Zitat von knut.krueger
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ich habe den - wie ich fand - etwas schwer zulesenden Artikel mit einem neuen Umbruch versehen (siehe unten). Dabei ist mir aufgefallen, dass das Ende zu fehlen scheint...
Herzliche Grüße
Schorschel
Hier nun der "umgebettete" Text":
Krebszellen haben oft zu viele ChromosomenJanuary 09, 2007Noch ist nicht ganz klar, was schief läuft, wenn eine normale Körperzelle zu einem Tumor heranwächst. Jetzt verfolgen Forscher eine alte Theorie. Der Forscher erlebt eine Renaissance und hat nichts mehr davon womöglich aber profitieren von seiner Entdeckung irgendwann Millionen Krebspatienten.
1914, ein Jahr vor seinem Tod, schaute Theodor Boveri mal wieder in sein Mikroskop. Im Fokus: Tumorzellen, die er zuvor isoliert hatte. Da fiel dem deutschen Biologen auf: Mit den Chromosomen der Zellen stimmte etwas nicht. In diese wurmartigen, meist X-förmigen Gebilde ist unser gesamtes Erbgut verpackt. Doch statt wie in gesunden Körperzellen üblich entdeckte Boveri in Krebszellen mehr als 46 Chromosomen, zuweilen 50 oder 60, die zudem oft seltsam aussahen. Seine Theorie: Ein Tumor beginnt mit einer Zelle, in der die Chromosomen instabil werden, worauf sich deren Zahl und Struktur verändern. Ein Phänomen namens «Aneuploidie».
Jahrzehntelang geriet das boverische Konzept in Vergessenheit. Doch nun graben Krebsforscher seine Thesen wieder aus in lupenreiner Form oder in modernen, modifizierten Versionen. «Chromosomale Instabilität und Aneuploidie beobachten wir sehr früh in der Tumorentstehung», erklärt Prasad Jallepalli, Tumorexperte des Memorial Sloan-Kettering-Center in New York. Das widerspricht fundamental dem derzeit geltenden Dogma der Krebsentstehung. Demnach bildet sich ein Tumor, nachdem Mutationen in bestimmten Genen aufgetreten sind, und zwar angehäuft in etwa einem halben Dutzend so genannter Krebs oder Tumorunterdrückungs-Gene. Daraufhin teilt sich diese Zelle unaufhaltsam, bis ihre Abkömmlinge immer bösartiger werden und schließlich auch andere Organe besiegeln meist das Todesurteil für die Patienten.
Auf Basis der Mutationsthese suchen Tumorforscher nach neuen Therapien. Doch trotz Milliardeninvestitionen und mehr als 100 experimenteller Medikamente, die krebskranke Versuchstiere heilen, ist die Bilanz ernüchternd. Die wenigen, bisher auf den Markt gekommenen neuen Medikamente können bei den dominierenden Krebsarten das Leben nur einiger Kranker um nur wenige Monate verlängern. Die Gen-Mutations-Hypothese ist «grundlegend fehlerhaft», urteilt der Genforscher George Miklos in der Fachzeitschrift «Nature Biotechnology» (Bd. 23, S. 535). Tatsächlich ist den etablierten Genforschern das final beweisende Experiment bis dato nicht geglückt: mutierte Krebs- oder Tumorunterdrückungs-Gene in eine normale, gesunde Zelle einzuschleusen und sie so in eine Tumorzelle zu verwandeln.
Etliche weitere Ungereimtheiten sind inzwischen auch Anhängern der Mutationsthese aufgefallen. So entdeckte der renommierte US-Krebsforscher Bert Vogelstein aus Baltimore, dass die meistuntersuchten Krebsgene cfos und cerbb in manchen Tumoren aktiviert sind, in anderen nicht. Mehr noch: Das Tumorunterdrückungs-Gen RB ist in manchen Darmtumoren nicht ausgeschaltet wie zu erwarten, sondern überaktiv. Zudem sind mittlerweile mehr als 115 dieser Erbfaktoren bekannt ein undurchschaubares Wirrwarr. Jüngste Studien zeigen: In häufigen Krebsarten wie Brust- oder Dickdarmtumoren weist jede Zelle etwa 90 mutierte Gene auf. Vom genetischen Muster her scheint jeder Tumor einzigartig ein Grund für die bescheidene Wirksamkeit neuer Medikamente.
Hingegen ist die Aneuploidie «die größte gemeinsame Eigenschaft von Krebs», erklärt Vogelsteins ehemaliger Mitarbeiter Christoph Lengauer. Fast alle Krebszellen sind aneuploid. Die entscheidende rage: Was entsteht zuerst – Mutationen oder Chaos der Chromosomen? Das Team der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore rückt nicht ganz vom Mutationskonzept als treibender Kraft der Krebsentstehung ab. Denn die US-Forscher gehen jetzt von so genannten Master-Genen aus, die in mutierter Form die Chromosomen destabilisieren sollen. Die Zellen können so ihre Chromosomen nur noch fehlerhaft kopieren. Folge: Die Mutationsrate in vielen anderen Genen steige erheblich. Als Master-Gene kämen nach ersten Untersuchungen auch einige der bekannten Krebsgene in Frage. Oder Gene, die für die Bewegung der Chromosomen bei der Zellteilung sorgen. «Wir wissen es noch nicht genau», klagt Jallepalli. Ebenso gut könnten statt Mutationen bestimmte chemische Veränderungen die Aktivität dieser Gene verändern und so die Aneuploidie verursachen.
Peter Duesberg von der Universität von Kalifornien geht noch einen Schritt weiter. Seine These: Zellen können aneuploid werden ohne jede Beteiligung von Krebsgenen. Duesberg hat Boveris Theorie als Erster wieder entdeckt, gilt aber in der Forscherszene als geächtet, weil er keinen Zusammenhang zwischen dem HI-Virus und der Immunschwäche Aids sieht. Dies ist nach allen Erkenntnissen unhaltbar.
Seine Arbeiten in der Krebsforschung indes erkennen auch einige Anhänger des Mutationskonzeptes an. Doch halten sie für undenkbar, dass Aneuploidie allein der erste Schritt der Krebsentstehung ist. Duesberg verweist auf seine Argumente. Beispiel: Etwa die Hälfte aller bekannten Krebs erregendenStoffe wie etwa Asbest, Nickel oder bestimmte Hormone lösen keine direkten Schäden an Krebsgenen aus. Vielmehr greifen sie massiv die Chromosomen an oder stören die Verteilung der Chromosomen bei der Zellteilung.
In Tierexperimenten wies das Team des Kaliforniers nach: Je bösartiger ein Tumor, desto mehr Chromosomen in einer Krebszelle und desto schwerer der Schaden. Zu viele Chromosomen töten die Zelle Indem sie nur ein einziges Gen für die akkurate Verteilung der Chromosomen bei der Zellteilung ausschalteten, lösten Forscher der Universität von Kalifornien in San Diego bei Mäusen massiv Tumore aus. «Aneuploidie kann Krebs verursachen», ist sich Studienleiter Don Cleveland sicher und verweist auf eine noch erstaunlichere Erkenntnis seines Teams. In Mäusen, denen eines der klassischen Tumorunterdrückungs-Gene fehlte, hat Aneuploidie Krebs verhindert. Offenbar, so Cleveland, kann ein Tumor von einer bestimmten Überzahl an Chromosomen profitieren. Verändert man aber diese optimale Anzahl, stürben die Zellen. Das eröffne neue Therapieoptionen. Cleveland will Tumorzellen in eine künstliche Aneuploidie und damit in den Tod treiben. Vogelstein setzt indes auf die Master-Gene als Ansatzpunkt für neue Behandlungen.
Schneller könnte die Diagnostik profitieren. Zellen mit instabilen Chromosomen lassen sich, so Vogelstein, bereits im Blut von Krebspatienten nachweisen. Aus der Prostata älterer Männer, erklärt Duesberg, könnte man in Vorsorgeuntersuchungen Gewebe entnehmen. Sind die Zellen nicht aneuploid, wartet man ab; sind sie es, wird der Tumor entfernt. Jede Tumorzelle scheint einzigartig zu sein und schwer zu bekämpfen.
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