser die letzte Ölung erwartet.

              Rastaman, dein Beispiel ist doch viel besser aus dem Leben gegriffen! Allerdings am Schönsten hat es Stanislaw Lem in der "Kyberiade" ausgedrückt:
              "Ein Hed entsprach in quantitativer Hinsicht exakt dem Glücksgefühl, das jemand empfindet, dem endlich ein Nagel aus seinem Stiefel entfernt worden ist, nachdem er zuvor vier Meilen damit zurückgelegt hat. Er multiplizierte den Weg mit der Zeit, dividierte durch die Länge des vorstehenden Nagels, setzte den Koeffizienten des geschundenen Fußes vor die Klammer, und so gelang es ihm, das Glück in Zentimetern, Gramm und Sekunden auszudrücken."
              Natürlich kann man das persönliche Glück nicht im cgs-System ausdrücken, weil jeder anders empfindet. Aber die medizinischen Fakten (cgs oder andere) mit der Angabe ihrer Unsicherheit zu nennen ist unabdingbar.

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                #22
                Hi Martin,
                "Rastaman-Effekt", das finde ich jetzt echt gut
                Gruß
                Lutz
                Liebe Grüße Lutz --- > Mein Profil bei myProstate < --- > Erlebnisberichte meiner Therapien <

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                  #23
                  Zitate von MartinWK

                  ... Der Arzt hat bereits die natürliche Tendenz alles zu beschönigen,
                  denn wer will schon schlechte Nachrichten überbringen (die auch noch schlecht fürs Geschäft sind)?
                  Diese Tendenz sollte der Arzt möglichst unterdrücken, …

                  … Aus dem Vorenthalten von Wahrheit entstehen am Ende mindesten so große Probleme wie beim Gegenteil …
                  Ja, nicht nur aus menschlicher, sondern auch aus juristischer Sicht, welche die Regeln des gedeihlichen Miteinanders spiegelt.

                  Bei allem Bestreben, unangenehme Wahrheiten unter den Teppich zu kehren und es bei vagen Verharmlosungen zu belassen,
                  laufen die Ärzte zum einen Gefahr, von ihren enttäuschten und überlebenden Patienten trotz deren vorrangig anderen Problemen
                  in Regress genommen zu werden.
                  Zum anderen kann es mangels tragfähiger Einwilligung des Betroffenen zu Strafverfahren gegen verschweigende Ärzte
                  wegen Körperverletzung kommen.
                  Dies betrifft alle Arten von Heilbehandlungen, nicht nur Operationen und Bestrahlungen, sondern auch schon das Verabreichen
                  einer Spritze oder das Verordnen eines Medikaments, soweit es in der Folge zu einem ursächlichen Schaden beim Patienten kommt.

                  Aufgeklärt werden muss über alle behandlungstypischen Risiken, deren Kenntnis vom Patienten nicht erwartet werden kann.
                  Der Patient muss hiernach im „Großen und Ganzen“ wissen, worin er einwilligt.

                  Zur Vermeidung von Aufklärungsverschulden sollte jeder Arzt daher klar und deutlich auch unangenehme Wahrheiten aussprechen,
                  statt diese sprachlich zu verschleiern oder zu verschweigen.

                  Am 26.02.2013 ist das sog. Patientenrechtegesetz (Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom ...




                  Liebe Grüße
                  Silvia
                  https://de.myprostate.eu/?req=user&id=1097

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                    #24
                    Zitat von urosport Beitrag anzeigen
                    Mit dem jetztigen Wissen würde ich mich für Brachy-Therapie und externe Betrahlung entscheiden in der Hoffnung die Potenz wäre besser, Rezidiv- und Überlebenswahrscheinlichkeit wären deutlich besser und ich würde mich weniger verstümmelt fühlen.
                    Karl, ich glaube du machst dir nur das Leben schwer. Ich hab jetzt in deinem Profil gesehen, dass du vor der OP einen ausgedehnten Befall mit tertiärem G9 hattest. Da war ohnehin eine Hormontherapie angesagt, bei der man sich, nach allem, was ich so gehört habe, um die Potenz keine Sorgen mehr zu machen braucht.

                    Sieh's positiv. Mit der OP kam fast die gesamte Tumormasse heraus und davon profitierst du hoffentlich im weiteren Verlauf.
                    Nur der Wechsel ist bestaendig.

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                      #25
                      Silvia, das sind interessante Links. Vielleicht kann Ralf sie in das "Basiswissen" einarbeiten (ein Kapitel über Patientenrechte gibt es dort bereits).

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                        #26
                        Silvia, die juristische Absicherung des Arztes wird doch durch die Thieme Compliance Erklärung abgedeckt. Da hatte ich auch so ein nettes Erlebnis: für eine Bruch-OP sollte ich die Thieme-Erklärung unterschreiben, ich habe es zu Hause durchgelesen: da stand, ich solle vorsorglich das Einverständnis zur Entfernung des Hodens geben, falls die Bruchpforte nicht geschlossen werden kann. Dem habe ich widersprochen. Mein Chirurg fragt, was mein Widerspruch zu bedeuten hat. Ich zeige ihm was da steht und er ließt es der Schwester laut vor, er kannte diese Passage nicht. Es käme nur bei sehr alten Männer vor. Ich dachte schon, dass ein erfahrener Oberarzt über den Inhalt der Erklärung informiert ist.

                        @Karl, der Verdacht, dass ich mir das Leben schwer mache, kam mir auch schon, aber ich mache das gar nicht absichtlich. Kaum hatte ich den Frieden mit meiner Therapiewahl geschlossen: Tumorlast massiv gesenk, top Diagnostik, sensitiver Überwachungsmarker; kommt mir eine Studie zur Kenntnis, dass Rezidiv und Überlebensraten auf 10 Jahre bei Brachy 3% wäre, bei OP 12% wären. Dann kam noch der Tumorverdacht des Radiologen dazu, und schon bin ich wieder am Boden. Also warten bis zum 11.1.23 auf das PET/CT, aber ob man bei PSA 0,0 etwas aufklären kann? Nächster Schritt Metastasen wachsen lassen, bis die Bildgebung etwas darstellen kann. Es gibt lustigere Lebensphasen. Aber Danke für dein Statement, hat mir wieder ein Stückchen geholfen, das ganze zu relativieren.

                        Gruß Karl

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                          #27
                          Lieber Karl,

                          dein Erlebnis belegt, dass und warum eine individualisierte Aufklärung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles zu erfolgen hat.
                          Da reichen den Ärzten nur in Ausnahmefällen irgendwelche vorgefertigten Aufklärungsbögen (Thieme Compliance Erklärungen), um sich bei Eintritt
                          eines Schadens später freizeichnen zu können. Ebenso wenig reicht es, den Patienten lediglich auf die Packungsbeilage eines Medikamentes hinzuweisen.
                          Die dort jeweils enthaltenen Informationen sind lediglich genereller Art. Der Arzt muss solche generellen Informationen in einem zweiten Schritt jeweils
                          an die von ihm zu erfragenden persönlichen Umstände des Patienten anpassen.



                          Eine Reihe von zugesprochenen Schadensersatzleistungen -auch und gerade gerne außergerichtlich zur Vermeidung einer präjudiziellen Wirkung-
                          lassen viele Ärzte spätestens bei wiederholten Regressen zu Recht vorsichtiger und aufklärungsgenauer werden.
                          Häufig haben Betroffene aus nachvollziehbaren Gründen allerdings anderes im Sinn, als den Arzt in Anspruch zu nehmen.

                          Liebe Grüße
                          Silvia
                          https://de.myprostate.eu/?req=user&id=1097

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                            #28
                            Liebe Silvia,

                            nun tendiere ich dazu, unter widrigen Umständen bei suboptimalen Ergebnissen niemandem die Schuld zu geben. Prostatakrebs ist eine so unangenehme Krankheit, dass es am Vernünftigsten wäre, sie gar nicht erst zu bekommen. Hat man sie erst einmal, kann es nur noch um die Wahl von geringeren Übeln gehen. Als Arzt bleibt einem höchstens die Alternative, besser gar nicht erst Urologe zu werden.

                            Speziell was die radikale Prostatektomie anbelangt, sollten jedem Patienten die schwerwiegenden Folgen klar sein. Natürlich kann man sich nicht einfach so ein wesentliches Sexualorgan entfernen lassen, ohne dass hinterher die Sexualfunktion erheblich eingeschränkt wäre. Ich würde die nervschonende RP mit laktosefreier Milch vergleichen. Klingt erstmal viel besser, ist aber eher ein Einfall der Marketing-Abteilung, als ein grundlegend anderes Produkt.

                            Gruß Karl
                            Nur der Wechsel ist bestaendig.

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